anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 22. KW im Jahre 2007. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz, Wirtschaftsrecht und Gewinnspiel- / Glücksspielrecht.
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Die Themen im Überblick:
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1. BGH: Abmahnkosten + Schadensersatz bei dauerhaften Internet-Verletzungen
2. BGH: Umfang der verbraucherrechtlichen Widerrufsbelehrung - VOLLTEXT
3. BGH: Mauerbild als Staatsgeschenk = Verletzung des Urheberrechts?
4. LG Hamburg: Mitstörerhaftung für Usenet-Zugangsdienst
5. LG Hamburg: Kein Vergütungsanspruch trotz Abdruck von Nacktfotos in BILD
6. LG Hildesheim: Rechtsmissbrauch bei Internet-Abmahnungen
7. LG Köln: Haftung des Webhosting-Dienstes Rapidshare wegen Urheberrechtsverletzung
8. LG Paderborn: Rechtsmissbrauch bei Internet-Abmahnungen
9. LG Siegen: Rechtsmissbrauch bei Internet-Abmahnungen
10. ArbG Frankfurt a.M.: Zusendung von Gewerkschaft-Mails an Arbeitnehmer rechtswidrig
11. LG München I: Verfügungsantrag in Sachen „Pumuckl’s Freundin“ zurückgewiesen
12. Law-Podcasting.de: Strafrechtliche Bestimmungen im Glücksspielrecht - Teil 2
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1. BGH: Abmahnkosten + Schadensersatz bei dauerhaften Internet-Verletzungen
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Der BGH (Urt. v. 23.11.2006 - Az.: I ZR 276/03 = http://shink.de/4b8t0b) hatte über den Ersatz von Abmahnkosten und die Zahlung von Schadensersatz bei dauerhaften Internet-Verletzungen zu entscheiden.
Der Kläger war Steuerberater und mahnte den Beklagten ab, der als Steuerverein auf seinen Webseiten Dritten rechtswidrig seine geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen anbot. Auf der Internet-Seite waren u.a. 122 Mitglieder des Vereins gelistet, die der Kläger ebenfalls in Anspruch nahm. Im Rahmen der Prozesse stellte sich heraus, dass die dort genannten Personen im Steuerverein weder Mitglied waren noch diesen überhaupt kannten.
Der Kläger verlangte nun gegenüber dem Beklagten Schadensersatz: Durch seine 122 Abmahnschreiben an die angeblichen Mitglieder sei ein Schaden von ca. 46.000,- EUR entstanden. Hinzu kämen Kosten in Höhe von ca. 23.000,- EUR aus verlorenen Gerichtsverfahren.
Die Vorinstanzen lehnten den Schadensersatzanspruch. Die BGH-Richter hoben diese Entscheidung auf und erklärten, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehe. Zur Bestimmung der konkreten Höhe verwiesen sie das Verfahren an die Vorinstanz zurück:
"Die wettbewerbswidrige Werbung (...) hat in dem Maße, in dem sich der Kläger durch sie zu einem außergerichtlichen Vorgehen und gegebenenfalls auch zu einem gerichtlichen Vorgehen gegen die tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen unberechtigten Anbieter herausgefordert fühlen durfte, auch zu einem vom Beklagten adäquat verursachten Schaden geführt. (...)
Denn es besteht Übereinstimmung darin, dass Abmahnkosten jedenfalls dann als ersatzfähiger Schaden angesehen werden können, wenn es sich - wie beim Einstellen einer wettbewerbswidrigen Werbung in das Internet - nicht um einen Einzelverstoß, sondern um eine Dauerhandlung handelt. Hierfür spricht die Erwägung, dass in einem solchen Fall die Abmahnung zugleich dazu dient, den Schaden abzuwenden oder zu mindern, so dass der Mitbewerber mit der Abmahnung die Obliegenheit aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB erfüllt. Daher sind die dadurch entstandenen Kosten im Falle ihrer Erforderlichkeit als adäquat-kausal verursachter Schaden anzusehen (...)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Verletzter denjenigen Schaden, der ihm durch eine Handlung entstanden ist, die auf einer von ihm selbst getroffenen Willensentscheidung beruht, dann ersetzt verlangen, wenn die Handlung durch ein rechtswidriges Verhalten eines anderen herausgefordert worden ist und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses Verhalten darstellt (...). Bei Aufwendungen kommt eine Ersatzpflicht dann in Betracht, wenn ein wirtschaftlich denkender Mensch sie für notwendig erachten durfte, um einen konkret drohenden Schadenseintritt zu verhüten (...).
Diese Grundsätze gelten auch für den wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch (...). Für die im Streitfall vorzunehmende Beurteilung ist es ferner unerheblich, ob der Beklagte als (Mit-)Täter oder Teilnehmer an einer von den abgemahnten Personen durchgeführten wettbewerbswidrigen Werbung mitgewirkt oder aber lediglich den unrichtigen Anschein eines solchen Angebots erweckt hat. (...)
Danach wird das Berufungsgericht Feststellungen dazu treffen müssen, inwieweit sich der Kläger zum Zweck der Unterbindung weiterer Wettbewerbsverstöße zu den ihn mit Kosten belastenden außergerichtlichen und gerichtlichen Maßnahmen herausgefordert fühlen durfte."
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2. BGH: Umfang der verbraucherrechtlichen Widerrufsbelehrung - VOLLTEXT
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Die Kanzlei-Infos berichteten schon vor kurzem davon (vgl. Infos v. 14.04.2007 = http://shink.de/7l9wtf), nun liegen die schriftlichen Entscheidungsgründe vor.
Der BGH (Urt. v. 22.03.2007 - Az.: VII ZR 122/06: PDF = http://shink.de/wghf8y) hatte über den Umfang der verbraucherrechtlichen Widerrufsbelehrung zu entscheiden.
