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Newsletter vom 30.10.2019 |
Betreff: Rechts-Newsletter 44. KW / 2019: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Adblock Plus marktbeherrschend und kartellrechtswidrig? _____________________________________________________________ Der BGH hat sich in einem Revisionsverfahren zu der Frage geäußert, ob das Werbeblocker-Angebot Adblock Plus marktbeherrschend und kartellrechtswidrig sein könnte (BGH, Urt. v. 08.10.2019 - Az.: KZR 73/17).
Die höchsten deutschen Zivilrichter hoben die Klageabweisung auf und verwiesen den Rechtsstreit erneut an das OLG München. Die amtlichen Leitsätze der Entscheidung lauten:
"1. Die Wettbewerbskräfte, denen sich ein auf einem zweiseitigen Markt tätiges Unternehmen zu stellen hat, das eine Dienstleistung gegenüber einer Marktseite unentgeltlich erbringt und von der anderen Marktseite Entgelte verlangt, können in der Regel nicht ohne Betrachtung beider Marktseiten und deren wechselseitiger Beeinflussung zutreffend erfasst werden. Während wettbewerbsrechtlich das Angebot von Adblock inzwischen höchstrichterlich (weitgehend) für zulässig erklärt wurde, werden kartellrechtlich die Karten mit der vorliegenden Entscheidung hingegen neu gemischt. Es bleibt daher abzuwarten, wie nun das OLG München weiter verfahren wird. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BVerwG: Besitz von Kinderpornographie mit dem Beruf des Lehrers unvereinbar _____________________________________________________________ Der strafbare Besitz von Kinderpornographie durch Lehrer - selbst in geringer Menge - führt in Disziplinarverfahren in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute in zwei Revisionsverfahren entschieden und dabei seine Rechtsprechung zu Fällen dieser Art fortentwickelt. Nach der in den beiden Verfahren maßgeblichen, seit 2004 geltenden Rechtslage wurde der Besitz kinderpornographischer Schriften (dazu zählen auch Bild- und Videodateien) mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 184b Abs. 4 StGB a.F.). Erst Anfang 2015 hat der Gesetzgeber den Strafrahmen um ein Jahr auf drei Jahre erhöht (nun § 184b Abs. 3 StGB n.F.). Die zwei Revisionsverfahren betreffen Lehrer im Berliner Landesdienst. Den Beamten wurde jeweils vorgeworfen, auf privat genutzten Datenträgern kinderpornographische Bild- oder Videodateien besessen zu haben. Der Beamte des Verfahrens BVerwG 2 C 3.18 ist durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden. Der Beamte des Verfahrens BVerwG 2 C 4.18 ist durch rechtskräftiges Strafurteil zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden. Die auf die Entfernung der beiden Beamten aus dem Beamtenverhältnis gerichteten Disziplinarklagen sind vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung des abstrakten Strafrahmens, der individuellen Strafzumessung sowie der Anzahl und Inhalt der Bilddateien angenommen, dass es sich lediglich um Fälle im unteren Bereich der möglichen Begehungsformen handele. Daher sei die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme ausgeschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Landes Berlin in beiden Fällen die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Lehrer jeweils aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Straftaten, für die der Gesetzgeber eine Strafandrohung von bis zu zwei Jahren vorgesehen hat und die einen Bezug zur Amtsstellung des Beamten - hier des Lehrers - haben, lassen Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu. Die Ausschöpfung dieses Orientierungsrahmens bedarf indes der am Einzelfall ausgerichteten Würdigung der Schwere der von dem Beamten begangenen Verfehlungen und seiner Schuld. Diese Bemessungsentscheidung führt beim Besitz von Kinderpornographie durch Lehrer - selbst in geringer Menge - in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Ausschlaggebend dafür ist der mit dem Besitz von Kinderpornographie verursachte Verlust des für das Statusamt des Lehrers erforderlichen Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit. Einem Lehrer obliegt die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die mit besonderen Schutz- und Obhutspflichten verbunden sind. Da das Strafrecht und das beamtenrechtliche Disziplinarverfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen, kommt es hingegen nicht auf das konkret ausgesprochene Strafmaß (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) an. Nach diesen Grundsätzen war in beiden Verfahren die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die angemessene Disziplinarmaßnahme.
