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Kategorie: Datenschutzrecht

EuGH: Nur 2.000, - EUR Schadensersatz für Datenschutzverletzung bei unzulässiger Verarbeitung intimer Gespräche

Bei unzulässiger Verarbeitung intimer Gespräche nur 2.000,- EUR Schadensersatz wegen Datenschutzverletzung.

Datenverarbeitung: Europol und der Mitgliedstaat, in dem aufgrund einer widerrechtlichen Datenverarbeitung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Europol und diesem Mitgliedstaat ein Schaden eingetreten ist, haften für diesen Schaden gesamtschuldnerisch

Die betroffene Person, die von Europol oder dem betreffenden Mitgliedstaat vollständigen Ersatz ihres Schadens begehrt, muss lediglich nachweisen, dass anlässlich der Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Stellen eine widerrechtliche Datenverarbeitung vorgenommen wurde, durch die ihr ein Schaden entstanden ist. Es ist nicht erforderlich, dass sie darüber hinaus nachweist, welcher dieser Stellen die widerrechtliche Verarbeitung zuzurechnen ist.

Nach der Ermordung des slowakischen Journalisten Ján Kuciak und von dessen Verlobter Martina Kušnírová am 21. Februar 2018 in der Slowakei führten die slowakischen Behörden umfangreiche Ermittlungen durch. Auf Ersuchen dieser Behörden extrahierte die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) die Daten, die auf zwei mutmaßlich Herrn Marian K. gehörenden Mobiltelefonen gespeichert waren.

Europol übermittelte den genannten Behörden sodann ihre wissenschaftlichen Berichte und übergab eine Festplatte mit den extrahierten verschlüsselten Daten. Im Mai 2019 veröffentlichte die slowakische Presse Informationen betreffend Herrn K., die aus dessen Mobiltelefonen stammten, darunter Transkriptionen seiner intimen Kommunikation. Zudem wies Europol in einem ihrer Berichte darauf hin, dass Herr K. seit 2018 wegen des Verdachts einer Finanzstraftat in Haft sei und dass sein Name u. a. unmittelbar mit den sogenannten „Mafia-Listen“ und den „Panama Papers“ in Zusammenhang stehe.

Herr K. erhob beim Gericht der Europäischen Union gegen Europol Klage auf eine Entschädigung in Höhe von 100 000 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens, den er seiner Ansicht nach aufgrund der rechtswidrigen Verarbeitung seiner Daten erlitten hat. Mit Urteil vom 29. September 20211 wies das Gericht die Klage ab.

Es kam zu dem Ergebnis, dass Herr K. zum einen keinen Beweis für einen Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Schaden und dem Verhalten von Europol erbracht habe und zum anderen nicht nachgewiesen habe, dass die sogenannten „Mafia-Listen“ von Europol erstellt und geführt worden seien. Herr K. hat daraufhin beim Gerichtshof ein Rechtsmittel eingelegt.

Der Gerichtshof stellt in seinem Urteil fest, dass das Unionsrecht eine Regelung der gesamtschuldnerischen Haftung Europols und des Mitgliedstaats, in dem der Schaden infolge einer widerrechtlichen Datenverarbeitung im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Europol und diesem Mitgliedstaat eingetreten ist, einführt. In einer ersten Stufe kann die gesamtschuldnerische Haftung Europols bzw. des betreffenden Mitgliedstaats vor dem Gerichtshof der Europäischen Union bzw. vor dem zuständigen nationalen Gericht geltend gemacht werden. Gegebenenfalls kann eine zweite Stufe vor dem Verwaltungsrat von Europol zur Klärung der Frage folgen, ob „letztlich“ Europol und/oder der betreffende Mitgliedstaat für den einer natürlichen Person gewährten Schadensersatz „zuständig“ sind bzw. ist.

Zur Geltendmachung dieser gesamtschuldnerischen Haftung muss die betroffene natürliche Person lediglich im Rahmen der ersten Stufe nachweisen, dass anlässlich der Zusammenarbeit zwischen Europol und dem betreffenden Mitgliedstaat eine widerrechtliche Datenverarbeitung vorgenommen wurde, durch die ihr ein Schaden entstanden ist. Anders als das Gericht entschieden hat, ist es nicht erforderlich, dass diese Person darüber hinaus nachweist, welcher dieser beiden Stellen die widerrechtliche Verarbeitung zuzurechnen ist. Folglich hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts in diesem Punkt auf.

Der Gerichtshof entscheidet den Rechtsstreit selbst und urteilt, dass die widerrechtliche Datenverarbeitung, die in der Weitergabe von Daten betreffend intime Gespräche zwischen Herrn K. und seiner Freundin an Unbefugte zum Ausdruck kam, dazu führte, dass diese Daten durch die slowakische Presse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Er stellt fest, dass diese widerrechtliche Verarbeitung das Recht von Herrn K. auf Achtung seines Privat- und Familienlebens sowie seiner Kommunikation verletzt hat und seine Ehre und sein Ansehen beeinträchtigt hat, wodurch ihm ein immaterieller Schaden entstanden ist. Der Gerichtshof spricht Herrn K. eine Entschädigung in Höhe von 2 000 Euro als Ersatz dieses Schadens zu.

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-755/21 P - K. / Europol

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 05.03.2024

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