Die höchsten deutschen Zivilrichter urteilten, dass eine Widerrufsbelehrung, die den Verbraucher lediglich über seine Pflichten, nicht jedoch über seine wesentlichen Rechte informiert, nicht ausreichend sei. Daher beginne auch die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht zu laufen.
Die Widerrufsbelehrung lautete in dem Fall wie folgt:
"Widerrufsbelehrung: Sie können Ihre Bestellung innerhalb von zwei Wochen ab Aushändigung dieser Belehrung ohne Begründung in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der bestellten Gegenstände gegenüber der Fa. D. - es folgt die Adresse - widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Im Falle des Widerrufs müssen Sie die erhaltene Sache zurück- und gezogene Nutzungen herausgeben. Ferner haben Sie Wertersatz zu leisten, soweit die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, Sie den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet haben oder die erhaltene Sache sich verschlechtert hat oder untergegangen ist. Die durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung bleibt außer Betracht."
Der Kunde widerrief sein Angebot mehr als zwei Wochen nach seiner Abgabe. Er war nicht mehr bereit, die Arbeiten vornehmen zu lassen. Der Unternehmer verlangte eine pauschale Entschädigung. Damit hatte er keinen Erfolg, da keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgte.
"Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV den Text vor:
"Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggfls. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben."
Die Widerrufsbelehrung der Klägerin informiert demgegenüber lediglich darüber, dass der Verbraucher die Pflicht zur Rückgewähr und zur Herausgabe gezogener Nutzungen hat. Das ist eine einseitige Darstellung, die geeignet ist, Unsicherheit beim Verbraucher darüber hervorzurufen, inwieweit der Unternehmer in gleicher Weise verpflichtet ist. Sie wird dem Ziel, den Verbraucher möglichst unmissverständlich zu belehren, nicht gerecht. Diesem drängt sich die unbeantwortete Frage auf, wieso nur seine Verpflichtung zur Rückgabe und nicht die des Unternehmers zur Rückzahlung erwähnt wird. Insbesondere wird ihm die Information vorenthalten, dass auch der Unternehmer die gezogenen Nutzungen, z.B. Zinsen, herauszugeben hat."
Der BGH bezieht sich an mehreren Stellen seiner Entscheidung auf die berühmt-berüchtigte Muster-Widerrufsbelehrung. Inzwischen existiert diesbzgl. eine ausufernde Rechtsprechung, wann, ob und wie im Online-Handel überhaupt eine wirksame Belehrung nach dem gesetzlichen Muster erfolgen kann.
Einige Stimmen sind nun der Ansicht, durch die Bezugnahme des BGH auf die Muster-Widerrufsbelehrung habe er eindeutig klargestellt, dass diese wirksam sei und den Rechtsansichten des KG Berlin, des OLG Hamburg und des OLG Hamm eine Absage erteilt.
Eine solche Interpretation der Entscheidungsgründe ist jedoch nicht zwingend, sondern vielmehr reine Kaffeesatzleserei. Die bislang ergangenen Entscheidungen, wonach sich z.B. die Widerrufsfrist auf 1 Monat verlängert und die Wertersatzklausel gänzlich zu streichen ist, betreffen nur besondere Konstellationen im Online-Handel: Wenn nämlich die schriftliche Widerrufsbelehrung nach Vertragsschluss stattfindet, z.B. sämtliche eBay-Geschäfte. Jeder Online-Shop (außerhalb von eBay) kann jedoch den Vertragsschluss frei bestimmen und so dafür sorgen, dass die schriftliche Belehrung vor Zustandekommen des Kaufes erfolgt. Dann ist die Muster-Widerrufsbelehrung unproblematisch anwendbar.
Dies zeigt, dass es somit keinen brauchbaren Rückschluss darauf gibt, welcher Ansicht der BGH nun folgt. Vielmehr bleibt das bereits beim BGH liegende Revisionsverfahren abzuwarten. Bis dahin wird sich der rechtliche Wildwuchs im Fernabsatzrecht noch weiter verstärken.
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3. BGH: Mauerbild als Staatsgeschenk = Verletzung des Urheberrechts?
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Der u. a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Klage eines bildenden Künstlers gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung seines Urheberrechts zu entscheiden. Der Kläger hatte im Jahr 1995 drei zusammenhängende Segmente der Berliner Mauer am Leipziger Platz mit einem Bild ("Ost-West-Dialog") bemalt.
Das Grundstück mit den Mauerstücken stand im Eigentum des Landes Berlin, das der Bemalung nicht zugestimmt hatte. Im Jahr 2001 schenkte das Land Berlin bei einem Festakt auf dem Leipziger Platz die Mauerteile dem Deutschen Bundestag. Dessen Präsident übergab sie symbolisch als Staatsgeschenk der UNO, die durch ihren Generalsekretär Annan vertreten war. Die tatsächliche Übergabe der Mauerteile an die UNO fand im Jahr 2002 im Park der Vereinten Nationen in New York statt. Der Kläger hat von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Schadensersatz verlangt, weil sie die Mauersegmente mit seinem Gemälde ohne seine Zustimmung verschenkt und bei dem Festakt nicht auf ihn als Urheber hingewiesen hatte.
