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Der Kläger war französischer Designer von bekannten Luxusschuhen und -handtaschen.
Der Online-Riese verteidigte sich damit, dass es sich um Angebote von Marketplace-Verkäufern handle und ihr die Rechtsverstöße nicht zuzurechnen seien. Die Einbindung ihres Logos in die Anzeigen von Drittanbietern bedeute nicht, dass sie sich diese Anzeigen zu eigen mache. Zudem könnten die Nebendienstleistungen, die sie anderen Händlern anbiete, es nicht rechtfertigen, deren Angebote als Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation von Amazon anzusehen.
Den EuGH hat diese Argumentation nicht überzeugt. Er hat vielmehr auch eine Haftung der Verkaufsplattform angenommen:
Insoweit ist relevant, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u. a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden."
Insoweit ist relevant, dass dieser Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u. a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden."
Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt.
Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise ua. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.
Beide Vorinstanzen haben der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung des Klägers betreffend der ihm vorgeworfenen Äußerungen angenommen und das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint.
Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe.
Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.
Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird dem Kläger Gelegenheit für die ihm obliegende Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23 –
Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 24.08.2023
Inhaltlich ging es bei der Auseinandersetzung um die Frage, wann ein sogenannter Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen nach § 312d BGB vorliegt. Ist eine solche Konstellation gegeben, steht dem betreffenden Verbraucher ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.
Die Kläger waren Eigentümer eines Reihenhauses, der Beklagte führt einen Dachdeckerbetrieb. Mit dem ursprünglichen Auftrag beauftragten die Kläger den Beklagten u.a. die Erneuerung von Dachrinnen. Während der Arbeiten wurden weitere Mängel am Haus festgestellt, Daraufhin unterbreitete der Beklagte in Anwesenheit der Parteien ein zusätzlich Angebot, das die Kläger am nächsten Tag annahmen.
Nachdem sämtlichen Leistungen ordnungsgemäß erbracht wurden, widerriefen die Kläger den 2. Auftrag und machten die Rückzahlung des bereits gezahlten Entgeltes geltend. Sie beriefen sich dabei auf den Umstand, dass der weitere Kontrakt außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sei und ihnen somit ein gesetzliches Widerrufsrecht zustünde.
Diese Ansicht teilte der BGH nicht:
aa) Die Kläger sind zwar gemäß § 13 BGB als Verbraucher anzusehen (...).
bb) Der Vertrag ist vor Ort aber nich (...) bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien geschlossen worden. Hierfür ist erforderlich, dass sowohl das Angebot als auch die Annahme bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragspartner erklärt werden. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger hat (...) lediglich dessen am Tag zuvor abgegebenes Angebot für die Reparatur des beschädigten Wandanschlusses angenommen.
(1) Eine gegenüber dem Angebot des Unternehmers derart zeitlich versetzte Auftragserteilung wird von § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht erfasst.
Diese Vorschrift (...) ist richtlinienkonform im Lichte dieser Richtlinie auszulegen (...). Ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb von Geschäftsräumen liegt danach nicht vor, wenn der Verbraucher ein vom Unternehmer am Vortag unterbreitetes Angebot am Folgetag außerhalb von Geschäftsräumen lediglich annimmt (...).
(2) Für diese - schon nach dem Wortlaut naheliegende - Auslegung von § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB spricht auch der mit der Verbraucherrechterichtlinie verfolgte Zweck. Aus dem Erwägungsgrund Nr. 21 der Richtlinie ergibt sich, dass von der Begriffsbestimmung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge Situationen nicht erfasst werden sollen, in denen der Unternehmer zunächst in die Wohnung des Verbrauchers kommt, um ohne jede Verpflichtung des Verbrauchers lediglich Maße aufzunehmen oder eine Schätzung vorzunehmen, und der Vertrag danach erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Geschäftsräumen des Unternehmers auf der Grundlage der Schätzung des Unternehmers abgeschlossen wird. Dies wird damit begründet, dass der Verbraucher in einem solchen Fall Gelegenheit hatte, vor Vertragsschluss über die Schätzung des Unternehmers nachzudenken."
Es ging um die Höhe der Anwaltskosten für ein Gerichtsverfahren. Die Klägerseite hatte bei einer markenrechtlichen Auseinandersetzung zusätzlich einen Patentanwalt hinzugezogen und wollte nun diese Kosten ersetzt haben. Die Beklagte wehrte sich dagegen.
