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Herr Maximilian Schrems, der in Österreich wohnt, hat vor den österreichischen Gerichten Klage gegen Facebook Ireland (im Folgenden: Facebook) erhoben.
Er wirft Facebook zahlreiche Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit seinem privaten Facebook-Konto und den Konten von sieben weiteren Nutzern vor, die ihm ihre Ansprüche zwecks Klageerhebung abgetreten haben.
Bei den anderen Nutzern soll es sich ebenfalls um Verbraucher handeln, die in Österreich, Deutschland und Indien wohnen. Herr Schrems begehrt von den österreichischen Gerichten insbesondere die Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter Vertragsklauseln sowie die Verurteilung von Facebook zur Unterlassung der Verwendung der streitgegenständlichen Daten zu eigenen Zwecken bzw. zu Zwecken Dritter sowie zur Leistung von Schadenersatz.
Facebook bestreitet die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Ihrer Ansicht nach kann Herr Schrems nicht die unionsrechtliche Regel3 in Anspruch nehmen, die es Verbrauchern erlaubt, einen ausländischen Vertragspartner vor den Gerichten ihres Wohnsitzes zu verklagen (im Folgenden: Verbrauchergerichtsstand). Da Herr Schrems nämlich Faceboook auch beruflich nutze (insbesondere mittels einer der Information über sein Vorgehen gegen Facebook gewidmeten Facebook-Seite4), könne er nicht als Verbraucher angesehen werden. Auf die abgetretenen Ansprüche sei der Verbrauchergerichtsstand nicht anwendbar, da er nicht übertragbar sei.
Vor diesem Hintergrund ersucht der Oberste Gerichtshof (Österreich) den Gerichtshof um Klarstellung der Voraussetzungen für die Geltendmachung des Verbrauchergerichtsstands.
Mit seinem heutigen Urteil antwortet der Gerichtshof, dass der Nutzer eines privaten Facebook- Kontos die Verbrauchereigenschaft nicht verliert, wenn er Bücher publiziert, Vorträge hält, Websites betreibt, Spenden sammelt und sich die Ansprüche zahlreicher Verbraucher abtreten lässt, um sie gerichtlich geltend zu machen.
Dagegen kann der Verbrauchergerichtsstand nicht für die Klage eines Verbrauchers in Anspruch genommen werden, mit der er am Klägergerichtsstand nicht nur seine eigenen Ansprüche geltend macht, sondern auch Ansprüche, die von anderen Verbrauchern mit Wohnsitz im gleichen Mitgliedstaat, in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittstaaten abgetreten wurden.
Zur Einstufung als Verbraucher führt der Gerichtshof aus, dass der Verbrauchergerichtsstand grundsätzlich nur dann Anwendung findet, wenn der Zweck des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags nicht in der beruflichen oder gewerblichen Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung besteht, auf die sich der Vertrag bezieht. Bei Diensten eines sozialen Online-Netzwerks, die auf eine langfristige Nutzung ausgelegt sind, ist die weitere Entwicklung der Nutzung der betreffenden Dienste zu berücksichtigen.
Somit könnte sich ein Kläger, der solche Dienste nutzt, nur dann auf die Verbrauchereigenschaft berufen, wenn die im Wesentlichen nicht berufliche Nutzung dieser Dienste, für die er ursprünglich einen Vertrag abgeschlossen hat, später keinen im Wesentlichen beruflichen Charakter erlangt hat.
Da der Verbraucherbegriff aber in Abgrenzung zum Unternehmerbegriff definiert wird und von den Kenntnissen und Informationen, über die die betreffende Person tatsächlich verfügt, unabhängig ist, nehmen ihr weder die Expertise, die diese Person im Bereich der betreffenden Dienste erwerben kann, noch ihr Engagement bei der Vertretung der Rechte und Interessen der Nutzer solcher Dienste die Verbrauchereigenschaft. Eine Auslegung des Verbraucherbegriffs, die solche Tätigkeiten ausschließt, würde nämlich darauf hinauslaufen, eine effektive Verteidigung der Rechte, die den Verbrauchern gegenüber ihren gewerblichen Vertragspartnern zustehen, einschließlich der Rechte auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten zu verhindern.
