Der BGH hat eine weitere Grundlagen-Entscheidung zu Online-Coaching-Verträgen im B2B-Bereich und zur Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) getroffen (BGH, Urt. v. 02.10.2025 - Az.: III ZR 173/24).
Erst vor wenigen Monaten hatte der BGH sein erstes Grundlagen-Urteil zu diesem Themenkomplex gefällt und die Anwendung des FernUSG grundsätzlich bejaht, vgl. unsere Kanzlei-News v. 16.07.2025.
Nun hat der BGH in einer weiteren Entscheidung wichtige Ausführungen getroffen.
Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte schloss mit dem Kläger einen Vertrag über ein sogenanntes "E-Commerce Master Club“-Programm ab. Dafür sollte er über 7.000,- EUR zahlen . Im Rahmen des Programms wurden Lernvideos, Coaching-Gespräche und weitere Inhalte zur Unternehmensgründung im Onlinehandel angeboten. Der Anbieter verfügte jedoch über keine Zulassung nach dem FernUSG. Der Kunde hielt den Vertrag deshalb für nichtig. Der Anbieter klagte daraufhin auf Zahlung.
Die Robenträger wiesen die Zahlungsklage des Anbieters ab. Der Vertrag sei nichtig, weil es sich um nicht zugelassenen Fernunterricht handelt.
Der BGH stellte fest, dass das Programm typische Merkmale von Fernunterricht aufweise. Es diene der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, finde überwiegend räumlich getrennt statt und enthalte Elemente zur Kontrolle des Lernerfolgs. Dabei sei es unerheblich, ob der Kunde als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt habe. Das FernUSG gelte für beide Gruppen.
Die Inhalte wie Videokurse und wöchentliche Online-Coachings zielten eindeutig darauf ab, Wissen zu vermitteln. Auch wenn das Coaching deutlich mehr Zeit beanspruche als die Videolektionen, bleibe der Vermittlungszweck im Mittelpunkt. Zudem bot der Anbieter Unterstützung per E-Mail und über eine Facebook-Gruppe an, was ebenfalls der Lernkontrolle diene.
Da der Anbieter für dieses Lernangebot keine staatliche Zulassung hatte, sei der Vertrag laut Gesetz ungültig. Auch ein möglicher wirtschaftlicher Erfolg des Kunden mit dem Coaching spiele für die rechtliche Bewertung keine Rolle. Der Anbieter könne daher keine Zahlung verlangen.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Mit seiner aktuellen Entscheidung klärt der BGH weitere wichtige Fragen in diesem Themenbereich. Die wichtigsten Punkte der Entscheidung sind:
1. Die Begriffe "Kenntnisse" und "Fähigkeiten" im FernUSG sind weit auszulegen:
Aus dem Urteil:
"Die Begriffe "Kenntnisse" und "Fähigkeiten" sind unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm und der Intention des Gesetzes weit auszulegen. Im Gesetzgebungsverfahren bestand Einvernehmen darüber, dass in § 1 Abs. 1 FernUSG die Vermittlung "jeglicher" Kenntnisse und Fähigkeiten - "gleichgültig welchen Inhalts" - angesprochen ist (Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, BT-Drucks. 7/4965, S. 7; Senat, Urteil vom 12. Juni 2025 - III ZR 109/24, NJW 2025, 2613 Rn. 21).
Eine irgendwie geartete "Mindestqualität" der Kenntnisse oder Fähigkeiten ist nicht erforderlich. Anderenfalls würden gerade solche Fernunterrichtsverträge aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen, bei denen der vom Gesetz
beabsichtigte Schutz der Fernunterrichtsteilnehmer besonders notwendig ist (Senat aaO mwN)
2. Merkmal der überwiegenden räumlichen Trennung:
Aus dem Urteil:
"Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch das Tatbestandsmerkmal der zumindest überwiegenden räumlichen Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten bejaht. Ob dieses Tatbestandsmerkmal, wie das Berufungsgericht meint, bei Online-Schulungen in jedem Fall erfüllt ist, kann dahinstehen.
Denn der Schwerpunkt des Vertrags lag in dem lebenslangen Zugriff auf den aus sechs Modulen bestehenden Videokurs, auf den der Zugriff im "Mitgliederbereich" eingeräumt wird, sowie in den als Bonus angebotenen Videos "zu diversen wichtigen Themen". Diese sind als asynchron zu werten und erfüllen damit die Voraussetzungen einer "räumlichen Trennung" (vgl. Senat aaO Rn. 25 f), was auch die Revision nicht in Abrede stellt.".
3. Begriff des “Lernerfolgs” weit auszulegen:
Aus dem Urteil:
"Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Tatbestandsmerkmal der Überwachung des Lernerfolgs weit auszulegen und es ist ausreichend, wenn eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist, die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht (Senat aaO Rn. 28 und Urteil vom 15. Oktober 2009 - III ZR 310/08, NJW 2010, 608 Rn. 16, 18, 21).
Dazu genügt es, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff, eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten (Senat, Urteile vom 12. Juni 2025 aaO und 15. Oktober 2009 aaO Rn. 21).
Dabei ist es nicht erforderlich, dass vom Lehrenden (Kontroll-)Fragen gestellt werden, die vom Teilnehmer zu beantworten sind. Vielmehr genügt es, dass dem Teilnehmer ein auf das eigene Verständnis des erlernten Stoffs bezogenes Fragerecht vertraglich eingeräumt ist, wodurch der Teilnehmer eine persönliche Lernkontrolle herbeiführen und überprüfen kann, ob er die vermittelten Inhalte zutreffend erfasst hat und richtig anwenden kann (vgl. Senat aaO Rn. 28)."
4. Konsequenzen:
Das bedeutet im Klartext: Mit der vorliegenden Entscheidung zementiert der BGH seine bisherige Rechtsauffassung.
Online-Coaching-Anbieter müssen somit damit rechnen, dass sie zukünftig noch häufiger Rückforderungsansprüchen ihrer Kunden ausgesetzt sein werden.