Das OLG Frankfurt a.M. entschied, dass die zusätzlichen Entgelte nicht erstattungsfähig seien:
b) An diesem Verständnis hält der Senat angesichts des Urteils des EuGH (Beschluss vom 28.4.2022 - C-531/20, GRUR-RS 2022, 8633 - Kosten des Patentanwalts VI) und der sich anschließenden Rechtsprechung des BGH (GRUR 2023, 446 - Kosten des Patentanwalts VII; Beschl. v. 13.10.2022 - I ZB 12/20, GRUR-RS 2022, 43962) indes nicht mehr fest. Die Vorschrift des § 140 III MarkenG aF ist vielmehr (...) dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass nur die Kosten der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig sind."
Der Kläger hat zur Begründung der Erforderlichkeit der Mitwirkung des Patentanwalts vorgebracht, der Beklagte habe im vorliegenden Fall diverse Einwendungen gegen den Rechtsbestand der Klagemarken vorgebracht. Er habe zudem absolute Schutzhindernisse hinsichtlich der Klagemarken behauptet und die rechtserhaltende Benutzung bestritten.
Dies vermag die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Patentanwaltes nicht zu begründen.
In Kennzeichenstreitsachen im Sinne von § 140 MarkenG kann bezüglich der Erforderlichkeit auf die Rechtsprechung des BGH zur den außergerichtlichen Kosten des Patentanwaltes zurückgegriffen werden. Danach gehören zu Tätigkeiten, die zum typischen Arbeitsgebiet eines Patentanwalts zählen etwa Recherchen zum Registerstand oder zur Benutzungslage (...).
Allerdings hat der BGH die Erstattungsfähigkeit verneint, wenn die entsprechende Tätigkeit auch von dem bereits beauftragten Rechtsanwalt hätte vorgenommen werden können, was jedenfalls dann der Fall sei, wenn es sich um einen Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz handelt (...).
Aber auch im Übrigen hat der BGH hervorgehoben, dass es bei Kennzeichenstreitsachen nicht um naturwissenschaftliche oder technische Sachverhalte gehe, sondern dass es vielmehr oft entbehrlich sein werde, zusätzlich zu einem Rechtsanwalt auch noch einen Patentanwalt zu beauftragen. Es gebe zahlreiche Rechtsanwälte, die über besondere Sachkunde im Kennzeichenrecht verfügen und in der Lage sind, Mandanten ohne Hinzuziehung eines Patentanwalts in kennzeichenrechtlichen Angelegenheiten umfassend zu beraten (...). Der Umstand, dass sich bei der Sache um eine komplexe oder bedeutsame Angelegenheit handelt, reicht für sich genommen nicht aus, um das Erfordernis einer Mitwirkung eines Patentanwalts darzulegen (...)."
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall wandte sich eine im Landkreis Rosenheim wohnhafte Klägerin gegen die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für ihre Wohnung. Sie machte geltend, die Beitragspflicht müsse wegen eines aufgrund mangelnder Meinungsvielfalt bestehenden „generellen strukturellen Versagens des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ entfallen. Es sei Aufgabe der Verwaltungsgerichte, im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht hierzu Feststellungen zu treffen. Das Verwaltungsgericht München wies die Klage in erster Instanz ab, lies jedoch die Berufung zum BayVGH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung wies der BayVGH nunmehr zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, der Rundfunkbeitrag werde nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich als Gegenleistung für die Möglichkeit des Rundfunkempfangs erhoben. Ziel des Rundfunkbeitrags sei es, eine staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen.
Die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes garantierte Programmfreiheit setze die institutionelle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten voraus und schütze zudem vor der Einflussnahme Außenstehender.
Die Kontrolle, ob die öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten die verfassungsmäßigen Vorgaben erfüllen, obliege deshalb deren plural besetzten Aufsichtsgremien. Einwände gegen die Qualität der öffentlich-rechtlichen Programminhalte sowie andere Fragen der Programm- und Meinungsvielfalt könnten daher die Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht in Frage stellen. Den Beitragspflichtigen stünden hierfür die Eingabe- und Beschwerdemöglichkeiten zu den gesetzlich vorgesehenen Stellen der Rundfunkanstalten offen.
Gegen das Urteil kann die Klägerin innerhalb eines Monats Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.
(BayVGH, Urteil vom 17. Juli 2023, Az. 7 BV 22.2642)
Quelle: Pressemitteilung des VGH München v. 22.08.2023
Die Klägerin legte per E-Mail Beschwerde bei der zuständigen Datenschutzbehörde über einen konkreten Sachverhalt ein. Es erfolgte weder eine Eingangsbestätigung noch eine sonstige Rückmeldung durch das Amt.
