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Kategorie: Onlinerecht

OLG Celle: Nach BGH-Vorgabe für Facebook-Scraping 100,- EUR DSGVO-Schadensersatz

Das OLG Celle hält einen DSGVO-Schadensersatz von 100 € für den bloßen Kontrollverlust bei Facebook-Scraping für angemessen, höhere Beträge nur in Ausnahmefällen.

In einem aktuellen Hinweisbeschluss hat das OLG Celle klargestellt, dass es den BGH-Vorgaben folgen und in den Facebook-Scraping-Fällen bereits aufgrund des objektiven Kontrollverlustes einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 100,- EUR annehmen wird (OLG Celle, Beschl. 09.012025 - Az.: 5 U 173/23).

1. Objektiver Kontrollverlust ausreichend für 100,- DSGVO-Schadensersatz:
In ihren Ausführungen stellen die Richter des OLG Celle klar, dass bereits ein objektiver Kontrollverlust ausreichend ist, um einen DSGVO-Ausgleich zu erhalten:

"In Bezug auf die Höhe eines immateriellen Schadensersatzes gilt nach Maßgabe des derzeitigen Beratungsstands des Senats Folgendes:

- Der bloße objektive Kontrollverlust stellt bereits einen immateriellen Schaden dar und es bedarf keiner sich daraus entwickelnden besonderen Befürchtungen oder Ängste der betroffenen Klagepartei; Letztgenannte wären lediglich geeignet, den eingetretenen immateriellen Schaden noch zu vertiefen oder zu vergrößern (BGH, a.a.O., Rn. 31).

- Für den bloßen Kontrollverlust als solchen würde der Senat nach Maßgabe seines derzeitigen Beratungsstandes vorliegend einen immateriellen Schaden in Höhe von 100 € als angemessen ansehen (vgl. dazu BGH, a.a.O., Rn. 99, 100).

- Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in Rn. 101 seines vorgenannten Urteils versteht der Senat so, dass gewisse mit dem eingetretenen Kontrollverlust für die betroffene Klagepartei einhergehende „Folgeerscheinungen“, die der Bundesgerichtshof als „mit dem eingetretenen Kontrollverlust für jedermann unmittelbar zusammenhängenden Unannehmlichkeiten“ bezeichnet, mit diesem Schadensersatzbetrag in Höhe von 100 € „mit abgegolten“ sind. 

Nach dem Verständnis des Senats obliegt es im Einzelfall dem jeweiligen Tatgericht zu prüfen, ob die von der jeweiligen Klagepartei schriftsätzlich behaupteten bzw. erstinstanzlich festgestellten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) „Folgeerscheinungen“ über diese Schwelle der „für jedermann unmittelbar zusammenhängenden Unannehmlichkeiten“ hinausgehen und demgemäß eine Anhörung der jeweiligen Klagepartei nach § 141 ZPO bedingen (BGH, a.a.O., Rn. 101) und sodann gegebenenfalls einen die Höhe von 100 € übersteigenden immateriellen Schadensersatz rechtfertigen."

2. Höherer Schadensersatz nur in begründeten Ausnahmefällen:

Die Robenträger betonen, dass grundsätzlich von einem Wert von 100,- EUR Schadensersatz auszugehen sei. Nur in besonderen Ausnahmefällen könne ausnahmsweise auch ein höherer Wert anzunehmen sein:

"Die von der Rechtsanwaltskanzlei W(…). vertretenen Klageparteien tragen nach dem Wissensstand des Senats (§ 291 ZPO) in sämtlichen Klageverfahren „psychische Folgeerscheinungen“ für die jeweilige Klagepartei aufgrund des streitgegenständlichen Datenverlustes wie folgt vor: (…)

Das Landgericht Hannover hat jedenfalls in der ganz überwiegenden Mehrzahl der beim Senat in der Berufungsinstanz anhängigen Verfahren einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 500 € ausgeurteilt. 

Der Senat möchte nicht ausschließen, dass im Einzelfall auf Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen ein so hoher immaterieller Schadensersatz auch tatsächlich gerechtfertigt ist, allerdings dürfte dies dann nach dem Verständnis des Senats von dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. November 2024 ganz besonders erheblicher Umstände bedürfen. 

Dazu möchte der Senat den folgenden Beispielsfall anführen: In dem Senatsverfahren 5 U 262/24 (LG Hannover – 18 O 237/23) ist namens der dortigen Klagepartei auf Seite 14 der Replik u.a. vorgetragen worden, dass „aufgrund des Datenlecks und deren Auswirkungen die Klägerseite aufgrund von Angstzuständen in ärztlicher Behandlung“ sei. Ein derartiger schriftsätzlicher Vortrag würde – aus Sicht des Senats gänzlich unzweifelhaft – das erkennende Tatgericht dazu verpflichten, im Bestreitensfalle die betreffende Klagepartei persönlich nach § 141 ZPO anzuhören. Denn diese behauptete (psychische) Folgeerscheinung geht evident (deutlich) über die Stufe der „mit dem eingetretenen Kontrollverlust für jedermann unmittelbar zusammenhängenden Unannehmlichkeiten“ hinaus."

Und weiter:

"Hätte sich hiernach das erkennende Tatgericht von der Richtigkeit dieses Vortrags überzeugt gesehen, hätte dies aus Sicht des Senats durchaus einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von zumindest 500 € (und ggf. sogar noch darüber hinausgehend) rechtfertigen können. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang noch, dass das Landgericht Hannover in dem vorgenannten Senatsverfahren die dortige Klagepartei angehört hat. 

Ausweislich Seite 2 unten/3 oben der dortigen Sitzungsniederschrift vom 17. Juni 2024 hat die dortige Klagepartei u.a. ausgeführt: „Wenn ich nach Ängsten gefragt werde, so habe ich zwar keine ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen müssen, ich habe aber Ängste insofern, als ich darum besorgt bin, dass mein Konto leergeräumt werden könnte durch missbräuchliche Verwendung meiner Daten“. 

3. Straftat durch klägerische Anwaltskanzlei?

Das Gericht geht sogar soweit, dass in den Fällen, in denen durch die klägerische Kanzlei objektiv wahrheitswidrige Behauptungen aufgestellt worden sind, ggf. von einer Straftat auszugehen sein könnte:

"In Fällen solcher Art, wo sich also nachträglich im Rahmen einer persönlichen Anhörung das schriftsätzliche Vorbringen der Klagepartei als (mindestens objektiv) wahrheitswidrig herausstellt, mag im Einzelfall an eine Anwendung der Kostenvorschrift des § 96 ZPO (also betreffend die Kosten für die Anhörung) nachgedacht werden. 

Unabhängig davon sieht es der Senat in diesem Rahmen als geboten an, allgemein darauf aufmerksam zu machen, dass im Zivilprozess gemäß § 138 Abs. 1 ZPO das Wahrheitsgebot gilt und jedenfalls ein bewusster Verstoß dagegen eine Straftat darstellen kann."

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