Die Zeitung “The New York Times” steht kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch gegen einen deutschen Rätselmacher zu (LG Hamburg, Urt. v. 18.07.2024 - Az.: 327 O 195/23).
Erfunden wurde das Online-Rätselspiel “Wordle” im Jahr 2021 von dem Briten Josh Walsh, der das Game bei sich auf seiner privaten Homepage veröffentlichte. Bei diesem Spiel handelte es sich um ein ursprünglich browserbasiertes Rätsel, von dem täglich ein neues Lösungswort veröffentlicht wurde. Das Lösungswort bestand aus einer unterschiedlichen Anzahl von Buchstaben und musste von dem Spieler in möglichst wenigen Versuchen gefunden werden.
Innerhalb kürzester Zeit wurde das Spiel weltweit bekannt und populär. Anfang 2022 erwarb die Zeitung “The New York Times” die entsprechenden Nutzungsrechte, u.a. auch die Markenrechte an dem Wort “Wordle”.
Der Beklagte, ein Hamburger Rätselmacher, erfuhr bereits im Jahr 2021 von dem Spiel und meldete eine entsprechende nationale Marke auf den Begriff an.
Die US-Zeitung klagte nun u.a. auf Unterlassung vor dem LG Hamburg.
Und verlor.
Die Hamburger Richter wiesen die Klage ab.
1. Kein Markenrecht durch Josh Walsh, da nur private Verwendung:
Die Nutzung des Zeichens durch Josh Walsh fand nicht im geschäftlichen Verkehr statt, sondern auf einer privaten Website. Damit könne kein Werktitelrecht zugunsten der Klägerin in Deutschland entstehen.
"Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Nutzung des Werktitels (…) auf dessen privater Website nicht im geschäftlichen Verkehr erfolgt ist. Die Website wies unstreitig keinerlei kommerzielle Inhalte auf.
Weder fanden sich allgemeine werbliche Inhalte noch konnten irgendwelche Waren oder Dienstleistungen über diese Website bezogen werden.
Die gesamte Aufmachung der Website wies den gesamten Januar 2022 hindurch einen unzweifelhaften privaten Charakter auf, wie sich schon der Überschrift „Hi, I am J..“ entnehmen lässt.
Auch der verwendete Domainname (…) lässt keinen kommerziellen Inhalt erkennen. Schließlich wurde auch das streitgegenständliche Spiel „Wordle“ auf der Seite kostenfrei angeboten.
An diesen nach außen erkennbaren Umständen änderte sich bis zum Abschluss der Vereinbarung am 31. Januar 2022 und auch in den Tagen bis zum Umzug auf die Website der Klägerin nichts.
Auch die immer stärker steigende Nutzerzahl der Website sowie die Berichterstattung darüber führt nicht dazu, dass sich der Charakter der nach außen unverändert gebliebenen Website geändert hätte. Dass sich viele Menschen für den Inhalt einer Website oder hier für ein dort abrufbares kostenloses Spiel interessieren, führt nicht dazu, dass dessen Titel im geschäftlichen Verkehr genutzt wird, solange der erhöhte Traffic auf der Seite auch weiterhin nicht – etwa durch das Schalten von Werbung – kommerziell genutzt wird."
2. Keine bösgläubige Markenanmeldung durch Beklagten:
Die Anmeldung des Kennzeichens in Deutschland durch den Beklagten sei auch nicht bösgläubig erfolgt:
"Vorliegend kann nach Abwägung aller relevanten Umstände nicht festgestellt werden, dass der Beklagte die Anmeldung der deutschen Wortmarke „Wordle“ am 1. Februar 2022 in Behinderungsabsicht vorgenommen hat.
Es ist zwar davon auszugehen, dass er zu diesem Zeitpunkt sowohl davon wusste, dass J. W. den Titel „WORDLE“ bereits Ende 2021 für sein Rätselspiel genutzt hatte, als auch, dass die Klägerin am 31. Januar 2022 – also am Vortag der Markenanmeldung – die Rechte an diesem Spiel erworben hatte.
Dies reicht aber für sich genommen nicht aus, um von einer unlauteren Markenanmeldung auszugehen.
Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, dass die Klägerin am 1. Februar noch keinen schutzwürdigen Besitzstand im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland, erworben hatte. Da J. W. nicht im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat, ist ein Werktitelrecht zu diesem Zeitpunkt noch nicht begründet worden (s.o. I.1.a). Die Klägerin konnte deshalb am 31. Januar 2022 auch kein bereits entstandenes Werktitelrecht erwerben."
Und weiter:
"Aufgrund der rein privaten Nutzung ist auch nicht von einer überragenden Verkehrsgeltung des Titels im geschäftlichen Verkehr der USA auszugehen.
Auch für den Kläger war aufgrund der Webseitengestaltung von J. W. klar erkennbar, dass insoweit eine rein private Nutzung erfolgt ist, was gegen eine Markenanmeldung in Behinderungsabsicht spricht.
Hinzu kommt, dass der Beklagte die Absicht verfolgte, dass Zeichen „Wordle“ selbst für eine deutschsprachige Version des Rätselspiels zu nutzen und insoweit bereits im Dezember 2021 mit der Programmierung begann.
Vor diesem Hintergrund kommt auch dem Umstand, dass sich der Beklagte in gestalterischer Hinsicht für sein Spiel an dem englischsprachigen Vorbild orientierte, keine entscheidende Rolle zu.
Er führt insbesondere nicht dazu, dass anzunehmen wäre, dass die Sperrabsicht ein wesentliches Motiv bei der Markenanmeldung gewesen ist. Schließlich musste der Beklagte auch in Kenntnis des Rechteerwerbs durch die Klägerin nicht davon ausgehen, dass diese beabsichtigte, sich ihrerseits zeitnah Kennzeichenrechte in Europa und damit auch in Deutschland an dem Zeichen „WORDLE“ zu sichern. Entsprechende hinreichende Anhaltspunkte waren für den Beklagten nicht erkennbar.
Auch die Anmeldung der deutschen Marke durch den Beklagten erfolgte nicht in der Absicht, die Klägerin zu behindern. Der Beklagte hatte bereits vor der Markenanmeldung mit der Entwicklung einer deutschen Version des Spiels begonnen und verfolgte legitime geschäftliche Interessen. Schließlich konnte die Klägerin aus ihrer später angemeldeten Unionsmarke keine vorrangigen Rechte ableiten, da diese zeitgleich mit der Marke des Beklagten angemeldet wurde."
3. Kein älteres Markenrecht der Klägerin:
Die Klägerin verfüge auch über kein prioritätsälteres Markenrecht, da die eigentliche kommerzielle Nutzung erst nach der Markenanmeldung durch den Beklagten erfolgt sei, so die Richter:
"Der Klägerin steht kein deutsches Werktitelrecht zu, das vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der deutschen Wortmarke „Wordle“ durch den Beklagten am 1. Februar 2022 entstanden wäre.
Sie selbst hat das Zeichen „WORDLE“ erst im Laufe des Februars 2022 auf ihrer Webseite genutzt."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.