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Rechts-FAQ: Digital Service Act (DSA): Einführung und Überblick

Der Digital Service Act (DSA) hat zum Ziel, die Verbreitung illegaler Inhalte auf digitalen Plattformen umfassend zu kontrollieren und einzuschränken. Er richtet sich an eine Vielzahl von Unternehmen im Online-Bereich, insbesondere Suchmaschinen, (große) Plattform-Anbieter oder Webhosting-Unternehmen.

Speziell für für Webhosting-Unternehmen haben wir eine eigene Rechts-FAQ entwickelt.

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Bei Fragen und Problemen schicken Sie uns einfach eine kurze E-Mail an Info@dr-Bahr.com oder rufen Sie an: 040 - 35 01 77 60. Oder Sie hinterlassen einfach einen Rückruf-Wunsch.

 

Allgemein: Ab wann gelten die neuen Pflichten?

Teilweise sind die neuen Pflichten bereits in Kraft getreten. Eine Vielzahl der sonstigen Regelungen werden ab dem 17.02.2024 wirksam.

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Bedeutung des DSA in der Praxis

Die Bedeutung des DSA kann kaum überschätzt werden, da er zahlreiche neue Pflichten für sehr viele Online-Unternehmen schafft. 

Der DSA gilt, sobald ein Unternehmen Online-Dienste in der Europäischen Union anbietet. Dabei ist es egal, wo der Anbieter seinen Sitz hat. D.h. der DSA gilt insbesondere auch ggü. US-Unternehmen, sobald diese in Europa ihre Leistungen anbieten.

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Die allgemeinen Pflichten

Der DSA stellt zunächst in den Art. 11 bis 15 die allgemeinen Pflichten für alle Vermittlungsdienste auf.  Das sind:

- Einrichtung einer zentralen Kontaktstelle sowohl für Behörden als auch für Nutzer (Art. 11, 12 DSA)
- transparente Erläuterungen in den AGB hinsichtlich der Inhalte-Moderation (Art. 14 DSA)
- jährliche Veröffentlichung von Transparenzberichten über Inhalte-Moderation (Art. 15 DSA)

Wir haben diesen allgemeinen Pflichten am Beispiel für Webhosting-Unternehmen hier näher und ausführlicher  erläutert.

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Besondere Pflichten für Hosting-Anbieter und Online-Plattformen

Die Art. 15 - 18 DSA stellen speziell für Hosting-Anbieter und Online-Plattformen neben den allgemeinen noch ganz besondere Pflichten auf:

- Einrichtung eines Melde- und Abhilfeverfahrens für rechtswidrige Inhalte (Art. 16 DSA)
- Begründung für Beschränkungen (Art. 17 DSA)
- Meldepflichten für Webhosting-Unternehmen bei besonderen Straftaten (Art. 18 DSA)

Wir haben diesen speziellen Pflichten am Beispiel für Webhosting-Unternehmen hier näher und ausführlicher  erläutert.

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Besondere Pflichten für Online-Plattformen

Zusätzliche Pflichten für Online-Plattformen sind in den Art. 19  - 28 DSA geregelt.

1. Ausnahme

Diese Pflichten gelten jedoch nicht für Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen (= Zahl der Beschäftigten bis 49 Mitarbeiter und Umsatz/Jahr bis 10 Mio. EUR oder Bilanzsumme/Jahr bis 10 Mio. EUR).

2. Die Pflichten im Einzelnen:

Die Pflichten sind sehr umfangreich und detailliert:

- internes Beschwerdemanagement (Art. 20 DSA)
- außergerichtliche Streitbeilegung (Art. 21 DSA)
- vertrauenswürdige Hinweisgeber (Art. 22 DSA)
- Schutz vor missbräuchlicher Verwendung (Art. 23 DSA)
- Transparenzpflichten (Art. 24 DSA)
- Gestaltung und Organisation der Online-Schnittstellen (Art. 25 DSA)
- Werbung auf Online-Plattform (Art. 26 DSA)
- transparente Empfehlungssystem (Art. 27 DSA)
- Online-Schutz von Minderjährigen (Art. 28 DSA)

3. Erweiterte Pflichten bei Online-Verträgen im B2C-Bereich:

Ermöglicht die Online-Plattform Verbrauchern den Abschluss von Verträgen mit Unternehmern, gelten noch weitere, zusätzliche Pflichten, die wir hier hier erläutert haben.

