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Newsletter vom 29.09.2021
Betreff: Rechts-Newsletter 39. KW / 2021: Kanzlei Dr. Bahr


1. BVerfG: Eilantrag auf Entsperrung der Facebook-Seite einer Partei abgelehnt

2. KG Berlin: Marketplace-Händler muss Amazon-Angebote regelmäßig auf Wettbewerbsverstöße kontrollieren, bloße Stichproben reichen nicht

3. VGH Kassel: Forsa darf die Ergebnisse der Befragungen von Briefwählern auch verwenden

4. OVG Münster: Schüler hat aktuell keinen Anspruch auf Online-Schulunterricht während Pandemie

5. LAG Berlin-Brandenburg: Äußerungen im WhatsApp-Chat als Kündigungsgrund?

6. LG Berlin: Online-Werbung mit UVP-Preis setzt Preisempfehlung des Herstellers voraus

7. LG Hamburg: Werbung der Telekom "Ins beste 5G-Netz" nicht irreführend

8. LG Köln: Foto genießen Urheberrechtsschutz, auch wenn sie selbst fremde Urheberrechte verletzen

9. AG München: Teilnahme an umfangreichem Online-Betrug ("Fake-Anrufe von Microsoft") führt zu drei Jahren Freiheitsstrafe

10. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter: 900.000,- EUR DSGVO-Bußgeld gegen Vattenfall wegen fehlender Info-Pflichten

Die einzelnen News:

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1. BVerfG: Eilantrag auf Entsperrung der Facebook-Seite einer Partei abgelehnt
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Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag der Partei „Der III. Weg“ abgelehnt.

Der Antrag war darauf gerichtet, die Facebookseite mit der Bezeichnung „Der III. Weg“ unverzüglich für die Zeit bis zur Feststellung der amtlichen Endergebnisse der Bundestagswahl 2021 vorläufig zu entsperren und der Partei für diesen Zeitraum die Nutzung der Funktionen von www.facebook.com wieder einzuräumen.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Zu den spezifischen Begründungsanforderungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gehört die Darlegung, dass der Antrag in der zugehörigen Hauptsache weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist.

Dem genügt der vorliegende Antrag nicht. Die Antragstellerin, die an den Wahlen zum Deutschen Bundestag am 26. September 2021 teilnimmt, legt bereits nicht hinreichend dar, aufgrund welcher Umstände ihr Ansprüche gegenüber der Betreiberin des Social Media Netzwerks zustehen sollten.

Sie ist weder Inhaberin oder Berechtigte des zugrundeliegenden Kontos bei der Betreiberin des Netzwerks, noch hat sie nachvollziehbar weitere Umstände dargelegt, weshalb gerade sie Ansprüche aus der Sperrung der Seite gegen die Betreiberin des Netzwerks ableiten können soll.

Beschluss vom 20. September 2021 - 1 BvQ 100/21

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG v. 21.09.2021

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2. KG Berlin: Marketplace-Händler muss Amazon-Angebote regelmäßig auf Wettbewerbsverstöße kontrollieren, bloße Stichproben reichen nicht
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Ein Marketplace-Händler muss seine Amazon- Angebote regelmäßig auf Wettbewerbsverstöße kontrollieren, bloße Stichproben reichen nicht aus (KG Berlin, Beschl. v. 21.06.2021 - Az.: 5 U 3/20).

Der Beklagte hatte in der Vergangenheit gegenüber dem Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, bestimmte Wettbewerbsverstöße beim Online-Verkauf zu unterlassen.

Der Kläger sah durch ein aktuelles Amazon -Angebot einen Verstoß und verlangte 5.000,- EUR Vertragsstrafe.

Der Beklagte verteidigte sich damit, dass jemand Drittes ungewollt die Angebote geändert habe. Es sei ihm unzumutbar, alle seine Angebote auf derartige nachträgliche Änderungen zu überprüfen.

Er unternehme darüber hinaus regelmäßig Stichproben, um die Rechtskonformität zu gewährleisten.

Auch sei die geltend gemachte Vertragsstrafe von 5.000,- EUR unverhältnismäßig, da er lediglich einen jährlichen Umsatz von 50.000,- EUR habe.

Das KG Berlin überzeugte diese Argumente nicht, sondern bejahte einen verschuldeten Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung.

