Kanzlei Dr. Bahr
Navigation
Kategorie: Onlinerecht

LG Lüneburg: 500,- EUR DSGVO-Schadensersatz für zahlreiche Werbe-Mails trotz Abmeldung vom Newsletter

Trotz Newsletter-Abmeldung weiter unerwünschte Werbe-E-Mails = DSGVO-Schadensersatz iHv. 500,- EUR.

Erhält ein User trotz Abmeldung vom Newsletter in der Folgezeit unerlaubt noch zahlreiche weitere Werbe-Mails, liegt hierin eine Datenschutzverletzung, die einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 500,- EUR rechtfertigt (LG Lüneburg, Urt. v. 07.12.2023 - Az.: 5 O 6/23).

Der Kläger hatte bei dem Beklagten, einem Unternehmen, einen Newsletter abonniert. Nach einiger Zeit meldete sich der Kläger aus dem Verteiler ab. Trotzdem erhielt er danach noch mehrfach weitere Werbe-Mails.

Daraufhin meldete er sich erneut an. Diese Abmeldung wurde ihm auch per E-Mail bestätigt. Gleichwohl erhielt der Kläger auch Wochen und Monate spätere weitere elektronische Nachrichten.

Daraufhin zog der Kläger vor Gericht und verlangte neben Unterlassung auch einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 800,- EUR.

Das LG Lüneburg sprach dem Betroffenen den Anspruch zu.

1. DSGVO-Verletzung:

Da die Beklagte trotz Abmeldung weiterhin Werbenachrichten übermittelt habe, liege ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht vor:

“Die Beklagte hat gegen Bestimmungen der DS-GVO verstoßen, indem sie dem Kläger Werbeemails zugeschickt hat, ohne dass dies nach Art. 6 Abs.1 DS-GVO gerechtfertigt war. Der Kläger hatte seine zunächst erteilte Einwilligung zu dem Erhalt von Werbeemails zuvor unbestritten widerrufen. Die Beklagte konnte folglich keinen rechtfertigenden Tatbestand gem. Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO mehr für den Versand der streitgegenständlichen Werbeemails darlegen.”

2. Schadensersatz iHv. 500,- EUR:

Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Zahlung von 500,- EUR:

"Als immaterieller Schaden kommen Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen in Betracht (…).

Hier hat der Kläger unbestritten viermal gegenüber der Beklagten erklärt, dass er keine weiteren Werbeemails wünscht. Zweimal ließ der Kläger dies sogar von seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt erklären. 

Dennoch hat die Beklagte dem Kläger weiterhin Werbeemails geschickt. Der bei dem Kläger dadurch verursache Ärger, Zeitverlust und Eindruck des Kontrollverlusts stellt einen Schaden im Sinne der Norm dar. Die negativen Auswirkungen des Verstoßes gegen die DS-GVO liegen darin, dass sich der Kläger mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung auseinandersetzen musste. 

Dies sogar mehrfach, da die Beklagte seinen Widerruf der Einwilligung mehrfach missachtete. Der Umstand, dass sogar der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zweimal erfolglos zum Unterlassen aufforderte, ist geeignet bei dem Kläger den belastenden Eindruck der Hilflosigkeit und des Kontrollverlustes in Bezug auf seine Datenverarbeitung zu führen."

Und weiter:

"5. Bei der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes, die der Kläger in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, sind gem. § 287 Abs.1 S. 1 ZPO alle Umstände des Einzelfalls würdigen, insbesondere Art, Intensität und Dauer der erlittenen Rechtsverletzung. Auch bei der Höhe des Schadens ist der Effektivitätsgrundsatz zu berücksichtigen.

