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Kategorie: Onlinerecht

VG Frankfurt a.M.: Unzulässige Äußerungen einer Handwerkskammer

Mit dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2020 verkündeten Urteil hat die für das Recht der Handwerkskammern zuständige 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main auf die Klage eines Mitglieds der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main erstmals Grundsätze zu den Äußerungsbefugnissen von Handwerkskammern aufgestellt.

Die Klägerin betreibt eine Motoradwerkstatt und ist Mitglied der beklagten Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Sie wendet sich gegen Äußerungen der Beklagten und deren Präsidenten, die im Zeitraum vom Februar bis September 2018 im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Dieselfahrverboten und den Themen der Luftreinhaltung öffentlich gemacht wurden.

Dabei handelt es sich unter anderem um folgende Formulierungen:

Pressemitteilung vom 24.8.2018:
„Es kann nicht sein, dass wir an allen Ecken und Enden der Stadt Verkehrsversuche starten, sperren und verlangsamen, wenn das auf Kosten der Bevölkerung (...) geht.“

Pressemitteilung vom 28.8.2018:
„Fahrverbote schaden der Region, der Bevölkerung (...)“

Pressemitteilung vom 5.9.2018:
„Die Situation ist für die Mitarbeiter unserer Unternehmen und die Unternehmen selbst eine Katastrophe.“

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte überschreite mit diesen Äußerungen ihren gesetzlichen Aufgabenbereich und bediene sich polemischer Überspritzungen. Zudem sei ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht gegeben, weil die Beklagte die Pressemeldung vom 24.4.2018 gemeinsam mit der CDU-Fraktion Frankfurt am Main herausgegeben habe.

Das Gericht hat die Rechtswidrigkeit der Pressemitteilung vom 24.4.2018 („an allen Ecken und Enden der Stadt“) festgestellt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Gericht wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass bei entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Industrie- und Handelskammern auch die Handwerkskammern die Gesamtinteressen der Mitglieder ihres Bezirks wahrzunehmen haben und sich nur mit der notwendigen Zurückhaltung und Objektivität äußern können.

Auch sei es Aufgabe der Handwerkskammern in ständigem kommunikativen Austausch mit Behörden und politischen Akteuren zustehen.

Als wesentlicher Gesichtspunkt wurde in der mündlichen Verhandlung sodann erörtert, dass die streitgegenständliche Formulierung „an allen Ecken und Enden der Stadt“ polemisch überspitzt sei. Hingegen sei der Begriff der „Katastrophe“ zwar ein starker Ausdruck, gehöre aber zum allgemeinen Sprachgebrauch. Weiterhin wurde thematisiert, dass das isolierte Herausgreifen der Formulierung „Fahrverbote schaden der Region“ den Kontext außer Acht lässt.

Die aktuellen und kontrovers diskutierten Themen wie Dieselfahrverbote und Luftreinhaltung sowie verkehrspolitische Fragestellungen dürften nicht nur konkret für den Kammerbezirk, sondern auch über dessen Grenzen hinaus relevant sein.

Bei der Abfassung der Pressemitteilung lag eine schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vor.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hat die Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel zugelassen.

Aktenzeichen 12 K 1039/19.F

Quelle: Pressemitteilung des VG Frankfurt a.M. v. 28.02.2020

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