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Newsletter vom 30.01.2019
Betreff: Rechts-Newsletter 5. KW / 2019: Kanzlei Dr. Bahr


anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 5. KW im Jahre 2019. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht, Presserecht und Wirtschaftsrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html


1. BAG: Änderung der Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen

2. KG Berlin: Nicht jedes Postings eines Influencers ist kennzeichnungspflichtige Werbung

3. OLG Schleswig: Service-Telefonnummer muss in Widerrufsbelehrung genannt werden

4. OLG Schleswig: Zwangs-Trinkgelder bei Kreuzfahrt müssen bei Preisangabe mit berücksichtigt werden

5. LG Arnsberg: Grundpreisangabe im Online-Shop nur bei konkret ausgewähltem Produkt

6. LG Berlin: 15.000,- EUR Schmerzensgeld für ehrverletzenden Twitter-Kommentar

7. LG Berlin: Werbeaussage "Zum Bestpreis verkaufen" eines Online-Immobilienportals irreführend

8. LG Heilbronn: Hashtag "#ad" für Werbung einer Instagram-Influencerin nicht ausreichend

9. LG Wiesbaden: Bei Werbeaussage "Product winner" muss Fundstelle mit angegeben werden

10. VG Dresden: Umfang eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs bzgl. verurteilten Polizisten

Die einzelnen News:

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1. BAG: Änderung der Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen
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Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte.

Der Kläger war vom 19. März 2004 bis zum 30. September 2005 als gewerblicher Mitarbeiter bei der Beklagten tätig. Mit Wirkung zum 19. August 2013 stellte die Beklagte den Kläger erneut sachgrundlos befristet für die Zeit bis zum 28. Februar 2014 als Facharbeiter ein. Die Parteien verlängerten die Vertragslaufzeit mehrfach, zuletzt bis zum 18. August 2015. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht geendet hat.

Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Im Jahr 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht zwar entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen.

Diese Rechtsprechung kann jedoch auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) nicht aufrechterhalten werden. Danach hat das Bundesarbeitsgericht durch die Annahme, eine sachgrundlose Befristung sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben überschritten, weil der Gesetzgeber eine solche Karenzzeit erkennbar nicht regeln wollte. Allerdings können und müssen die Fachgerichte auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend nicht, insbesondere lag das vorangegangene Arbeitsverhältnis acht Jahre und damit nicht sehr lang zurück.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Befristung im Vertrauen auf die im Jahr 2011 ergangenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vereinbart zu haben. Sie musste bei Abschluss der Verträge mit dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2019 - 7 AZR 733/16 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11. August 2016 - 3 Sa 8/16 -

Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 23.01.2019

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2. KG Berlin: Nicht jedes Postings eines Influencers ist kennzeichnungspflichtige Werbung
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Das KG Berlin hat in einer aktuellen Entscheidung festgestellt, dass nicht jedes Posting eines Influencers kennzeichnungspflichtige Werbung ist (KG Berlin, Urt. v. 08.01.2019 - Az.: 5 U 83/18).

Es handelt sich dabei um die Berufungsentscheidung gegen das viel diskutierte erstinstanzliche Urteil gegen die Instagram-Influencerin Vreni Frost, vgl. hierzu unsere ausführliche Kommentierung. Das Urteil des LG Berlin hatte damals Aufsehen gesorgt.

Das KG Berlin bestätigt nun bei zwei der drei Postings, dass es sich um verbotene Schleichwerbung handelt. Lediglich in einem Fall hebt es die Verfügung auf und sieht keinen Rechtsverstoß.

Nach Ansicht des KG Berlin ist nicht automatisch jedes Postings eines Influencers kennzeichnungspflichtige Werbung:

"Der Dienst “Instagram” wird als soziales Netzwerk bezeichnet. Der Sinn eines derartigen Netzwerks besteht jedenfalls auch darin, Verbindungen zwischen den Nutzern   herzustellen.   Der   Besucher   eines   Instagram-Accounts   erwartet   dort   nicht   nur Informationen, die weitere Recherchen erfordern, wenn er sein Ziel erreichen will, sondern eine Verbindung zum Gegenstand der gesuchten Information. Der Link ist aber auch im Übrigen nicht mehr als eine allenfalls geringfügige Abkürzung oder Erleichterung des Weges, über eine Suchmaschine zu diesem Ziel zu gelangen.