BVerwG 2 C 3.18 - Urteil vom 24. Oktober 2019
BVerwG 2 C 4.18 - Urteil vom 24. Oktober 2019
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 24.10.2019
Das Verwaltungsgericht hatte entschieden, dass der Polizeianwärter zu Recht aus dem Polizeidienst entlassen worden sei, nachdem er ein Video ins Internet eingestellt hatte, das den Eindruck vermittelt, ihn bei einem Betrug zu zeigen. Zur Begründung seiner Entscheidung hatte das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Polizeianwärter durch sein Verhalten gegen seine Kernpflichten als Polizeibeamter verstoßen habe. Aufgabe der Polizei sei es, Straftaten zu verhindern und aufzuklären, nicht aber für vermeintliche Betrugsmaschen – selbst in Form eines Sketches – zu werben. Die Polizei habe daher den Anwärter zu Recht wegen berechtigter Zweifel an seiner charakterlichen Eignung entlassen. Der Polizeianwärter vermochte die Argumentation des Verwaltungsgerichts mit seiner Beschwerde nicht zu entkräften. Beschluss vom 24. Oktober 2019 – OVG 4 S 44.19/OVG 4 M 10.19 –
Quelle: Pressemitteilung des OVG Berlin-Brandenburg v. 25.10.2019
Die Antragsgegnerin ist Influencerin und Youtuberin. Sie unterhält eine personalisierte Webseite auf Instagram und hat über eine halbe Million Follower. Dort postet sie zahlreiche Bilder, überwiegend von sich selbst. Sie verlinkt diese Bilder mit den Instagram-Accounts der Anbieter der jeweils in ihren Posts dargestellten Produkte sowie Dienstleistungen. Die Posts werden nicht als Werbung kenntlich gemacht. In jedenfalls zwei Begleittexten bedankt sich die Antragsgegnerin ausdrücklich bei zwei Produktherstellern, auf deren Instagram-Accounts sie verlinkt hatte, für die Einladung zu zwei Reisen. Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Antragsgegnerin betreibe mit der gewählten Präsentation von Produkten und Dienstleistungen auf ihrem Instagram-Account verbotene redaktionelle Werbung. Das Landgericht hat einen auf Unterlassen gerichteten Antrag im einstweiligen Verfügungsverfahren zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Die Beschwerde hat vor dem OLG Erfolg. Die Antragsgegnerin handele unlauter, stellt das OLG fest. Sie habe den tatsächlich vorhandenen kommerziellen Zweck ihrer geschäftlichen Handlungen nicht kenntlich gemacht; der kommerzielle Zweck ergebe sich auch nicht unmittelbar aus den Umständen. Der Instagram-Account der Antragsgegnerin stelle, so das OLG, eine geschäftliche Handlung dar; die „Instagram-Posts...dienten zunächst der Förderung fremder Unternehmen“. Es handele sich um Werbung, die den Absatz der präsentierten Produkte steigern und das Image des beworbenen Herstellers und dessen Markennamen oder Unternehmenskennzeichen fördern soll. Die Antragsgegnerin sei unstreitig eine Influencerin. Sie präsentiere sich in ihren Posts nicht als Werbefigur, sondern als Privatperson, die andere an ihrem Leben teilhaben lassen und dabei sehr authentisch wirke. In dem sie auf ihren Posts etwa einen „Tag“ auf ein Hotel setze, mache sie Werbung für dieses Hotel. Der redaktionelle Beitrag habe auch nicht in Verbindung zu diesem Hotel gestanden. Sie erhalte auch eine Gegenleistung für ihre Werbung. Dies folge etwa daraus, dass sie sich ausdrücklich bei zwei Unternehmen, für das sie auf ihren Posts „Tags“ gesetzt hatte, für die Reiseeinladungen bedankte. Der Instagram-Account der Antragsgegnerin sei auch insgesamt als kommerziell einzuordnen. Dies gelte unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin für jeden „Tag“ eine Gegenleistung erhalten oder erwartet habe. Als Autorin eines Buches, das zu den Spiegel-Online-Bestsellern zähle, nutze sie ihre Bekanntheit als Influencerin, um ihre eigenen Produkte zu vermarkten. Sie erziele als Influencerin Einkünfte damit, dass sie „Produkte und auch sich selbst