Hinsichtlich der abgetretenen Ansprüche weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Verbrauchergerichtsstand zum Schutz des Verbrauchers als Partei des betreffenden Vertrags geschaffen wurde. Daher ist der Verbraucher nur geschützt, soweit er persönlich Kläger oder Beklagter in einem Verfahren ist. Folglich kann der Verbrauchergerichtsstand einem Kläger, der selbst nicht an dem betreffenden Verbrauchervertrag beteiligt ist, nicht zugutekommen. Dies gilt auch für einen Verbraucher, dem Ansprüche anderer Verbraucher abgetreten wurden.
Urteil in der Rechtssache C-498/16
Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 25.01.2018
Avastin und Lucentis sind Arzneimittel, die von dem Unternehmen Genentech hergestellt werden, das zum Roche-Konzern gehört. Mit einer Lizenzvereinbarung überlies Genentech die gewerbliche Verwertung von Lucentis dem Arzneimittelhersteller Novartis. Avastin wird von Roche vertrieben.
Für diese biotechnologischen Arzneimittel wurden von der Kommission und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) Genehmigungen für das Inverkehrbringen erteilt. Lucentis ist für die Behandlung von Augenkrankheiten zugelassen. Auch Avastin wird, obgleich es nur für die Behandlung von Tumorerkrankungen zugelassen ist, häufig für die Behandlung von Augenkrankheiten eingesetzt, weil es preisgünstiger als Lucentis ist.
Im Jahr 2014 verhängte die italienische Wettbewerbsbehörde, die Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (AGCM), gegen Roche und gegen Novartis jeweils eine Geldbuße von – in beiden Fällen – etwas über 90 Mio. Euro mit der Begründung, die beiden Arzneimittelhersteller hätten eine Absprache getroffen, um zwischen Avastin und Lucentis eine künstliche Unterscheidung herbeizuführen. Nach Auffassung der Wettbewerbsbehörde sind nämlich Avastin und Lucentis für die Behandlung von Augenkrankheiten in jeder Hinsicht gleichwertig. Die Absprache habe auf die Verbreitung von Informationen abgezielt, die in der Öffentlichkeit Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der augenheilkundlichen Anwendung von Avastin hätten erzeugen sollen, um so die Nachfrage zu Lucentis hin zu verlagern. Nach Schätzungen der AGCM sollen durch diese Nachfrage-Verlagerung dem italienischen öffentlichen Gesundheitswesen allein im Jahr 2012 Mehrkosten in Höhe von etwa 45 Mio. Euro entstanden sein.
Nachdem ihre hiergegen erhobenen Klagen von dem Regionalen Verwaltungsgericht für Latium (Tribunale amministrativo regionale per il Lazio) abgewiesen worden waren, haben Roche und Novartis Rechtsmittel zum Consiglio di Stato (Staatsrat) eingelegt. In diesen Verfahren hat der Consiglio di Stato dem Gerichtshof Fragen zur Auslegung des Wettbewerbsrechts der Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.
In seinem heutigen Urteil befasst sich der Gerichtshof zunächst mit der Frage, ob eine nationale Wettbewerbsbehörde wie die AGCM davon ausgehen darf, dass Avastin, obgleich es für die Behandlung von Augenkrankheiten nicht zugelassen ist, zum selben Markt gehört wie das für Augenkrankheiten zugelassene Arzneimittel Lucentis, und, wenn ja, ob die Behörde dabei die etwaige Unzulässigkeit einer augenheilkundlichen Anwendung von Avastin nach dem Arzneimittelrecht der Union berücksichtigen muss.
Der Gerichtshof ruft insoweit den Grundsatz in Erinnerung, dass Arzneimittel, die bei denselben therapeutischen Indikationen eingesetzt werden können, zum selben Markt gehören. Werden Arzneimittel allerdings unrechtmäßig hergestellt oder verkauft, können sie nicht als substituierbar oder austauschbar im Verhältnis zu rechtmäßig hergestellten und verkauften Produkten gelten. Jedoch verbietet das Arzneimittelrecht der Union nicht die Verschreibung von Arzneimitteln bei therapeutischen Indikationen, die nicht von ihrer Zulassung erfasst sind, und auch nicht ihre Umpackung zu diesem Zweck, sofern bestimmte Bedingungen eingehalten sind. Ob diese Bedingungen eingehalten wurden, ist nicht von der AGCM zu prüfen, sondern von den für diese Prüfung zuständigen italienischen Gerichten oder Behörden. Im vorliegenden Fall besteht für die Behandlung von Augenkrankheiten zwischen Lucentis und Avastin ein konkretes Substituierbarkeitsverhältnis.