Die Grenze zwischen einer im Hinblick auf § 5a Abs. 6 UWG unbedenklichen Markennennung im Rahmen  einer  Meinungsäußerung  oder  eines  redaktionellen  Beitrages  einerseits  und  zu kennzeichnender  Werbung  andererseits  an  der  Verlinkung  zu  einen  Instagram-Account  des Nutzers der Marken zu ziehen, ist jedenfalls dann nicht sachangemessen und der Lebenswirklichkeit des Internets gerecht werdend, wenn dem Verbraucher über den Link nicht unmittelbar der Erwerb des Produkts ermöglicht wird. Wohl jedes aktuelle Textverarbeitungsprogramm gestaltet die Eingabe einer Internetadresse automatisch als Link."


Auch bestünde keine generelle Kennzeichnungspflicht:
"Es stellt sich weiter die Frage, ob jeder einzelne Instagram-Account der Antragstellerin als kommerziellen Zwecken dienend gekennzeichnet werden muss, ohne dass auf die Prüfung des redaktionellen Gehalts des einzelnen Posts eingegangen werden muss, weil andere Posts kommerziellen Zwecken Dritter gedient haben bzw. weil der Account insgesamt, und damit jeder einzelne Beitrag, der Eigenwerbung der Antragsgegnerin gedient hat.

Diese Frage ist im Hinblick auf die Grundrechte der Antragsgegnerin aus Art. 11 EU-Grundrechtecharta zu verneinen. (...)

Das Bestreben eines Influencers, Werbeeinnahmen zu erzielen, rechtfertigt es nicht, ihn zu verpflichten, jede Äußerung mit einem Hinweis zu versehen, mit dem der Verkehr einen nachrangigen oder minderen Wert des Beitrags verbindet. Insoweit kann für einen Influencer nichts anderes gelten, als für andere Medienunternehmen, die sich durchweg zumindest auch über Werbeeinnahmen finanzieren und für Auftraggeber insbesondere dann attraktiv sind, wenn eine Vielzahl von Personen erreichen, ganz gleich, ob man diese nun als  Leser, Zuschauer oder Follower bezeichnet. "


Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte durch Kaufbelege und durch eine eidesstattliche Versicherung nachweisen, dass sie die gezeigten Waren selbst gekauft hatte. Das KG Berlin ging daher von keiner Schleichwerbung aus, sondern stufte dieses Posting lediglich als klassische Meinungsäußerung ein.

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Das KG Berlin trifft damit eine weitere, wichtige Entscheidung in Sachen Kennzeichnungspflicht bei Influencern.

In der Praxis wird die Grenze zwischen unproblematischer Meinungsäußerung und verbotener Schleichwerbung im Einzelfall häufig nur sehr zu bestimmen sein. Wichtig ist dabei vor allem zu berücksichtigen, dass hier eine Beweislastumkehr zu Ungunsten des Influencers eintritt. Im Zweifel sind sämtliche Postings kommerzielle Werbung. Nur wenn er - wie im vorliegenden Fall - durch entsprechende Nachweise das Gegenteil beweisen kann, gilt etwas anderes.

Das Urteil ist somit keinesfalls der Freifahrtschein für Influencer wie manche der aktuellen Kommentierungen zu dem Urteil behaupten.

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3. OLG Schleswig: Service-Telefonnummer muss in Widerrufsbelehrung genannt werden
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Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat entschieden, dass Unternehmer, die Waren und Dienstleistungen über das Internet vertreiben und dabei die gesetzlich angebotene Muster-Widerrufsbelehrung verwenden, in dieser Belehrung eine bereits vorhandene Servicetelefonnummer angeben müssen.

Die Beklagte vertreibt über das Internet u. a. Telekommunikationsdienstleistungen. Sie verwendet dabei das gesetzlich angebotene Muster für die Widerrufsbelehrung, um den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu informieren. In der Muster-Widerrufsbelehrung gab die Beklagte ihre Telefonnummer nicht an, obwohl sie über geschäftliche Telefonnummern verfügt, die eigens für den Kontakt mit bereits vorhandenen Kunden eingerichtet worden sind.

Der Kläger, ein Verein zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, will mit seiner Klage erreichen, dass die Beklagte die Widerrufsbelehrungen nicht verwendet, ohne darin die bereits vorhandene Telefonnummer anzugeben. Das Landgericht Kiel hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das landgerichtliche Urteil bestätigt.

