Die außerordentliche Kündigung eines Vorstands, der sensible E-Mails an seine private Adresse weiterleitet, ist gerechtfertigt (OLG München, Urt. v. 31.07.2024 - Az.: z U 351/23e).
Der Kläger war Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft und leitete mehrfach dienstliche E-Mails mit sensiblen Informationen an seine private E-Mail-Adresse weiter. Dies geschah ohne Zustimmung der betroffenen Personen und ohne Genehmigung durch den Aufsichtsrat. Dies geschah in der Form, dass er bei Mails, die er von seinem beruflichen Account versandte, seine private Adresse bei einem Freemailer auf CC setzte.
Das verklagte Unternehmen kündigte ihm daraufhin fristlos.
Der Kläger ging dagegen vor und argumentierte, dass die Weiterleitungen notwendig gewesen seien, um sich selbst gegen mögliche Vorwürfe im Unternehmen abzusichern. Zudem habe er die E-Mails nicht an Dritte weitergegeben.
Das OLG München stufte das Handeln des Klägers als rechtswidrig ein, sodass die Kündigung wirksam war.
Die Weiterleitung dienstlicher E-Mails mit sensiblen Informationen an die private E-Mail-Adresse des Klägers stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, insbesondere im Hinblick auf die DSGVo. Die betroffenen E-Mails enthielten vertrauliche Informationen, darunter Gehaltsabrechnungen und interne Unternehmensdaten, deren Weitergabe an private E-Mail-Accounts nicht durch berechtigte Interessen des Klägers gedeckt sei:
"Alle vom Kläger weitergeleiteten streitgegenständlichen Emails bezogen sich auf „betriebliche Angelegenheiten“ (…) und beinhalteten keine offenkundigen Tatsachen.
So betraf die Email vom 23.04.2021, 16:27 Uhr (…) das Verhalten u.a. des Mitvorstands … bezüglich der Behandlung von Gehaltsabrechnungen nicht nur des Klägers, sondern auch des früheren Vorstandsvorsitzenden der Beklagten … . In der Email vom 10.05.2021 (…) ging es um die Behandlung von Forderungen des Klägers gegen die Beklagte, um Schriftwechsel mit der Steuerberatungsgesellschaft der Beklagten sowie um Kompetenzstreitigkeiten mit dem Mitvorstand …
Gegenstand der Email vom 31.05.2021, 12:10 Uhr (…) war eine Anfrage der … AG nach dem Geldwäschegesetz und eventuell drohende Maßnahmen der BAFIN gegen die Beklagte.
Die Email vom 31.05.2021, 17:47 Uhr (…) bezog sich auf eine Zuständigkeitsstreitigkeit zwischen dem Kläger und Mitarbeitern der …-Gruppe sowie die Provisionsplanung für 2021. Letztere war auch Thema der am 16.06.2021 um 11:13 Uhr vom Kläger versandten Email (…), der u.a. eine als „confidentiel“ überschriebene Präsentation betreffend Fragen zur Provisionierung sowie das Protokoll eines internen Meetings vom 07.06.2021 zu dieser Problematik beigefügt war.
Die Emails vom 18.06.2021, 17.17 Uhr (…) und vom 21.06.2021, 12:34 Uhr laut Anl. B 6 betrafen den von einem Mitarbeiter der Beklagten (…) gegen diese geltend gemachten Anspruch auf Provisionszahlungen. In der Email vom 24.06.2021, 11:51 Uhr (…) waren wiederum Umsatzerlöse und Bonifizierungsgrundlagen für diesen Mitarbeiter thematisiert. Dieser Email beigefügt waren Email-Verkehr des Klägers mit Mitarbeitern der Beklagten sowie die Kopie eines Lizenzvertrages mit dem Kundenunternehmen … GmbH. Gegenstand der am 28.06.2021 um 13:26 Uhr versandten Email (…) an … und … von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft … GmbH waren Spesenzahlungen der Beklagten an den Kläger."
Und weiter:
"Die Weiterleitung der streitgegenständlichen Emails auf den privaten Account des Klägers ist auch ein wichtiger Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB. (…)
Die Weiterleitung der Emails wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Kläger (…) „nur solche Emails weiterleitete, die aufgrund der besorgniserregenden Veränderungen im Betrieb der Beklagten (…) unentbehrlich waren, um später beweisen zu können, dass er selbst keine zur Haftung führenden Fehler begangen hat“ (…).
Denn für eine solche prophylaktische Selbsthilfe bestand (…) keine Veranlassung.
Solange der Kläger noch Vorstand war, hatte er qua Amt Zugriff auf die Unterlagen der Beklagten. Nach seiner Abberufung als Vorstand hat er dagegen einen Einsichtsanspruch aus § 810 BGB, soweit er Unterlagen der Beklagten für seine Verteidigung benötigen sollte, wobei der Kläger durch die die Beklagte treffenden handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten auch vor unzeitiger Vernichtung der Unterlagen hinreichend geschützt ist (…)."