Wenn die hierfür zuständigen Behörden oder Gerichte eine etwaige Rechtswidrigkeit der Umpackung oder Verschreibung von Avastin bei Indikationen, die nicht von dessen Zulassung erfasst sind, nicht geprüft haben, darf die AGCM davon ausgehen, dass beide Erzeugnisse demselben Markt angehören, und sie deshalb als miteinander im Wettbewerb stehende Arzneimittel ansehen. Wurde hingegen die etwaige Rechtswidrigkeit der Voraussetzungen, unter denen solche Umpackungen oder Verschreibungen stattfinden, durch die zuständigen Behörden oder Gerichte geprüft, so ist die AGCM an das Ergebnis dieser Prüfung gebunden.
Nach dem heutigen Urteil des Gerichtshofs kann die von der AGCM geahndete Absprache zwischen Roche und Novartis nicht als eine Nebenabrede zu ihrer Lizenzvereinbarung gerechtfertigt werden. Denn diese Absprache sollte nicht die geschäftliche Selbständigkeit der Parteien der Lizenzvereinbarung im Zusammenhang mit Lucentis beschränken, sondern das Verhalten Dritter, insbesondere von Ärzten, um die Verschreibung von Avastin in der Augenheilkunde zugunsten von Lucentis zu verringern. Unter diesen Umständen kann die Absprache nicht als objektiv erforderlich und als eine Nebenabrede für die Durchführung der Lizenzvereinbarung angesehen werden.
Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, wenn zwei Unternehmen, die zwei konkurrierende Arzneimittel vertreiben, eine Absprache treffen, die darauf abzielt, gegenüber der EMA, Angehörigen der Heilberufe und der Öffentlichkeit in einem Kontext, der durch einen ungesicherten wissenschaftlichen Kenntnisstand gekennzeichnet ist, irreführende Informationen über die Nebenwirkungen der Anwendung eines dieser Medikamente außerhalb seiner Zulassung zu verbreiten, um den Wettbewerbsdruck auf das andere Arzneimittel zu senken. Als irreführend sind diese Informationen (was zu überprüfen dem nationalen Gericht obliegt) dann anzusehen, wenn sie zum einen die EMA und die Kommission irreführen und zum anderen bewirken sollen, dass in einem Kontext der wissenschaftlichen Unsicherheit in der Öffentlichkeit eine Überschätzung der Risiken entsteht, die mit der Anwendung von Avastin bei Indikationen außerhalb seiner Zulassung verbunden sind.
Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass einer Absprache die in Art. 101 Abs. 3 AEUV vorgesehene Freistellung nur dann zugute kommen kann, wenn sie lediglich unerlässliche Beschränkungen vorsieht. Die Verbreitung irreführender Informationen über ein Arzneimittel kann aber nicht als „unerlässlich“ angesehen werden. Eine Absprache, die auf die Verbreitung solcher irreführender Informationen abzielt, kann deshalb nicht unter eine Freistellung fallen.
Urteil in der Rechtssache C-179/16 Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 23.01.2018
Die Klägerin handelt mit Adressdaten. Sie nimmt den beklagten Insolvenzverwalter der vormals ebenfalls mit Adressdaten handelnden Schuldnerin auf Schadensersatz und Unterlassen in Anspruch. Der Geschäftsführer der Klägerin war zuvor Geschäftsführer der Schuldnerin. Er hatte am Tag der Insolvenzeröffnung vom Beklagten verschiedene Internet-Domains einschließlich der über diese generierten Adressen für 15.000 € gekauft.
Die Daten befanden sich ursprünglich auf zwei Servern der Schuldnerin und wurden auf einem USB-Stick übergeben. Die Server selbst, auf denen die Daten weiterhin rekonstruierbar lagen, wurden vom Beklagten an eine ebenfalls mit Adressen handelnde dritte Firma verkauft. Diese nutzte nach dem Vortrag der Klägerin rund eine Million Adressen, um Werbe-E-Mails für die Internetseite sexpage.de zu versenden.