Nach Ablauf von 3 Monaten, in denen nichts passierte, ging die Klägerin vor Gericht und erhob eine sogenannte Untätigkeitsklage. Im Laufe des Gerichtsprozesses bearbeitete die Datenschutzbehörde dann den Fall und teilte dem Kläger außergerichtlich ihre Bewertung mit.
Das Verfahren wurde daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärt. Nun ging es nur noch um die Frage, wer die Kosten zu tragen hatte.
Die Datenschutzbehörde, so das Gericht, denn in Art. 78 Abs.2 DSGVO sei ausdrücklich normiert, dass die Dienststelle innerhalb von 3 Monaten handeln müsse:
Entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei dieser E-Mail der Klägerin auch um eine Beschwerde i.S.d. Art. 77, 78 DS-GVO, denn die Voraussetzungen an die bloße Einleitung eines Beschwerdeverfahrens dürfen im Sinne des hier bezweckten effektiven Rechtsbehelfs nicht überspannt werden.
Die Klägerin hat in dieser E-Mail ausdrücklich einen Verstoß gegen das Kopplungsverbot (Art. 7 Abs. 4 DS-GVO) gerügt, sodass die Behandlung ihrer E-Mail als Beschwerde i.S.d. Art. 77, 78 DS-GVO mit der entsprechenden Unterrichtungspflicht aus Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO angezeigt gewesen wäre.
Da die inhaltlichen Anforderungen an ein Inkenntnissetzen i.S.d. Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO wohl nicht allzu hoch sind, dürfte sich auch der behördliche Zeitaufwand hierfür in Grenzen halten und in der Regel innerhalb von drei Monaten umsetzbar sein. Es sind im vorliegenden Fall auch keine außergewöhnlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die möglicherweise eine Verlängerung der starren Frist des Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO rechtfertigen könnten. Daher durfte die Klägerin analog § 161 Abs. 3 VwGO mit einem Tätigwerden des Beklagten vor Klageerhebung rechnen."
Zum einen, weil sie die bislang in der Praxis kaum relevante Vorschrift des Art. 78 Abs.2 DSGVO betrifft, wonach eine Datenschutzbehörde innerhalb von 3 Monaten nach Eingang einer Beschwerde tätig werden muss. Zur Einhaltung der Frist genügt bereits eine einfache Antwort des Amtes, z.B.,m dass die Beschwerde eingegangen ist. Mehr ist nicht notwendig. Es müssen weder Ermittlungen aufgenommen worden sein noch muss der Sachverhalt ausermittelt sein.
In der Praxis ist der Art. 78 Abs. 2 DSGVO daher eher ein stumpfes Schwert, weil in den allermeisten Fällen die meisten Datenschutzbehörden innerhalb von 3 Monaten in irgendeiner Weise reagieren. Der vorliegende Sachverhalt betraf den Zeitraum von April 2019, also knapp ein Jahr nach Wirksamwerden der DSGVO. Also einem Zeitpunkt, wo viele Datenschutzbehörden personell noch nicht so gut wie heute aufgestellt waren und teilweise von den Beschwerden förmlich überrant wurden.
Zum anderen, weil das Gericht ausdrücklich klarstellt, dass ein Verbraucher seine Beschwerde auch per E-Mail einlegen kann:
Durch Urteil vom 24.08.2023 (Az. 3 S 13/23) hat das Landgericht Baden-Baden ein Unternehmen dazu verurteilt, einer Kundin die Namen ihrer Mitarbeiter zu benennen, die in dem Unternehmen erhobene Kundendaten privat verarbeitet haben. Darüber hinaus ist das Unternehmen dazu verurteilt worden, ihren Mitarbeitern die fortgesetzte Verwendung der personenbezogenen Kundendaten auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sehe einen Auskunftsanspruch der Kundin nach Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO vor, der sich vorliegend auch darauf erstreckte, der klagenden Kundin die Mitarbeiter der Beklagten als Empfänger im Sinne von Art. 4 Ziff. 9 DSGVO zu benennen, denen gegenüber die personenbezogenen Daten der Klägerin offengelegt worden sind und die diese privat verarbeitet haben, etwa weil sie diese auf einem privaten Account eines sozialen Netzwerks genutzt haben.
Zwar seien Arbeitnehmer eines für die Datenverarbeitung Verantwortlichen grundsätzlich nicht als Empfänger anzusehen. Dies gelte aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 22.06.2023, C-579/21, Rn. 75) nur dann, wenn sie unter der Aufsicht des Verantwortlichen und im Einklang mit seinen Weisungen die Daten verarbeiteten.
