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Ein Weinerzeuger der deutschen Moselregion verwendet die Angaben „Weingut“ und „Gutsabfüllung“ für Wein, den er aus Trauben erzeugt, die von Rebflächen stammen, die er etwa 70 km von seinem eigenen Betrieb entfernt gepachtet hat. Aufgrund eines Vertrags werden die angepachteten Rebflächen von ihrem Eigentümer nach den Vorgaben des namensgebenden Weinerzeugers angebaut. Nach der Weinlese steht eine angemietete Kelteranlage für einen Zeitraum von 24 Stunden ausschließlich für die Verarbeitung der Trauben von den gepachteten Rebflächen nach den önologischen Vorgaben des namensgebenden Weinerzeugers zur Verfügung. Dieser befördert anschließend den hergestellten Wein zu seinen Betriebsräumen. Nach Auffassung des Landes Rheinland-Pfalz darf der namensgebende Weinerzeuger die fraglichen Angaben nicht für den in den Betriebsräumen des anderen Weinerzeugers hergestellten Wein verwenden. Damit bestimmte Angaben, die wie beispielsweise „Weingut“ auf einen namensgebenden Weinbaubetrieb verweisen, verwendet werden dürfen, verlangt das Unionsrecht1 nämlich, dass das Weinbauerzeugnis ausschließlich aus Trauben gewonnen wird, die von Rebflächen dieses Betriebs stammen, und die Weinbereitung vollständig in diesem Betrieb erfolgt. Das deutsche Verwaltungsgericht, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist, hat den Gerichtshof zu der zuletzt genannten Voraussetzung befragt. Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass nach dem Unionsrecht die fraglichen Angaben, die eine höhere Qualität gewährleisten sollen, Weinbauerzeugnissen mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g. U.) oder geschützter geografischer Angabe (g. g. A.) vorbehalten sind. Das Verwaltungsgericht hat zu prüfen, ob die Rebflächen, die in 70 km Entfernung von dem namensgebenden Weinbaubetrieb angepachtet wurden, von dessen g. U. oder g. g. A. erfasst sind. Des Weiteren stellt der Gerichtshof fest, dass der Begriff des Betriebs und damit die Verwendung der fraglichen Angaben nicht auf die Flächen beschränkt ist, die im Eigentum des namensgebenden Weinerzeugers stehen oder sich in deren Nähe befinden. Sie können sich auch auf Rebflächen erstrecken, die an einem anderen Ort gepachtet sind, sofern die Arbeiten der Bewirtschaftung und Ernte der Trauben unter der tatsächlichen Leitung, der engen und ständigen Überwachung und der Verantwortung des namensgebenden Weinerzeugers erfolgen. Wenn diese Voraussetzungen bei der Kelterung in einer für einen kurzen Zeitraum bei einem anderen Betrieb angemieteten Kelteranlage erfüllt sind und diese Kelteranlage für die erforderliche Zeit ausschließlich dem namensgebenden Weinbaubetrieb zur Verfügung gestellt wird, dann kann davon ausgegangen werden, dass die Weinbereitung vollständig im namensgebenden Weinbaubetrieb erfolgt ist. Dieselben Voraussetzungen gelten darüber hinaus dann, wenn Mitarbeiter des die Kelteranlage vermietenden Weinbaubetriebs die Kelterung durchführen. Dieser Vorgang muss nach den eigenen Vorgaben des namensgebenden Weinbaubetriebs erfolgen. Dieser Betrieb darf sich nicht darauf beschränken, auf etwaige Anweisungen des die Kelteranlage vermietenden Weinbaubetriebs zu verweisen. Urt. v. 23.11.2023 - Az.: C-354/22: Weingut A Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 23.11.2023
Geklagt hatte eine Aktiengesellschaft, die für ihre Kunden - mehrheitlich nebenberuflich tätige Fachjournalisten - u. a. Presseausweise ausstellt. Sie ist nicht als ausgabeberechtigt für bundeseinheitliche Presseausweise anerkannt. Eine solche Anerkennung hatte die aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Innenministerkonferenz und dem Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. hierfür eingerichtete Ständige Kommission verweigert, weil die Klägerin nicht die darin geforderte Voraussetzung erfülle, dass ihre Kunden hauptberuflich als Journalisten tätig sind. Der bundeseinheitliche Presseausweis soll dem vereinfachten Nachweis der Pressezugehörigkeit gegenüber Behörden dienen. Neben ihm bestehen auch andere Möglichkeiten, die Pressezugehörigkeit nachzuweisen, etwa durch Presseausweise nicht anerkannter Verbände oder durch Redaktionsschreiben. Wegen der Verweigerung der Anerkennung der Klägerin durch die Ständige Kommission ist ein Verfahren am Verwaltungsgericht Berlin anhängig. Zugleich verlangte die Klägerin vom beklagten Land Nordrhein-Westfalen, die von ihr ausgestellten Presseausweise in gleicher Weise wie bundeseinheitliche Presseausweise anzuerkennen. Das Land lehnte dies ab. Die hiergegen erhobene Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Praxis des beklagten Landes zur Anerkennung von Presseausweisen verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten. Sie berührt nicht den Schutzbereich der von dieser geltend gemachten Pressefreiheit. Für das Funktionieren einer freien Presse ist es nicht notwendig, dass die u.a. von der Klägerin ausgegebenen Presseausweise in gleicher Weise anerkannt werden wie der bundeseinheitliche Presseausweis. Dieser kann den Zugang zu Behörden erleichtern, ist hierfür aber nicht Voraussetzung. In die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit der Klägerin hat der Beklagte nicht eingegriffen. Eine Maßnahme, die in Zielsetzung und Wirkung einem klassischen freiheitsbeschränkenden Eingriff gleichkäme, liegt hier angesichts der vom Oberverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellten geringfügigen Auswirkungen der Anerkennungspraxis nicht vor. Schließlich verstößt diese Praxis auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Zwar behandelt der Beklagte die Ausweise der von der Ständigen Kommission des Deutschen Presserats anerkannten Verbände generell anders als die Ausweise nicht anerkannter Verbände. Diese Ungleichbehandlung wird aber von einem hinreichenden sachlichen Grund getragen. Die Akzeptanz des bundeseinheitlichen Presseausweises als Grundlage einer erleichterten Legitimierung von Presseangehörigen setzt voraus, dass er nach einem einheitlichen Verfahren mit standardisierten Voraussetzungen und mit einheitlichem Erscheinungsbild ausgegeben wird. Das beklagte Land darf deshalb in seiner Praxis der Anerkennung von Presseausweisen danach differenzieren, ob der sie jeweils ausstellende Dienstleister oder Verband von der Ständigen Kommission als ausgabeberechtigt anerkannt worden ist. Ob diese Anerkennung von der Verpflichtung abhängig gemacht werden darf, den bundesweiten Presseausweis ausschließlich an hauptberufliche Journalisten zu vergeben, ist dafür unerheblich. Soweit die Klägerin die Verfassungsmäßigkeit der Anerkennungspraxis in Zweifel zieht, kann ihr Anspruch schon deshalb nicht bestehen, weil er eine Gleichbehandlung im Unrecht darstellte. BVerwG 10 C 2.23 - Urteil vom 23. November 2023 Vorinstanzen: Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 23.11.2023
Den Urteilen des Landgerichts Berlin lagen Klagen des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände zugrunde, die auf Untersagung der weiteren Nutzung von Preisanpassungsklauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Streaming-Anbieterinnen gerichtet waren. Die Streaming-Anbieterinnen hatten es sich in ihren AGB vorbehalten, nach billigem Ermessen einseitig die Preise ihrer Abonnement-Angebote ändern zu können, um gestiegenen Gesamtkosten Rechnung zu tragen. Das Landgericht Berlin hat den Klagen des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände stattgegeben und den Streaming-Anbieterinnen mit Urteilen vom 16. Dezember 2021 und vom 28. Juni 2022 die weitere Nutzung der Klauseln im Geschäftsverkehr mit Verbraucher*innen untersagt. Die Streaming-Anbieterinnen hatten gegen diese Entscheidungen Berufung eingelegt. Der 23. Zivilsenat des Kammergerichts hat mit seinen Urteilen vom heutigen Tag nun die Entscheidungen des Landgerichts bestätigt. Zur Begründung seiner Entscheidungen hat das Kammergericht hierbei im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einem berechtigten Interesse der Streaming-Anbieterinnen fehle, sich das einseitige Recht zur Preisanpassung vorzubehalten. Denn den Streaming-Anbieterinnen sei es ohne erheblichen Aufwand möglich, die Nutzer*innen bei jeder Nutzung des Dienstes um Zustimmung zu einem erhöhten Preis zu ersuchen. Bei mangelnder Zustimmung stehe es den Anbieterinnen frei, das Vertragsverhältnis zu kündigen. Überdies verstießen die Klauseln gegen das für Preisanpassungsklauseln allgemein gültige Gebot der Reziprozität, da sich die Anbieterinnen das Recht vorbehalten, die Preise zu erhöhen, wenn die Kosten steigen, sich aber nicht spiegelbildlich verpflichteten, bei sinkenden Kosten die Preise zu ermäßigen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zwar nicht zugelassen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, gegen die unterbliebene Zulassung der Revision innerhalb eines Monats ab förmlicher Zustellung der Urteile Beschwerde beim Bundesgerichtshof einzulegen. Kammergericht: Urteile vom 15. November 2023, Aktenzeichen 23 U 15/22 und 23 U 112/22 Quelle: Pressemitteilung des KG Berlin v. 15.11.2023
Der Kläger bot Dienstleistungen im Bereich des Online-Coachings und der Online-Unternehmensberatung für Frauen an. Die Parteien vereinbarten einen zwölfmonatigen Online-Kurs mit einer monatlichen Vergütung von 2.200,- EUR netto. Als Inhalt war u.a. vorgesehen: Das OLG Celle wies die Klage ab. Aufgrund der fehlenden FernUSG-Zulassung sei der Vertrag unwirksam: Der Gesetzgeber ging bei der Formulierung des Gesetzes von einem umfassenden und weiten Verständnis des Begriffs der Überwachung des Lernerfolgs aus. Der Lehrende oder sein Beauftragter sollte sich dabei schriftlicher Korrekturen ebenso wie begleitender Unterrichtsveranstaltungen oder anderer Mittel bedienen können. Deshalb kommt auch eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts als hinreichende Überwachung des Lernerfolgs, z. B. durch Frage und Antwort, in Betracht (…) Nach diesen Kriterien ist eine vereinbarte Überwachung des Lernerfolgs nach dem verschriftlichten Inhalt des Vertrags (…) zwar nicht mit Sicherheit festzustellen. Mit der Beklagten und dem Landgericht ist festzuhalten, dass die vom Kläger geschuldeten Leistungen vage und kaum hinterfragbar sind. Zudem ist den schriftlichen Ausführungen nicht zu entnehmen, dass die Beklagte irgendwelche Prüfungsaufgaben erhalten sollte oder sie die Gelegenheit hätte, sich über ihren Lernerfolg beim Kläger rückzuversichern. Selbst wenn sie Kontakt zu dem Kläger in der im Vertrag näher dargestellten Form (wöchentliche Live Calls und 1:1 Calls auf Abruf) bekommen konnte, lässt dies noch nicht darauf schließen, was Inhalt dieser Gespräche gewesen wäre. Die Beklagte hat mit der Berufungserwiderung allerdings (…) vorgetragen, dass in dem aufgezeichneten Videotelefonat vom 8. Oktober 2021, das gem. Ziffer 4 der Auftragsbestätigung Vertragsinhalt geworden ist, der Kläger darauf hingewiesen hat, es gäbe Sprechstunden, einen WhatsApp-Support, in dem sie Fragen stellen könne, und sie Zugang zu der Akademie habe, die Videos, Dokumente, Checklisten und Prüfungen