Die Klägerin klagt nunmehr aus abgetretenem Recht ihres Geschäftsführers. Sie ist der Ansicht, die von ihr erworbenen Adressen hätten durch die erfolgte Nutzung für die Internetseite sexpage.de 2/3 ihres Wertes verloren. Der Beklagte müsse deshalb den Kaufpreis anteilig an sie zurückzahlen. Zudem sei er verpflichtet, die weitere Nutzung dieser Adressdaten zu unterlassen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg. Der Klägerin, so das OLG, stünden keinerlei vertragliche Ansprüche zu. Der Kaufvertrag sei vielmehr insgesamt nichtig, da die Adressinhaber in den Verkauf ihrer Daten nicht wirksam eingewilligt hätten. Der Vertrag verstoße gegen die Vorgaben des BDSG. Die Nutzung sogenannter personenbezogener Daten sei nur zulässig, wenn der Betroffene einwillige oder das so genannte Listenprivileg eingreife. "Name, Postanschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse einer Person" stellten "klassische" personenbezogene Daten dar.
Auch der einmalige Verkauf derartiger Daten - wie hier - unterfalle dem Adresshandel im Sinne von § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG dar. Das so genannte Listenprivileg nach § 28 Abs. 3 S. 2 BDSG greife nicht, da es sich nicht um "zusammengefasste Daten von Angehörigen einer bestimmten Personengruppe" handele.
Eine Einwilligung nach dem BDSG sei, betont das OLG, "nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht, der auf den vorgesehenen Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung sowie (...) auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung" hingewiesen wird.
Sie müsse grundsätzlich schriftlich abgegeben werden. Außerdem sei sie "besonders hervorzuheben", wenn sie - wie hier - zusammen mit anderen Erklärungen erteilt werde. Nach dem von der Klägerin selbst vorgetragenen Wortlaut der Einwilligungserklärung seien jedoch weder die betroffenen Daten noch Kategorien etwaiger Datenempfänger oder der Nutzungszweck - Adresshandel - konkret genug bezeichnet worden. Es fehle zudem die erforderliche Hervorhebung.
Der Vertrag verpflichte die Parteien darüber hinaus "systematisch" zu einem unlauteren wettbewerbswidrigen Verhalten, so dass auch deshalb von einer Gesamtnichtigkeit auszugehen sei. Die Zusendung von Werbe-E-Mails ohne Einwilligung stelle eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar.
Soweit der Beklagte zwar im Ergebnis in Höhe des erlangten Kaufpreises ungerechtfertigt bereichert sei, begründe dies allein ebenfalls keinen Rückzahlungsanspruch der Klägerin. Ein derartiger Anspruch sei hier vielmehr ausgeschlossen, da beide Vertragsparteien vorsätzlich gegen die zwingenden Vorgaben des BDSG verstoßen hätten. Bei gesetzeswidrigen Verträgen versage § 817 Abs. 1 BGB jede Rückabwicklung. Wer sich dennoch auf ein derartiges Geschäft einlasse, "leistet auf eigenes Risiko", betont das OLG.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Klägerin kann Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.01.2018, Az. 13 U 165/16
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 29.01.2018
Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen für Kühlanlagen, angestellt. Er leitete umfangreich berufliche E-Mails an seinen privaten Account weiter. Zeitgleich verhandelte er mit einem Mitbewerber um einen Arbeitsplatzwechsel.
Die Beklagte meinte, der Kläger habe unerlaubt Betriebsgeheimnisse aus der Firma entfernt, um diese bei seinem neuen Job zu nutzen. Der Kläger wandte ein, er habe bereits mehrfach in der Vergangenheit so verfahren, um von zu Hause arbeiten zu können.
Das LAG Berlin-Brandenburg stufte die ungefragte Weiterleitung der E-Mails an den privaten Account als schwere Verletzung der Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag ein, der schon alleine eine außerordentliche Kündigung rechtfertige.
