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Kategorie: Datenschutzrecht

OLG Dresden: Unternehmen haftet bei fehlender DSGVO-Überprüfung seiner Auftragsverarbeiter

Unternehmen haften für DSGVO-Verstöße ihrer Auftragsverarbeiter, wenn sie deren Datenschutzmaßnahmen nicht ausreichend prüfen.

Prüft ein Unternehmen die von ihm eingesetzten Auftragsverarbeiter nur in unzureichender Weise, ist er für die eintretenden DSGVO-Verstöße verantwortlich (OLG Dresden, Urt. v. 15.10.2024 - Az.: 4 U 940/24).

Das verklagte Unternehmen sah sich einem Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO ausgesetzt. Es hatte nur unzureichend kontrolliert, dass ein Sub-Unternehmen, das es als Auftragsdatenverarbeiter eingesetzt hatte, nach Beendigung der Geschäftsbeziehung die gespeicherten Daten nicht gelöscht hatte, sodass dieser Opfer eines Hackerangriffs wurde.

Im Ergebnis bejahte das OLG Dresden eine Datenschutzverletzung, wies aber das Schadensersatzbegehren zurück, da es an einem konkreten Schaden fehlte.

1. Reichweite der Überprüfungspflichten:

Zunächst beschäftigen sich die Richter, in welchem Umfang ein Unternehmer seinen Subunternehmer, der für ihn als Auftraggeber tätig wird, kontrollieren und überwachen muss:

"Dies führt aber nicht nur zu einer Pflicht zur sorgfältigen Auswahl, sondern auch zu einer   Pflicht   zur   sorgfältigen   Überwachung   des   Auftragsverarbeiters   durch   den Verantwortlichen. Diese Pflicht zur Überwachung des Auftragsverarbeiters - im Anschluss an dessen Auswahl - ist in Art. 28 Abs. 1 DSGVO zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich jedoch aus der Formulierung der Norm („arbeitet [...] nur mit“). Absatz 3 lit h) setzt eine solche  Kontrollpflicht  voraus. (…)

De facto ist die Pflicht zur Überwachung daher auch ohne konkrete zeitliche Vorgaben als Dauerpflicht zu verstehen (…)."

Und weiter:

"Die Anforderungen an Auswahl und Überwachung dürfen dabei in der Praxis zwar nicht überspannt  werden.  Wählt  ein  Unternehmen  z.B.  einen  führenden  und  am  Markt  als zuverlässig bekannten IT-Dienstleister aus, so darf es grundsätzlich auf dessen Fachwissen und Zuverlässigkeit vertrauen, ohne dass etwa eine - vollkommen praxisfremde - Vor-Ort- Kontrolle erforderlich wäre (….). 

Gesteigerte Anforderungen ergeben sich indes, soweit z.B. große Datenmengen oder besonders sensible Daten gehostet werden sollen (…). Diese gesteigerten Kontrollpflichten gelten auch außerhalb der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 9, 10 DSGVO."

Für den vorliegenden Fall nimmt das OLG Dresden eine gesteigerte Sorgfaltspficht bereits aufgrund der Quantität der Daten an:

"Ungeachtet der Frage, ob die  von  dem  zwischen  der  Beklagten  und  dem  Autragsdatenverarbeiter  geschlossenen Vertrag erfassten Daten auch Daten über das Nutzerverhalten und hieraus zu erstellende Profile  beinhalteten,  betraf  die  Verarbeitung  vorliegend  jedenfalls  nicht  unbedeutende Datenmengen, deren Verlust potentiell vielen Millionen Nutzern Schaden zufügen konnte. 

Infolgedessen war die Beklagte auch nach Vertragsbeendigung zu einer Überwachung ihres Auftragsdatenverarbeiters  dahingehend  angehalten,  dass  dieser  die  ihm  zur  Verfügung gestellten  Daten  tatsächlich  löscht  und  hierüber  eine  aussagekräftige  Bescheinigung ausstellt."

2. Sorgfaltsverstoß, weil keine ordnungsgemäße Überprüfung, ob Auftragnehmer tatsächlich Daten gelöscht:

Den Grund für einen Sorgfaltsverstoß sehen die Richter in dem Umstand, dass die Beklagte nach Beendigung der Vertragsbeziehung bei ihrem Subunternehmer auch tatsächlich dezidiert kontrolliert hat, dass die Daten auch tatsächlich gelöscht wurden:

"Insbesondere  hat  sie  aber  dadurch  gegen  ihre  Kontrollpflichten  aus  Art.  28  DSGVO verstoßen, dass sie nicht nach Ablauf der vertraglich geregelten 21-tägigen Frist von ihrer Auftragsverarbeiterin  die ausdrückliche  schriftliche     Bestätigung  einer tatsächlich durchgeführten Löschung aller bei dieser vorhandenen Datensätze angefordert hat, die eine detaillierte Auflistung der gelöschten Daten enthielt.

Die von dem Auftragsdatenverarbeiter unter dem Datum 9.12.2020 versandte Mail genügte dessen vertraglichen Verpflichtungen nicht, schon weil sie nicht dem Schriftformerfordernis in Ziff. 9.3. (“written certification“ in der englischen Originalfassung Anlage B 2b) entsprach (…). 