Die Durchführung bloßer Stichproben reiche nicht aus. Vielmehr sei eine umfassende, regelmäßige Kontrolle notwendig:

"Der Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass er seinen Prüfungspflichten nachgekommen ist. Die Vornahme bloßer Stichproben genügt nicht.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn das System, nach dem die Stichproben genommen werden, nicht sicherstellt, dass in einem angemessenen Zeitraum jedes Angebot, das dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum auf der Plattform eingestellt wird, zum Gegenstand einer Prüfung gemacht wird. Dazu trägt der insoweit darlegungsbelastete Beklagte nichts vor."


Und weiter:
"Soweit der Beklagte sich darauf beruft, die gebotene Prüfung sei zu kostenintensiv, weshalb sie § 276 Abs. 2 BGB nicht entnommen werden könne, überzeugt diese allein auf Maßstäbe der ökonomischen Analyse des Rechts abstellende Betrachtung nicht.

Zwar mögen Gesichtspunkte, die sich aus ihr ergeben, bei der Auslegung des einfachen Rechts zu berücksichtigen sein; sie sind jedoch jedenfalls nicht das einzige Kriterium, das bei der Bestimmung des Inhalts von Sorgfaltspflichten in Ansatz zu bringen ist. So ist hier vielmehr in erster Linie zu bedenken, dass der Beklagte sich bewusst für den Vertriebsweg über solche Plattformanbieter entschieden hat, die eine nachträgliche Abänderung der eingestellten Angebote durch Dritte zulassen. Die wirtschaftlichen Nachteile, die sich daraus ergeben mögen, dass der Beklagte jene Prüfungen sicherzustellen hat, sind letztlich die Kehrseite jener unternehmerischen Entscheidung und müssen vom Beklagten hingenommen werden (vgl. zu dieser Wertung auch BGH, Urt. v. 03.03.2016 – I ZR 110/15, GRUR 2016, 961 Rn. 37 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon)."


Auch die Höhe der Vertragsstrafe sei angemessen:
"Gemessen hieran hält die Festsetzung der Vertragsstrafe auf 5.000,00 Euro der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB stand.

(...) Bei einer deutlich geringeren Vertragsstrafe bestünde vielmehr die ernsthafte Gefahr, dass der Zweck des Vertragsstrafeversprechens, den Schuldner von weiteren Verstößen abzuhalten, nicht mehr erreicht würde. Dabei ist – worauf auch das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – auch in Ansatz zu bringen, dass im Geschäftsbereich normaler wirtschaftlicher Bedeutung die Spanne einer ausreichenden Vertragsstrafe grundsätzlich zwischen 2.500,00 Euro bis 10.000,00 Euro zu bemessen ist (...). Durchgreifende Gründe, die für eine andere Beurteilung sprechen, sind nicht erkennbar.

(...) Bei der Billigkeitskontrolle ist auch die Art und Größe des Unternehmens in den Blick zu nehmen, insbesondere, um beurteilen zu können, ob die Vertragsstrafe für den Schuldner “empfindlich“ und damit dazu in der Lage ist, das zukünftige Verhalten des Schuldners zu beeinflussen. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, sein Umsatz belaufe sich auf jährlich knapp 50.000,00 Euro brutto, so liegt darin kein Umstand, der es begründen könnte, dass die Klägerin bei der Bestimmung der Straffhöhe den ihr zukommenden Ermessenspielraum überschritten hat; es handelt sich insbesondere keineswegs um sehr geringe Umsätze.

(...) Ferner war in Ansatz zu bringen, dass es sich bei der Plattform amazon.de um eine solche mit einem gehörigen Bekanntheitsgrad handelt. Es bestand daher insbesondere die gesteigerte Gefahr, dass eine erhebliche Anzahl von Internetbesuchern die Werbeaussage zur Kenntnis nehmen, was auch die Gefahr der Nachahmung erhöht (...)."



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3. VGH Kassel: Forsa darf die Ergebnisse der Befragungen von Briefwählern auch verwenden
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Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom heutigen Tage bestätigt, dass es nicht gegen § 32 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) verstößt, wenn forsa vor dem Tag der Bundestagswahl Ergebnisse von Befragungen veröffentlicht, denen als nicht gesondert ausgewiesener Bestandteil auch die Angaben von Briefwählern über ihre bereits getroffenen Wahlentscheidungen zugrunde liegen.

Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat damit die Beschwerde des Bundeswahlleiters gegen einen gleichlautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. September 2021 (Az. 6 L 1174/21.WI) zurückgewiesen.

