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Kategorie: Wettbewerbsrecht

BGH: Kein jederzeitiges Kündigungsrecht bei Online-Partnervermittlungsportalen

Kunden können Verträge mit Online-Partnervermittlungsportalen nicht jederzeit kündigen, da es sich um keinen Vertrag mit besonderem persönlichen Vertrauensverhältnis handelt.

Kein jederzeitiges Kündigungsrecht bei Online-Partnervermittlungsportalen / Frühere Vertragsverlängerungsklauseln eines solchen Portalbetreibers überwiegend wirksam

Der unter anderem für Dienstverhältnisse zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte in einem von einer Verbraucherschutzorganisation (Musterkläger) angestrengten Musterfeststellungsverfahren darüber zu entscheiden, ob Verträge zwischen der Betreiberin eines Online-Partnervermittlungsportals (Musterbeklagte) und ihren Kunden über eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft gemäß § 627 Abs. 1 BGB jederzeit gekündigt werden können sowie ob die bis zum 28. Februar 2022 von der Musterbeklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendeten Vertragsverlängerungsklauseln nach der maßgeblichen damaligen Rechtslage Verbraucher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligen und deswegen unwirksam sind.

Sachverhalt:

Die Musterbeklagte betreibt ein Online-Partnervermittlungsportal. Die Nutzer haben die Wahl zwischen einer kostenlosen Basis-Mitgliedschaft und einer kostenpflichtigen Premium-Mitgliedschaft. Im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft bot die Beklagte den Abschluss von Verträgen mit einer Erstlaufzeit von sechs, zwölf oder 24 Monaten zu folgenden Standardpreisen an:

- sechs Monate für 479,40 € (79,90 € monatlich),

- zwölf Monate für 790,80 € (65,90 € monatlich),

- 24 Monate für 1.101,60 € (45,90 € monatlich).

Die Verträge über die kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft enthielten Vertragsverlängerungsklauseln in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nach denen sich die Verträge automatisch um zwölf Monate verlängerten, wenn der Kunde nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwölf Wochen vor Ablauf der Erstlaufzeit ordentlich kündigte.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Verfahren war erstinstanzlich beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg anhängig gemacht worden. Das Oberlandesgericht hatte entschieden, dass die Verträge nicht jederzeit gemäß § 627 Abs. 1 BGB gekündigt werden könnten und die Vertragsverlängerungsklausel beim Vertragsmodell mit einer bei Vertragsschluss gewählten Erstlaufzeit von 24 Monaten nicht gegen das bis zum 28. Februar 2022 gültige Recht verstoße. Bei den Vertragsmodellen mit Erstlaufzeiten von sechs und von zwölf Monaten seien die Vertragsverlängerungsklauseln hingegen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts haben beide Parteien Revision eingelegt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Musterklägers insgesamt zurückgewiesen und die Revision der Musterbeklagten teilweise für begründet erachtet.

Der Senat hat entschieden, dass das Kündigungsrecht des § 627 Abs. 1 BGB, das eine besondere persönliche Beziehung voraussetzt, bei einem Vertrag über die Nutzung eines Online-Partnervermittlungsportals, bei dem die Leistung maßgeblich im Bereitstellen einer Online-Datenbank besteht und das die Partnersuche regelhaft ausschließlich durch vollständig automatisierte Vorgänge unterstützt, nicht besteht.

Der Senat hat des Weiteren festgestellt, dass bezogen auf die bis zum 28. Februar 2022 geltende Rechtslage die Vertragsverlängerungsklausel bei Verträgen mit einer bei Vertragsschluss gewählten Laufzeit von sechs Monaten die Kunden der Musterbeklagten nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist. 

Er hat das damit begründet, dass bei diesem Vertragsmodell die finanzielle Belastung für alle Kunden, die nicht (fristgerecht) kündigen, während der Vertragsverlängerung doppelt so hoch ist wie während der Erstlaufzeit des Vertrags und - ausschlaggebend - hinzu kommt, dass die Musterbeklagte von diesen Kunden, die ihr durch das Unterlassen einer Kündigung finanzielle Planungssicherheit verschaffen, insgesamt mehr verlangt als von denjenigen, die fristgerecht kündigen, sie damit zunächst in finanzieller Ungewissheit lassen und erst bei Ablauf der sechsmonatigen Erstlaufzeit mit ihr einen zweiten Vertrag mit einer (weiteren) Erstlaufzeit von zwölf Monaten schließen. Bei den Vertragsmodellen mit Erstlaufzeiten von zwölf und von 24 Monaten ist das anders, weswegen bei ihnen eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vorliegt.

Vorinstanz und Vorschriften:
Hanseatisches Oberlandesgericht - 3 MK 2/21 - Urteil vom 26. Oktober 2023

Urteil vom 17. Juli 2025 - III ZR 388/23

Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 18.07.2025

 

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