Der Bundesgerichtshof hat die Klageabweisung durch die Vorinstanzen bestätigt. Die nur symbolische Übergabe der Mauerteile mit dem Werk des Klägers bei dem Festakt in Berlin sei nicht mit einem Eingriff in seine urheberrechtlichen Verwertungsrechte verbunden gewesen. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland habe auch nicht das Recht des Klägers auf Anerkennung seiner Urheberschaft verletzt, weil sie ihn bei der öffentlichen Veranstaltung im Jahre 2001 nicht als Urheber benannt habe. Der Kläger habe sein Werk auf den Mauerteilen als sog. aufgedrängte Kunst angebracht und nicht signiert. Jedenfalls unter diesen Umständen sei die Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen, sich vor der Veranstaltung bei ihm zu erkundigen, ob er dabei als Urheber genannt werden wolle.
Die Frage, ob bei der tatsächlichen Übergabe der Mauerteile und deren Aufstellung im Park der Vereinten Nationen in New York urheberrechtliche Befugnisse des Klägers aus ausländischem Recht verletzt worden sind, war nicht Gegenstand des Verfahrens.
Urteil vom 24. Mai 2007 I ZR 42/04
Quelle: Pressemitteilung Nr. 63/2007 des BGH v. 24.05.2007
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4. LG Hamburg: Mitstörerhaftung für Usenet-Zugangsdienst
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Das LG Hamburg (Urt. v. 19.02.2007 - Az.: 308 O 32/07 = http://shink.de/e046f9) hat entschieden, dass der Betreiber eines Usenet-Zugangsdienstes als Mitstörer für die im Usenet begangenen Urheberrechtsverletzungen haftet.
"Die Antragsgegnerin (...) hat trotz bereits im Jahre 2005 erfolgter Hinweise durch die Antragstellerin bis heute keine hinreichende Vorsorge getroffen, dass es nicht zu weiteren Verletzungen kommen kann (...).
Sofern die Antragsgegnerin (...) nach Kenntniserlangung nicht hinreichend effiziente Maßnahmen ergreift, um zu verhindern, dass erneut entsprechende Musikwerke über ihren Dienst aus dem Usenet herunterladbar sind, wirkt sie damit in einer eine Störerhaftung im oben dargestellten Sinne begründenden Art und Weise an den von ihren Nutzern begangenen Rechtsverletzungen mit (...)."
Das LG Hamburg bejaht mit dieser Entscheidung die Mitstörerhaftung eines Usenet-Zugangsdienstes. Schaut man sich die Entscheidungsgründe an, fällt auf, dass sich mit den wichtigsten juristischen Punkten (insb. Zumutbarkeit, Einstufung des Zugangsdienstes) kaum inhaltlich auseinandergesetzt wird. Enttäuschend ist vor allem, dass hier das Gericht seitenlang fremde Urteilsgründe zitiert anstatt seine Meinung in eigenen Worten wiederzugeben.
Vor kurzem hat das LG München I exakt anders entschieden und die Mithaftung des Betreibers eines Usenet-Servers verneint, vgl. die Kanzlei-Infos v. 24.04.2007 = http://shink.de/fwbmjo
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5. LG Hamburg: Kein Vergütungsanspruch trotz Abdruck von Nacktfotos in BILD
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Das LG Hamburg (Urt. v. 19.01.2007 - Az.: 324 0 568/06) hatte über den Vergütungsanspruch für den Abdruck von Nacktfotos in der bekannten Tageszeitung BILD zu entscheiden.
Die Klägerin war hauptberuflich Verkäuferin und nicht als Fotomodell tätig. Im Verlag der Beklagten erscheint u. a. BILD, auf deren Titelseite jeweils montags in der Rubrik „Montagsmädchen" Fotos von mehr oder weniger bekleideten Frauen abgedruckt werden. Hierbei handelt es sich um Laienmodelie.
Die Klägerin bewarb sich für die Fotorubrik bei der Beklagten. Im Rahmen der Fotoablichtungen unterschrieb die Klägerin auch die Einwilligung, dass die Bilder veröffentlicht werden dürften.
Wenig später erschien ein Foto der Klägerin, welches sie nur mit einem Slip bekleidet zeigte. Daraufhin verlangte sie ein angemessenes Schmerzensgeld, alternativ die Bezahlung eines Honorars.
Zu Unrecht wie die Hamburger Richter nun entschieden:
"Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung (...). Gemäß § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse zwar nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Dass die Klägerin eine solche Einwilligung erteilt hat, ist indes letztlich nicht hinreichend substantiiert bestritten und gilt damit (...) als zugestanden: Ihrer Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens der Einwilligung hat die Beklagte mit ihrem Vortrag genügt, die Klägerin habe während eines Fototermins in die Veröffentlichung der dort entstandenen Fotos in der „Bild"-Zeitung unter der Rubrik „Montagsmädchen" eingewilligt und diese Einwilligung auch schriftlich bestätigt."
Hinsichtlich des alternativ geltend gemachten Vergütungsanspruchs meinen die Juristen:
"Unstreitig gibt es keine ausdrückliche Vereinbarung über eine (...) Geldzahlung (...). Eine Vergütungsvereinbarung ist aber auch nicht stillschweigend geschlossen worden. Dies wäre (...) nur dann der Fall, wenn die Einwilligung und Mitwirkung der Klägerin den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
Es obliegt der Klägerin, das Vorliegen derartiger Umstände darzulegen und zu beweisen (...). Dies ist ihr nicht gelungen. (...) Eine Pflicht zur Vergütung ergibt sich objektiv namentlich nicht allein aus der Tatsache, dass die Klägerin auf dem streitgegenständlichen Foto weitgehend unbekleidet abgebildet ist. Zwar wird vertreten, dass Nacktfotos üblicherweise nur gegen Entgelt zu veröffentlichen sind (...). Auch ein solcher Grundsatz könnte indes keineswegs absolut gelten, es ist vielmehr stets auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen (...).
Diese sprechen hier aber durchweg gegen die Annahme einer Entgeltlichkeit: In der Rubrik, in der die streitgegenständliche Fotografie veröffentlicht wurde, werden unbestritten ausschließlich Fotos von Laienmodellen veröffentlicht; auch die Klägerin ist beruflich nicht als Fotomodell tätig."