Denn dem Kläger sei ein eigener Laptop zur Verfügung gestellt worden, sodass er die Nachrichten problemlos auf diesem Gerät zu Hause hätte bearbeiten können. Eine Übermittlung an eine andere E-Mail-Adresse sei nicht notwendig gewesen.
Der Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte äußerte sich in einem im Januar 2017 erschienenen Zeitungsartikel zu dem damaligen Fraktionsausschlussverfahren des Klägers aus der Landesfraktion der AfD in Stuttgart. In diesem Zusammenhang bezeichnete er den Kläger als Holocaustleugner. Der Beklagte beruft sich dazu auf die vom Kläger verfassten Bücher und auf seine Meinungsfreiheit. Der Kläger bestreitet, den Holocaust geleugnet zu haben, und sieht die Äußerung als unwahre Tatsachenbehauptung an.
Das Landgericht Berlin hat in der heutigen Verhandlung darauf abgestellt, dass der Kläger einzelne Aspekte des Holocaust, z.B. die Opferzahlen oder die Einstufung der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten als Menschheitsverbrechen in Abgrenzung zu Kriegsverbrechen, in Frage gestellt hat.
Nach Ansicht des Landgerichts ist der Begriff „Holocaustleugner“ kein fest definierter Begriff. Vielmehr sei die Einschätzung, ob die Infragestellung einzelner Aspekte der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten bereits ein Leugnen des Holocaust darstelle oder nicht, von den grundgesetzlich geschützten Elementen des Meinens und Dafürhaltens abhängig. Die Bewertung der Infragestellung einzelner Aspekte als Leugnen des Holocaust stelle daher eine nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerung des Beklagten dar.
Das heute verkündete Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Schriftliche Urteilsgründe liegen noch nicht vor.
Landgericht Berlin, Aktenzeichen 27 O 189/17, Urteil vom 16. Januar 2018
Quelle: Pressemitteilung des LG Berlin v. 16.01.2018
Der Klage lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte äußerte sich in einem im Januar 2017 erschienenen Zeitungsartikel zu dem damaligen Fraktionsausschlussverfahren des Klägers aus der Landesfraktion der AfD in Stuttgart. In diesem Zusammenhang bezeichnete er den Kläger als Holocaustleugner. Der Beklagte beruft sich dazu auf die vom Kläger verfassten Bücher und auf seine Meinungsfreiheit. Der Kläger bestreitet, den Holocaust geleugnet zu haben, und sieht die Äußerung als unwahre Tatsachenbehauptung an.
Das Landgericht Berlin hat in der heutigen Verhandlung darauf abgestellt, dass der Kläger einzelne Aspekte des Holocaust, z.B. die Opferzahlen oder die Einstufung der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten als Menschheitsverbrechen in Abgrenzung zu Kriegsverbrechen, in Frage gestellt hat.
Nach Ansicht des Landgerichts ist der Begriff „Holocaustleugner“ kein fest definierter Begriff. Vielmehr sei die Einschätzung, ob die Infragestellung einzelner Aspekte der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten bereits ein Leugnen des Holocaust darstelle oder nicht, von den grundgesetzlich geschützten Elementen des Meinens und Dafürhaltens abhängig. Die Bewertung der Infragestellung einzelner Aspekte als Leugnen des Holocaust stelle daher eine nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerung des Beklagten dar.
Das heute verkündete Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Schriftliche Urteilsgründe liegen noch nicht vor.
Landgericht Berlin, Aktenzeichen 27 O 189/17, Urteil vom 16. Januar 2018
Quelle: Pressemitteilung des LG Berlin v. 16.01.2018
Die Klägerin, die XY Küchengeräte und Handel GmbH, bestand seit 2004.
Der Beklagte besaß die Domain "xy.de" seit 2008. Bei Aufruf der Webseite erfolgte eine Weiterleitung. Außerdem verwendete er mehrere Mail-Adressen mit dieser Second-Level-Domain-Adresse. Seit 1995 war die Domain "xy.de" zuvor durch die XY Neue Medien GmbH registriert gewesen. Im Jahr 2008 erfolgte eine Übertragung an den Beklagten.
Die Klägerin verlangte nun die Herausgabe der Domain und klagte auf Unterlassung.
Zu Unrecht wie die Kölner Richter entschieden.