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe im Ergebnis zu Recht eine feststellende Anordnung erlassen.

Die Briefwahl falle nach dem eindeutigen Wortlaut und der Gesetzessystematik nicht unter das in § 32 Abs. 2 BWahlG normierte Verbot der Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen „nach der Stimmabgabe“ vor Ablauf der „Wahlzeit“.

Das Bundeswahlgesetz differenziere an verschiedenen Stellen zwischen einer „Stimmabgabe“ am Wahltag im Wahlraum einerseits und der Briefwahl andererseits. Zudem knüpfe das Verbot mit dem Begriff der „Wahlzeit“ an die Möglichkeit der Stimmabgabe in den Wahllokalen zwischen 8:00 und 18:00 Uhr an.

Eine über den Wortlaut des § 32 Abs. 2 BWahlG hinausgehende extensive Auslegung einer Verbotsnorm komme nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe für eine zeitliche Ausdehnung des Veröffentlichungsverbotes bislang keinen Handlungs- oder Regelungsbedarf gesehen.

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 8 B 1929/21

Quelle: PRessemitteilung des VGH Kassel v. 22.09.2021

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4. OVG Münster: Schüler hat aktuell keinen Anspruch auf Online-Schulunterricht während Pandemie
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Ein Düsseldorfer Schüler der 8. Klasse eines Gymnasiums hat keinen Anspruch darauf, dass der Präsenzunterricht durch Distanzunterricht ersetzt wird. Dies hat heute das Oberverwaltungsgericht entschieden und damit die Beschwerde des Schülers gegen einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zurückgewiesen.

Der Achtklässler hatte geltend gemacht, sein Recht auf körperliche Unversehrtheit genieße in der aktuellen Pandemielage von vornherein Vorrang vor der Schulbesuchspflicht. Auch habe das Land Nordrhein-Westfalen nur unzureichende Schutzmaßnahmen gegen eine Infektion von Schülerinnen und Schülern mit dem Coronavirus ergriffen.

Dem ist der 19. Senat nicht gefolgt.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch schulpflichtiger Schüler auf ausschließliche Erteilung von Distanzunterricht wird in der Regel nur bei einer individuellen gesundheitlichen Gefährdung der Schüler selbst oder ihrer in Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen in Betracht kommen, insbesondere aufgrund von Vorerkrankungen.

Einen solchen Anspruch macht der Antragsteller jedoch nicht geltend, sondern beruft sich auf ein von einer besonderen Vulnerabilität unabhängiges allgemeines Gesundheitsrisiko aufgrund der Coronavirus-Pandemie.

In dieser Situation ist es Aufgabe des hierfür demokratisch legitimierten Gesetzgebers und der seiner Kontrolle unterliegenden Exekutive, im Spannungsverhältnis von Individualgrundrechten und Schulpflicht eine Abwägung vorzunehmen.

Dabei müssen der Gesundheitsschutz bezogen auf das Risiko einer Infektion mit COVID-19 und etwaiger Folgeerkrankungen einerseits und körperlich-gesundheitliche und psychologische Beeinträchtigungen sowie soziale Auswirkungen aufgrund anhaltenden Distanzunterrichts andererseits einer vertretbaren Bewertung zugeführt werden. In dieser unzweifelhaft komplexen Entscheidungssituation steht dem Land ein Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zu.

Die hierauf basierende schulorganisatorische Entscheidung für eine Rückkehr zum Präsenzunterricht in der aktuellen Form genügt den grundrechtlichen Anforderungen mit Blick auf staatliche Schutzpflichten gegenüber Schülern. Sie steht auch im Einklang mit den völker- und menschenrechtlichen Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Zum derzeitigen Zeitpunkt ist es vertretbar, am Präsenzunterricht unter Beachtung der in der Coronabetreuungsverordnung statuierten allgemeinen Regelungen für den schulischen Bereich, der Maskenpflicht, der Teilnahme- und Zugangsbeschränkungen für schulische Gemeinschaftseinrichtungen und der Schultestungen festzuhalten.