Demgegenüber habe in dem zu entscheidenden Fall zumindest eine Mitarbeiterin der Beklagten zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit dem Kauf eines Fernsehers den Kontakt zu einer Kundin eigenmächtig über ihren privaten Account hergestellt. Da für die Kundin die Nennung der Mitarbeiter erforderlich sei, um die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu überprüfen und ggf. weitere nach der DSGVO zustehende Ansprüche gegen die Mitarbeiter geltend machen zu können, bestehe vorliegend ein Auskunftsanspruch auf Nennung der Mitarbeiter.
Denn eine vorzunehmende Abwägung der in Rede stehenden Rechte und Freiheiten der Kundin einerseits und der Mitarbeiter andererseits führe im Hinblick darauf, dass die Nutzung der Kundendaten auf privaten Accounts entgegen den Weisungen und den üblichen Gepflogenheiten des Unternehmens eigenmächtig durch die Mitarbeiterin der Beklagten erfolgt sei, dazu, dass das Interesse der Mitarbeiter, anonym zu bleiben, nicht schutzwürdig sei und gegenüber den Interessen der Kundin auf Geltendmachung ihrer Ansprüche nach der DSGVO zurückzustehen habe.
Darüber hinaus stehe der Kundin nach §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 DSGVO ein Anspruch darauf zu, dass das beklagte Unternehmen ihren Mitarbeitern, die bei der Beklagten erhobene personenbezogene Daten der Klägerin auf privaten Kommunikationsgeräten verwendet haben, die fortgesetzte Verwendung untersage. Die Beklagte sei als mittelbare Handlungsstörerin verantwortlich und verpflichtet, die ihren Weisungen unterliegenden Mitarbeiter der Beklagten dazu anzuhalten, die weisungswidrige fortgesetzte Verwendung der in dem Unternehmen erhobenen personenbezogenen Daten der Kundin zu unterlassen.
Das Landgericht hat die Revision gegen das Urteil vom 24.08.2023 nicht zugelassen. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist damit nicht statthaft.
Zum Hintergrund:
Als das Versehen in dem Unternehmen bemerkt wurde verfasste eine Mitarbeiterin des Unternehmens über ihren privaten Account eines sozialen Netzwerks noch am gleichen Tag eine Nachricht an die Kundin, mit der sie auf das Versehen aufmerksam machte und um Rückmeldung bat. Darüber hinaus erhielt die Kundin ebenfalls noch an diesem Tag über Instagram eine weitere Nachricht, in der sie aufgefordert wurde, sich deshalb mit dem „Chef“ der Instagram-Nutzerin in Verbindung zu setzen.
Die Kundin hat mit ihrer gegen das Unternehmen gerichteten Klage die Auskunft begehrt, mitzuteilen, an welche Mitarbeiter der Beklagten ihre personenbezogenen Daten herausgegeben oder übermittelt wurden und darüber hinaus beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Mitarbeitern die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.
Das beklagte Unternehmen ist der Klage entgegen getreten.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Auskunftsanspruch bestehe nicht, da Mitarbeiter eines Unternehmens keine „Empfänger“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO, Art. 4 Nr. 9 DSGVO seien. Die begehrte Verurteilung, den Mitarbeiter der Beklagten die Nutzung der personenbezogenen Daten der Kundin auf ihren privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen, sei nicht begründet.
Hiergegen hat sich die Berufung der Klägerin gerichtet, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt hat.
1.Instanz: Amtsgericht Bühl, Urteil vom 21.02.2023 – 3 C 210/22
Quelle: Pressemitteilung des LG Baden-Baden v. 25.08.2023
Die Beklagte bot EMS-Trainingsgerät an und warb in einer B2B-Fachzeitschrift mit den Aussagen
Eines speziellen Trainings (im Sinne von sportlicher Aktivität) während oder im Zusammenhang mit der Behandlung bedarf es unter Berücksichtigung des maßgeblichen Gesamteindrucks der Werbeangaben nicht, da laut der blickfangmäßigen Überschrift der "Traumkörper auch ganz ohne Sport" (Nr. 1) erreicht werden kann bzw. der Aufbau von - dem Schönheitsideal entsprechenden - definierten Muskeln "mühelos" (Nr. 2) erfolgt. Auch die den Fließtext der Werbeanzeige einleitende Frage "Keine Lust auf Sport, aber Sehnsucht nach dem Traumkörper?" wird in diesem Sinne im folgenden Satz sogleich beantwortet: "Kein Problem! Das (...) stimuliert die Muskeln wie bei einem Intensivtraining, ganz ohne Sport" (Nr. 3). (...)"