vermarktet“, betont das OLG. Die Handlungen der Antragsgegnerin seien zudem geeignet, „den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“, stellt das OLG schließlich fest. Es genüge, dass die Verbraucher aufgrund der Posts Internetseiten öffneten, die es ermöglichten, sich näher mit einem bestimmten Produkt zu befassen. Die Verbraucher würden hier auf den jeweiligen Instagram-Account der Hersteller der präsentierten Produkte geleitet. „Entscheidend ist, dass die Antragsgegnerin als Influencerin und damit als Werbefigur ihre Follower zum Anklicken der „Tags“ motiviert“, fasst das OLG abschließend zusammen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.10.2019, Az. 6 W 68/19 Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 24.10.2019
Erläuterungen: In einem weiteren Urteil hat es entschieden, dass ein Spielhallenbetreiber, der an einem solchen Auswahlverfahren zu beteiligen ist, nicht erfolgreich die einem Konkurrenten erteilte Härtefallerlaubnis anfechten kann, die diesem unter Befreiung von der Einhaltung des gesetzlichen Mindestabstands von 350 m zu anderen Spielhallen erteilt worden ist (4 A 665/19). Es hat damit die erstinstanzlichen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Wesentlichen bestätigt. Der 4. Senat hat zur Begründung seiner Urteile ausgeführt, dass nach den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags Spielhallen nach Ablauf einer zuvor bestehenden Übergangsfrist zueinander grundsätzlich einen Mindestabstand von 350 m Luftlinie einhalten müssten. Die Entfernung sei zwischen den Eingängen der Spielhallen zu messen. Begehrten nach Ablauf der Übergangsfrist mehrere Betreiber von Spielhallen, die zueinander den gesetzlichen Mindestabstand nicht einhielten, die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis, bedürfe es einer Auswahlentscheidung, für welche Spielhalle eine Erlaubnis erteilt werde. Bei der Auswahlentscheidung seien in Nordrhein-Westfalen insbesondere auch die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags (Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspielsucht, Kanalisierung und Begrenzung des Glücksspielangebots, Jugend- und Spielerschutz, Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Spiels und Schutz vor Kriminalität) zu berücksichtigen. Die Behörde dürfe einen Betreiber nicht wegen seiner Bestands- und Vertrauensschutzinteressen (wie etwa des längeren Bestehens des Spielhallenstandortes) auswählen, wenn die Spielhalle eines Konkurrenten besser geeignet sei, die Ziele des Staatsvertrags zu erreichen. Von der Notwendigkeit, nach Ablauf der Übergangsfrist eine Auswahlentscheidung zu treffen, werde die Behörde nicht dadurch entbunden, dass sie sogenannte Härtefallerlaubnisse erteile. Der erforderliche Vergleich der Konkurrenten im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des Staatsvertrags finde dann nicht statt. Das gesetzlich vorausgesetzte Auswahlverfahren würde der Sache nach nicht durchgeführt werden. Dass dieses nach Ablauf der Übergangsfrist aber notwendig sei, sei bereits durch das Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich geklärt. Diese Vorgaben habe die Stadt Wuppertal nicht beachtet. Sie müsse deshalb das Auswahlverfahren unter Beteiligung aller konkurrierenden Betreiber noch durchführen, also auch über den Antrag des klagenden Betreibers neu entscheiden. In die Auswahl seien auch die Bewerber einzubeziehen, die bisher bereits Härtefallerlaubnisse erhalten hätten. Zur Abweisung der Klage gegen die Härtefallerlaubnis, die einem Konkurrenten des Klägers unter Befreiung von der Einhaltung des Mindestabstandsgebots erteilt worden war, führte der Senat aus, dass diese den klagenden Betreiber nicht in seinen Rechten verletze. Denn eine solche Erlaubnis könne einem konkurrierenden Betreiber, der wie der Kläger an dem nach Ablauf der Übergangsfrist durchzuführenden Auswahlverfahren zu beteiligen sei, nicht mit Blick auf das Mindestabstandsgebot entgegengehalten werden. Andernfalls würde die gesetzlich vorausgesetzte und erforderliche Auswahlentscheidung ersetzt bzw. in Frage gestellt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen die Urteile nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 4 A 1826/19 (I. Instanz: VG Düsseldorf, 3 K 16494/17) und 4 A 665/19 (I. Instanz: 3 K 14584/17)
Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 25.10.2019
Die Beklagte hatte sich so am 5. Juli 2017 in Straubing im Rahmen einer Diskussion geäußert, welche im Anschluss an einen von ihr als Fachreferentin der Amadeu-Antonio Stiftung zum Thema „Reichsbürger – Verschwörungsideologie mit deutscher Spezifik“ gehaltenen Vortrag stattfand. Xavier Naidoo erhob daraufhin Klage zum Landgericht Regensburg und verlangte u. a. die Unterlassung dieser Äußerung. Das Landgericht Regensburg hat der Klage stattgeben. Zwar sei die Äußerung der Beklagten als eine Meinungsäußerung und nicht als Schmähkritik zu qualifizieren und daher grundsätzlich vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst, sie verletze den Kläger aber in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Im Rahmen einer Abwägung komme diesem Vorrang zu. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg Berufung zum Oberlandesgericht Nürnberg eingelegt und diese u. a. damit begründet, dass das Landgericht im Rahmen der Abwägung zu Unrecht verlangt habe, dass die Beklagte gewichtige Beweise für ihre Meinung vorlege. Man könne auch die Liedtexte des Klägers nicht isoliert von diesem betrachten: Die Kunstfreiheit stelle keine Schranke des Rechts dar, seine Meinung zu äußern. Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom heutigen Tag zurückgewiesen. Es liegt nach Ansicht des Senats ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers vor. Die Äußerung habe gerade vor dem historischen Hintergrund eine Prangerwirkung und setze das Ansehen des Klägers herab. Dieser Eingriff sei auch rechtswidrig. Die Äußerung der Beklagten ist auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts als eine Meinungsäußerung zu qualifizieren, da sie eine Wertung enthalte, die nicht dem Beweis zugänglich sei. Auch der Senat sieht die Aussage nicht als Schmähkritik an, da es der Beklagten im Rahmen der Diskussion ersichtlich nicht um eine reine Diffamierung des Klägers gegangen sei. Deshalb sei die Frage der Rechtswidrigkeit im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht der freien Meinungsäußerung zu klären. Für das Recht auf freie Meinungsäußerung spreche, dass ein offener Diskurs über verdeckte antisemitische Tendenzen in der heutigen Gesellschaft gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte wichtig sei. Der Kläger wiederum bringe sowohl in seinen Liedtexten als auch bei sonstigen Auftritten und Aktionen seine politischen und gesellschaftlichen Anliegen sehr proaktiv ein und stelle seine damit verbundenen Ansichten öffentlich zur Diskussion. Die Bezeichnung als „Antisemit“ sei aber vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte als besonders weitreichender und intensiver Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu werten. Die Meinungsäußerung der Beklagten enthalte wertende und tatsächliche Bestandteile, weshalb auch die Frage der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung, auf der die Wertung aufbaut, im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung eine Rolle spiele. Die Beklagte führe zur Begründung ihrer Auffassung u. a. an, dass der Kläger in zwei Liedern antisemitischen Code und antisemitische Chiffren verwende und mit darin enthaltenen Bildern antisemitische Klischees