Auch wenn, wozu die Parteien nichts vorgetragen haben, der Nachtrag dem französischen Zivilrecht unterfallen sollte, wäre die elektronische Form der Schriftform nur gleichgestellt, wenn die Identität der Person, die es erstellt hat, eindeutig nachgewiesen und die Integrität der E-Mail gewährleistet wäre (…). 

Schwerer  wiegt  indes,  dass  die  E-Mail  des  Auftragsdatenverarbeiters  vom 9.12.2020 lediglich die Ankündigung einer bevorstehenden, nicht aber die Bestätigung einer erfolgten  Löschung  enthielt.  

Die  bloße  Ankündigung  einer  Maßnahme  ist  jedoch  nicht gleichwertig zu einer Bestätigung über deren Ausführung. Es ist allgemein bekannt, dass gleich ob in kleinen oder großen Unternehmen anstehende Vorgänge aufgeschoben und in der  Folge  auch  vergessen  werden  können.  Indem  die  Bestätigung  der  tatsächlichen Durchführung  einer  vertraglich  festgelegten  Aufgabe  eingefordert  wird,  minimiert  der Verantwortliche das Risiko, dass es beim Auftragsverarbeiter bei der bloßen Ankündigung eines Tätigwerdens bleibt und sorgt zugleich dafür, dass der Auftragsverarbeiter in seiner eigenen  Sphäre  überprüft,  ob  die  vertraglich  übernommene  Verpflichtung  tatsächlich gewissenhaft erfüllt wurde - auch um das eigene Haftungsrisiko zu minimieren."  

3. Fehlverhalten des Auftragnehmers:

Der Subunternehmer habe ebenfalls fehlerhaft gehandelt:

"Vorliegend  hat  der  Auftragsdatenverarbeiter  zwar  sowohl  gegen  allgemeine  Regeln  der DSGVO als auch gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen.

 Ungeachtet vertraglicher Verpflichtungen  ist  der  Auftragsverarbeiter  bereits  nach  der  DSGVO  im  Rahmen  der Auftragsverarbeitung grundsätzlich nicht berechtigt, die im Auftrag verarbeiteten Daten für eigene  Zwecke  bzw.  für  die  Zwecke  Dritter  zu  verarbeiten.  Darüber  hinaus  hat  der Auftragsverarbeiter die Rückgabe- und Löschpflichten nach Beendigung des Auftrags zu beachten  (…). 

Vorliegend ist unstreitig, dass Datensätze der Beklagten bei der Firma O...... zum einen unzulässigerweise von der Produktiv- in eine Testumgebung überführt wurden, deren Sphäre verlassen haben und anschließend im Darknet zum Verkauf angeboten wurden, nachdem Mitarbeiter  dieser  Firma  entgegen  ihrer  Zusicherung  aus  dem  Jahre  2023  nicht  alle Datensätze  der  Beklagten  wie  vertraglich  vereinbart  unverzüglich  nach  Vertragsende gelöscht hatten, sondern zumindest einer der Datensätze schließlich entweder von Hackern erbeutet, oder von Mitarbeitern unbefugt weitergegeben wurden."

4. Jedoch kein Schaden:

Trotz der zuvor festgestellten Datenschutzverletzung lehnten die Richter das Schadensersatzbegehren ab, da es an einem Schaden fehle:

"Unter Berücksichtigung der Umstände kann hier die Befürchtung der Klagepartei, dass die Daten missbräuchlich verwendet werden, nicht als begründet angesehen werden. Zu den besonderen Umständen gehört die Art des Datums. Wird die Kontrolle über sensible Daten, wie z.B. Gesundheitsdaten, Daten über die sexuelle Orientierung, Daten über rassische oder ethnische   Herkunft,   religiöse   oder   weltanschauliche   Überzeugungen,   Daten   über Bankverbindungen, Vermögenswerte, Einkommen, Beruf oder Berufsgeheimnisse verloren, liegt eine missbräuchliche Verwendung nicht fern (vgl. Art. 9 Abs. 1 DSGVO). Insbesondere bei  Daten,  die  den  persönlichen  Lebensbereich  betreffen,  besteht  die  Gefahr  einer Rufschädigung oder Diskriminierung. Ebenso geht der Verlust der Kontrolle von Daten über Vermögenswerte,   Bankverbindungen   und   Berufsgeheimnisse   mit   dem   Risiko   eines materiellen Schadens einher.  

Bei der hier gehackten E-Mail-Adresse handelt es sich um ein solches Datum, das - seiner Funktion  entsprechend  –  der  Kontaktaufnahme  dient  und  durch  andere  identifizierbare Personen im alltäglichen und geschäftlichen Leben regelmäßig anderen Personen in großem Umfang zugänglich gemacht wird (…). 

Sie stellt gerade kein besonders sensibles Datum dar, sondern eines aus der Sozialsphäre des Klägers. Mit der daneben erbeuteten IP-Adresse kann im Regelfall ein Hacker nichts anfangen, die User- ID könnte in der Verknüpfung mit dem Namen allenfalls einen Rückschluss darauf zulassen, dass   die   Klagepartei   Nutzer   eines   Musik-Streaming-Dienstes   ist.   Welche   konkrete Befürchtung  die  Klagepartei  hieran  anschließt,  hat  sie  ebensowenig  dargelegt  wie  die negativen Folgen des Bekanntwerdens des Alters oder Geschlechts."

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