Zu dem Zeitpunkt, an dem die klägerische GmbH gegründet worden sei, sei die besagte Domain bereits im Besitz der XY Neue Medien GmbH gewesen. Insofern habe die Klägerin kein schützenswertes Interesse.
Hier bestehe zwar die Besonderheit, dass der Domainerwerb durch den Beklagten erst im Jahr 2008, also nach Unternehmensgründung der Klägerin, erfolgt sei. Abzustellen sei jedoch auf die Tatsache, dass die Domain bereits im Voreigentum der XY Neue Medien GmbH gestanden habe und die Klägerin somit keine schützenswerte Position besitze.
Es könne keinen Unterschied machen, dass eine Umschreibung des Domainnamens erfolgte, so die Richter. Tragende Erwägung in der vom BGH entschiedenen Konstellation war, dass der Dritte, der den Domainnamen als Unternehmenskennzeichen verwenden möchte, vor der Wahl einer Unternehmensbezeichnung, die er auch als Internet-Adresse verwenden möchte, unschwer hätte prüfen können, ob der entsprechende Domainname noch verfügbar sei.
Ist der gewünschte Domainname bereits vergeben, werde es ihm oft möglich und zumutbar sein, auf eine andere Unternehmensbezeichnung auszuweichen. Die Interessenabwägung gehe dann regelmäßig zu seinen Lasten aus.
Auch vorliegend hätte die Klägerin auf eine andere Unternehmensbezeichnung ausweichen können. Der Umstand, dass der Domainname zwischenzeitlich auf den Beklagten übertragen wurde, führe zu keiner abweichend zu beurteilenden Interessenlage.
Die verklagte Firma erbrachte für ein Drittunternehmen bestimmte Tätigkeiten als Empfangsbote: In den vom Dritten versandten Schreiben hieß es "Deutsche Poststelle: [Firmenname] Postfach X PLZ y". Das dort genannte Postfach gehörte der Beklagten.
Die Beklagte nahm die Antwortschreiben entgegen, digitalisierte diese und leitete sie an ihren Auftraggeber weiter.
Die Werbeschreiben des Drittunternehmens waren aus mehreren Gründen wettbewerbswidrig, So wurde nicht nur der Werbecharakter des Schreibens verschleiert, sondern zudem wurde auch der Eindruck erweckt, es handle sich bei dem Absender um eine amtliche Stelle.
Das LG Leipzig verurteilte die Beklagte als Mittäterin.
Ohne die Handlung der Beklagten, an die die ausgefüllten und unterzeichneten Formulare zurückgesendet werden sollten, sei die wettbewerbswidrige Handlung des Drittunternehmens nicht möglich, so das Gericht. Dies gellte nicht nur im Hinblick auf eine erfolgreiche Täuschung des Geschäftsverkehrs im Falle der Zurücksendung des Formulars. Vielmehr liege bereits in der Übersendung des Schreibens eine haftungsauslösende Mitwirkung denn die Beklagte stelle ihr Postfach zur Verfügung.
Selbst wenn die Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch keine Kenntnis von allen die Wettbewerbswidrigkeit begründenden Umständen gehabt haben sollte, hafte sie in jedem Fall aus Gründen der Erstbegehungsgefahr. Denn spätestens als ihr der gesamte Sachverhalt bekannt geworden sei, hätte sie aktiv werden und erklären müssen, von einer weiteren Zurverfügungstellung ihres Postfachs für das Drittunternehmen Abstand zu nehmen. Dies sei jedoch nicht geschehen.
Das verklagte Unternehmen warb für seine Produkte mit unterschiedlichen Streichpreisen. So gab es aktuell einen Aktionspreis in Höhe von 1.399,- EUR an. Über dieser Angabe war der ursprüngliche Preis von 4.402,- EUR platziert, der als "bisheriger Originalverkaufspreis" bezeichnet wurde und durchgestrichen war. Die Beklagte erklärte dabei: "Sie sparen 68 %“.
Die Klägerin sah hierin eine Irreführung, denn bei den Streichpreisen handle es sich um Summen, die vorher nie von der Beklagten so am Markt verlangt worden seien.