bediene. Der Kläger sei dem entgegen getreten und meine, dass seine Texte hier falsch interpretiert werden. Er sei nicht judenfeindlich. In diesem Zusammenhang sei - so der Senat - auch zu berücksichtigen, dass der Kläger im Jahr 2005 in der Oper in Tel Aviv anlässlich des 40jährigen Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen ein Konzert gab. Er unterstütze außerdem unstreitig Initiativen gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass, z.B. die Initiative „Brothers Keepers“ oder „Rock gegen Rechts“. In Interviews habe er sich mehrfach gegen Antisemitismus ausgesprochen. Die Äußerung der Beklagten, dass der von ihr behauptete Antisemitismus des Klägers „strukturell nachweisbar sei“, lasse sich auch so deuten, dass es objektive Beweise gebe, worauf ihr Werturteil beruhe. Solche Beweise konnte die Beklagte jedoch nicht erbringen, sie habe lediglich die Liedtexte des Klägers und auch verschiedene Äußerungen seinerseits in einer bestimmten Weise gedeutet, von der sich der Kläger aber distanziert habe. Aufgrund der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiege dieses das Recht der Beklagten, ihre Meinung frei zu äußern, zumal die Beklagte aufgrund ihrer Äußerung den Eindruck erweckt habe, dass sie sich - wie tatsächlich nicht – auf objektive Beweise für die Tatsachen stützen könne, auf denen ihre Wertung beruhe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (sog. Stolpe-Doktrin) sei bei einer Unterlassungsklage diejenige Deutung zugrunde zu legen, welche das Persönlichkeitsrecht des Klägers am meisten beeinträchtigt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. Oktober 2019, Az. 3 U 1523/18
Quelle: Pressemitteilung des OLG Nürnberg v. 22.10.2019
Der Beklagte bot gewerblich auf eBay Waren zum Verkauf an, u.a. auch eine Bohrmaschine der Firma Metabo. Der Kläger, der IDO-Verband, mahnte den Beklagten daraufhin wegen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten ab. Gemäß Art. 246a § 1 Abs.1 Nr.9 EGBGB lautet: Art. 246a § 1 EGBGB: Informationspflichten: Diese Bestimmung erfasse jedoch nicht die Garantien der Hersteller. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Verkäufer damit werbe. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen, sodass auch die Hersteller-Garantie gar nicht dargestellt werden müsse: "Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB sprechen für eine solche Informationspflicht. Der Wortlaut lässt keinen Schluss darauf zu, dass „nach den genannten Regelungen das Bestehen sämtlicher Garantien, also auch der Garantien Dritter, wie beispielsweise des Herstellers, anzugeben sind“ (...). Auch aus Gründen des Verbraucherschutzes sei keine andere Bewertung notwendig: "Auch berechtigte Verbraucherschutzinteressen können eine solche weitergehende Informationspflicht nicht rechtfertigen. (...) zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. LG Köln: Vertragsgenerator Smartlaw ist RDG-Verstoß und somit wettbewerbswidrig _____________________________________________________________ Der Vertragsgenerator Smartlaw ist ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und somit wettbewerbswidrig (LG Köln, Urt. v. 08.10.2019 - Az.: 33 O 35/19). Bei der Auseinandersetzung ging es um die Frage, ob der Vertragsgenerator Smartlaw des Verlages Wolters Kluwer zulässig ist. Mit dem Angebot können Kunden online automatisiert Vertragsdokumente erstellen und sehr genau auf ihre individuellen Angebote anpassen. Außerdem bewarb der Anbieter sein Produkt mit den Aussagen "Günstiger und schneller als der Anwalt“ Das LG Köln stufte sowohl das Produkt als auch die Werbung als wettbewerbswidrig ein. Das Angebot an sich verstoße gegen das RDG, da hierdurch Rechtsdienstleistungen angeboten würden, ohne dass eine entsprechende Anwaltszulassung vorliege.