beinhalte. Dies reicht aus, um nach den o.g. Maßstäben eine Überwachung des Lernerfolgs zu bejahen. Soweit der Kläger hierzu vorträgt, es erfolge keine Kontrolle, vielmehr stelle das Lernportal nur automatisch fest, ob ein Videokursabschnitt angesehen wurde, und schalte dann das nächste Modul frei, ist dies unerheblich, weil sich die Angabe des Klägers im Videotelefonat nicht hierauf bezog. Der Einwand, es gebe nur Dokumente und Checklisten, aber keine individuellen Prüfungsaufgaben, ist unerheblich, weil individuelle Prüfungsaufgaben nicht Voraussetzung für eine Überwachung des Lernerfolgs sind. Vielmehr reicht die - hier angebotene - Möglichkeit zur Rücksprache aus." Gegen eine Anwendung nur auf Verbraucher streitet jedoch Folgendes: Das FernUSG verwendet (…) den Begriff des Verbrauchers nicht. Insbesondere gibt es - anders als z. B. in § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. und § 6 Nr. 1 HWiG a.F. - keine gesonderte Vorschrift, die die Anwendung des Gesetzes im Ergebnis explizit nur für Verbraucherverträge vorschreibt. Für eine Anwendung des Gesetzes auch auf Unternehmer spricht ferner das Verständnis der Praxis. So enthalten z. B. die im Internet auf der jeweiligen Homepage einsehbaren Fernunterrichtsverträge zum Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung eine Zulassung der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (z. B. bei Deutsche Anwalt Akademie und AK Jura, Wolters/Kluwer). Dies wäre nicht notwendig, wenn eine Anwendung des FernUSG auf Anwälte, die gem. § 2 Abs. 1 BRAO einen freien Beruf ausüben und damit Unternehmer i. S. v. § 14 BGB sind, nicht in Betracht kommt. Zudem gibt es für den Fernunterrichtsvertrag der Deutsche Anwalt Akademie eine Widerrufsbelehrung, die an sich nur für Verbraucher erforderlich wäre. (3) Der Senat hält letzteres Verständnis für zutreffend (…). Ausschlaggebend hierfür ist, dass das Gesetz keine ausschließliche Anwendung auf Verbraucher vorsieht und auch eine teleologische Auslegung kein eindeutiges Ergebnis ergibt. Denn die Regelungen des FernUSG können in dem Kontext, in dem sie verabschiedet wurden, auch so verstanden werden, dass sie zum Schutz der Verbraucher getroffen wurden, sofern diese einen Fernunterrichtsvertrag abschließen, ohne Unternehmer auszuschließen; diese sollten gleichfalls von den getroffenen Regelungen profitieren. Soweit § 3 Abs. 3 FernUSG eine gesonderte Belehrung für Verbraucher vorsieht, ist dies nur der Umsetzung des Verbraucherschutzes geschuldet. Zudem sollte das FernUSG der "Enttäuschung der Bildungswilligkeit" vorbeugen und ging von einer erheblich höheren Schutzbedürftigkeit des Teilnehmers am Fernunterricht im Verhältnis zu demjenigen am Direktunterricht aus (BT-Drs. 7/4245, S. 12f.), stellte also nicht auf die Eigenschaft des Teilnehmers als Verbraucher ab." Es bleibt abzuwarten, ob sich auch die übrige Rechtsprechung dieser Rechtsansicht anschließen wird. Wäre dies der Fall, dann dürfte dies insbesondere den Finanz-Bereich treffen, wo in den letzten Jahren zahlreiche Finanz-Influencer ihre entgeltpflichtigen Coaching-Kurse anbieten. Ein Großteil der Anbieter verfügt nämlich über keine FernUSG-Zulassung. Auf der Webseite der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht gibt es die Möglichkeit der Suche, ob ein Kurs zugelassen wurde.
Die Verlagsbranche lässt nicht locker und wehrt sich weiterhin gegen den Werbeblocker Adblock Plus. Der Streit begann um das Jahr 2015 herum. Damals gingen viele Verlage gegen das Unternehmen mit wettbewerbsrechtlichen Argumenten vor. Im Jahr 2018 entschied der BGH dann, dass das Angebot wettbewerbskonform ist, vgl. unsere Kanzlei-News v. 20.04.2018. Seitdem stützen sich die Kläger primär auf urheberrechtliche Ansprüche, so auch im vorliegenden Fall vor dem OLG Hamburg. Aber auch damit drang das klägerische Verlagshaus nicht durch. Die Hanseaten wiesen die Klage ab, da keine Urheberrechtsverletzung vorliege: aaa. Es kann mit dem Landgericht offenbleiben, ob die Dateien, die beim Abruf der Webseiten der Klägerin bzw. ihrer Tochterfirmen an die Nutzer übermittelt werden, als Computerprogramme i.S.d. § 69a UrhG geschützt sind. Dies kann allerdings durchaus zweifelhaft sein. Neben der Eigenschaft als Computerprogramm bedarf es für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der Programmierung einer Webseite auch einer Beurteilung, inwieweit das erstellte Programm keine ganz einfache handwerklich-technische Gestaltung aufweist (…). Letztlich nimmt die Rechtsprechung für komplexe Computerprogramme zwar eine tatsächliche Vermutung der Schutzfähigkeit an (…). Indes bestehen moderne Webseiten aus einer Vielzahl von technisch voneinander klar abgegrenzten Einzelelementen, wie Bildern, Texten, Grafiken, Videos und ggf. auch im HTML-Dokument enthaltener Software wie JavaScript-Applets oder PHP-Code (…). In diesen Fällen kann den betreffenden Komponenten durchaus Urheberrechtsschutz zukommen. Ob aber durch den Einsatz von solchen Softwarebestandteilen im HTML-Dokument bei der Webseite insgesamt von einem Computerprogramm auszugehen ist, ist bisher - soweit ersichtlich - nicht entschieden worden. Dies kann jedenfalls dann nicht der Fall sein, wenn diese Softwarebestandteile nicht prägend für den Quellcode der Webseite sind. Schon aus diesem Grund wird ein Eingriff in einen Programmschutz durch Werbeblockersoftware häufig nicht gegeben sein (…). bbb. Auch kann mit dem Landgericht dahinstehen, ob die Klägerin hinsichtlich dieser Programme über ausschließliche Nutzungsrechte verfügt und damit aktivlegitimiert