Die Beklagte bestritt dies nicht, sondern führte lediglich allgemein aus, dass hochwertige Wirtschaftsgüter über wesentlich längere Zeiträume mit einer Gegenüberstellung beworben werden dürften, als dies bei schnelldrehenden Verbrauchsgütern der Fall sei.
Damit gelte die Behauptung, es habe sich um unzulässige Mondpreise gehandelt, als zugestanden, so das Gericht. Denn die Beklagte habe nicht dargelegt, ob und wann der von ihr genannte Preis überhaupt jemals ernsthaft gefordert wurde.
Daher verurteilte das Gericht die Beklagte zur Unterlassung.
Die Klägerin war Schaustellerin und Mitglied einer der berühmtesten Schaustellerfamilien Deutschlands. Die Beklagten waren Mitglieder einer deutschen Hip Hop-Band.
Inhaltlich ging es um die gesprochenen Worte der Klägerin: Die Klägerin betrieb mehrere bekannte Fahrgeschäfte auf dem Oktoberfest. An allen Fahrgeschäften befand sich ein Schild mit dem Text "Achtung, Top-, Bild- oder Videoaufnahmen vom bzw. am Geschäft sind verboten."
Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagten hätten die o.g. Wortfolgen unerlaubt übernommen und damit ihre Urheberrechte verletzt. Sie habe von klein auf die Kunst des sogenannten Rekommandierens, d.h. des Kommunizierens mit den Festbesuchern bzw. des Anwerbens, von ihren Eltern und Großeltern gelernt und dieses so perfektioniert, dass sie mit ihren Ansagen weit über die deutschen Landesgrenzen hinaus bekannt sei.
Die Klägerin machte daher gegen die Beklagten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend.
Das LG München wies die Klage ab, da dem Text bereits die erforderliche Schöpfungshöhe fehle.
Es erschöpfe sich in einer losen und willkürlich erscheinenden Aneinanderreihung situativ hervorgebrachter, gebräuchlicher anpreisender Begriffe banalster Art und Weise, denen insbesondere im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Äußerung (nämlich beim reklamehaften Anpreisen eines Fahrgeschäfts) jedwede Doppeldeutigkeit und Individualität fehle.
Ersichtlich sei diese Wortfolge in ihrer Belanglosigkeit eher vergleichbar mit den schutzlos gebliebenen Zeilen "Samba (Lachen) - hai que - Samba de Janairo" (vgl. OLG Hamburg ZUM 1998, 1041) oder "Wir fahr'n, fahr'n, fahr'n auf der Autobahn" (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1978, 640) denn mit geschützten Äußerungen wie "Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon, der in München wohnt" (vgl. OLG München ZUM 2009, 970) oder "Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut" (vgl. LG München I GRUR-RR 2011, 447 - Karl-Valentin-Zitat).
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1. EuGH: Max Schrems kann keine Verbraucher-Sammelklagen gegen Facebook erheben
2. EuGH: Absprache zwischen Arzneimittelhersteller Roche und Novartis könnte "bezweckte" Wettbewerbsbeschränkung sein
3. OLG Frankfurt a.M.: Datenschutzverstoß bei Adressverkauf führt zur Unwirksamkeit des Vertrages
4. LAG Berlin-Brandenburg: Weiterleitung dienstlicher E-Mails auf privaten Mail-Account rechtfertigt außerordentliche Kündigung
5. LG Berlin: AfD-Mitglied darf "Holocaustleugner" genannt werden
6. LG Dessau-Roßlau: Irreführende Hotel-Werbung mit Sonnen als Sterne-Bewertung
7. LG Köln: Domain-Inhaber kann sich auf Rechte des Voreigentümers berufen
8. LG Leipzig: Bloßer Empfangsbote kann für Wettbewerbsverstöße Dritter haften
9. LG München I: Irreführende Werbung mit Streichpreisen
10. LG München I: Anforderungen an Schöpfungshöhe bei gesprochenen Texten
Die einzelnen News:
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1. EuGH: Max Schrems kann keine Verbraucher-Sammelklagen gegen Facebook erheben
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Herr Schrems kann wegen eigener Ansprüche in Österreich Klage gegen Facebook Ireland erheben. Hingegen kann er nicht als Zessionar von Ansprüchen anderer Verbraucher den Verbrauchergerichtsstand in Anspruch nehmen, um die abgetretenen Ansprüche geltend zu machen
Maximilian Schrems / Facebook Ireland Limited
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2. EuGH: Absprache zwischen Arzneimittelhersteller Roche und Novartis könnte "bezweckte" Wettbewerbsbeschränkung sein
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Die Absprache zwischen den Arzneimittelherstellern Roche und Novartis, mit der die augenheilkundlichen Anwendungen des Arzneimittels Avastin verringert und die des Arzneimittels Lucentis gesteigert werden sollten, könnte eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung darstellen
F. Hoffmann-La Roche Ltd. u. a. / Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato
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3. OLG Frankfurt a.M.: Datenschutzverstoß bei Adressverkauf führt zur Unwirksamkeit des Vertrages
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Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. erklärt Verkauf von Adressdaten wegen fehlender Einwilligung nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) für unwirksam und weist Ansprüche trotz vertragswidriger Nutzung durch Dritte für anstößige Werbe-E-Mails zurück.