Die Beklagte hat die ihr obliegenden Belehrungspflichten gegenüber Verbrauchern nicht erfüllt, weil sie eine Telefonnummer, die sie für den Kontakt mit bereits vorhandenen Kunden nutzt, in der Muster-Widerrufsbelehrung nicht angegeben hat. Der Gesetzgeber hat zum Ausfüllen der Widerrufsbelehrung einen Gestaltungshinweis formuliert. Danach soll der Unternehmer seinen Namen, seine Anschrift und, soweit verfügbar, seine Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse angeben.

Da der Widerruf nicht nur in Textform, sondern auch telefonisch oder mündlich erklärt werden kann, muss der Unternehmer dem Verbraucher die Telefonnummer jedenfalls dann mitteilen, wenn er diese Telefonnummer auch sonst nutzt, um mit seinen Kunden in Kontakt zu treten. So ist es bei der Beklagten. Sie nutzt verschiedene Telefonnummern, über die sie von ihren Kunden u. a. zur Inanspruchnahme von Serviceleistungen im Zusammenhang mit bereits geschlossenen Verträgen angerufen werden kann. Deshalb muss sie über diesen Kommunikationsweg auch etwaige Widerrufe entgegen nehmen.

OLG Schleswig, Urt. v. 10.01.2019 - Az.: 6 U 37/17

Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig v. 22.01.2019

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4. OLG Schleswig: Zwangs-Trinkgelder bei Kreuzfahrt müssen bei Preisangabe mit berücksichtigt werden
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Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat zur Zusammensetzung des Gesamtpreises für eine Kreuzfahrt entschieden, dass obligatorische Trinkgelder im beworbenen Reisepreis angegeben werden müssen.

Die Beklagte, die Schiffsreisen vermittelt, hat mit einem Gesamtpreis für eine Kreuzfahrt geworben. In diesem Gesamtpreis fehlte die Angabe eines Serviceentgelts von 10 € pro Tag. Nach den Vertragsbedingungen muss das Serviceentgelt von jedem Kreuzfahrtgast bezahlt werden. Es wird nur dann nicht berechnet, wenn der Gast eine Nacht nicht an Bord verbringt. Der Kläger, ein Verein zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung einer derartigen Werbung in Anspruch.

Das Landgericht Lübeck hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat die Entscheidung des Landgerichts bestätigt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter dem Begriff "Gesamtpreis" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Preisangabenverordnung der Preis zu verstehen, der einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile vom Verbraucher zu zahlen ist. Sonstige Preisbestandteile sind dabei alle unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile des Preises, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sind. Dies zu Grunde gelegt, stellt das von der Beklagten erhobene Serviceentgelt einen sonstigen Preisbestandteil dar, denn es handelt sich nicht um eine freiwillige Leistung des Gastes. Vielmehr wird dessen Bordkonto zwingend mit dem Trinkgeld belastet und der Gast braucht das Serviceentgelt nur dann nicht zu entrichten, wenn er eine Nacht nicht an Bord verbringt. Aus diesem Grunde ist das Serviceentgelt im Gesamtpreis zu berücksichtigen und auszuweisen.

OLG Schleswig, Urt. v. 13.12.2018 - Az.: 6 U 24/17

Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig v. 22.01.2019

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5. LG Arnsberg: Grundpreisangabe im Online-Shop nur bei konkret ausgewähltem Produkt
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Die Pflicht zur Angabe eines Grundpreises in einem Online-Shop besteht nur, wenn ein Produkt konkret ausgewählt wird. Bietet die Seite zunächst eine Übersichtsseite von verschiedenen Formen des Produktes an, so gilt für diese Übersicht noch nicht diese Verpflichtung (LG Arnsberg, Urt. v. 02.08.2018 - Az.: 8 O 20/18).

Die Beklagte bot online auf einer Verkaufsplattform Kinesologietapes an. Auf der Startseite des Produktes wurden die Kinesiologie-Sporttapes in zehn verschiedenen Farben angeboten. Die Bewerbung wurde durch die Worte "Artikelzustand: Neu" eingeleitet, darunter erschienen zwei Spalten, in denen der interessierte Verbraucher sowohl die Farbe als auch die zu bestellende Menge an Taperollen auswählen konnte. In einer weiteren Zeile erschien die Stückzahl (hier: Stückzahl "1") und die Preisangabe "EUR 8,99 (inkl. MwSt.).“ 

Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen die Grundpreisangabenpflicht nach § 2 Abs.1 PAngVO und klagte auf Unterlassung.