ist. Die Klägerin beruft sich insoweit darauf, dass die jeweiligen Webseiten von Mitarbeitern der WeltN24 GmbH, der Bild GmbH bzw. der Computer Bild Digital GmbH weisungsgemäß entwickelt und individuell programmiert worden seien. Die unbeschränkten ausschließlichen Nutzungsrechte an der Webseitenprogrammierung seien ihr eingeräumt worden. Demgegenüber wenden die Beklagten ein, dass die auf den streitgegenständlichen Webseiten referenzierten JavaScripts und PHP-Passagen größtenteils nicht von der Klägerin stammten, sondern vollständig von Drittunternehmen entwickelt und in einer Vielzahl von anderen Webseiten ebenfalls verwendet worden seien. Insoweit läge das Fehlen einer Aktivlegitimation mangels eines ausschließlichen Nutzungsrechts nahe." (1) Es liegt, wie vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, keine unberechtigte Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG vor. (…) Die im Anschluss an das Speichern des Webseitenprogramms erfolgenden Vorgänge, die durch „AdBlock Plus“ erzeugt werden und die dazu führen, dass die Einblendung von Werbung unterbleibt, stellen keine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG dar. (…) Bereits der Wortlaut von § 69c Nr. 2 UrhG spricht dafür, dass als Umarbeitung nur eine Änderung der Programmsubstanz anzusehen ist. (…) Die seitens der Klägerin übermittelten Dateien (u.a. HTML-Dokumente) werden durch das Programm „AdBlock Plus“ nicht geändert. Das Programm hat aber, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, Auswirkungen auf die Datenstrukturen, die vom Browser erzeugt werden. Einzelne Programmbefehle der Klägerin werden blockiert oder überschrieben. Unstreitig werden der DOM-Datenbaum und - in der Variante des „Element Hiding“ - auch die CSS-Datenstrukturen (u.a. CSSOM) jedenfalls anders erstellt als dies von der Klägerin intendiert ist. (…) Bei den durch „AdBlock Plus“ bewirkten Handlungen, die sich auf die Datenstrukturen auswirken, handelt es sich nicht um Umarbeitungen i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. Vielmehr sind die Handlungen als Eingriffe in den Ablauf des Programms zu werten, die nicht von § 69c Nr. 2 UrhG erfasst sind. Es geht um eine individuelle Konfiguration und insoweit um eine zustimmungsfreie bestimmungsgemäße Benutzung i.S.d. § 69d Abs. 1 UrhG. Eine Pflicht, Inhalte auf eine bestimmte Art zu rezipieren, besteht nicht (…). Wie die Beklagten zutreffend geltend machen, sind die temporären Datenstrukturen DOM-Knotenbaum, CSSOM und Render Tree jeweils nicht Teil der Programmsubstanz. Sie werden vom Browser lediglich als temporäre Datenstrukturen im Rahmen der Darstellung des HTML-Dokuments berechnet und haben weder statischen noch befehlsartigen Charakter. Der technisch untermauerte Vorwurf der Klägerin beschränkt sich im Kern darauf, dass der DOM-Knotenbaum, der CSSOM und der Render Tree vom Computerprogramm „Browser“ bei aktiviertem „AdBlock Plus“ gar nicht erst so erstellt werden, wie von der Klägerin erwünscht. Damit liegt indes keine Substanzveränderung vor. Etwas, das noch gar nicht erstellt worden ist, kann letztlich, wie die Beklagten zutreffend geltend machen, nicht in seiner Substanz verändert werden. Die Substanz der seitens der Klägerin bereitgestellten Dateien (u.a. HTML-Datei) bleibt unberührt." Eine fremde Webseite verletzte die Urheberrechte an unterschiedlichen Musikstücken. Cloudflare stellte für diese Page sowohl die Dienste eines CDN als auch eine DNS-Resolvers auf. Nun stellte sich die Frage, ob das bekannte US-Unternehmen für die Verstöße mitverantwortlich gemacht werden könne. 1. Cloudflare als CDN-Anbieter: Hier bejahte das OLG Köln eine Haftung, weil Cloudflare sogar als Mittäterin agiere: Unter Berücksichtigung des spezifischen Kontextes ist es angemessen, für die Beurteilung der Vorsätzlichkeit auf die Verkehrspflichten eines Hostproviders abzustellen und nicht auf die Verkehrspflichten, die der BGH für den lediglich allgemein den Zugang zum Internet vermittelnden Accessprovider entwickelt hat." Anders als bei den CDN-Dienstleistungen hafte Cloudflare hier weder als Täter noch als Mitstörer, da dem Unternehmen entsprechende Haftungsprivilegien zugutekämen. Der DNS-Resolver der Beklagten spielt nach dem spezifischen Kontext keine „zentrale Rolle“ dafür, dass das streitbefangene Musikalbum in Internet frei geteilt werden konnte. Für das Auffinden der IP-Adresse über den Domainnamen war die Nutzung des DNS-Resolvers der Beklagten weder erforderlich, noch erleichtert dieser den Zugang. Eine Auflösung des Domainnamens in die IP-Adresse konnte ebenso einfach über jeden anderen DNS-Resolver erfolgen. Der öffentliche DNS-Resolver 1.1.1.1 der Beklagten ist nur einer von vielen frei zugänglichen DNS-Resolvern, von denen der bekannteste und am meisten genutzte der Google Public DNS-Resolver 8.8.8.8 ist. Der DNS-Resolver der Beklagten hatte daher für die Zugänglichkeit des rechtsverletzenden Inhalts der streitbefangenen Domain keine nennenswerte Relevanz." Danach sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie - wie hier - die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben und mit dem Nutzer ihres Dienstes nicht zusammenarbeiten, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Sofern die Diensteanbieter nicht verantwortlich sind, können sie insbesondere nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Unterlassung einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen werden; dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche, § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG."