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Besondere Pflichten für Online-Plattformen bei Online-Verträgen im B2C-Bereich

Zusätzliche Pflichten für Online-Plattformen sind in den Art. 29  - 32 DSA geregelt.

1. Anwendungsbereich:

Ermöglicht die Online-Plattform Verbrauchern den Abschluss von Verträgen mit Unternehmern, gelten diese weiteren Pflichten,

2. Ausnahme:

Diese Pflichten gelten jedoch nicht für Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen (= Zahl der Beschäftigten bis 49 Mitarbeiter und Umsatz/Jahr bis 10 Mio. EUR oder Bilanzsumme/Jahr bis 10 Mio. EUR).

3. Die Pflichten im Einzelnen:

- Nachverfolgbarkeit der verkaufenden Unternehmen (Art. 30 DSA)
- Konformität durch Technik-Gestaltung (Art. 31 DSA)
- Recht auf Information (Art. 32 DSA)

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Besondere Pflichten für sehr große Online-Plattformen und sehr große Suchmaschinen

Zusätzliche Pflichten für sehr große Online-Plattformen und sehr große Suchmaschinen sind in den Art. 33  - 43 DSA geregelt. Es handelt sich dabei um sehr komplexe, detaillierte Vorschriften.

1. Anwendungsbereich:

Sehr große Online-Plattformen und sehr große Suchmaschinen = monatliche Anzahl von mind. 45 Mio. aktiven Nutzer + Benennung als sehr große Plattform bzw. Suchmaschine.

2. Ausnahme:

Diese Pflichten gelten jedoch nicht für Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen (= Zahl der Beschäftigten bis 49 Mitarbeiter und Umsatz/Jahr bis 10 Mio. EUR oder Bilanzsumme/Jahr bis 10 Mio. EUR).

3. Die Pflichten im Einzelnen:

- Risikobewertung (Art. 34 DSA)
- Risikominderung (Art. 35 DSA)
- Krisenreaktionsmechanismus (Art. 36 DSA)
- unabhängige Prüfung (Art. 37 DSA)
- Empfehlungssysteme (Art. 38 DSA)
- zusätzliche Transparenz der Online-Werbung (Art. 39 DSA)
- Datenzugang und Kontrolle (Art. 40 DSA)
- Compliance-Abteilung (Art. 41 DSA)
- Transparenzberichtspflichten  (Art. 42 DSA)

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Haftung

In den Art. 4 - 6 DSA ist geregelt, ob und unter welchen Umständen die Dienste für fremde Inhalte haften. Der DSA differenziert dabei nach Art der Tätigkeit:
 

1. Reine Durchleitung:

a. Gesetzestext:

Artikel 4
“Reine Durchleitung”

(1)    Bei der Durchführung eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, haftet der Diensteanbieter nicht für die übermittelten oder abgerufenen Informationen, sofern er
a)    die Übermittlung nicht veranlasst,
b)    den Adressaten der übermittelten Informationen nicht auswählt und
c)    die übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert.
(2)    Die Übermittlung von Informationen und die Vermittlung des Zugangs nach Absatz 1 umfassen auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung der übermittelten Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als es für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.
(3)    Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern.

b. Bedeutung:

Gemeint sind hier insbesondere Access-Provider. Diese haften grundsätzlich nicht für fremde Inhalte. Ähnliche Regelung wie im (bisherigen) § 8 TMG.
 