Das LG Arnsberg entschied, dass auf einer solchen Übersichtsseite noch keine Obliegenheit bestehe, den Grundpreis anzugeben.

Die Pflicht aus § 2 Abs.1 PAngVO komme erst dann zur Anwendung, wenn ein konkretes Produkt beworben werde, weil auch nur für ein solch individuell bestimmtes Produkt ein Preis angegeben werden könne. Die Konsequenz daraus sei, dass die gesetzliche Verpflichtung, einen Grundpreis zu nennen, somit auch erst zu diesem Zeitpunkt eintrete. Denn wenn mangels Auswahl kein Produktpreis angezeigt werden könne, sei auch die Wiedergabe des Grundpreises nicht möglich.

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6. LG Berlin: 15.000,- EUR Schmerzensgeld für ehrverletzenden Twitter-Kommentar
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Die für Pressesachen zuständige Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin hat dem Kläger in ihrem am 15. Januar 2019 verkündeten Urteil wegen eines schwerwiegenden Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht einen Anspruch auf Zahlung von 15.000 € nebst Zinsen sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 526,58 € zuerkannt.

Bei dem Kläger handelt es sich um den Sohn eines ehemaligen deutschen Profitennisspielers. Der Beklagte ist Mitglied des Deutschen Bundestages und betreibt bei dem sozialen Netzwerk „Twitter“ einen Account.

Der Kläger gab zu Anfang des Jahres 2018 ein Interview, in dem er sich u.a. zu rassistischen Attacken wegen seiner Hautfarbe äußerte. Im Zusammenhang mit diesen Äußerungen des Klägers erschien im Januar 2018 im Rahmen einer Konversation (“Thread“) auf dem Twitter-Account eines Dritten folgender Tweet

„Dem kleinen Halbneger scheint einfach zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären.“

Dieser Tweet wies als Absender den Twitter-Account des Beklagten aus.

In den nun vorliegenden schriftlichen Urteilsgründen ließ die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin keinen Zweifel daran, dass es sich bei diesem Tweet um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers handelt. Dieser Eingriff begründe aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls einen Anspruch auf Geldentschädigung, da die vom Kläger erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden könne. Hier sei u.a. die enorme Außenwirkung zu berücksichtigen, die die ehrverletzende Äußerung erzielt habe.

Die zwischen den Parteien streitige Behauptung des Beklagten, der Twitter-Kommentar sei nicht von ihm, sondern von seinem Mitarbeiter verfasst worden, änderte an der Entscheidung des Landgerichts Berlin nichts.

Die Richter der Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin führten insoweit aus, dass sich der Beklagte – selbst wenn er den Tweet nicht selbst verfasst habe – in diesem Fall das Handeln seines Mitarbeiters zurechnen lassen müsse, weil er diesen als Verrichtungsgehilfen im Sinne von § 831 BGB zur Absetzung von Twitter-Nachrichten bestellt habe.

Entscheidend sei insoweit, dass der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag seinen Mitarbeiter damit beauftragt habe, eigenverantwortlich unter Verwendung des Accounts des Beklagten Tweets abzusetzen, ohne dass der Beklagte diese vorher einer inhaltlichen Kontrolle unterzogen habe.

Nach den vom Bundesgerichtshof für die Haftung eines Verlegers und Herausgebers für Beiträge mit schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen entwickelten und auf den vorliegenden Fall entsprechend anwendbaren Grundsätzen hafte auch der Beklagte in diesem Fall für das Verschulden seines Mitarbeiters ohne eine Entlastungsmöglichkeit, also auch dann, wenn sich sein Mitarbeiter weisungswidrig an der Diskussion auf einem anderen Twitter-Account beteiligt und dort unter Verwendung des Twitter-Accounts des Beklagten einen Kommentar abgegeben habe.

Das am 15. Januar 2019 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin ist nicht rechtskräftig; der Beklagte hat die Möglichkeit, dagegen Berufung beim Kammergericht innerhalb von einem Monat nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe einzulegen.