Insgesamt sind bei dem Senat mittlerweile über 100 Fälle anhängig – bundesweit soll es mehr als 6.000 Verfahren geben. Bereits im Dezember stehen weitere Verkündungstermine an. Die Kläger machen gegenüber Meta (vormals Facebook) jeweils mehrere Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geltend, nachdem es ab 2018 zu einem Datenabgriff kam, bei dem persönliche Daten der Kläger ausgelesen und mit deren Handynummer verknüpft wurden. Insgesamt wurden 2021 weltweit 533 Millionen entsprechende Datensätze im Darknet veröffentlicht. Die Kläger verlangen immateriellen Schadenersatz wegen Verstößen gegen die DSGVO, die Feststellung einer künftigen Ersatzpflicht, Unterlassung der Zugänglichmachung der Daten ohne Sicherheitsmaßnahmen, Unterlassung der Verarbeitung der Telefonnummer und (weitere) Auskunft über die abgegriffenen Daten. Zwischen den Parteien besteht dabei an vielen Positionen Streit. Entscheidung des Senats Der Senat hat die Klagen überwiegend abgewiesen, lediglich der Feststellungsantrag hatte Erfolg. Für den Anspruch auf Schadenersatz wegen Art. 82 Abs. 1 DSGVO konnte der Senat eine spürbare immaterielle Beeinträchtigung der jeweiligen Kläger nicht feststellen. Art. 82 Abs. 1 DSGVO gewährt einen Anspruch auf Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens, wenn bezüglich des betroffenen Klägers ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt, der einen Schaden verursacht hat. Der Begriff des konkret festzustellenden Schadens erfordert eine einheitliche europarechtliche Definition, wobei nach den Erwägungsgründen zur DSGVO der Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten, die Einschränkung von Rechten, Diskriminierung, Identitätsdiebstahl oder -betrug, finanzielle Verluste, unbefugte Aufhebung der Pseudonymisierung, Rufschädigung, Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten oder andere erhebliche wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachteile für die betroffene natürliche Person genügen sollen. Der Europäische Gerichtshof hat insoweit vorgegeben, dass für das Vorliegen eines Schadens keine Erheblichkeits- oder Bagatellschwelle gilt. Nach der Anhörung der Kläger – die nicht ausreichend schriftsätzlich vorgetragen hatten – konnte der Senat eine tatsächliche immaterielle Beeinträchtigung nicht feststellen, weil bloße Lästigkeiten und Unannehmlichkeiten geschildert wurden und der bloße Kontrollverlust noch keine Beeinträchtigung begründet. Der weiterhin geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung hatte aus Rechtsgründen keinen Erfolg, weil die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. BGH, Urteil vom 12.10.2021, VI ZR 488/19 Rn. 69) davon ausgeht, dass Ansprüche aus §§ 823, 1004 BGB nach deutschem Recht durch Art. 17 DSGVO gesperrt sind. Art. 17 DSGVO normiert jedoch lediglich einen Anspruch auf Löschung und (erneute) Speicherung, räumt jedoch keine Rechte bezüglich der Datenverarbeitungsvorgänge ein, weil dem Verantwortlichen für die Datenverarbeitung keine Verarbeitungsmethoden vorgegeben werden können. Auch der Auskunftsantrag wurde abgewiesen: Die Beklagte hat Auskunft erteilt. Bezüglich der Frage der Empfänger der Daten wurde eine Unmöglichkeit der Auskunft angenommen, weil die Beklagte unwidersprochen geltend gemacht hat, dass sie diese nicht kennt und ermitteln konnte. Die beantragte Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht hatte in einem der zwei Verfahren Erfolg. Der Senat hat insbesondere Verstöße gegen Art. 5 Abs. 1 f) DSGVO (Wahrung von Integrität und Vertraulichkeit) und Art. 25 Abs. 2 DSGVO (fehlende datenschutzfreundliche Voreinstellungen) festgestellt. Durch die vorhandene Möglichkeit eines Zugriffs auf die persönlichen Daten im sogenannten Kontakt-Import-Tool wurde gegen Art. 5 Abs. 1 f) DSGVO verstoßen. Die Voreinstellung einer Zugriffsmöglichkeit, die aktiv abgewählt werden muss, verstößt gegen das Verbot eines Opt-Out-Modells. Verfahrensfortgang Im Hinblick auf Abweichungen von einem Urteil des OLG Hamm (Urteil vom 15.08.2023, 7 U 19/23) und den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof (vom 26.09.2023; VI ZR 97/22) hat der Senat in dem teilweise erfolgreichen Fall (4 U 20/23) die Revision zugelassen. Im zweiten Fall ist die Klage aus tatsächlichen Gründen vollständig abgewiesen worden. Aktenzeichen Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 22.11.2023
Die Beklagte betrieb ein Online-Portal, auf dem sie für deutsche Verbraucher einen Vergleich von spanischen Mietwagenunternehmen anbot. Der Kunde konnte jeweils auch eine Buchung vornehmen. Auf der Webseite wurde mit der Aussage geworben: Das LG Frankfurt a.M. stufte dies als irreführend ein: Mit dieser unzutreffenden Behauptung erzeugte die Beklagte einen Eindruck von ihrer Leistungsfähigkeit und dem Umfang ihres Angebotes, der den tatsächlichen Gegebenheiten nicht standhielt. Insbesondere erweckte die Beklagte den Eindruck, dass es sich für einen Verbraucher nicht lohne, eine weitergehende Recherche zu Mietwagenangeboten durchzuführen, da die Beklagte ohnehin einen Vergleich unter allen Anbietern gewährleisten könne. Die Aussage war danach dazu geeignet, den Verbraucher von der Konsultation weiterer Anbieter abzuhalten und ihn danach zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls, nämlich in Kenntnis der tatsächlichen Umstände, nicht getroffen hätte." Ein an einer GmbH beteiligtes Unternehmen