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist zunächst festzustellen, dass das EMS-Training und die von der Beklagten angeführte Therapie mit hochintensiven Magnetimpulsen (HIFEM) in der Wissenschaft umstritten sind und ihr Erfolg derzeit als (noch) wissenschaftlich ungesichert gilt. Der Kläger hat durch Vorlage der Anlagen K 9 bis K 11 (Gutachten des Prof. Dr. I. aus dem Jahr 1997 gemäß Anlage K 9, Sachverständigengutachten Dr. rer. nat. P. / Prof. Dr. med. J. vom 29.09.1997 gemäß Anlage K 10 und den Bericht vom Bericht aus dem vom W.-Netzwerk betriebenen Informationsportal "S." vom 24.04.2014 gemäß Anlage K 11) dargetan, dass die in Rede stehenden gesundheitsbezogenen Angaben zur EMS-Therapie bzw. zur Behandlung mit dem Gerät (...) nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen."
Insofern wäre es an der Beklagten gelegen gewesen, eine entsprechend aussagekräftige Studie zum EMS-Training bzw. zu der Therapie mit hochintensiven Magnetimpulsen (HIFEM) vorzulegen."
Das hat die 29. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf durch soeben in öffentlicher Sitzung verkündetem Urteil vom heutigen Tage entschieden und die auf das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) gestützte Klage von Gesellschaftern der Warburg Bank abgewiesen.
Das Gericht führt zur Begründung seines Urteils aus: Das IFG NRW findet auf die Tätigkeit von Behörden der Staatsanwaltschaft keine Anwendung, wenn diese auf dem Gebiet der Strafrechtspflege tätig werden.
Dies ist insbesondere bei der Durchführung von Ermittlungsverfahren der Fall.
Auch das Justizministerium NRW stellt eine (übergeordnete) Behörde der Staatsanwaltschaft dar. Denn nach dem Gerichtsverfassungsgesetz können die Justizministerien mit Weisungen inhaltlich auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren Einfluss nehmen.
In dieser Funktion hat das Justizministerium NRW gehandelt, als es die Berichte der Staatsanwaltschaft zu den "Cum-Ex"-Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die mögliche Ausübung seiner Weisungsrechte bearbeitet hat. Sowohl die Berichte der Staatsanwaltschaften als auch die Aktenvermerke des Justizministeriums NRW weisen einen hinreichenden Bezug zu den Ermittlungsverfahren auf, wodurch sie dem Anwendungsbereich des IFG NRW entzogen sind.
Gegen das Urteil kann beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Zulassung der Berufung beantragt werden.
Aktenzeichen: 29 K 329/21
Quelle: Pressemitteilung des VG Düsseldorf v. 24.08.2023
In der Vergangenheit hatte die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, weil sie die Marke der Klägerin unerlaubt genutzt hatte. Nun machte die Klägerin u.a. die Zahlung einer Vertragsstrafe geltend, weil auf Amazon.de ein Produkt mit einem englischsprachigen Text beworben wurde, bei dem die Beklagte als Verkäuferin benannt wurde.
Die Beklagte verteidigte sich damit, dass sie den Text nicht kenne, dafür nicht hafte und zudem aufgrund des englischen Textes gar kein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung vorliege.
Das LG Hamburg ist dieser Argumentation nicht gefolgt, sondern hat die Marketplace-Verkäuferin zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt.
Die Beklagte sei für den Amazon-Content mit verantwortlich, so die Richter:
Die Beklagte trägt dazu lediglich vor, sie stelle Angebote auf ....de nur in deutscher Sprache ein und sei für die von Amazon selbst vorgenommenen Übersetzungen nicht verantwortlich. In deutscher Sprache habe es aber (...) kein Angebot und keine Bewerbung mehr unter der Bezeichnung „Y.“ gegeben, sondern nur in englischer Sprache. Die Übersetzung beruhe wohl auf einem alten deutschen Datensatz, den sie nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung geändert habe.
Unabhängig davon, wer die Übersetzungen der Angebote im Onlineshop auf www.....de vornimmt, ist klar, dass „Y.“ keine Übersetzung von „P.“ darstellt und ist es unwahrscheinlich, dass bei einer Übersetzung die Artikelbezeichnung ebenfalls übersetzt würde.