Landgericht Berlin, Aktenzeichen 27 O 265/18, Urteil vom 15. Januar 2018

Quelle: Pressemitteilung des LG Berlin v. 25.01.2019

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7. LG Berlin: Werbeaussage "Zum Bestpreis verkaufen" eines Online-Immobilienportals irreführend
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Die Werbeaussagen "Zum Bestpreis verkaufen"  oder  "Schnell und zum besten Preis Ihre Immobilie verkaufen"  eines Online-Immobilienportals ist dann irreführend, wenn die Erklärungen ins Blaue hinein geschehen und gerichtlich nicht nachprüfbar sind (LG Berlin, Urt. v. 07.08.2018 - Az.: 15 O 295/17).

Die Beklagte betrieb ein Online-Immobilienportal, auf dem sie interessierte Verkäufer von Grundstücken mit bei ihr angemeldeten Maklern vermittelte. Die Beklagte erhielt hierfür von den Maklern entsprechende Entgelte. Anmelden konnte sich hier grundsätzlich jeder Makler.

Das Unternehmen warb u.a. mit den Aussagen

"zum Bestpreis verkaufen"

und
"Schnell und zum besten Preis Ihre Immobilie verkaufen"

und
"Bestpreis erreicht in 92%"

Das LG Berlin stufte diese Erklärungen durchgehend als irreführend ein.

Denn die Werbeaussagen erfolgten ins Blaue hinein. Die Beklagte sei weder in der Lage noch Willens die bei ihr registrierten Makler näher zu hinterfragen. Es würden sämtliche Makler zugelassen, unabhängig davon, welche Berufserfahrung oder sonstigen Nachweise sie erbringen könnten. Selbst Neulinge ohne jede Berufserfahrung seien aufgenommen wurden.

Es sei schlicht nicht plausibel, warum eine wahllose Ansammlung von erstbesten Maklern jeder für sich einen Spitzenpreis erzielen können sollte, so das Gericht. Selbst wenn man unter der Aussage "beste Preise" nur einen sehr guten Preis verstehen würde, könne die Beklagte dieses Versprechen nicht erfüllen. Denn nichts spreche dafür, dass ausgerechnet die dort gelisteten Makler in der Lage sein sollten, regelmäßig einen Spitzenpreis zu erzielen.

Die Aussage "Bestpreis erreicht in 92 %" sei von vornherein bereits völlig haltlos, da die Beklagte selbst zugebe, keine Statistik zu führen, die diese Zahlen belegen könnten.

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8. LG Heilbronn: Hashtag "#ad" für Werbung einer Instagram-Influencerin nicht ausreichend
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Der Hashtag "#ad"  ist als Kennzeichnung für das kommerzielle Posting einer Instagram-Influencerin nicht ausreichend, um den Vorwurf der Schleichwerbung zu entkräften (LG Heilbronn, Urt. v. 08.05.2018 - Az.: 21 O 14/18 KfH).

Die Beklagte war noch Schülerin und hatte bei Instagram einen Account mit mehr als 100.000 Followern. Sie schrieb als Influencerin insbesondere über Modethemen und hatte ein Gewerbe angemeldet, mit dem bislang ein Einkommen von ca. 1.000,- EUR erzielte.

Gelangte ein User auf die Seite der Beklagten und klickte dort bestimmte Fotos an, so erschien nach nochmaligem Klick im Bereich der Abbildung der Kleidung der Beklagten die Bezeichnung der Marke bzw. den Namen, unter denen die Kleidung oder ein anderes Produkt oder eine Veranstaltung mit Bezug zu der Abbildung beworben oder verkauft wurde. Ein Klick auf die betreffende Bezeichnung oder den Namen führte den User auf eine Internetseite des Unternehmens, welche die Kleidung oder das andere Produkt vertrieb oder vermarktete.

Die Klägerin beanstandete beispielhaft mehrere Postings der Beklagten und stufte diese als Schleichwerbung an, da der kommerzielle Charakter der Nachrichten nicht offengelegt werde.

Es ging dabei u.a. um einen Beitrag der Beklagten für eine bestimmte Messe. Im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung erhielt sie ein T-Shirt im Wert von ca. 20,- EUR, welches sie auf dem dargestellten Bild trug, sowie zwei Eintrittskarten im Wert von insgesamt ca. 200,- EUR. Dafür sollte sie die Veranstaltung im Rahmen eines Postings mit Verlinkung auf die Instagram-Seite des Veranstalters bekannt machen.

Dies tat die Beklagte auch. In der Bildbeschreibung erklärte sie:

"Link for tickets in my bio! #ad".