Flankiert wird dieses Schutzkonzept durch Quarantänebestimmungen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens sowie durch Vorgaben des Ministeriums für Schule und Bildung, wonach eine Entbindung vom Präsenzunterricht zum Schutz vorerkrankter Angehöriger grundsätzlich, wenn auch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und vorübergehend, in Betracht kommen kann.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 19 B 1458/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 7 L 1811/21)

Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 22.09.2021

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5. LAG Berlin-Brandenburg: Äußerungen im WhatsApp-Chat als Kündigungsgrund?
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Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung des technischen Leiters eines gemeinnützigen Vereins, die der Verein wegen sehr herabwürdigender und verächtlicher Äußerungen über Geflüchtete und in der Flüchtlingshilfe tätige Menschen in einem Chat ausgesprochen hatte, für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat aber das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst.

Der Verein ist überwiegend in der Flüchtlingshilfe tätig. Mitglieder des Vereins sind der Landkreis, verschiedene Städte und Gemeinden sowie einige Vereine. Die Arbeit des Vereins wird in erheblichem Umfang ehrenamtlich unterstützt. Im Zuge der Kündigung eines anderen Beschäftigten erhielt der Verein Kenntnis von einem über WhatsApp geführten Chat zwischen dem technischen Leiter, diesem Beschäftigten und einer weiteren Beschäftigten.

Im Rahmen des Chats äußerte sich der technische Leiter ebenso wie die beiden anderen Beschäftigten in menschenverachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Helferinnen und Helfer. Hierüber wurde auch in der Presse berichtet. Daraufhin kündigte der Verein unter anderem das Arbeitsverhältnis mit dem technischen Leiter fristgemäß.

Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung für unwirksam erklärt und damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel bestätigt. Zwar sei eine gerichtliche Verwertung der gefallenen Äußerungen im Gerichtsverfahren zulässig. Eine die Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung könne jedoch nicht festgestellt werden, weil eine vertrauliche Kommunikation unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts falle.

Um eine solche gehe es hier, da diese in sehr kleinem Kreis mit privaten Handys erfolgt und erkennbar nicht auf Weitergabe an Dritte, sondern auf Vertraulichkeit ausgelegt gewesen sei. Auch eine fehlende Eignung für die Tätigkeit könne allein auf dieser Grundlage nicht festgestellt werden.

Besondere Loyalitätspflichten bestünden nicht, weil der Gekündigte als technischer Leiter keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben wahrzunehmen habe. Auf das Fehlen des erforderlichen Mindestmaßes an Verfassungstreue, das von Bedeutung sei, wenn man den Verein als Teil des öffentlichen Dienstes betrachte, könne allein aufgrund dieser vertraulichen Äußerungen nicht geschlossen werden.

Das Landesarbeitsgericht hat – anders als das Arbeitsgericht – das Arbeitsverhältnis jedoch auf Antrag des Vereins gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise möglichen gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses lägen hier vor. Es sei im Sinne des § 9 Kündigungsschutzgesetz keine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit zu erwarten. Da die schwerwiegenden Äußerungen öffentlich bekannt geworden seien, könne der Verein bei Weiterbeschäftigung dieses technischen Leiters nicht mehr glaubwürdig gegenüber geflüchteten Menschen auftreten.

Außerdem sei er bei der Gewinnung ehrenamtlicher Unterstützung und hauptamtlichen Personals beeinträchtigt. Bei der Bemessung der Abfindung hat das Landesarbeitsgericht ein Auflösungsverschulden des Gekündigten berücksichtigt, das sich allerdings wegen der anstrebten Vertraulichkeit der Äußerungen mindere.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Juli 2021, 21 Sa 1291/20

Quelle: Pressemitteilung des LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2021

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6. LG Berlin: Online-Werbung mit UVP-Preis setzt Preisempfehlung des Herstellers voraus
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Wirbt ein Online-Händler mit der Angabe eines UVP-Preises, muss das Produkt eine entsprechende Preisempfehlung des Herstellers haben. Fehlt eine solche, ist eine derartige Werbung wettbewerbswidrig (LG Berlin, Urt. v. 01.06.2021 - Az.: 103 O 12/20).

Die verklagte Händlerin warb in ihrem Online-Shop mit einem durchgestrichenen UVP-Preis und stellte dem ihren reduzierten, aktuellen Preis gegenüber. Dies bewertete das LG Berlin als wettbewerbswidrig, da gar Preisempfehlung des Herstellers für diese Waren existierte:

"Die angegriffene Preiswerbung der Beklagten war irreführend, weil die als „UVP“ bezeichneten Preise keine Preisempfehlungen des jeweiligen Herstellers war und damit die Preisgegenüberstellung eine unzutreffende Preisersparnis suggerierte.

