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Kategorie: Onlinerecht

LG Berlin: Anforderungen an Gewinnabschöpfungen bei vorsätzlichen Wettbewerbsverstößen

Eine wettbewerbsrechtliche Gewinnabschöpfung setzt voraus, dass das betreffende Unternehmen vorsätzlich handelt. Hierfür ist eine gesicherte Kenntnis des Unternehmens von der Rechtswidrigkeit des eigenen Handelns notwendig (LG Berlin, Urt. v. 05.10.2022 - Az.: 97 O 29/21).

Der Klägerin erwirkte ein inzwischen rechtskräftiges Urteil, in dem der Beklagten bestimmte Werbung untersagt wurde. In der Folgezeit stellte die Klägerin dann mehrere Ordnungsmittelanträge, die teilweise abgelehnt und denen teilweise stattgegeben wurden.

Da die Beklagte - aus Sicht der Klägerin - weiterhin an ihrer verbotenen Werbung festhielt, stellte die Klägerin schließlich bei Gericht einen Antrag auf Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG.     

Das LG Berlin wies die Klage ab.

Es fehle bereits an dem erforderlichen Vorsatz der Beklagten, so das Gericht:

"Unabhängig davon kam ein Vorsatz vor Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses des Kammer­gerichts vom 15.10.2020 an die Beklagte von vornherein nicht in Betracht, weil ihr bis dahin das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit schon deshalb berechtigt fehlen durfte, wenn sogar das Landge­richt die betreffenden Ordnungsmittelanträge des Klägers wegen fehlenden Kernverstoßes im Som­mer 2020 zurückwies, seine Auffassung im Nichtabhilfebeschluss beibehielt und damit die Beklagte in ihrer Ansicht von der Reichweite des „Kopierantrags" des Klägers und des daraufhin ergangenen Titels bestätigte.

Für die Beurteilung der subjektiven Einstellung der Beklagten ab dem 21.10.2020, dem Tag der Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses des Kammergerichts, kommt die weitere Besonderheit hinzu, dass die dem Urteil von 2019 zu Grunde liegende Norm im Anschluss an die damalige münd­liche Verhandlung, aber vor Rechtskraft jenes Urteils um einen S. 2 ergänzt wurde, der in seiner Reichweite ebenso offen war.

Unter diesen Umständen stand es der Beklagten wie im Urteil vom 18.08.2021 -101 O 76/20 - zutreffend ausgeführt frei, Berufung einzulegen oder Vollstreckungsab­wehrklage zu erheben. Hätte sie sich für eine Berufung entschieden, wäre der Titel nicht in Rechts­kraft erwachsen und sie hätte wegen sehr wahrscheinlich ausbleibender Sicherheitsleistung des Klägers jedenfalls bis zu einer Berufungsentscheidung in der damals streitgegenständlichen Weise weiter werben können. Dafür, dass die Beklagte nach dem vorsatzbegründenden Urteil zur Vollstre­ckungsabwehrklage im Spätsommer 2021 ihre Werbung u.a. mit dem Bestellbutton beibehielt, be­stehen keine Anhaltspunkte."

Auch fehle es an dem weiteren erforderlichen Kriterium "zu Lasten":

"Jedenfalls ist das weitere Tatbestandsmerkmal  des (...) § 10 UWG nicht erfüllt.

Die Beklagte erzielte keinen Gewinn „zu Lasten“ einer Vielzahl von Abnehmern durch eine - unterstellt - vorsätzlich begangene unzulässige geschäftliche Handlung nach § 3 UWG.

Das Merkmal „zu Lasten“ ist nicht gegeben. Es erfordert einen durch die unlautere Handlung verursachten Vermögensnachteil der als Abnehmer i.S.d. Vorschrift anzusehenden Kunden der Beklagten. Ein solcher Vermögensnachteil (...)  ist nach Auffassung der Kammer notwendig, wenn der Gesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens ausführt, es sei erforderlich, aber auch ausreichend, dass durch die Zuwiderhandlung bei einer Vielzahl von Abnehmern eine wirtschaftliche Schlechterstellung eingetreten ist (BT-Drucks 15/2795, S. 21).

Das Eingehen einer Verbindlichkeit bringt aber nur - und dann auch stets - einen Vermögensnachteil mit sich, wenn die erhaltene Leistung weniger wert ist als die erbrachte Gegenleistung oder wenn die Abnehmer mit einem „ungewollten“ Vertrag belastet werden und sich daraus Ersatzansprüche ergeben können (....), was beides nach dem Parteivortrag im Verhältnis der Beklagten zu ihren Kunden nicht der Fall ist. Die Kunden wurden anders als in der vom Kläger zitierten Entscheidung (OLG Stuttgart 2007, 435, 437), der eine Irreführung der Verbraucher durch eine Werbung mit einem überholten Testergebnis zu Grunde lag, nicht über Vertragskonditionen getäuscht (...), ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass (eine Vielzahl der) Abnehmer mit einem Vertrag belastet wurde(n), den sie nicht hatten abschließen wollen.

Das lauterkeitsrechtliche Unwerturteil des dem Titel zu Grunde liegen-den§ 9 HWG als abstraktem Gefährdungstatbestand beschränkt sich auf das Verbot der Werbung für eine Fernbehandlung unabhängig von der Fernbehandlung selbst (...), die ggf. nach anderer Vorschrift untersagt ist."
 

Mit anderen Worten: Erhält der Kunde eine adäquate Gegenleistung und erleidet dadurch keinen finanziellen Nachteil, so fehlt es an dem Merkmal "zu Lasten" und eine Gewinnabschöpfung ist abzulehnen. 

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