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KG Berlin: Auswirkungen der "Caroline"-Rspr des EGMR

Das Berliner Kammergericht (KG) hat sich in einer neuen Entscheidung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zur Zulässigkeit der Veröffentlichung von Fotos Prominenter in der Öffentlichkeit auseinandergesetzt.

Das KG befasste sich mit der Veröffentlichung von Fotos, die den deutschen Musiker Herbert Grönemeyer mit Lebensgefährtin durch Rom flanierend und in einem Straßencafé auf dem Boulevard sitzend zeigten. Das Gericht gewährte der Freundin des Musikers, die gegen die Veröffentlichung der Fotos eine einstweilige Verfügung beantragt hatte, auf deren sofortige Beschwerde den begehrten Unterlassungsanspruch, da sie durch die Veröffentlichung in ihrem Recht am eigenen Bild und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. (Beschluss vom 29. Oktober 2004, Az: 9 W 128/04):

"Zwar dürfen auch Bildnisse des vertrauten Begleiters einer so genannten "absoluten Person der Zeitgeschichte" verbreitet werden, wenn der Begleiter zusammen mit dem betreffenden Partner in der Öffentlichkeit auftritt.. Nach der Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte ist auch ein schützenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit daran anzuerkennen, wie sich eine "absolute Person der Zeitgeschichte" als einfacher Mensch, also auch außerhalb seiner öffentlichen Funktionen, in der Öffentlichkeit bewegt.

So ist Plätzen, an denen sich der Betroffene unter vielen Menschen befindet, ein Privatsphärenschutz abgesprochen worden."


Auch Grönemeyer und seine Freundin befanden sich, als sie in Rom flanierten bzw. vor einem Cafe auf der Straße saßen, nicht in einer "örtlichen Abgeschiedenheit".

Bei der Entscheidung müsse jedoch die Entscheidung des EGMR in der "Prinzessin Caroline von Monaco"-Sache berücksichtigt und in das deutsche Recht eingepasst werden.

Die Entscheidung des EGMR habe in der Veröffentlichung von Fotos von Prinzessin Caroline von Monaco eine Verletzung ihrer Privatsphäre gesehen, die auch nicht durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gerechtfertigt sei:

"Ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, wie sich die Beschwerdeführerin allgemein in ihrem Privatleben - sei es auch an nicht abgeschiedenen Orten - verhalte, fehle oder müsse jedenfalls ebenso wie ein kommerzielles Interesse der Zeitschriften an der Veröffentlichung von Fotos und Artikeln hinter dem Recht der Beschwerdeführerin auf wirksamen Schutz ihrer Privatsphäre zurücktreten."

Das Kammergericht hat die Veröffentlichung der Fotos von Grönemeyer und seiner Freundin hinsichtlich der Motive der Fotos als ganz ähnlich gelagert angesehen. Dass es sich bei Grönemeyer um einen Künstler von herausragender Bedeutung und Bekanntheit handele, rechtfertige keine abweichende Behandlung. Insbesondere sei auch unerheblich, dass sich das Urteil des EGMR nicht mit Begleitern von Prominenten befasst hatte. Denn:

"Fraglos ist das Recht des Begleiters am eigenen Bild nicht weniger geschützt als dasjenige des Prominenten selbst."

Der zwischen der Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte und der Rechtsprechung des EGMR bestehende Widerspruch müsse so gelöst werden, dass an den Grundsätzen der deutschen Rechtsprechung zur Einschränkung des Rechts am eigenen Bildes festgehalten werden könne, soweit diese nicht oder kaum im Urteil des EGMR Niederschlag gefunden hätten.

"Dazu zählt, dass sich auch die Unterhaltungspresse auf die Meinungsfreiheit berufen kann, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts eingeschränkt wird, wenn es vom Betroffenen selbst kommerzialisiert wird, und dass der Betroffene seine Privatsphäre nicht dadurch ausweiten kann, dass er in der Öffentlichkeit intime Verhaltensweisen an den Tag legt."

Anders sei dies jedoch, soweit der EGMR in bisher bestehenden Rechtsprechungsgrundsätze einen Verstoß gegen die Menschenrechte gesehen habe:

"Dagegen entspricht es durchaus dem Gewicht der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), dass der EGMR Prominente bei rein privaten Tätigkeiten im Alltagsleben vor einer Verfolgung durch Fotografen schützen will. Im Lichte der Erwägungen des EGMR zu diesem Punkt ist es daher mit der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG) vereinbar, das Recht Prominenter und ihrer vertrauten Begleiter auf Achtung ihres Privatlebens nach Abwägung im Einzelfall über Orte der Abgeschiedenheit hinaus zu erstrecken und ihrem Recht am eigenen Bild Vorrang einzuräumen.

Die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. 12. 1999 ist insoweit im Hinblick auf die Völkerrechtsfreundlichkeit der Verfassung gelockert.""


Daher müsste bei einer Abwägung der Belange der Freundin von Grönemeyer am Schutz ihrer Privatsphäre und des öffentlichen Informationsinteresses das Interesse von Grönemeyer und seiner Freundin, von der Medienöffentlichkeit unbeobachtet in Rom Urlaub verbringen zu können, überwiegen:

"Von einem Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse kann hier keine Rede sein, auch wenn man die Bedeutung eines prominenten Künstlers als Identifikationsfigur berücksichtigt. Die Antragstellerin (Anmerkung: die Freundin von Grönemeyer) muss es in ihrem privaten Alltagsleben nicht hinnehmen fortlaufend von der Unterhaltungspresse in das Licht der Öffentlichkeit gezerrt zu werden.

Das KG hat mit dieser Entscheidung eindeutig die bisherige Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte zur Einschränkbarkeit des Rechts am eigenen Bild als durch die Rechtsprechung des EGMR als auflösbar beurteilt. Insoweit steht nunmehr der Veröffentlichung von Bildern Prominenter, die diese bei rein privaten Tätigkeiten zeigen - und erst recht von weniger oder nicht Prominenten - eine weitere Hürde entgegen.

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