Die Polizei darf mittels Zwang die Finger eines Beschuldigten auf sein Handy legen, um es so zu entsperren (BGH, Beschl. v. 13.03.2025 - Az.: 2 StR 232/24).
Ein Mann, der 2019 wegen Herstellung und Besitzes kinderpornografischer Inhalte verurteilt wurde, verstieß später gegen ein Berufsverbot, indem er erneut als Kinderbetreuer arbeitete. Dabei fertigte er kinderpornografische Bilder von betreuten Kindern an und speicherte diese auf seinen Smartphones. Bei einer Durchsuchung wurde sein Finger zwangsweise auf den Fingerabdrucksensor gelegt, um Zugriff auf die Handys zu erhalten.
Nun stellte sich die Frage, ob diese zwangsweise Entsperrung rechtmäßig war.
Der BGH entschied, dass das zwangsweise Entsperren eines Smartphones mit dem Finger des Beschuldigten rechtlich zulässig ist.
Dies sei durch § 81b StPO gedeckt, wenn es um die Strafverfolgung gehe und eine richterlich angeordnete Durchsuchung vorliege. Die Maßnahme sei verhältnismäßig, da sie wichtige Beweise liefern könne und nicht übermäßig belastend sei.
“Der Versuch der Ermittlungsbehörden, auf diese Weise Zugang zu den auf einem Mobiltelefon eines Beschuldigten gespeicherten Daten zu erlangen, findet in § 81b Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 94 ff. StPO die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (…) und ist hiervon jedenfalls dann gedeckt, wenn – wie hier – eine zuvor nach §§ 102, 105 Abs. 1 StPO richterlich angeordnete Durchsuchung gerade auch dem Auffinden von Mobiltelefonen dient (…) und der beabsichtigte Datenzugriff trotz seiner Eingriffsintensität verhältnismäßig ist (…).”
Und speziell zur Verhältnismäßigkeit führt der BGH aus:
"ee) Die Maßnahme war hier auch verhältnismäßig.
Gegen den Angeklagten bestand der begründete Verdacht des Verstoßes gegen ein hier der Abwehr von Gefahren für Kinder und damit besonders schutzbedürftigen Personen dienendes Berufsverbot nach § 145c StGB. Dieses war ihm im Rahmen seiner Verurteilung wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und Besitzes kinderpornographischer Schriften auferlegt worden.
Es bestanden zureichende konkrete Anhaltspunkte, dass es zu mehreren verbotswidrigen Kontaktaufnahmen durch den Angeklagten gekommen war und diese – wie im Durchsuchungsbeschluss ausgeführt – mittels elektronischer Medien begangen worden waren. Bei dieser Verdachtslage war das zwangsweise Entsperren der Mobiltelefone des Angeklagten – auch eingedenk der damit verbundenen Eingriffsintensität – gerechtfertigt.
b) Ohnehin ergäbe sich aus der zwangsweisen Entsperrung kein Beweisverwertungsverbot.
aa) Dem Strafverfahrensrecht ist ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich ziehe, fremd. Vielmehr ist die Frage nach gefestigter Rechtsprechung jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und des Gewichts des Verstoßes, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (…)
bb) Hiervon ausgehend wären die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Lichtbilder auch dann verwertbar, wenn § 81b Abs. 1, §§ 94 ff. StPO zu Maßnahmen wie der hier in Rede stehenden nicht ermächtigen würde.
Für die Durchsicht des Mobiltelefons und die spätere Beschlagnahme der Dateien war mit § 110 Abs. 1 und 3, § 94 StPO eine gesetzliche Grundlage vorhanden. Der Ermittlungsrichter hatte die Durchsuchung gerade zum Zwecke des Auffindens mobiler Datenträger angeordnet.
Der Entsperrvorgang wahrte (…) ungeachtet seiner Eingriffsintensität die Verhältnismäßigkeit. Ein schwerwiegender, bewusster oder objektiv willkürlicher Rechtsverstoß ist nicht zu besorgen (…), zumal Instanzrechtsprechung und Literatur die vorgenommene Maßnahme als ohne Weiteres von § 81b Abs. 1 StPO gedeckt angesehen hatten (….)."