Der Kläger hat substantiiert dargelegt, dass - und warum - die dortige UVP-Angabe der Beklagten unrichtig war.

Dies hat die Beklagte ihrerseits nicht wirksam bestritten, sie ist dem nämlich nicht in substantiierter Form entgegengetreten. In Bezug auf Preisgegenüberstellungen und Werbung mit besonders niedrigen Preisen ist ohnehin grundsätzlich der Unterlassungsschuldner zur Darlegung der Berechtigung seiner Preiswerbung verpflichtet (...)."



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7. LG Hamburg: Werbung der Telekom "Ins beste 5G-Netz" nicht irreführend
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Die Werbung der Telekom  "Ins beste 5G-Netz"  ist nicht irreführend (LG Hamburg, Urt. v. 20.07.2021 - Az.: 416 HKO 63/21).

Die Telekom warb in TV-Spots mit den Aussagen:

"Ins beste 5G-Netz der Telekom"  und  "Im besten 5G-Netz der Telekom".

Jeweils unterhalb dieser Texte befand sich ein Logo der Fachzeitschrift CHIP  mit der Abgabe "Bestes Netz".

Die Klägerin stufte dies als wettbewerbswidrig ein, da der Verbraucher in die Irre geführt werde.

Der 5G-Ausbau sei bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Der Test der Zeitschrift CHIP  habe sich auf das gesamte Mobilfunknetz bezogen, nicht aber für den speziellen Teilbereich 5G. Messungen zu 5G seien nur zu 3% in die Gesamtbewertung eingeflossen und zudem nur in fünf einzelnen Städten  durchgeführt worden Hierbei handle es sich um eine bloße Momentaufnahme.

Das Gericht folgte dieser Ansicht nicht, sondern wies die Klage ab.

Es sei unerheblich, ob die 5G-Messungen nur zu 3 % in das Gesamtergebnis eingeflossen seien. Denn maßgeblich sei alleine, ob der Teilbereich 5G von CHIP  eigenständig überprüft worden sei.

Diese Tatsache habe die Telekom  ausreichend nachgewiesen. Insbesondere sei belegt, dass nicht nur fünf Citys eingeflossen seien:

"Insbesondere vermindert die Tatsache, dass die Ergebnisse der Kategorie „5G“ nur zu 3 % in das Gesamtergebnis eingeflossen sind, nicht die Aussagekraft des Testsiegels.

Entscheidend ist insofern, dass die Zeitschrift CHIP die Kategorie „5G“ als Teil des in Bezug genommenen Gesamttests getestet hat und der Antragsgegnerin den Testsieg zuerkannt hat. Die Antragstellerin hat auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass das 5G-Netz nur in fünf Städten getestet worden ist.

Vielmehr ergibt sich schon aus aus dem Text und der Tabelle auf S. 82 der durch die Antragstellerin eingereichten Printversion der Zeitschrift (Anlage ASt 10a), dass die 5G-Verfügbarkeit auch außerhalb der fünf Großstädte entlang der Fahrtstrecke mit dem Auto gemessen wurde. Auf S. 81 der Printversion der Zeitschrift finden sich Angaben zur 5G-Verfügbarkeit „in den restlichen Städten“, in der Tabelle auf S. 82 zur 5G-Verfügbarkeit außerhalb der Städte."


Durchgreifen könne auch nicht das Argument, dass der Test lediglich eine Momentaufnahme sei. Denn eine solche zeitliche Fixierung liege in der Natur der Sache: 
"Unerheblich ist auch, dass es sich bei dem Test um eine „Momentaufnahme“ des Zustandes der 5G-Netze handeln soll. Es liegt in der Natur der jährlich stattfindenden Tests, dass sich die Qualität der Netze und das Rangverhältnis der Netzbetreiber ändern kann.

Die CHIP-Zeitschrift hat die Netze der Parteien zum Testzeitpunkt anhand objektiver Kriterien beurteilt und zu diesem Zeitpunkt die Antragsgegnerin als Siegerin der Kategorie ausgezeichnet. Dass sich die 5G-Netze noch im Aufbau befinden und gegebenenfalls schneller entwickeln als andere Netze, ist dem maßgeblichen Verkehrskreis ohnehin bewusst, zumal der Ausbau und die Vorteile von 5G-Netzen regelmäßig Gegenstand der öffentlichen Debatte sind und von Verbrauchern erwartet werden."



