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BVerfG: Zulässige Bildberichterstattung über eine Privatperson

Anfang des Jahres 2002 hatte sich zwischen der Beschwerdeführerin, die bis dahin in keiner Weise in das Blickfeld der Medienöffentlichkeit getreten war, und dem Ehemann einer prominenten Schauspielerin eine Liebesbeziehung entwickelt. Im Februar 2002 veröffentlichte die Presse Lichtbilder, die das Paar gemeinsam zeigten. In der Folgezeit zerbrach die Ehe des Partners der Beschwerdeführerin. Dies wurde Gegenstand einer umfangreichen Presseberichterstattung, die auch die Rolle der Beschwerdeführerin einschloss. Die insbesondere gegen eine Bildberichterstattung gerichteten Unterlassungsklagen der Beschwerdeführerin hatten erstinstanzlich in vollem Umfang Erfolg.

Noch während der gegen diese Entscheidungen anhängigen Rechtsmittelverfahren suchte die Beschwerdeführerin im Januar 2003 zusammen mit ihrem Partner eine Veranstaltung zur Verleihung eines Film- und Videopreises auf, die regelmäßig ein erhebliches Medieninteresse auf sich zieht. Bei dieser Gelegenheit wurde die Beschwerdeführerin von ihrem Partner in einer kurzen Stellungnahme einem Mitarbeiter einer auf dem Gebiet der Unterhaltungspresse führenden Tageszeitung als seine neue Lebensgefährtin vorgestellt. Die Beschwerdeführerin nahm diese Stellungnahme ihres Partners hin und duldete ferner die Anfertigung von Lichtbildern, welche sie zusammen mit ihrem Partner zeigen.

Im Hinblick auf diesen Auftritt der Beschwerdeführerin wiesen das berlandesgericht und der Bundesgerichtshof die Unterlassungsklagen der Beschwerdeführerin zum überwiegenden Teil ab. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Erwägungen, mit denen die Gerichte den Medienberichterstattern den Schutz des Grundrechts der Pressefreiheit zugebilligt und den von ihnen verfolgten Informationsinteressen bei der Abwägung Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeitsschutzes eingeräumt haben, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere haben die Gerichte die Belange des Schutzes des Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin mit dem vollen ihm zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt.

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte den Auftritt der Beschwerdeführerin im Januar 2003 als freiwillige Mitveranlassung einer auf ihre Privatsphäre bezogenen Medienberichterstattung eingestuft haben, die hinreichend schwer wiege, ein Zurücktreten des Schutzanspruchs des Persönlichkeitsrechts auch hinter ein allein unterhaltend ausgerichtetes Informationsinteresse zu rechtfertigen.

Eine solche nachträgliche Selbstöffnung der Privatsphäre durften die Fachgerichte einfachrechtlich als Umstand heran ziehen, der zum Wegfall des zukunftsgerichteten Unterlassungsanspruchs führen kann. In welchem Umfang der Einzelne berechtigterweise davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein und in seinem Verhalten nicht Gegenstand einer Medienberichterstattung zu werden, lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und damit unter Einbezug des eigenen Verhaltens des Betroffenen beurteilen.

Es widerspricht nicht den im Grundgesetz verbürgten Anforderungen des Persönlichkeitsschutzes, wenn die Fachgerichte in Übereinstimmung mit von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Grundsätzen auch den Umstand berücksichtigt haben, dass eine künftige Veröffentlichung der beanstandeten Lichtbilder nur in anderer Form erneut in die Öffentlichkeit tragen würde, was der Unterhaltungspresse bereits aus Anlass des Auftritts der Beschwerdeführerin vom Januar 2003 und mit ihrem Einvernehmen zur Kenntnis gebracht worden war.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 85/2006 des BVerfG vom 28.09.2006

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