2. “Caching”:

a. Gesetzestext:

Artikel 5
“Caching”

(1)    Bei der Durchführung eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln, haftet der Diensteanbieter nicht für die automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung, die dem alleinigen Zweck dient, die Übermittlung der Information an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter oder sicherer zu gestalten, sofern seitens des Anbieters folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a)    er verändert die Informationen nicht,
b)    er beachtet die Bedingungen für den Zugang zu den Informationen,
c)    er beachtet die Regeln für die Aktualisierung der Informationen, die weithin in der Branche anerkannt und verwendet werden, 
d)    er beeinträchtigt die zulässige Anwendung von Technologien zur Sammlung von Daten über die Nutzung der Informationen, die weithin in der Branche anerkannt und verwendet werden, nicht und
e)    er handelt zügig, um von ihm gespeicherte Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren, sobald er tatsächliche Kenntnis davon erhält, dass die Informationen am ursprünglichen Ausgangsort der Übermittlung aus dem Netz entfernt wurden oder der Zugang zu ihnen gesperrt wurde oder eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde die Entfernung oder Sperrung angeordnet hat.
(2)    Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern.

b. Bedeutung:

Anbieter, die Inhalte kurzfristig zwischenspeichern, haften prinzipiell nicht für fremde Inhalte. Ähnliche Regelung wie im (bisherigen) § 9 TMG.
 

3. “Hosting”:

a. Gesetzestext:

Artikel 6
Hosting

(1)    Bei der Durchführung eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung der von einem Nutzer bereitgestellten Informationen besteht, haftet der Diensteanbieter nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen, sofern er
a)    keine tatsächliche Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder rechtswidrigen Inhalten hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder rechtswidrige Inhalte offensichtlich hervorgeht, oder
b)    sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, zügig tätig wird, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen.
(2)    Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird.
(3)    Absatz 1 findet keine Anwendung auf die verbraucherschutzrechtliche Haftung von Online-Plattformen, die Verbrauchern das Abschließen von Fernabsatzverträgen mit Unternehmern ermöglichen, wenn die Online-Plattform die spezifischen Einzelinformationen dazu darstellt oder die betreffende Einzeltransaktion anderweitig in einer Weise ermöglicht, bei der ein durchschnittlicher Verbraucher davon ausgehen kann, dass die Information oder das Produkt oder die Dienstleistung, die bzw. das Gegenstand der Transaktion ist, entweder von der Online-Plattform selbst oder von einem ihrer Aufsicht unterstehenden Nutzer bereitgestellt wird.
(4)    Dieser Artikel lässt die Möglichkeit unberührt, dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern. 

b. Bedeutung:

Anbieter, die fremde Inhalte dauerhaft speichern, haften grundsätzlich erst ab Kenntnis für fremde Inhalte. Ähnliche Regelung wie im (bisherigen) § 10 TMG.

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Sanktionen

Bei einem Verstoß gegen den DSA können Bußgelder bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des Webhosters verhängt werden (Art. 52 Abs. 3 DSA). Der Betrag ist gedeckelt auf 5 % des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes oder der durchschnittlichen weltweiten Tageseinnahmen im vorangegangen Geschäftsjahr (Art. 52 Abs. 4 DSA).

Bei unterlassenen Meldepflichten (z.B. Nichtmeldung schwerer Straftaten), besteht zudem das Risiko, im Einzelfall möglicherweise eine Straftat durch Unterlassen zu begehen. 

Ob Verstöße gegen den DSA auch Wettbewerbsverletzungen sind und somit auch von Mitbewerbern abgemahnt werden können, wird erst die Zeit zeigen, wenn die ersten Gerichtsurteile hierzu vorliegen.

Ebenso unklar ist, ob ein einzelner Kunde möglicherweise Schadensersatzansprüche hat, wenn das einzelne Unternehmen nicht bestimmte Pflichten erfüllt.

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Weitere Entwicklung

Mit dem DSA ist ein echtes Mammutwerk entstanden, das die Gerichte auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte beschäftigen wird.

Es wird in der Praxis vor allem interessant sein zu sehen, inwieweit die weltweit führenden US-Unternehmen sich den Beschränkungen des DSA am Ende tatsächlich unterwerfen werden bzw. welche Schlupflöcher diese finden werden, den Restriktionen zu entgehen.

Amazon hat sich Ende 2023 bereits dagegen (vorläufig) erfolgreich gewehrt, als sehr große Online-Plattform eingestuft zu werden, vgl. unsere Kanzlei-News v. 05.10.2023.

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