Das LG Heilbronn verurteilte die Beklagte zur Unterlassung.

Mit deutlichen Worten nahm das Gericht zunächst eine geschäftliche Handlung an. Es sei vollkommen unerheblich, ob die Beklagte die vorgenommene Verlinkung zu den Unternehmensseiten unmittelbar vergütet erhalte oder nicht. Vielmehr sei maßgeblich, dass die Handlungen in jedem Fall (auch) dazu dienten, den eigenen Marktwert aufrechtzuerhalten oder sogar noch zu steigern:

"Der Erfolg der Seite, der in erster Linie zu messen ist an der Zahl der "Follower", der Erfolg der Werbung für die betreffenden Unternehmen sowie der gewerbliche Erfolg der Verfügungsbeklagten sind als Bestandteile eines Gesamtsystems im gewerblichen Zusammenhang zu begreifen. (...) 

Die Aufmerksamkeit der "Follower" und deren Gefolgschaft wird nicht zuletzt potentiell gesteigert durch die Zahl der Posts. Mit anderen Worten: Je mehr Werbeaufträge, desto mehr Posts und desto mehr "Follower"; aber auch: Je mehr "Follower" oder Posts, desto mehr Werbeaufträge. Das System kann also sich selbst verstärkende Tendenzen kreieren, etwa dann, wenn über zahlreichere Werbeaufträge eine größere Zahl von Posts erfolgt, dies wiederum eine Zunahme der Zahl der "Follower" zur Folge hat und hierdurch weitere Werbeaufträge angeregt werden. Möglich ist aber auch umgekehrt ein sich selbst abschwächendes System, wobei das Interesse stets dahin gehen wird, das Drehen der Abwärtsspirale aufzuhalten."


Auch die Tatsache, dass die Beklagte die getragene Kleidung (teilweise) selbst gekauft habe, führe zu keiner anderen Bewertung:
"Aus diesem Grund kann im Zusammenhang mit einer auch gewerblichen Tätigkeit in diesem Bereich schon deswegen keine Abgrenzung zu rein privaten Posts geltend gemacht werden, weil das Posting stets im Zusammenhang mit der Förderung des Gesamtsystems zu begreifen ist. Dies betrifft namentlich Posts mit selbst gekauften Kleidungsstücken wie hier in Ansehung der Abbildungen drei und vier:

Auch diese Posts dienen dem Zweck, das dargestellte System als Ganzes aufrechtzuerhalten, möglichst einen sich selbst verstärkenden Trend wie oben dargelegt zu erzeugen bzw. aufrechtzuerhalten und einen sich selbst abschwächenden Trend zu vermeiden. Im Ergebnis werden mit solchen ohne Gegenleistung erbrachten Posts etwaige Lücken in der regelmäßigen Präsentation aufgefüllt und eine günstige Gesamtlage durch selbstfinanzierte Werbung zugunsten Dritter mit Blick auf zukünftige Werbeaufträge erzeugt."


Hinsichtlich der Pflicht zur Werbekennzeichnung bejahte das Gericht diese ebenfalls im vorliegenden Fall.

Die Kennzeichnung "#ad" genüge nicht als Hinweis auf die kommerzielle Werbung. Dem durchschnittlichen Verbraucher werde nicht klar, dass es sich hier um einen gesponserten Beitrag handle.

Auch den Einwand der Beklagten, dass nach den Werberichtlinien der Landesmedienanstalten (Ziff. 4 Abs.3 der Werberichtlinien) eine Produktplatzierung erst ab einem Wert von 1.000,- EUR überhaupt eine rechtliche Relevanz zukomme, wies das Gericht klar zurück.

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung entspricht den bisherigen Urteilen in diesen Fällen. Sowohl das KG Berlin (Beschl. v. 11.10.2017 - Az.: 5 W 221/17) als auch das OLG Celle (Urt. v. 08.06.2017 - Az.: 13 U 53/16) haben bereits entschieden, dass die Nutzung von Hashtags wie "#ad" oder "#sponsoredby" nicht ausreichend ist, um den Vorwurf der Schleichwerbung zu entkräften.

Vor allem das Gerichtsurteil zu Vreni Frost hat in der Vergangenheit für viel Aufregung gesorgt, vgl. hierzu unsere ausführliche Kommentierung der Entscheidung.