Insoweit ist entscheidend, dass – selbst wenn ... die Übersetzungen vornimmt – die Beklagte im Nachgang zur Abgabe ihrer Unterlassungsverpflichtungserklärung, die sich auch auf das englischsprachige Angebot bezog, dazu verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen und sicherzustellen, dass auch die englischsprachige Version des Angebots die Bezeichnung „Y.“ nicht mehr enthält, was ihr ohne größeren Aufwand möglich gewesen wäre."
Eine Verwechslungsgefahr ist gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass die angesprochenen Verkehrsteilnehmer davon ausgehen könnten, die von der Beklagten angebotenen Hausschuhe stammten von der Klägerin oder einem bestimmten Unternehmen, das mit der Klägerin wirtschaftlich verbunden ist oder an das der Kläger die Nutzung der Marke lizenziert hat. Ob bzw. wann eine solche Gefahr besteht, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (...).
Neben der Zeichen- und Warenidentität bzw. -ähnlichkeit ist dafür die Kennzeichnungskraft der Klagemarke von entscheidender Bedeutung, wobei zwischen diesen drei Faktoren neben den übrigen, je nach Einzelfall zu berücksichtigenden Faktoren eine Wechselwirkung dahingehend besteht, dass ein höherer Grad des einen Faktors den geringeren Grad eines anderen Faktors ausgleichen kann (...).
Die Klagemarke verfügt für Bekleidung einschließlich Schuhen über eine mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft und zwischen den Waren, für welche die Klagemarke Schutz beansprucht - Bekleidungsstücke - und den Waren, welche die Beklagte unter Verwendung des Zeichens „Y.“ angeboten hat - Schuhe - besteht Warenidentität oder zumindest eine hochgradige Warenähnlichkeit.
Darüber hinaus liegt eine hochgradige Zeichenähnlichkeit vor."
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Newsletter
vom 30.08.2023
Betreff:
Rechts-Newsletter 35. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr
1. EuGH: Haftung von Amazon für fremde Markenverletzungen
2. BAG: Außerordentliche Kündigung wegen Beleidigungen in privater WhatsApp-Chatgruppe möglich
3. BGH: Wann ein Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen vorliegt = Hat Verbraucher Widerrufsrechtsrecht?
4. OLG Frankfurt a.M.: Keine automatische Erstattung von Patentanwaltskosten in Markensachen mehr
5. VGH München: Rundfunkbeitragspflicht entfällt nicht bei "schlechten Inhalten" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
6. VG Ansbach: Bei dreimonatiger Untätigkeit der Datenschutzbehörde darf Betroffener erheben
7. LG Baden-Baden: DSGVO-Auskunftsansprüche bei Kundenansprache über private Social Media-Accounts der Mitarbeiter
8. LG Düsseldorf: Produkt-Werbung "Traumkörper ganz ohne Sport!" und "Mühelos definierte Muskeln" irreführend
9. VG Düsseldorf: Kein Anspruch auf Info-Zugang zu Staatsanwalt-Berichten in Cum-Ex-Ermittlungsverfahren
10. LG Hamburg: Marketplace-Verkäufer haftet auch für englischsprachige Amazon-Inhalte mit
Die einzelnen News:
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1. EuGH: Haftung von Amazon für fremde Markenverletzungen
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Der EuGH hatte zu entscheiden, ob und inwieweit Amazon für fremde Markenverletzungen haftet (EuGH, Urt. v. 22.12.2022 - Az.: C-148/21).
Auf den Amazon-Webseiten erschienen regelmäßig Verkaufsanzeigen für Schuhe, in denen der Kläger eine Markenverletzung sah. Er wehrte sich vor Gericht gegen Amazon.
"Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 dahin auszulegen ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, die neben den eigenen Verkaufsangeboten dieses Betreibers einen Online-Marktplatz umfasst, ein Zeichen, das mit einer fremden Unionsmarke identisch ist, für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist, selbst benutzt, wenn Drittanbieter ohne die Zustimmung des Inhabers dieser Marke solche mit diesem Zeichen versehenen Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten, sofern ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem fraglichen Zeichen herstellt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn ein solcher Nutzer in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Eindruck haben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt.