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6. LG Hildesheim: Rechtsmissbrauch bei Internet-Abmahnungen
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Das LG Hildesheim (Beschl. v. 10.05.2007 - Az.: 11 O 17/07: PDF via MIR = http://shink.de/7hbsk0) hat entschieden, dass die zeitgleiche Einschaltung mehrerer Anwaltskanzleien bei einfach gelagerten Wettbewerbsverstößen rechtsmissbräuchlich ist.
"Die Antragstellerin wäre im vorliegenden Verfahren voraussichtlich unterlegen gewesen, weil sie hier rechtsmissbräuchlich (...) gehandelt hat.
Diese Bewertung basiert auf folgenden Umständen: Die Antragstellerin hat den Antragsgegner wegen zwei identischer Wettbewerbsverstöße im Abstand von einem Monat durch zwei verschiedene Rechtsanwaltskanzleien abgemahnt. Es ist ferner bekannt, dass ein weiteres Unternehmen, dessen Vorstand der Geschäftsführer der hiesigen Antragstellerin ist, nicht nur vor dem Landgericht Hildesheim, sondern auch bei anderen Landgerichten wiederholt ähnliche oder gleiche Wettbewerbsverstöße verfolgt hat und auch jenes Unternehmen sich verschiedener Anwaltskanzleien bedient.
Wer für einfach gelagerte, regelmäßig unstreitige Sachverhalte bei einer nicht schwierigen rechtlichen Problematik mehrere Anwaltkanzleien einschaltet und bundesweit gegen den Mitbewerber vorgeht, gibt begründeten Anlass zu der Annahme, dass er kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse verfolgt.
Das Argument, die Beauftragung mehrerer Anwaltskanzleien diene der Qualitätsverbesserung der juristischen Vertretung, ist bei Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegenden nicht überzeugend. Ginge es der Antragstellerin um die Qualitätsverbesserung, hätte sie Kanzleien nicht parallel sondern nacheinander eingeschaltet."
So wünschenswert und richtig die Entscheidung des LG Hildesheim im konkreten Fall ist, sie hinterlässt einen faden Beigeschmack. Denn die Begründung des Gerichts kann nicht überzeugen und ist vor allem - unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - kaum tauglich, tatsächlich sachlich einen Rechtsmissbrauch anzunehmen.
Dabei gäbe es genug Möglichkeiten, mit inhaltlich überzeugenden Argumenten den Missbrauch zu begründen und so für eine substantiierte und nachvollziehbare Rechtsprechung in diesem Bereich zu sorgen. Wenn aber die gerichtlichen Entscheidungsgründe, wie hier, lediglich an der Oberfläche kratzen, dann wird sich auch zukünftig an der grundsätzlichen Problematik nichts ändern.
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7. LG Köln: Haftung des Webhosting-Dienstes Rapidshare wegen Urheberrechtsverletzung
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Die Nachricht ist schon seit längerem bekannt, nun liegen die schriftlichen Entscheidungsgründe vor: Das LG Köln (Urt. v. 21.03.2007 - Az.: 28 O 19/07 = http://shink.de/cc1bco) hat den Webhosting-Dienst Rapidshare als Mitstörer wegen Urheberrechtsverletzung zur Unterlassung verurteilt.
Die Kölner Richter sind - wie die überwiegende Meinung in der Rechtsprechung - ebenfalls der Ansicht, dass der Anbieter für fremde Inhalte erst ab Kenntnisnahme haftet. So auch im vorliegenden Falle.
In der Entscheidung geht es vielmehr um die Frage, welche Pflichten einen Anbieter treffen, zukünftig kerngleiche Verstöße zu vermeiden. D.h. es zu unterbinden, dass die urheberrechtswidrigen Dateien nicht einfach unter einem anderem Namen erneut angeboten werden.
Diese Frage, die (auch) ganz entscheidend für den gesamten Bereich des sog. "user generated content" (Stichwort: Web 2.0) ist, hat vor kurzem das LG München I dahingehend beantwortet, dass der Anbieter eines Usenet-Servers nicht als Mitstörer haftet, da es keine hinreichend sichere technische Möglichkeite der Filterung gibt, vgl. die Kanzlei-Infos v. 24.04.2007 (= http://shink.de/sx8wkm). Das LG Hamburg dagegen hat genau entgegengesetzt geurteilt und einen Usenet-Zugangsdienst zur Unterlassung verpflichtet, vgl. die Kanzlei-Infos v. 25.05.2007 (= http://shink.de/7v6lrb).
Letzterer Ansicht schließt sich auch das LG Köln an. Nach Kenntniserlangung sei der Webhosting-Dienst verpflichtet, alles Zumutbare zu tun, um kerngleiche Verstöße zukünftig zu unterbinden. Eine solche Pflicht sei im vorliegenden Fall insbesondere deswegen anzunehmen, weil der Webhosting-Dienst durch die Einnahmen aus dem Premium-Zugang an von den Nutzern begangenen Urheberrechtsverletzungen beteiligt sei und hiervon in erheblichem Maße profitiere.
"Dies bedeutet, dass ein Diensteanbieter wie die Verfügungsbeklagten immer dann, wenn sie auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden sind, nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren müssen (...), sondern auch Vorsorge treffen müssen, dass es möglichst nicht zu derartigen weiteren Urheberrechtsverletzungen kommt."
Eine solche Überwachungspflicht umfasst nach Ansicht der Richter insbesondere die Beobachtung bekannter Webseiten, auf denen regelmäßig urheberrechtswidriges Material zum Download angeboten wird.