Das Gericht ist der Ansicht, dass durch den umfangreichen Fragenkatalog eine individualisierte Leistung vorliege:
"Entscheidende Bedeutung erlangt hierbei nach Dafürhalten der Kammer, dass die (...) Produkte (...) einen hohen Grad der Individualisierung aufweisen. Die vom Nutzer abgefragten Angaben erschöpfen sich nicht in allgemeinen Daten (wie etwa Adressdaten oder Angaben zur Vergütungshöhe), sondern betreffen spezifische Fragen zum Gegenstand und zur Reichweite des zu erstellenden Vertrages. Der Fragenkatalog für einen Lizenzvertrag Bild/Film umfasst etwa knapp 30 Fragen, jener für einen Grafikdesignervertrag knapp 40 Fragen. Das Gericht bildet dabei auch nachfolgende Parallele:
"Für die Annahme einer „konkreten“ Angelegenheit spricht ferner, dass auch bei menschlicher Beratungsleistung im Rahmen einer Vertragsgestaltung die Grenze zur Rechtsdienstleistung dann überschritten wird, wenn der Dienstleister auf Wunsch des Kunden die im Formular vorgegebenen rechtlichen Regelungen überprüft und Alternativen vorschlägt (...). Die getätigten Werbeaussagen seien irreführend, weil für ein Produkt geworben werde, was gar nicht angeboten werden dürfe. Bereits aus diesem Grunde liege eine Irreführung vor. Daran ändere auch nichts der Disclaimer auf der Webseite: "Die Beklagte hat zwar auf ihrer Homepage einen Hinweis („Disclaimer“) vorgenommen, wonach sie keine Rechtsberatung anbietet. Dieser Hinweis steht indes in Widerspruch zu der tatsächlich von ihr erbrachten Beratungsleistung. Er ist nicht geeignet, aus der Irreführung des angesprochenen Verkehrs herausführen. Smartlaw hat angekündigt, gegen die Entscheidung Rechtsmittel einzulegen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LG München I: Vodafone darf für SEPA-Überweisungen keine Entgelte nehmen _____________________________________________________________ Vodafone darf von Kunden, die ihre Rechnung nicht per Lastschrift, sondern per SEPA-Überweisung bezahlen, kein Entgelt verlangen (LG München I, Urt. v. 24.09.2019 - Az.: 33 O 6578/18).
Das Anbieter Vodafone Kabeldeutschland hatte in Zeit vor dem 13.01.2018 in seinen AGB stehen:
"Selbstzahlerpauschale: Pauschale je Zahlung ohne Bankeinzug EUR 2,50" Bei Kunden, die nach dem 13.01.2018 den Vertrag schlossen, wendete das Unternehmen die Kunden die Klausel nicht. Bei allen Bestandskunden hingegen, die den Kontrakt vor dem Stichtag abgeschlossen hatten, verlangte die Beklagte auch aktuell weiterhin ein gesondertes Entgelt zahlen, wenn der Verbraucher nicht per Lastschrift, sondern per SEPA-Überweisung bezahlen wollte. Dies stufte das LG München I als rechtswidrig ein. Es liege ein Verstoß gegen § 270a BGB vor.
Zwar bestimme das Gesetz ausdrücklich, dass die Norm nur auf Verträge anzuwenden sei, die ab dem ab dem 13. Januar 2018 entstanden seien. Hierunter fielen aber auch Dauerschuldverhältnisse wie im vorliegenden Fall.