Der amtliche Leitsatz lautet:
"Es kann davon ausgegangen werden, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform, die neben den eigenen Verkaufsangeboten dieses Betreibers einen Online-Marktplatz umfasst, ein Zeichen, das mit einer fremden Unionsmarke identisch ist, für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die diese Marke eingetragen ist, selbst benutzt, wenn Drittanbieter ohne die Zustimmung des Inhabers dieser Marke solche mit diesem Zeichen versehenen Waren auf dem betreffenden Marktplatz zum Verkauf anbieten, sofern ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem fraglichen Zeichen herstellt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn ein solcher Nutzer in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Eindruck haben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt.
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2. BAG: Außerordentliche Kündigung wegen Beleidigungen in privater WhatsApp-Chatgruppe möglich
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Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine dies zum Anlass nehmende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 19. Dezember 2022 – 15 Sa 284/22 –
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3. BGH: Wann ein Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen vorliegt = Hat Verbraucher Widerrufsrechtsrecht?
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Der BGH hatte zu beurteilen, wann ein Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen vorliegt und somit dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht (BGH, Urt. v. 06.07.2023 - Az.: VII ZR 151/22).
"Nach § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB sind außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge solche, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. (...)
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4. OLG Frankfurt a.M.: Keine automatische Erstattung von Patentanwaltskosten in Markensachen mehr
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Das OLG Frankfurt a.M. hat klargestellt, dass die bisherige Rechtsprechung, wonach Patentanwaltskosten in Markensachen grundsätzlich erstattungsfähig sind, nicht mehr aufrechterhalten wird. Vielmehr ist zu überprüfen, ob die Hinzuziehung eines Patentanwalts im konkreten Einzelfall notwendig gewesen ist (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 21.08.2023 - Az.: 6 W 4/20).
"a) Nach (bisher) herrschender und auch vom Senat vertretenen Meinung ist § 140 IV MarkenG zwar als eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung zu verstehen, welche gerade von der gem. § 91 I 1 ZPO erforderlichen Prüfung, ob die Mitwirkung eines Patentanwalts in einer Kennzeichenstreitsache zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war, befreit (BGH GRUR 2020, 781 - EPA-Vertreter; BGH GRUR 2003, 639 - Kosten des Patentanwalts).
Und weiter:
"An der bisher anerkannten Sichtweise, dass die Kosten der Mitwirkung eines Patentanwalts nach § 140 III MarkenG ohne Prüfung der Notwendigkeit erstattungsfähig sind, kann danach nicht festgehalten werden. Vielmehr erfordern die Art. 3 und Art. 14 RL 2004/48/EG eine richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift dergestalt, dass nur die Kosten einer notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig sind."
Es sei daher eine Notwendigkeitsprüfung vorzunehmen, so die Richter:
"Anhand des Vorbringens des Klägers kann der Senat nicht feststellen, dass die mittels anwaltlicher Versicherung glaubhaft gemachte Mitwirkung des Patentanwalts aus ex ante Sicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung sachdienlich, sprich notwendig gewesen ist. Dem unterlegenen Beklagten sind deshalb die Kosten des Patentanwalts nicht aufzuerlegen.
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5. VGH München: Rundfunkbeitragspflicht entfällt nicht bei "schlechten Inhalten" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit Urteil vom 17. Juli 2023 entschieden, dass gegen die Rundfunkbeitragspflicht nicht eingewandt werden kann, der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfehle wegen mangelnder Programm- und Meinungsvielfalt seinen verfassungsmäßigen Funktionsauftrag. Die schriftlichen Urteilgründe liegen nun vor.
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6. VG Ansbach: Bei dreimonatiger Untätigkeit der Datenschutzbehörde darf Betroffener erheben
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Bleibt eine Datenschutzbehörde nach Eingang einer Beschwerde auch nach Ablauf von 3 Monaten untätig, kann der Betroffene Untätigkeitsklage vor Gericht erheben. Im Falle einer späteren Verfahrenserledigung muss dann im Zweifel die Behörde des Kosten des Gerichtsprozesses tragen (VG Ansbach, Beschl. v. 03.08.2023 - Az.: AN 14 K 19.01313).
"Die Klägerin durfte grundsätzlich aufgrund der Vorschrift des Art. 78 Abs. 2 Alt. 2 DS-GVO damit rechnen, dass der Beklagte sie innerhalb von drei Monaten über den Stand ihrer Datenschutzbeschwerde (...) in Kenntnis setzt.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die aktuelle Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht interessant.
"Entgegen der Ansicht des Beklagten handelte es sich bei dieser E-Mail der Klägerin auch um eine Beschwerde i.S.d. Art. 77, 78 DS-GVO, denn die Voraussetzungen an die bloße Einleitung eines Beschwerdeverfahrens dürfen im Sinne des hier bezweckten effektiven Rechtsbehelfs nicht überspannt werden."