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9. LG Wiesbaden: Bei Werbeaussage "Product winner" muss Fundstelle mit angegeben werden
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Bei den Werbeaussagen "Product winner" und "Best product"  handelt es sich um Reklame mit Testergebnissen, sodass eine konkrete Fundstelle anzugeben ist, unter der der Verbraucher die näheren Bedingungen der Bewertung nachlesen kann (LG Wiesbaden, Urt. v. 10.10.2018 - Az.: 12 O 29/18).

Die Beklagte vertrieb Medizintechnik und Pflegeprodukte und warb mit den Sätzen

"Product winner"
und
"Best product" 
auf seiner Homepage. Es fanden sich keine näheren Erläuterungen, insbesondere war keine Verlinkung zu einer Drittseite vorgenommen, auf der sich etwaige Informationen befanden.

Das LG Wiesbaden beurteilte diese Werbung als wettbewerbswidrig.

Denn die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze hinsichtlich der Pflicht zur Fundstellenangabe kämen auch im vorliegenden Fall zur Wendung.

Bei den Erklärungen "Best Product" und "Product winner"  handle es sich nicht anderes als um die Verwendung von Testergebnisses, wie es beispielsweise auch bei dem Wort "Award" gegeben sei.  Eine solche Auszeichnung werde von einer Jury unter Verwendung von Auswahlkriterien vergeben. Der Zweck liege darin, das ausgezeichnete Produkt gegenüber anderen Produkten hervorzuheben, wodurch dem Verbraucher die Kaufentscheidung erleichtert werden solle.

Die Beklagte sei also verpflichtet gewesen, entsprechende Fundstellen anzugeben oder weiterführende Informationen anzugeben, damit der User nachlesen könne, welche Kriterien bei der Entscheidung berücksichtigt worden seien.

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10. VG Dresden: Umfang eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs bzgl. verurteilten Polizisten
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Die für das Presserecht zuständige 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden hat auf Antrag des Spiegel-Verlags und eines Journalisten das Polizeiverwaltungsamt des Freistaats Sachsen mit einstweiliger Anordnung vom 23. Januar 2019 verpflichtet, Auskunft zu erteilen, ob sich ein wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilter Polizist noch im Polizeidienst befindet und inwieweit er mit hoheitlichen Aufgaben betraut ist. Soweit sich der Auskunftswunsch weiter auch auf den genauen Ausgang eines Disziplinarverfahrens und auf die genaue Verwendung des Betroffenen im Polizeidienst erstreckte, lehnte das Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch ab (VG Dresden, Beschluss vom 23. Januar 2019, Az. 2 L 827/18).

Der am Verfahren als Beigeladener beteiligte Polizist war wegen Äußerungen in einem sozialen Medium, bei denen er auch seine berufliche Tätigkeit kundgetan hatte, mittels Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nach der Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl war im Herbst 2017 in der örtlichen Presse über die rechtskräftig verhängte Strafe berichtet worden. Dabei wurde auch die Frage aufgeworfen, wie es mit dem betroffenen Polizisten weitergehe. Die Antragsteller hatten seit August 2018 erfolglos versucht, vom Antragsgegner entsprechende Auskünfte zu erhalten.

Die Kammer hielt einen Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 des Sächsischen Pressegesetzes (SächsPresseG) für gegeben und Verweigerungsgründe nach Abs. 2 dieser Bestimmung für nicht einschlägig. Sie hat sich bei Ihrer Entscheidung davon leiten lassen, dass für die Frage, ob ein wegen Volksverhetzung verurteilter Polizist noch im Polizeidienst tätig ist und ggf. mit hoheitlichen Aufgaben gegenüber den rechtsunterworfenen Bürgern betraut ist, das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Informationsinteresse der Öffentlichkeit die privaten Belange des Betroffenen überwiegt.

Der Polizist habe sich unter Betonung seiner beruflichen Tätigkeit in den virtuellen öffentlichen Raum begeben und dort schon selbst identifizierbar gemacht. Daher könne er sich nur in geringem Maß darauf berufen, dass die beruflichen Folgen solchen Handelns unbemerkt bleiben müssen. Schutzwürdige Interessen des Staates an einer Geheimhaltung diesbezüglich hat die Kammer gänzlich verworfen.

Die Beteiligten können gegen diesen Beschluss binnen zwei Wochen Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht erheben.

Quelle: Pressemitteilung des VG Dresden v. 28.01.2019

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