Das KG Berlin (Urt. v. 14.09.2004 - Az.: 9 U 84/04) hatte zu beurteilen, ob auch nach der "Caroline von Monaco"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) über bekannte Persönlichkeiten in der Presse berichtet werden darf.
Am 24. Juni 2004 hatte der EGMR eine wegweisende Entscheidung in Sachen Paparazzi-Fotos getroffen, vgl. die Kanzlei-Info v. 25.06.2004. Es ging um Fotos, auf denen die Prinzessin Caroline von Monaco abgebildet worden war. In einer bundesweiten Kampagne an die Bundesregierung hatte daraufhin der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VZD) appelliert, gegen die Entscheidung Rechtsmittel einzulegen, da andernfalls die Pressefreiheit in schwerwiegender Weise betroffen sei. Vgl. dazu die Kanzlei-Info v. 31.08.2004.
Die Bundesregierung lehnte jedoch ab, gegen die Entscheidung vorzugehen, so dass sie inzwischen rechtskräftig geworden ist. Sie stützte sich dabei u.a. auf die Stellungnahme des Präsidenten des BVerfG. Diese Entscheidung der Bundesregierung wurde vom VDZ harrsch kritisiert. Der Verband befürchtet, dass zukünftig "Hofberichterstattung" und "Kommuniqué-Journalismus" das Bild der Presse beherrsche.
Nun hatte das KG Berlin zum ersten Mal nach der EGMR-Entscheidung über die Berichterstattung einer prominenten Person in der Presse zu urteilen.
Die beklagte Zeitung hat in ihrer Ausgabe die Meldung verbreitet, dass der Kläger auf einer französischen Autobahn statt der dort erlaubten 130 km/h mit 211 km/h von der Polizei ermittelt und deshalb von einem französischen Gericht u.a. zu einem Monat Fahrverbot verurteilt worden ist. Der Bericht war mit einem Foto des Klägers bebildert.
Die Vorinstanz hat die Beklagte zur Unterlassung dieser Berichterstattung verurteilt. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein. Sie ist der Auffassung, der Kläger habe aufgrund seiner Angehörigkeit zum Welfengeschlecht und durch seine Heirat sowie seines mehrfachen indiskutablen früheren öffentlichen Verhaltens eine Position und Bedeutung erlangt, die ihn zur absolute Person der Zeitgeschichte mache.
Dieser Berufung hat das KG Berlin stattgegeben:
"Dem Kläger steht kein Anspruch auf Unterlassung der Wort- und Bildberichterstattung gegen die Beklagte zu. Durch die individualisierende Berichterstattung über die Verkehrsverfehlung wird zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigt (...).
Der Kläger hat diesen Eingriff aber hinzunehmen, da die Interessen der Presse die des Klägers überwiegen. (...)."
Dabei stützt sich das Gericht vor allem auf den Umstand, dass es sich hier um eine wahrheitsgemäße Berichterstattung handle:
"Es handelt sich bei der Berichterstattung über den Verkehrsverstoß des Klägers um eine der Wahrheit entsprechende Meldung. Wahre Äußerungen sind grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Meldung nicht die Intim-, Privat- oder Vertraulichkeitssphäre, sondern die Sozialsphäre betrifft (...).
Hier ist allein die Sozialsphäre berührt, da der Kläger am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen (...) hat. Die die Sozialsphäre betreffenden Äußerungen dürfen nur im Fall schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen untersagt (...), etwa bei Stigmatisierung oder sozialer Ausgrenzung sowie bei Eintreten einer Prangerwirkung (...).
Eine solche die Pressefreiheit einschränkende Sachlage ist hier nicht gegeben.
Es bestand ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung über die vom Kläger begangenen Tat, was sich schon daran zeigt, dass die Meldung von nahezu der gesamten deutschen, auch der sog. "seriösen" Presse verbreitet worden ist. Grundlage für das Informationsinteresse ist dabei zum einen die Abstammung des Klägers. Er gehört dem deutschen und britischen Hochadel an. (...)
Im Streitfall kommt entscheidend hinzu, dass der Kläger in der jüngeren Vergangenheit durch mehrere durch sein eigenes Verhalten veranlasste Verfehlungen, die zum Teil zur Strafverfolgung geführt haben, aufgefallen ist."