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Kategorie: Wettbewerbsrecht

BGH: Werbung für Biozid-Produkte ("Sanft zur Haut" und "Hautfreundlich") unzulässig

Die Werbung für ein Biozid-Produkt (hier: Desinfektionsschaum) mit den Aussagen “Sanft zur Haut” und “hauftfreundlich” ist wettbewerbswidrig (BGH ,Urt. v. 23.01.2025 - Az.: I ZR 197/22).

Die Beklagte bewarb ihren Desinfektionsschaum mit den Aussagen 

“Sanft zur Haut“

und 

“Hautfreundliche Produktlösung als Schaum”

und 

“100 % Hautverträglichkeit”.

Der BGH stufte diese Form der Anpreisung als Wettbewerbsverletzung ein.

Das Gesetz schreibe ausdrücklich vor, dass Werbeaussagen verboten seien, die Biozidprodukte als besonders sicher oder harmlos darstellen, so die Richter. 

Dazu gehören Begriffe wie “ungiftig”, “unschädlich” oder “ähnliche Hinweise”. 

Hierunter fielen auch die vorliegende Reklame. Die Werbeaussagen suggerierten, dass das Produkt keinerlei Risiken für die Haut habe. Dies sei eine Verharmlosung der möglichen Risiken von Biozidprodukten.

"Nach diesen Maßstäben fallen die von der Klägerin beanstandeten Aussagen "Sanft zur Haut", "Hautfreundliche Produktlösung als Schaum" sowie die Angabe "Konsumenten sind überzeugt - 100 % bestätigen die Hautverträglichkeit" als "ähnliche Hinweise" unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO.

(1) Alle drei Angaben heben eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor, während sie keinerlei Risiken erwähnen. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung unerheblich, dass mit den Angaben konkret auf das Empfinden und die Reaktion der Haut abgestellt wird und keine generalisierenden Begriffe verwendet werden. Für die Feststellung, ob ein Hinweis, der sich auf ein Biozidprodukt bezieht, unter den Begriff "ähnliche Hinweise" im Sinn von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO fällt, ist ein möglicher allgemeiner (oder spezifischer) Charakter der Angabe nicht von Belang (…).

Die mit der Klage beanstandeten Angaben sind dadurch auch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts, insbesondere schädliche Nebenwirkungen des Produkts, zu verharmlosen. Anders als die Revisionserwiderung meint, gilt dies unabhängig davon, ob in der angegriffenen Werbung darüber hinaus gesagt oder suggeriert wird, das Produkt sei insgesamt und mit allen seinen Wirkungen unschädlich, natürlich, ungiftig oder ähnlich harmlos. 

Die Betonung positiver Eigenschaften kann zudem in Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren, zu einer übermäßigen Verwendung des Desinfektionsmittels führen (…). Da die in Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Biozid-VO genannten Angaben einschließlich der "ähnlichen Hinweise" eine abstrakte Irreführungsgefahr begründen, bedarf es keiner tatgerichtlichen Feststellungen zu einer konkreten Irreführung durch die streitgegenständlichen Angaben (…)."

Dies gelte auch dann, wenn lediglich eine sehr geringe konkrete Gefahr bestünde:

"Dem Verbot steht im Streitfall auch nicht ein möglicherweise geringes Gefährdungspotenzial des angegriffenen Biozidprodukts oder der Umstand entgegen, dass es im vereinfachten Verfahren zugelassen worden ist. Die Biozidverordnung differenziert zwar grundsätzlich nach dem Grad der Gefährlichkeit der Biozidprodukte (…). Schon das Berufungsgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kreis der Angaben, die als "ähnliche Hinweise" verboten sind, nicht von dem Gefährdungspotenzial des jeweils konkret betroffenen Biozidprodukts abhängt.

Das ergibt sich bereits daraus, dass nach dem klaren Wortlaut des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 Fall 1 Biozid-VO die Werbung für ein Biozidprodukt auf keinen Fall die Angabe "Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial" enthalten darf. 

Dieses absolute Verbot gilt unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um ein Biozidprodukt mit geringen Risiken für Mensch, Tier und Umwelt handelt sowie ungeachtet des Umstands, dass solche Produkte nach Erwägungsgrund 38 Satz 2 der Biozidverordnung bevorzugt, und Biozidprodukte, die Tiere, welche Schmerz und Leid empfinden können, verletzen, töten oder vernichten sollen, nur als letztes Mittel verwendet werden sollten. 

Das entspricht auch der Auslegung des Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO durch den Gerichtshof der Europäischen Union, der darin eine allgemeine Regelung für die Werbung für Biozidprodukte sieht, die sich auf die Reaktion der Verbraucher auf die Wahrnehmung der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt stützt und unabhängig von den tatsächlichen Risiken und Eigenschaften dieser Produkte gilt (…).

Darüber hinaus bestimmen nicht nur das Maß der Schädigungseignung des Biozidprodukts, sondern auch der Umgang mit diesem Produkt, ob das Ziel der Biozidverordnung, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten (…)."

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