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Kategorie: Datenschutzrecht

BGH: Darlegungs- und Beweislast für Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO

Zur Beweislast bei Schadensersatzbegehren auf Basis des Art. 82 DSGVO.

Im Rahmen einer Anhörungsrüge hat der BGH grundsätzliche Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast bei Schadensersatzansprüchen nach Art. 82 DSGVO gemacht (BGH, Urt. v. 12.12.2023 - Az.: VI ZR 277/22).

1. Hohe Schwelle bei Darlegungslast für Schäden nach Art. 82 DSGVO:

Der BGH stellt zunächst klar, dass aus seiner Sicht die Instanzgerichte keine zu hohe Schwelle bei der Darlegungslast für DSGVO-Schäden ansetzen:

"a) So hat sich der Senat auch mit dem Vorbringen in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung befasst, das Berufungsgericht sei von einer zu hohen Schwelle in Bezug auf die Darlegungslast bei immateriellen Schäden nach Art. 82 DSGVO ausgegangen, ohne sich mit dem diesbezüglichen Meinungsstreit sowie den beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hierzu anhängigen Vorabentscheidungsverfahren auseinanderzusetzen und das Berufungsverfahren gegebenenfalls auszusetzen. Die Klagepartei hat insoweit die Zulassungsgründe der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie der Rechtsfortbildung geltend gemacht und die Auffassung vertreten, der Senat müsse gegebenenfalls selbst die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen oder das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in anderen Vorabentscheidungsverfahren aussetzen.

Der Senat hat das Urteil des EuGH vom 4. Mai 2023 - C-300/21 abgewartet und in seine Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde einbezogen. 

Nach dem genannten Urteil ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, sondern dass darüber hinaus der Eintritt eines Schadens erforderlich ist (VersR 2023, 920 Rn. 31 ff., 42). 

Weiter hat der EuGH ausgeführt, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (aaO Rn. 51). Allerdings hat der Gerichtshof auch erklärt (aaO Rn. 50), dass die Ablehnung einer Erheblichkeitsschwelle nicht bedeutet, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 dieser Verordnung darstellen.

Auch wenn damit noch nicht alle Fragen geklärt sind, wie etwa die Frage, ob negative Gefühle, wie z. B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorgen und Ängste, bereits einen immateriellen Schaden im Sinne der Norm darstellen (vgl. Senat, Vorlagebeschluss vom 26. September 2023 - VI ZR 97/22, juris), so steht doch inzwischen fest, dass der Betroffene, der Ersatz des immateriellen Schadens verlangt, jedenfalls geltend machen (und ggf. nachweisen) muss, dass der Verstoß gegen die DSGVO negative Folgen für ihn gehabt hat, die einen immateriellen Schaden darstellen könnten. Diese negativen Folgen muss er also zumindest benennen, wie dies etwa der Kläger in dem dem Vorlagebeschluss des Senats vom 26. September 2023 - VI ZR 97/22 zugrundeliegenden Verfahren getan hat (juris Rn. 5, 33)."

2. Allgemeine Nachweispflichten des Anspruchstellers:

Und weiter führt der BGH aus:

"Nach diesem Maßstab war es zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht Vortrag der Klägerin zu negativen Folgen, die einen immateriellen Schaden darstellen könnten, in den von ihm insoweit erwähnten Schriftsatz vom 23. Februar 2022 oder in den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2022 nicht gesehen hat. 

Die Klägerin hat ihre Klageerweiterung auf Schadensersatz "in angemessener Höhe, jedoch nicht unter 50.000 €", im Schriftsatz vom 23. Februar 2022 der Sache nach mit materiellen - wirtschaftlichen - Nachteilen begründet, die mit entsprechenden wirtschaftlichen Vorteilen für die Beklagten korrespondiert haben sollen und die sie mangels Kenntnis der Mails, die auf dem streitgegenständlichen E-Mail-Account eingegangen seien, nicht beziffern könne. 

Negative Folgen, die eventuell einen (vom EuGH noch nicht näher definierten) immateriellen Schaden begründen könnten, enthält weder der Schriftsatz vom 23. Februar 2022 noch sind sie aus dem Sitzungsprotokoll vom 25. Februar 2022 ersichtlich; jedenfalls hat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht aufgezeigt, dass und an welcher Stelle diesbezüglicher Vortrag gehalten und vom Berufungsgericht übergangen worden sein soll. Der Vortrag zu negativen Folgen immaterieller Art erst in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung (S. 25 f.) vermochte eine Gehörsverletzung seitens des Berufungsgerichts nicht zu begründen.

b) Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde ferner mit deren Rügen (Gehörs- und Divergenzrüge) im Zusammenhang mit der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei Beweisvereitelung auseinandergesetzt. Dass auch insoweit eine Vorlage an den EuGH veranlasst gewesen wäre, wurde, anders als in der Anhörungsrüge behauptet, mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend gemacht."

Hinweis von RA Dr. Bahr:

Die Entscheidung des BGH erging wenige Tage vor den Urteilen des EuGH, wonach auch subjektive immaterielle Schäden (wie die Furcht vor Datenmissbrauch) unter Art. 82 DSGVO fallen können, vgl. Kanzlei-News vom 15.12.2023. Die Entscheidungen der europäischen Richter waren ihm daher noch nicht bekannt.

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