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7. LG Baden-Baden: DSGVO-Auskunftsansprüche bei Kundenansprache über private Social Media-Accounts der Mitarbeiter
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Berufung über Klage auf Geltendmachung von Ansprüchen nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wegen eigenmächtiger Verarbeitung von Kundendaten auf privatem Account hat Erfolg.Unternehmen wird zur Auskunft über ihre Mitarbeiter, die Kundendaten privat verarbeitet haben und dazu verurteilt, ihren Mitarbeitern die Verwendung der Daten auf privaten Kommunikationsgeräten zu untersagen.
Die Kundin hatte im Juni 2022 bei dem beklagten Unternehmen einen Fernseher und eine Wandhalterung erworben. In dem Zusammenhang wurden von ihr der Name und ihre Anschrift erfasst. Wenige Tage darauf gab sie die Wandhalterung wieder zurück, wobei ihr versehentlich der wesentlich höhere Kaufpreis für den Fernseher erstattet wurde.
2.Instanz: Landgericht Baden-Baden, Urteil vom 24.08.2023 - 3 S 13/23
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8. LG Düsseldorf: Produkt-Werbung "Traumkörper ganz ohne Sport!" und "Mühelos definierte Muskeln" irreführend
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Die Werbeaussagen "Traumkörper ganz ohne Sport!" und "Mühelos definierte Muskeln" für ein EMS-Trainingsgerät sind irreführende Werbeaussagen (LG Düsseldorf, Urt. v. 21.06.2023 - Az.: 12 O 115/22).
"Traumkörper ganz ohne Sport!"
und
"Mühelos definierte Muskeln".
Das LG Düsseldorf stufte diese Reklame als irreführend und somit wettbewerbswidrig ein. Auch wenn die Leserschaft der Zeitschrift Fachkreise seien, sei die Werbung zu beanstanden:
"Die für (medizinische) Laien wie für die Fachkreise gleichermaßen verständlichen Angaben in der angegriffenen Werbeanzeige suggerieren nicht nur dem Laien, sondern auch dem Mitglied der Fachkreise hinsichtlich der Körperstatur ("Traumkörper", "Muskelaufbau"), dem Fettgehalt im Körper ("Körperfett wird reduziert") und der Beschaffenheit der Haut ("das Gewebe wird sichtbar gestrafft", "Problemzonen mit Cellulite werden deutlich geglättet") eine therapeutische Wirksamkeit bzw. therapeutische Wirkungen der Behandlung mit dem Gerät (...).
Und weiter:
"Der Werbende muss, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, daher zunächst darlegen, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt. Nicht ausreichend ist es, dass er sich erst im Prozess auf ein Sachverständigengutachten beruft, aus dem sich die behauptete Wirkungsweise ergeben soll. Der Vorwurf, den Verkehr durch eine Angabe, für deren Richtigkeit der Kläger keine hinreichenden Anhaltspunkte hat, in die Irre geführt zu haben, kann hierdurch nicht ausgeräumt werden (...).
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9. VG Düsseldorf: Kein Anspruch auf Info-Zugang zu Staatsanwalt-Berichten in Cum-Ex-Ermittlungsverfahren
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Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (Justizministerium NRW) muss keinen Informationszugang zu Berichten der Staatsanwaltschaften in Ermittlungsverfahren zu "Cum-Ex"-Transaktionen der WestLB AG und der Bearbeitung dieser Berichte im Justizministerium gewähren.
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10. LG Hamburg: Marketplace-Verkäufer haftet auch für englischsprachige Amazon-Inhalte mit
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Ein Marketplace-Verkäufer haftet auch für englischsprachige Inhalte auf der deutschen Amazon-Webseite mit, auch wenn er diese gar nicht erstellt hat (LG Hamburg, Urt. v. 11.05.2023 - Az.: 327 O 188/22).
"Auch der Einwand der Beklagten, sie sei für das Angebot des Hausschuhs mit der Bezeichnung „Y.“ in englischer Sprache nicht verantwortlich, greift nicht durch.
Durch den englischsprachigen Text sei auch die Unterlassungserklärung verletzt worden:
"Die Beklagte hat die Bezeichnung „Y.“ in der konkret angegriffenen Verletzungsform in selbständig kennzeichnender Stellung im Rahmen des Gesamtzeichens „ K. Y.“ verwendet, so dass bei zumindest hochgradiger Zeichen- und Warenähnlichkeit von einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne auszugehen ist (...).
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