(vorausgehend Landgericht Darmstadt, Urteil vom 21.07.2016, Az. 16 O 272/11)
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4. LAG Berlin-Brandenburg: Weiterleitung dienstlicher E-Mails auf privaten Mail-Account rechtfertigt außerordentliche Kündigung
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Die ungefragte Weiterleitung dienstlicher E-Mails auf einen privaten Mail-Account rechtfertigt die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsvertrages (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.05.2017 - Az.: 7 SA 38/17).
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5. LG Berlin: AfD-Mitglied darf "Holocaustleugner" genannt werden
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Das Landgericht Berlin hat heute die Klage eines Mitgliedes der AfD (Kläger) gegen den Präsidenten des Zentralrats der Juden (Beklagten) verhandelt und im Ergebnis abgewiesen. Der Kläger hatte sich dagegen gewandt, dass der Beklagte ihn als „Holocaustleugner“ bezeichnet hatte. Mit der Klage wollte er ihm die Wiederholung dieser Äußerung für die Zukunft verbieten lassen.
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6. LG Dessau-Roßlau: Irreführende Hotel-Werbung mit Sonnen als Sterne-Bewertung
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Das Landgericht Berlin hat heute die Klage eines Mitgliedes der AfD (Kläger) gegen den Präsidenten des Zentralrats der Juden (Beklagten) verhandelt und im Ergebnis abgewiesen. Der Kläger hatte sich dagegen gewandt, dass der Beklagte ihn als „Holocaustleugner“ bezeichnet hatte. Mit der Klage wollte er ihm die Wiederholung dieser Äußerung für die Zukunft verbieten lassen.
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7. LG Köln: Domain-Inhaber kann sich auf Rechte des Voreigentümers berufen
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Ein Domain-Inhaber kann sich unter Umständen gegenüber Dritten auf Namensrechte des Voreigentümers berufen (LG Köln, Urt. v. 19.12.2017 - Az.: 33 O 39/17).
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8. LG Leipzig: Bloßer Empfangsbote kann für Wettbewerbsverstöße Dritter haften
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Ein bloßer Empfangsbote, der für einen Dritten Werbeschreiben annimmt, kann als Mittäter für die Rechtsverstöße des Dritten haften (LG Leipzig, Urt. v. 29.08.2017 - Az.: 01 HK O 75/117).
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9. LG München I: Irreführende Werbung mit Streichpreisen
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Eine Werbung mit durchgestrichenen Preisen, sogenannten Streichpreisen, ist nur dann erlaubt, wenn der ursprüngliche Verkaufswert für eine angemessene Zeit zuvor ernsthaft vom Verbraucher verlangt wurde (LG München I, Urt. v. 20.10.2017 - Az.: 3 HK O 2416/17).
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10. LG München I: Anforderungen an Schöpfungshöhe bei gesprochenen Texten
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Die Wortfolge "Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ab geht die Post, let's go, let's fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!" ist nicht urheberrechtlich geschützt, da ihr die erforderliche Schöpfungshöhe fehlt (LG München, Urt. v. 12.12.2017 - Az.: 33 O 15792/16).
"Ja und jetzt, jetzt bring ma wieder Schwung in die Kiste, hey ab geht die Post, let's go, let's fetz, volle Pulle, volle Power, wow, super!"
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