Und hinsichtlich des Arguments, dass eine Überprüfung aufgrund der Größe der Datenmenge nicht möglich sei, meint das LG:
"Hiernach kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Verfügungsbeklagten keine zumutbaren und effektiven Möglichkeiten zur Verfügung stehen, Urheberrechtsverletzungen zu verhindern bzw. sofort nach Bekanntwerden zu unterbinden. (...)
Trotz des Umstandes, dass sie eine Abuse-Abteilung – von unbekanntem Umfang – betreiben, scheint diese sich auf eher unwesentliche Internetangebote zu konzentrieren, während nahe liegende und ebenso einfache wie preiswerte Prüfungsmöglichkeiten überhaupt nicht wahrgenommen werden. Jedenfalls ergibt sich aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten nicht, dass sie die ihnen zur Verfügung stehenden Prüfungsmöglichkeiten sinnvoll und effektiv nutzen, weil sie nicht einmal die auf ihr Internetangebot zugeschnittene – hierzu parallel laufende fremde Internetseite (...), die ihr eigenes Angebot widerspiegeln, regelmäßig auf die auf ihrer Internetseite befindlichen und streitgegenständlichen Urheberrechtsverstöße überprüfen, was im Hinblick auf die dort vorhandenen und im Interesse der Nutzer perfektionierten Suchfunktionen, die auch den Verfügungsbeklagten zur Verfügung stehen, ohne nennenswerten Aufwand möglich wäre.
Diese beiden Internetangebote, aus denen die Verfügungsklägerin alleine die streitgegenständlichen Verstöße ermittelt hat, sind jedenfalls vollumfänglich von der Prüfungspflicht der Verfügungsbeklagten umfasst. Dort ergeben sich die zum Download angebotenen Musikstücke namentlich und mit ihrem jeweiligen Link zur Internetseite der Verfügungsbeklagten.
Es mag eine andere Frage sein, ob – z.B. im Ordnungsmittelverfahren – ein schuldhaftes Handeln vorliegen würde, wenn aus Links von den weiteren 604 Internet-Seiten, die den Verfügungsbeklagten bekannt sind, eine Urheberrechtsverletzung auf der Seite www.rapidshare.com bekannt würde; hier käme es sicher ebenfalls auf den Bekanntheitsgrad der Internetseite an bzw. auf die Frage, ob diese in ähnlicher Weise wie die beiden genannten Internetangebote auf das Angebot Rapidshare zugeschnitten ist."
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8. LG Paderborn: Rechtsmissbrauch bei Internet-Abmahnungen
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Auch das LG Paderborn (Urteil vom 03.04.2007 - Az.: 7 O 20/07: PDF via MIR = http://shink.de/njdjbx) hatte über den Rechtsmissbrauch bei Internet-Abmahnungen zu entschieden.
"Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung konnte nicht entsprochen werden. (...) Dem Begehren der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war deshalb nicht zu entsprechen, weil der Antragsgegner zu Recht den Missbrauchseinwand (...) erhebt.
Die Antragstellerin gehört offensichtlich zum Kreis der Unternehmen, die sich nach Aufkommen der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin und des Oberlandesgerichts Hamburg zum Thema Textform mit Rechtsanwälten verbündet haben, um Internetseiten bei eBay etc. auf eventuelle Belehrungsdefizite zu durchsuchen und durch Abmahnungen die eigenen Einkünfte zu erhöhen.
So ist auf der Internetseite www.pc-special.net (...) zu lesen, dass die die als recht abmahnfreudig bekannte Antragstellerin jetzt dazu übergegangen sei, auch Händler abzumahnen, die über www.amazon.de Elektronikwaren verkaufen.
Eine exakte Übersicht über die außergerichtlich erledigten Abmahnungen der Antragstellerin und über die von ihr anhängig gemachten Gerichtsverfahren ist der Kammer naturgemäß verwehrt. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass die Methode der Antragstellerin entsprechend den allgemeinen Gebräuchen im Abmahnwesen zum Internethandel dahin geht, die Inanspruchnahme der Landgerichte zu streuen.
Um den getätigten Rechtsmissbrauch nicht von vornherein evident zu machen, wird insbesondere das Landgericht, in dem man den Betriebssitz hat, nicht oder nur zurückhaltend mit Verfahren bedacht. Auch im vorliegenden Fall ist es aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers, der seine Einnahmen nicht durch Abmahnungen erzielen will, nicht verständlich, warum man sich bei der Antragstellerin die immerhin 102 km weite Fahrt nach Paderborn zumutet, obwohl es zum Landgericht Hildesheim nur 26 km sind.
Der Kammer ist, wie gesagt, zwar ein genauer Überblick über die Abmahntätigkeit die Antragstellerin verwehrt. Eine ausreichende Einschätzung wird ihr allerdings bereits ermöglicht durch die Akte hier und das weitere Verfahren (...) Paderborn. Aus diesen Akten folgt, dass die Antragstellerin derzeit insgesamt drei Anwaltsbüros im Abmahnwesen beauftragt hat."
Und weiter:
"Das sind: Die Rechtsanwälte (...), die die Antragstellerin im Verfahren hier vertreten. Weiterhin zu nennen sind die Rechtsanwälte (...), die in der Anlage 1 des Antragsgegners auftauchen. Letztlich zu nennen sind noch die Rechtsanwälte (...), von denen als Anlage 4 des Antragsgegners ein Schriftsatz zur Akte gereicht ist. Die Rechtsanwälte (...) vertreten die Antragstellerin auch im Verfahren (...), einer negativen Feststellungsklage wegen angeblich unberechtigter Abmahnung.