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8. LG Köln: Foto genießen Urheberrechtsschutz, auch wenn sie selbst fremde Urheberrechte verletzen
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Fotos, die fremde Urheberrechte verletzen, genießen unabhängig davon selbst urheberrechtlichen Schutz (LG Köln, Urt. v. 01.07.2021 - Az.: 14 O 15/20).

Die Beklagte war ein Architektenbüro und hatte für einen Kunden ein entsprechendes Gebäude geplant und gebaut. Der Kläger war Fotograf, der den Komplex ablichtete.

Die Beklagte verwendete das Foto des Klägers ohne entsprechende Zustimmung.

Der Kläger machte daraufhin u.a. Unterlassungsansprüche wegen Verletzung seines Urheberrechtes geltend. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass der Kläger bei der Erstellung des Lichtbildes selbst urheberrechtswidrig gehandelt habe, da er dafür keine Erlaubnis gehabt habe.

Das LG Köln verurteilte die Beklagte zur Unterlassung.

Es könne im vorliegenden Fall dahinstehen, ob das Bild unter Verstoß gegen urheberrechtliche Vorschriften zustande gekommen sei. Denn selbst dann sei es rechtlich geschützt:

"Der Einwand der Beklagten, dass der Kläger ihre Urheberrechte (bzw. jene ihres Geschäftsführers) an dem Bauwerk verletze, ist mit Blick auf die Entstehung von Urheberrechten am streitgegenständlichen Lichtbild unerheblich.

Es steht dem Urheberrechtsschutz nicht entgegen, wenn die Herstellung des Werks gesetzwidrig wäre (vgl. Schricker/Loewenheim, § 2, Rn. 70).

Ob der Kläger sich insoweit auf die Panoramafreiheit gem. § 59 UrhG stützen kann, ist für die Entstehung der isoliert zu betrachtenden Urheberrechte an dem Lichtbildwerk bzw. dem Lichtbild ohne Bedeutung. Denn die Frage, ob der Kläger das auf dem Lichtbild sichtbare Motiv urheberrechtlich nutzen bzw. verwerten darf, ist abstrakt von der Frage des Schutzes und der Rechtsinhaberschaft des hier streitgegenständlichen Lichtbildes zu bewerten."



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9. AG München: Teilnahme an umfangreichem Online-Betrug ("Fake-Anrufe von Microsoft") führt zu drei Jahren Freiheitsstrafe
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Am 09.08.2021 verurteilte das zuständige Schöffengericht am Amtsgericht München einen 59jährigen Techniker aus München wegen siebenfacher Geldwäsche zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zum Wertersatz für das Erlangte in Höhe von 322.875,96 Euro.

Der Angeklagte räumte vor Gericht ein, dass er 2013 über indische Kontakte mehrere Callcenter damit beauftragt hatte, über unter seiner Firma eingerichtete Webseiten Computerprobleme zu beheben. Diese gaben die Erbringung solcher Leistungen aber nur vor und brachten ihre Opfer dazu, Zahlungen auf die vom Angeklagten eingerichteten Konten zu leisten.

Die sich stets auf Englisch als Mitarbeiter im Microsoft Support ausgebenden Hintermänner täuschten bei ihren Anrufen via Internettelefonie oft auch seriöse Nummern vor und behaupteten, ein von ihnen festgestelltes virenverursachtes Computerproblem beheben zu müssen, erreichten, Zugang zu den Computern bewilligt zu bekommen und boten dann angeblich nötige Lizenzerneuerungen oder Wartungsverträge an, ohne deren Abschluss Daten verlorengehen oder die Computer gesperrt würden.

Anderen Geschädigten zeigten sich beim Surfen im Internet Pop-Up-Fehlermeldungen, die zum Anruf bei der angegebenen Telefonnummer aufforderten, andere wieder nahmen selbst über die von den Webseiten des Angeklagten genannten Nummern Kontakt mit unwissentlich indischen Callcentern auf, um schließlich in gleicher Weise zu Zahlungen veranlasst zu werden. Eine Problembehebung erfolgte nie.

Der Angeklagte vereinnahmte auf diese Weise vom 24.12.2015 mit 14.11.2017 insgesamt 1.824.129,70 Euro, die er - nach Einbehalt seiner Provision – über eine Höhe von insgesamt 1.501.253,83 Euro an seine indischen Geschäftspartner weiterleitete.