Andernfalls würden Bestandskunden und Neukunden unterschiedlich rechtlich behandelt, was unangemessen wäre:
"Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber sowohl § 270 a BGB, als auch die (...) erforderlichen Übergangsvorschriften (...) so gestalten wollte, dass sie mit der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (...). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. Spanische Datenschutzbehörde: 30.000,- EUR Bußgeld wegen rechtswidriger Cookie-Policy auf Webseite von Vueling _____________________________________________________________ Die Spanische Datenschutzbehörde hat ein Bußgeld iHv. 30.000,- EUR wegen der rechtswidrigen Cookie-Policy auf der Webseite der Fluggesellschaft Vueling Airlines verhängt. Der Beschluss der Behörde ist hier - in spanischer Sprache - downloadbar (Verfahrensnummer PS/00300/2019). Anders als vielfach zu lesen, wurde das Bußgeld nicht aufgrund eines DSGVO-Verstoßes verhängt. Teilweise wird auch behauptet, dass die jüngste Entscheidung des EuGH, wonach das Setzen von Cookies die aktive Einwilligung verlangt (= News v. 02.10.2019) , der Grund des Bescheides sei. Dabei handelt es sich um kompletten Unsinn. Weder die DSGVO noch das EuGH-Urteil haben mit dem aktuellen Entscheid der Spanischen Datenschutzbehörden etwas zu tun.
Grundlage ist vielmehr das nationale spanische E-Commerce-Gesetz (Spanish Law on Information Society Services and Electronic Commerce), das ins einer Ursprungsform bereits im Jahr 2002 verabschiedet wurde. In § 22 Abs.2 dieses Gesetzes ist geregelt:
"Article 22. Rights of service recipients (...) Nach dieser Norm ist es also Pflicht, dass ein Webseiten-Betreiber in Spanien den User nicht nur über die Speicherung von (personenbezogenen) Daten informiert, sondern ihm auch die Möglichkeit bereitstellen muss, auf einfache Art und Weise kostenlos die weitere Speicherung seiner Informationen zu untersagen ("offering recipients the opportunity to refuse, by a simple means and free of charge, to allow their data to be processed"). In Deutschland existiert eine ähnliche Vorschrift in § 13 TMG, wobei die inhaltliche Ausgestaltung in Bereichen voneinander abweicht. Vueling Airlines bot auf ihrer Webseite nun keine eigene technische Möglichkeit in Form eines Management Systems an, einzelne Cookies zu deaktivieren. Vielmehr verwies die Webseite grundsätzlich auf die Deaktivierungs-Möglichkeiten, die der User in seinem Browser hatte.
Hierin sah die Spanische Datenschutzbehörde einen Verstoß gegen § 22 Abs.2, da hierdurch dem User die Möglichkeit genommen werde, in einfacher Weise einzelne, unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich der Cookies zu treffen:
"(Spanisches Original): En el presente caso, si se accede a la segunda capa, el consentimiento a que se cedan datos a terceros a traves de cookies es implfcito, ya que en ningun momento da la opcion de poder oponerse a la instalacion de estas en el dispositivo o de cualquier otra cookies, sino que remite a la configuracion de los navegadores para eliminarlas o bloquearlas, no ofreciendo la posibilidad de denegar el consentimiento para el uso de cookies o de retirar el prestado, si no es a traves de las opciones del navegador. (freie Übersetzung): Im vorliegenden Fall, ist beim Zugriff auf die zweite Ebene die Einwilligung zur Übermittlung von Daten an Dritte durch Cookies implizit, da sie zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit bietet, der Installation dieser Daten auf dem Gerät oder anderen Cookies zu widersprechen, sondern sich auf die Konfiguration der Browser bezieht, um sie zu entfernen oder zu blockieren, ohne die Möglichkeit zu bieten, die Zustimmung zur Verwendung von Cookies zu verweigern oder die bereitgestellten Daten zurückzuziehen, wenn nicht durch die Optionen des Browsers. Die Spanische Datenschutzbehörde verhängte daher aufgrund dieses Verstoßes ein Bußgeld iHv. 30.000,- EUR. Unbekannt ist, ob Vueling sich gegen die Entscheidung wehren wird.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Zwar existieren mit § 13 TMG für bestimmte Bereiche Ausnahmeregelungen. Es ist jedoch umstritten, ob und inwieweit § 13 TMG überhaupt noch nach dem Inkrafttreten der DSGVO Anwendung findet.
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