Der Inhalt dieser Akte bestätigt auch die Behauptung der Beklagten, dass man bei der Antragstellerin und ihren Anwälten im Massengeschäft denÜberblick verloren hat. So heißt es nämlich in dieser Sache in der Klageerwiderung der Rechtsanwälte (...) vom 22. März 2007 dass man mit gleicher Post Hauptsacheklage vor dem Landgericht Berlin erhoben habe. Die beigefügte Abschrift der Unterlassungsklage ist freilich adressiert an das Landgericht Hamburg.
Ein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse der Antragstellerin an der Rechtsverfolgung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Bei einigem Nachdenken sollte es ihr klar sein, dass sie keine Grafikkarte und keine Festplatte mehr verkaufen wird, wenn der Antragsgegner, soweit nicht bereits geschehen, seine Widerrufsbelehrungen der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin oder des OLG Hamburg anpasst.
Einer Entscheidung dazu, ob diese Rechtsprechung zum Begriff Textform zutreffend ist, enthält sich die Kammer ausdrücklich unter Hinweis darauf, dass das in Abmahnerkreisen bekannt gewordene Urteil des Landgerichts Paderborn vom 28. November 2006 – 6 0 70/06 - von der 1. Kammer für Handelssachen erlassen worden ist."
Das Urteil ist vom Ergebnis her absolut richtig und zutreffend, es liegt ein Fall des Rechtmissbrauch vor.
Nur, und das ist das Unbefriedigende an dieser Entscheidung: Das Gericht führt kein überzeugendes sachliches Argument für seine Meinung an. Juristisch sind die Entscheidungsgründe daher mehr als dürftig.
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9. LG Siegen: Rechtsmissbrauch bei Internet-Abmahnungen
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Das LG Siegen (Urt. v. 02.03.2006 - Az:: 7 O 74/05) hat in einer schon etwas länger zurückliegenden Entscheidung unter gewissen Umständen den Rechtsmissbrauch bei Internet-Abmahnungen bejaht.
Beide Parteien boten Waren bei eBay an. Der Beklagte hielt sich dabei nicht an die Vorschriften des gesetzlichen Widerrufsrechts, so dass der Kläger ihn abmahnte. Daraufhin gab der Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, lehnte jedoch die Kosten ab.
Diese klagte der Kläger nun vor dem LG Siegen ein.
Zu Unrecht wie die Richter meinten. Zwar lag zum Zeitpunkt der Abmahnung ein Wettbewerbsverhältnis vor. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedoch konnte der Kläger nicht mehr ausreichend darlegen, dass er überhaupt noch einen Shop betrieb:
"Das Fortbestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien wird aber durch die vom Kläger überreichten Kopien nicht nachgewiesen. Unter Benutzung der darin enthaltenen Angaben lässt sich ein Wettbewerbsverhältnis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr feststellen.
Das Ergebnis der Suche bei eBay nach einem Shop des Klägers namens "N(...)" führt zur Antwort, dass dieser Shop nicht mehr betrieben wird. Dies ist durchaus auch glaubhaft, da der Betreiber des Shops im Verhältnis zu anderen Betreibern von eBay-Shops eine auffällig hohe Anzahl an negativen Kritiken einschließlich des Vorwurfs des Betruges zu verzeichnen hatte (...).
Die Suche eines Shops des Beklagten unter der Bezeichnung "Der kleine Hobbit" ergibt ebenfalls keinen unter dieser Bezeichnung auftretenden. Auch nach der Eingabekombination " Räucherstäbchen UND Sofort&Kaufen" liefert die Suche unter Benutzung der Umkreissuche mit der Postleitzahl der beiden Parteien kein Ergebnis, das auf einen der angegebenen eBbay-Shops oder eine wirtschaftliche Tätigkeit der Parteien in diesem Marktbereich hindeuten würde.
Dieses entspricht auch den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, wonach er seinen Shop bei eBay nicht mehr betreibt. Der Kläger hat trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens in der mündlichen Verhandlung an dieser unentschuldigt nicht teilgenommen, obwohl dies in seinem Interesse zur Sachaufklärung sinnvoll gewesen wäre (den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses hat sich die Kammer vorbehalten)."
Darüber hinaus ist das LG Siegen der Meinung, hier liege ein Rechtsmissbrauch vor:
"Demnach sprechen alle Umstände dafür, dass der Kläger den Unterlassungsanspruch geltendgemacht hat, um gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen (...).
Die Parteien waren von vornherein nur mit einem geringen Teil ihres Angebots Wettbewerber und besiedelten mehrere 100 km voneinander entfernt. Soweit sich das Warenangebot überhaupt überschritten hatte, war dies in einem geringen Umfange hinsichtlich "Räucherstäbchen" der Fall.
Hinzukommt, dass in dem Warenangebot des Klägers die Warengruppe Räucherstäbchen nicht nur zahlenmäßig eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Sie war auch preismäßig im unteren Bereich seines Warenangebotes angesiedelt, wie die vorgelegten Ausdrucke seines Warenangebotes seines Internetshops belegen. Der Kläger hat nach den von ihm vorgelegten Ausdrucken seines Angebots (...) Räucherstäbchen nur in geringem Umfange vertrieben und diese zu Preisen zwischen 1,99 € bis 16,50 € angeboten. Im Vergleich zu seinen übrigen Angeboten aus dem Bereich der Wohnungsausstattung bewegten sich diese überwiegend im Niedrigpreissegment.
Der einzige feststellbare Wettbewerbsverstoß des Beklagten war vom Umfang und Dauer her begrenzt. Sofern von einem ernsthaften wirtschaftlichen Interesse des Klägers überhaupt gesprochen werden konnte, ist dieses heute, nach dem beide Parteien ihre Shops bei eBay nicht mehr betreiben, nicht mehr ersichtlich.