Nach Erhalt von zahlreichen Mails, die ihm betrügerisches Vorgehen vorwarfen und Zahlungsrückbelastungen, spätestens ab Dezember 2015, musste der Angeklagte davon ausgehen, dass diese Zahlungen durch betrügerisches Vorgehen erlangt waren und entzog sie durch die Weiterleitung dem Zugriff der Geschädigten wie dem der Strafverfolgungsbehörden.

Der ermittlungsführende Polizeibeamte erklärte in seiner Zeugenaussage, dass angesichts eines weltweit agierenden Netzes mit rund 10.000 Geschädigten die Vortaten vor allem durch das US-amerikanische FBI aufgeklärt worden seien.

„Der Angeklagte wollte ursprünglich einen PC-Support in Deutschland aufbauen, der nicht funktioniert. Ihm wurde wohl angeboten, dass der Support aus Indien erfolgen könne. (…) Der Angeklagte überwies dann 70 % der Beträge nach Indien. (…)

Der Angeklagte war einigermaßen gefasst. Er hat kooperiert, gab an, dass er Geschäftsführer war. Es war ihm nicht begreiflich, aber hat die Mails gesehen.“


Der Angeklagte habe seine Einnahmen auch an sich ordnungsgemäß versteuert.

Der Vorsitzende Richter begründete das getroffene Urteil u.a. wie folgt:
„Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass dieser vollumfänglich geständig war.

Des weiteren hat er hierdurch eine aufwendige Beweisaufnahme erspart. Der Angeklagte ist bisher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Taten liegen bereits längere Zeit zurück. Zudem ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass die Geschäftsbeziehung zu den Hintermännern vorab legal begründet worden war und erst im Laufe der Zeit kriminelle Taten erfolgten.

Zu Lasten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass ein extrem hoher Schaden eingetreten ist.“


Bei seinem letzten Wort, indem er sich lediglich den Ausführungen seines Verteidigers, der auf eine Bewährungsstrafe von 2 Jahren plädiert hatte, angeschlossen hatte, wie auch bei der Urteilsbegründung weinte der Angeklagte, der bislang auf freiem Fuß belassen worden war.

Urteil des Amtsgerichts München vom 09.08.2021

Aktenzeichen 823 Ls 322 Js 211621/18

Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 17.09.2021

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10. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter: 900.000,- EUR DSGVO-Bußgeld gegen Vattenfall wegen fehlender Info-Pflichten
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Wie der Hamburgischer Datenschutzbeauftragte  in einer aktuellen Pressemitteilung erklärt, hat er gegen Vattenfall  auf Basis der DSGVO ein Bußgeld iHv. rund 900.000,- EUR verhängt.

Hintergrund der Entscheidung war die Tatsache, dass Vattenfall  in den Jahren 2018 und 2019 bei neuen Verträgen, die mit besonderen Bonuszahlungen verbunden waren, überprüfte, ob die Kunden ein "wechselauffälliges Verhalten" zeigten. Damit sollte ein Bonus-Hopping vermieden werden. Betroffen waren etwa 500.000 Personen.

Vattenfall  nutzte dazu die Daten aus früheren Verträgen, die noch aufgrund der handelsrechtlichen Vorschriften zehn Jahre lang aufbewahrt wurden.

Der Hamburgischer Datenschutzbeauftragte  verhängte nun wegen dieses Verhaltens gegen das Energieunternehmen ein entsprechendes Bußgeld iHv. ca. 900.000,- EUR.

Kritikpunkt war dabei nicht die inhaltliche Frage, ob die Vorgehensweise erlaubt war, sondern lediglich der Umstand, dass Vattenfall  seine Kunden nicht über die neue Verwendung der Altdaten informierte hat. Das Vorgehen sei ein Verstoß gegen die Transparenzpflichten des Art. 12, 13 DSGVO, so die Behörde.

Vattenfall  hat das Bußgeld akzeptiert, sodass der Bescheid rechtskräftig ist.

Inzwischen haben die Datenschutzbehörde und Vattenfall  für die Zukunft ein Verfahren abgestimmt, dass dem Unternehmen den Abgleich weiterhin ermöglicht. Danach wird der Kunde vorab über den Datenabgleich informiert. Er kann dann entscheiden, ob er einen rabattierten Bonusvertrag will und der Überprüfung zustimmt. Oder ob er sich für einen nicht reduzierten Kontrakt ohne Abgleich entscheidet.

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