zahlte den beiden Prokuristen der GmbH Beträge von 50.000 Euro bzw. rund 1,3 Mio. Euro und bezeichnete die Zahlungen als "Trinkgelder". Die Prokuristen machten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen geltend, dass die Zahlungen als Trinkgelder nach § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei seien. Die Beträge seien ihnen im Zusammenhang mit Beteiligungsveräußerungen von einem Dritten freiwillig und ohne einen Rechtsanspruch zusätzlich zu dem von der GmbH als Arbeitgeberin gezahlten Arbeitslohn gewährt worden. Das Finanzamt behandelte die Beträge als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Freiwillige Sonderzahlungen konzernverbundener Unternehmen seien keine steuerfreien Trinkgelder. Auch wenn die für das Streitjahr geltende Fassung des Einkommensteuergesetzes keine betragsmäßige Begrenzung mehr enthalte, sei die Höhe der Zahlungen zu berücksichtigen. Der Trinkgeldbegriff werde durch den Trinkgeldempfänger geprägt. Trinkgelder würden traditionell insbesondere Kellnern, unselbstständigen Boten, Friseuren, Fußpflegern, Gepäckträgern und Taxifahrern gewährt. Es handele sich regelmäßig um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eher niedriger entlohnten Berufen, die solche Zusatzleistungen regelmäßig nur als geringe Beträge erhielten. Geldgeschenke von hohem Wert oder die einem Arbeitsentgelt entsprächen seien dagegen kein Trinkgeld. Hiergegen richteten sich die von den Prokuristen erhobenen Klagen. Die Klagen hatten keinen Erfolg. Die Richter des 9. Senats folgten der Ansicht des Finanzamts. Die Zahlungen seien schon aufgrund ihrer Höhe, aber auch mit Blick auf die Gesamtumstände keine steuerfreien Trinkgelder. Auch wenn der Gesetzgeber im Jahr 2002 die damals noch enthaltene Freibetragsgrenze in Höhe von 1.224 Euro abgeschafft habe, habe er nicht beabsichtigt, dem Begriff des Trinkgelds keinerlei betragsmäßige Begrenzung mehr zuzuschreiben. Die Zahlungen in Höhe von 50.000 Euro bzw. rund 1,3 Mio. Euro überstiegen jedenfalls deutlich den Rahmen dessen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld verstanden werden könne. Die Entscheidungen sind rechtskräftig. 9 K 2507/20 und 9 K 2814/20 Quelle: Pressemitteilung des FG Köln v. 27.11.2023
Seit dem 01.07.2022 muss jeder Webseiten-Betreiber, der Verbrauchern Dauerschuldverhältnisse anbietet, einen Kündigungsbutton haben. Nach § 312k BGB muss dieser Kündigungsbutton wie folgt ausgeschaltet sein: Nach dem Klick auf die Schaltfläche erscheinen im oberen Bereich der Webseite zu unterschiedlichen Themen (z.B. “Angebote & Pakete”, “Top Unterhaltung” oder “Live Sport”). Diese einzelnen Themenbereiche waren fett hervorgehoben Unterhalb von diesen insgesamt 58 Links befand sich in kleinerer und grauer Schrift (RGB-Wert 74,74,74) eine Schaltfläche mit der Aufschrift "Kündigen“. Diese Schaltfläche befand sich auf der unteren rechten Seite. Das LG München I stufte dies als rechtswidrig ein. Und zwar gleich aus zwei Gründen. 1. Kündigungsbuttons in kleiner, grauer Schrift: Der erste Rechtsverstoß liege darin, dass der Kündigungsbutton in kleinerer Schrift als der Rest der Links und zudem auch noch in grauer Schrift gehalten sei: Die Kombination dieser beiden Gegebenheiten führt dazu, dass die Aufschrift .Kündigen* nicht gut lesbar ist. An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass die Webseite der Beklagten nicht rein in grau ausgestaltet ist. Es sind beispielsweise farbige Bilder eingefügt Außerdem ist der Angebotsschaltfläche blau unterlegt und damit gegenüber dem Fließtext farblich hervorgehoben. Dieser Button kann gut gelesen werden. Nach dem Sinn und Zweck des § 312k BGB sollte der Verbraucher ein Rechtsgeschäft, das auf eine dauerhafte rechtliche Beziehung ausgelegt ist, genauso leicht kündigen können wie er den Vertrag abschließen konnte. (…) Der Angebotslink, über den die Verbraucher die Produkte der Beklagten sehen können und Verträge abschließen können, ist auf Grund seines blauen Hintergrunds gut lesbar, wohingegen der Kündigungsbutton in der kleinen und grauen Schrift weniger gut lesbar ist." Die zweite Rechtsverletzung liege darin, dass die Kündigungsschaltfläche überhaupt erst dann auftauche, wenn der Kunde den Link “Weitere Links einblenden” geklickt habe. Dies genüge nicht dem Kriterium der Unmittelbarkeit: Wenn der Verbraucher die Domain der Beklagten im Internet eingibt gelangt er auf die Hauptwebseite der Beklagten und findet dort mehrere Schaltflächen, von denen keine einen Kündigungsbutton darstellt. Erst hinter der Schaltfläche „Weitere Links einblenden" erscheint der Link mit dem Kündigungsbutton. Dieser Kündigungsbutton ist jedoch erst unter einer Vielzahl (58 Unks insgesamt) von weiteren Links ersichtlich. (…) Erst am Ende all dieser Links befindet sich der Kündigungsbutton und zwar am rechten unteren Rand in der letzten Zeile in der Reihe mit den Button “Impressum”, “Kontakt”, “Datenschutz & Cookies”, “Nutzungsbedingungen” und “AGB”. Der durchschnittliche Verbraucher ist folglich nicht in der Lage ohne erheblichen Aufwand den Kündigungslink unter den vielen weiteren Schaltflächen zu finden. Die Schaltflächen, die nach dem Klick auf den “Weitere Links einblenden”-Button erscheinen, beschäftigen sich mit völlig unterschiedlichen Themenbereichen. Auch dies ermöglicht es dem Verbraucher nicht, in übersichtlicher Weise den Zugang zur Kündigungsschaltfläche leicht zu finden."