Dieses belegt auch das Verhalten des Klägers im Prozess. Obwohl sein persönliches Erscheinen in der mündlichen Verhandlung angeordnet war, ist er ohne eine Entschuldigung oder Erklärung nicht erschienen. Während ein nennenswertes persönliches Interesse des Klägers an der Verfolgung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruches jedenfalls heute nicht mehr feststellbar ist, ist das Kosteninteresse seines Prozessbevollmächtigten offensichtlich, der als einer von mehreren freien Mitarbeiter in der Anwaltskanzlei ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Abwicklung eines solchen Mandats hat."
Und dann trifft das Gericht noch eine mutige Entscheidung zur Höhe des Streitwerts:
"Der Streitwert wird (...) auf bis zu 500 € festgesetzt, da der Rechtsstreit ausschließlich um die Kosten der Abmahnung in Höhe von 372,36 € geführt wurde.
Aber auch dann, wenn auf die inzidenter zu entscheidende Frage des Wettbewerbsverstoßes abgestellt wird, ist ein darüberhinausgehender Streitwert nicht anzunehmen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf den Wert der Wettbewerbshandlung für den Beklagten an, sondern auf den Umfang der Beeinträchtigung des Wettbewerbs aus der Sicht des Klägers, da diese den Wert des Klageangriffes bestimmt. Wesentlicher Umstand ist, dass die Parteien einander im Wettbewerb lediglich auf einer Marktplattform im Internet in sehr begrenztem Umfange und für eine vorübergehende Zeit begegnet waren und heute beide dort nicht mehr anzutreffen sind. Daher ist bereits aus diesen Gründen der Streitwert auf bis zu 500 € festzusetzen."
Mit anderen Worten: Auch wenn es um die eigentliche Wettbewerbsverletzung und nicht nur um die Abmahnkosten gegangen wäre, wäre das Gericht bloß von einem grundsätzlichen Streitwert von 500,- EUR ausgegangen.
Abgemahnte sollten diese Einstufung mit äußerster Vorsicht lesen, denn es handelt sich hier um eine allein gebliebene Ansicht auf breiter Front. So nimmt z.B. das OLG Frankfurt a.M. bei ähnlichen Verletzungen selbst dann einen Streitwert von 5.000,- EUR an, wenn es diesen sogar noch wegen der geringen Größe der Unternehmen reduziert hat, vgl. die Kanzlei-Infos v. 18.11.2006 = http://shink.de/c88rj2
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10. ArbG Frankfurt a.M.: Zusendung von Gewerkschaft-Mails an Arbeitnehmer rechtswidrig
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Das ArbG Frankfurt a.M. (Urt. v. 12.04.2007 - Az:: 11 Ga 60/07) hat entschieden, dass eine Gewerkschaft nicht berechtigt ist, Mails an die dienstlichen Adressen von Arbeitnehmern zu schicken.
Die Antragstellerin ist ein IT-Unternehmen aus der Finanzbranche. Die Antragsgegnerin ist eine der größten Gewerkschaften in Deutschland. Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung wurde den Mitarbeitern nur die dienstliche Nutzung des Internets und Mail-Accounts erlaubt.
Die Antragsgegnerin versendete Anfang Februar 2007 über 3.000 E-Mails an die Mitarbeiter der Antragstellerin ohne Einverständnis der Antragstellerin bzw. aller Mitarbeiter.
In der Mail äußerte sich die Antragsgegnerin zu anstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen bei der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin kündigte in der E-Mail an, dass sie die angeschriebenen Mitarbeiter auch künftig intensiv und direkt per Mail informieren und einbeziehen wolle.
Das Arbeitsgericht hat das Versenden der Mails als rechtswidrig angesehen:
"Der Antrag (...) ist begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen die Antragsgegner (...) darauf, dass sie keine weiteren E-Mails an die Mitarbeiter der Antragstellerin ohne Einverständnis senden (...).
Das beeinträchtigte Recht (...) ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Durch die Zusendung der über 3.000 E-Mails mit werbendem Inhalt griffen die Antragsgegner in dieses Recht unmittelbar zielgerichtet ein.
Durch das Übersenden wird unmittelbar Arbeitszeit der Arbeitnehmer in Anspruch genommen. Es kann gar nicht vermieden werden, dass die Arbeitnehmer Arbeitszeit dafür aufwenden, da sie zumindest mittels einer kurzen Prüfung die Entscheidung treffen müssen, ob die zugesandte E-Mail in den dienstlichen Bereich fällt (...). Die Berufsausübungsfreiheit wird durch die Verwendung von Arbeitszeit zu betriebsfremden Zwecken ebenso tangiert wie das Eigentumsrecht des Arbeitgebers durch die Nutzung zu Privatzwecken (...)."
Das Handeln sei auch nicht durch die Grundrechte gewährleistet:
"Das Handeln der Antragsgegner ist ferner nicht durch das grundrechtlich geschützte Koalitionsrecht gerechtfertigt.
Die gewerkschaftliche Information und Werbung per E-Mail an im Unternehmen der Antragstellerin tätige Arbeitnehmer ist unzulässig, da die Abwägung der Grundrechte ergibt, dass diese gewerkschaftliche Handlungsform zur Wahrung der gewerkschaftlichen Koalitionsfreiheit auch auf anderem Weg möglich ist (...). Den Antragsgegnern bleiben ausreichende Möglichkeiten zur Werbung, die das Eigentum und auch die Berufsausübungsfreiheit der Antragstellerin nicht beeinträchtigen.
Ein Hinweis auf die Homepage der Antragsgegnerin (...) auf der Seite des Betriebsrats im Intranet oder auch die üblichen Mittel der Werbung wie das Aufhängen von Plakaten oder das Verteilen von Flugblättern am Ausgang der Betriebsstätte sind, denkbar. Bei diesen Alternativen wird deutlich, dass die grundrechtlich geschützten Positionen der Antragstellerin nicht berührt werden."