Das Amtsgericht Pfaffenhofen (AG Pfaffenhofen, Endurteil v. 09.09.2021 - 2 C 133/21) entschied in einem ähnlichen Fall:
„Die Höhe des Anspruchs ist dabei nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage der inhaltlichen Schwere und Dauer der Rechtsverletzung zu beurteilen, unter Berücksichtigung des Kontexts, der Umstände eines Verstoßes. Genugtuungs- und Vorbeugungsfunktion können bei der Bezifferung eine Rolle spielen. Einerseits darf die Höhe des Schadensersatzes keine Strafwirkung entfalten. Andererseits reicht ein künstlich niedrig bezifferter Betrag mit symbolischer Wirkung nicht aus, um die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen (vgl. Paal/Pauly/Frenzel, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 12a).“

Dabei sprach das AG Pfaffenhofen dem Kläger 300,00 Euro für eine unerwünscht erhaltene Werbeemail zu, wobei in dem dortigen Fall die Beklagte die Emailadresse des Klägers gänzlich ohne dessen Einwilligung erhalten hatte.

Das AG Diez (Urteil vom 17.04.2018 - 7 O 6829/17) erachtete in dem Fall eines Versandes einer Werbeemail, mit welcher die Beklagte am 25.5.2018, als die DS-GVO Gültigkeit erlangte, eben aus diesem Grund und unter Bezugnahme hierauf nach einer Einwilligung zum Newsletter-Bezug anfragte, einen Schadensersatzanspruch als unbegründet.

In einem ähnlichen Fall lehnte das AG Goslar (Urteil vom 27.09.2019 - 28 C 7/19) einen Schadensersatzanspruch ab, da es sich auch in dem dortigen Fall um lediglich eine Werbeemail handelte: „Für das Gericht ist aufgrund des Vortrags des Klägers ein Schaden indes nicht ersichtlich. Es handelte sich lediglich um eine einzige Werbe-E-Mail, die nicht zur Unzeit versandt wurde und aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes deutlich zeigt, dass es sich um Werbung handelt, so dass ein längeres Befassen mit der E-Mail nicht notwendig war.“

Im Interesse einer effektiven Abschreckung und einer Kompensierung des erlittenen Schadens ist das Verhalten der Beklagten in Form der mehrfachen Missachtung des ausdrücklich erklärten Willens des Klägers als schadensersatzerhöhend zu berücksichtigen. Schadensersatzerhöhend ist ebenfalls die Häufigkeit des Verstoßes zu berücksichtigen. In dem vorliegenden Fall hat der Kläger in einem Zeitraum von knapp vier Monaten insgesamt dreizehn Werbeemails von der Beklagten erhalten. Er erhielt dabei jeweils 4 bzw. 5 Werbeemails in kurzer Zeitabfolge, teilweise fast täglich.

Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass die Auswirkungen des Verstoßes gegen die DS-GVO den Wirkungsbereich des Klägers nicht verlassen haben. Es wurde durch den Verstoß kein Bereich berührt, der etwa die Beziehung des Klägers zu Dritten berührt.

Das Gericht erachtet vorliegend im Ergebnis eine Entschädigung von 500,00 EUR für angemessen."

Rechts-News durch­suchen

02. Mai 2024
Eine verspätete DSGVO-Auskunft allein rechtfertigt keinen Schadensersatzanspruch, da ein konkreter Schaden bestehen muss.
ganzen Text lesen
01. Mai 2024
Vorratsspeicherung von IP-Adressen und Zugang zu Identitätsdaten möglich, sofern diese strikt getrennt aufbewahrt werden und der Grundrechte-Eingriff…
ganzen Text lesen
01. Mai 2024
Der Europäische Gerichtshof präzisiert die Bedingungen für die Übermittlung und Verwendung von Beweismitteln in grenzüberschreitenden Strafverfahren,…
ganzen Text lesen
29. April 2024
EU-Generalanwalt Rantos erklärt, öffentliche Äußerungen zur sexuellen Orientierung erlauben nicht deren Nutzung für personalisierte Werbung durch…
ganzen Text lesen

Rechts-News durchsuchen