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Newsletter
vom 29.11.2023
Betreff:
Rechts-Newsletter 49. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr
1. EuGH: Darf Weinerzeuger eigenes Weingut-Label auch dann benutzen, wenn er Herstellung outgesourct hat?
2. BVerwG: Keine Anerkennung von Journalisten-Presseausweisen mit bundeseinheitlichem Presseausweis
3. KG Berlin: Preisanpassungsklausel von Netflix und Spotify rechtswidrig
4. OLG Celle: Online-Coaching-Verträge müssen FernUSG-Zulassung haben, auch im B2B-Bereich
5. OLG Hamburg: Keine Urheberrechtsverletzung durch Werbeblocker AdBlock Plus
6. OLG Köln: Cloudflare haftet als Content Delivery Network für fremde Urheberrechtsverletzungen
7. OLG Stuttgart: Kein DSGVO-Schadensersatz für Scraping-Vorfälle bei Facebook
8. LG Frankfurt a.M.: Online-Vergleichsportal, das mit "alle Anbieter" wirbt, muss beim Preisvergleich auch alle berücksichtigen
9. FG Köln: Zahlungen iHv. 1,3 Mio. EUR sind kein steuerfreies Trinkgeld
10. LG München I: Kündigungsbutton von Sky rechtswidrig
Die einzelnen News:
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1. EuGH: Darf Weinerzeuger eigenes Weingut-Label auch dann benutzen, wenn er Herstellung outgesourct hat?
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Ein Weinerzeuger darf seinen eigenen Weinbaubetrieb auch dann angeben, wenn die Kelterung in den Betriebsräumen eines anderen Weinerzeugers erfolgt. Dies setzt allerdings voraus, dass während der erforderlichen Zeit nur der namensgebende Weinerzeuger die angemietete Kelteranlage nutzt und die Kelterung unter seiner Leitung und seiner engen und ständigen Überwachung stattfindet (EuGH, Urt. v. 23.11.2023 - Az.: C-354/22).
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2. BVerwG: Keine Anerkennung von Journalisten-Presseausweisen mit bundeseinheitlichem Presseausweis
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Ein Unternehmen, das Dienstleistungen für Journalisten anbietet, kann nicht die Gleichstellung der von ihm ausgestellten Presseausweise mit dem bundeseinheitlichen Presseausweis beanspruchen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
OVG Münster, OVG 15 A 105/19 - Urteil vom 26. August 2021 -
VG Düsseldorf, VG 1 K 18527/17 - Urteil vom 19. November 2018 -
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3. KG Berlin: Preisanpassungsklausel von Netflix und Spotify rechtswidrig
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Der 23. Zivilsenat des Kammergerichts hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2023 mit seinen heute in öffentlicher Sitzung verkündeten Berufungsurteilen die Berufungen von zwei führenden Streaming-Anbieterinnen gegen zwei Urteile des Landgerichts Berlin zurückgewiesen und damit die Urteile des Landgerichts bestätigt.
Landgericht: Urteile vom 16. Dezember 2021, Aktenzeichen 52 O 157/21, und vom 28. Juni 2022, Aktenzeichen 52 O 296/21
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4. OLG Celle: Online-Coaching-Verträge müssen FernUSG-Zulassung haben, auch im B2B-Bereich
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Online-Coaching-Verträge müssen eine entsprechende Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) verfügen. Dies gilt auch dann, wenn der Kunde selbst Unternehmer (B2B-Bereich) ist. Liegt keine FernUSG-Zulassung vor, so ist der vereinbarte Kontrakt unwirksam (OLG Celle, Urt. v. 01.03.2023 - Az.: 3 U 85/22).
"- Wöchentliche Life Calls (7 Stück)
- 1:1 Calls auf Abruf
- WhatsApp Support
- Mitgliederbereich
- klare Positionierung
- Frauen im Verkauf und Professionalität nach außen
- (…) Verkaufsprozess, Optimierung und Skalierung
- Mitarbeiter Recruiting und Führung"
Im weiteren Verlauf wollte die Beklagte nicht mehr länger an dem Vertrag festhalten. Daraufhin erhob der Coaching-Anbieter Zahlungsklage.
"Für die Anwendbarkeit des FernUSG ist ferner erforderlich, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG notwendige Voraussetzung der Überwachung des Lernerfolgs beinhaltete. Dies ist gegeben.
Das FernUSG finde auch im B2B-Bereich Anwendung, so die Richter:
"Der Anwendbarkeit steht nicht entgegen, dass das FernUSG nur auf mit Verbrauchern abgeschlossene Fernunterrichtsverträge Anwendung fände; dies ist nicht der Fall. (…)
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Praktische Konsequenz eines Verstoßes gegen das FernUSG ist, dass der geschlossene Vertrag nichtig ist und kein Vergütungsanspruch des Anbieters besteht. Bezahlte Entgelte müssen u.U. wieder zurückgezahlt werden.
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5. OLG Hamburg: Keine Urheberrechtsverletzung durch Werbeblocker AdBlock Plus
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Der Werbeblocker Adblock Plus verstößt nicht gegen das Urheberrecht (OLG Hamburg, Urt. v. 24.08.2023 - Az.: 5 U 20/22).