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11. LG München I: Verfügungsantrag in Sachen „Pumuckl’s Freundin“ zurückgewiesen
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In dem Rechtsstreit zwischen der Schöpferin der literarischen Figur des Pumuckl (Klägerin/Antragstellerin) und der Zeichnerin dieser Figur (Beklagte/Antragsgegnerin) hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts München I mit einem heute verkündeten Urteil den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Anlass des Rechtsstreits ist ein im März diesen Jahres vom Lokalsender „München Live TV“ ausgestrahlter Beitrag über einen Kinder-Malwettbewerb unter dem Motto „Eine Freundin für Pumuckl“, mit dem laut der TV-Moderatorin „eine Gefährtin für den einsamen Kobold“ hervorgebracht werden sollte. Die Beklagte war in dem Beitrag mit den Worten zu vernehmen „… ich finde, er [Pumuckl] hat es verdient, eine Freundin zu bekommen.“
Der Veranstalter des Wettbewerbs – ein Galerist – erklärte in dem TV-Beitrag, der Gewinner des Malwettbewerbs dürfe in das Malatelier der Beklagten nach München fahren und dort an der Hochzeit zwischen Pumuckl und seiner Freundin teilnehmen. Dann gäbe es halt ein Ehepaar, von dem man noch nicht so genau wisse, welchen Familiennamen es tragen werde. Ob das Paar auch irgendwann in einem Buch oder Film erscheinen werde, stehe – so die Moderatorin in dem TV-Beitrag – noch in den Sternen.
Die Klägerin sah sich hierdurch vor allem in ihrem Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt und beantragte daher den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Beklagten verboten werden sollte,
- an dem Malwettbewerb mitzuwirken,
- dabei zu äußern, der Pumuckl habe eine Freundin verdient,
- als ersten Preis für den Gewinner einen Besuch in ihrem Atelier mit Teilnahme an einer Hochzeit des Pumuckl in Aussicht stellen zu lassen,
- eine Hochzeit des Pumuckl zu inszenieren
- und durch all dies den Eindruck zu erwecken, dass sie Einfluss auf die weitere Geschichte der Literaturfigur des „Pumuckl“ habe und dass sie die Kinder bzw. den Gewinner des Malwettbewerbs an diesem Einfluss beteiligen könne.
Das Landgericht München wies diesen Antrag nun zurück. Es sei der Klägerin – so die Richter – bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Beklagte die Einladung zur Veranstaltung der Hochzeit mit veranlasst hat.
Die Beklagte hatte eidesstattlich versichert, dergleichen weder veranlasst zu haben, noch überhaupt von entsprechenden Äußerungen der Moderatorin und des Galeristen etwas gewusst zu haben. Das Gericht sah auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Äußerungen Dritter habe prüfen oder verhindern können.
Im Übrigen – so die Richter – sei die Klägerin durch die fraglichen Handlungen ohnehin nicht in ihren Rechten verletzt worden, so dass es auf eine mögliche Veranlassung durch die Beklagte letztlich nicht ankomme: Zwar werde mit dem von der Klägerin geltend gemachten Urheberpersönlichkeitsrecht auch der Gang der Handlung, die Charakteristik und Rollenverteilung der handelnden Personen und die Ausgestaltung von Szenen der Pumuckl-Geschichten geschützt.
Dem TV-Beitrag lasse sich aber nicht entnehmen, dass die Beklagte die Geschichte um den Pumuckl habe weiterführen und damit der Klägerin die Urheberschaft an der literarischen Figur des Pumuckl habe streitig machen wollen. Die Beklagte habe nämlich nicht angedeutet, das literarische Werk ‚Pumuckl’ fortsetzen zu wollen, sondern lediglich im Rahmen ihrer Meinungsfreiheit geäußert, dem Pumuckl eine Freundin zu gönnen. Es sei auch jedermann unbenommen, öffentlich kundzutun, in seinem privaten Bereich den Pumuckl in den Hafen der Ehe zu führen.
Die Beklagte habe das Werk der Klägerin auch nicht entstellt, da die Beklagte den Pumuckl schon um keine weitere Episode bereichert habe. Nicht vergessen werden dürfe in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin selbst in einer ihrer Pumuckl-Geschichten davon erzählt, dass sich der Kobold – unglücklich – in die Nichte des Meister Eder verliebt. Im Lichte dessen müsse es die Klägerin daher grundsätzlich hinnehmen, dass ihr Pumuckl mit einer Freundin in Verbindung gebracht werde. Als Zeichnerin des Pumuckl müsse sich die Beklagte auch – wie geschehen – mit ihrem Werk auseinandersetzen dürfen. Dem Antrag der Klägerin könne auch unter keinem anderen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt entsprochen werden.
Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 24.05.2007
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12. Law-Podcasting.de: Strafrechtliche Bestimmungen im Glücksspielrecht - Teil 2
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Auf www.Law-Podcasting.de , dem 1. deutschen Anwalts-Audio-Blog, gibt es ab sofort einen Podcast zum Thema "Strafrechtliche Bestimmungen im Glücksspielrecht - Teil 2" = http://shink.de/efpvjv
Inhalt:
Der heutige Podcast ist der 2. Part einer fünfteiligen Serie zu den strafrechtlichen Bestimmungen im Glücksspielrecht. Der 1. Teil erschien letzte Woche = http://shink.de/i6oxug
Hauptschwerpunkt werden die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 284 StGB sein.
Teil 2 setzt sich mit dem Kriterium der ”Zufallsbezogenheit” auseinander.
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