"aa. Im vorliegenden Fall liegt keine unberechtigte Vervielfältigung und/oder Umarbeitung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen i.S.d. §§ 69a, 69c Nr. 1 und 2 UrhG vor.
Und weiter:
"ccc. Jedenfalls haben die Beklagten jedoch die Rechte der Klägerin an den Programmen zur Erstellung der Webseiten nicht verletzt. Die Beklagten sind nicht - gemeinsam mit dem jeweiligen Nutzer - Mittäter einer Urheberrechtsverletzung.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Das OLG Hamburg hat die Revision zum BGH zugelassen. Es ist also damit zu rechnen, dass es auch in dieser Frage in absehbarer Zeit zu einer BGH-Entscheidung kommen wird.
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6. OLG Köln: Cloudflare haftet als Content Delivery Network für fremde Urheberrechtsverletzungen
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Cloudflare haftet als Content Delivery Network (CDN) für fremde Urheberrechtsverletzungen (OLG Köln, Urt. v. 03.11.2023 - Az.: 6 U 149/22).
"Der Nameserver der Beklagten und das (…) CDN spielen für das Zugänglichmachen der rechtsverletzenden Inhalte eine „zentrale Rolle“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, weil die Beklagte als technische Inhaltelieferantin („Content-Delivery…“) unmittelbar kausal tätig wird (…). Solange das Vertragsverhältnis zwischen dem Webseitenbetreiber (…) und der Beklagten bestand, war ein Zugriff auf die Links, über die wiederum der urheberrechtswidrige Inhalt abgerufen werden konnte, ausschließlich über das CDN der Beklagten möglich. (…)
2. Cloudflare als DNS-Resolver:
"Nach diesen Maßstäben scheidet eine täterschaftliche Haftung der Beklagten für den DNS-Resolver schon im Ansatz aus.
Und weiter:
"Im Übrigen kann sich die Beklagte bezüglich des DNS-Resolvers, der als Schnittstelle zwischen Nutzer und Nameservern der reinen Zugangsvermittlung dient und insoweit nur Informationen durchleitet, auf die Haftungsprivilegierung des § 8 Abs. 1 TMG berufen.
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7. OLG Stuttgart: Kein DSGVO-Schadensersatz für Scraping-Vorfälle bei Facebook
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Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute in zwei Urteilen über Ansprüche im Zusammenhang mit einem Datenleck bei Facebook (Scraping) entschieden.
OLG Stuttgart - 4 U 17/23 (Vorinstanz: LG Stuttgart - 53 O 95/22)
OLG Stuttgart - 4 U 20/23 (Vorinstanz: LG Heilbronn - 8 O 131/22)
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8. LG Frankfurt a.M.: Online-Vergleichsportal, das mit "alle Anbieter" wirbt, muss beim Preisvergleich auch alle berücksichtigen
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Ein Online-Vergleichsportal, das mit der Aussage "alle Anbieter" wirbt, muss beim Preisvergleich auch alle Unternehmen am Markt berücksichtigen. Andernfalls liegt ein Wettbewerbsverstoß vor (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 01.09.2023 - Az.: 3-10 O 11/23).
“Wir suchen unter allen Mietwagenunternehmen Spanien nach den besten Preisen für Sie.”
Es wurden jedoch tatsächlich nicht alle Anbieter am Markt berücksichtigt.
“Die Beklagte hat den Verbraucher auf ihrer Webseite mit dem Satz „Wir suchen unter allen Mietwagenunternehmen Spanien nach den besten Preisen für Sie.“ irregeführt (…), da diese Werbeaussage unstreitig fasch gewesen ist.
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9. FG Köln: Zahlungen iHv. 1,3 Mio. EUR sind kein steuerfreies Trinkgeld
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Zahlungen in Höhe von 50.000 Euro bzw. rund 1,3 Mio. Euro sind regelmäßig keine steuerfreien Trinkgelder. Dies hat der 9. Senat des Finanzgerichts Köln mit seinen heute veröffentlichten Urteilen vom 14.12.2022 entschieden (Aktenzeichen 9 K 2507/20 und 9 K 2814/20).
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10. LG München I: Kündigungsbutton von Sky rechtswidrig
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Der seit dem 01.07.2022 verpflichtende Kündigungsbutton für Anbieter von Online-Dauerschuldverhältnissen ist nur dann rechtmäßig, wenn er unmittelbar und leicht zugänglich ist. Ist der Kündigungsbutton erst ersichtlich, wenn ein Nutzer eine Schaltfläche zuvor anklickt, genügt dies nicht den gesetzlichen Anforderungen (LG München I, Urt. v. 16.11.2023 - Az.: 12 O 4127/23).
"§ 312k BGB
(…)
(2) (…) Die Kündigungsschaltfläche muss gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein. (…)
Die Schaltflächen und die Bestätigungsseite müssen ständig verfügbar sowie unmittelbar und leicht zugänglich sein."
Der PayTV-Sender Sky hatte seine Webseite so ausgestaltet, dass der Kündigungsbutton erst ersichtlich war, wenn der Kunde im Footer der Page auf den Menüpunkt
“Weitere Links einblenden”
klickte.
"Die fehlende gute Lesbarkeit folgt im vorliegenden Fall daraus, dass der Button mit der Aufschrift „Kündigen" kleiner geschrieben ist als der sonstige Fließtext auf der Webseite der Beklagten. Überdies wird bei der Ausgestaltung der Kündigungsschaltfläche eine graue Farbe verwendet, die schwerer vom weißen Hintergrund der Webseite unterschieden werden kann.
2. Erreichbarkeit erst nach Anklicken ersichtlich:
“Das Unmittelbarkeitskriterium und das Kriterium, dass die Schaltfläche leicht zugänglich ist, werden nicht dadurch gewahrt dass der Kündigungsbutton erst sichtbar wird, wenn zuvor der Button mit der Aufschrift „Weitere Links einblenden” angeklickt wird.
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