Die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) hat sich in ihrer Sitzung am 19./20. Mai 2003 in Wiesbaden mit dem Abschlussbericht der Untersuchung „Telefonsexwerbung und Sex-Clips“ befasst, den die Gemeinsame Stelle Jugendschutz, Programm, Medienkompetenz und Bürgermedien (GSJP) unter Vorsitz von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring vorgelegt hat. Die Konferenz der Gremienvorsitzenden der Landesmedienanstalten (GVK) hat den Bericht in ihrer Sitzung am 20. Mai 2003 in Frankfurt ebenfalls beraten.
Die DLM hatte Ende 2002 beschlossen, die sog. Sex-Clips bei privaten Fernsehveranstaltern erneut einer Prüfung zu unterziehen. Anlass für die breit angelegte Untersuchung waren die auffällige Zunahme der Telefonsex-Angebote und die neuen Formen von Sex-Clips im Nachtprogramm einiger Fernsehveranstalter. Die Prüfung beschränkte sich nicht allein auf rundfunkrechtliche Aspekte (Jugendschutzbestimmungen, Pornographieverbot, Verbot der Werbung für Pornographie etc.), sondern bezog auch programmlich-ethische Gesichtspunkte ein.
Gegenstand der Untersuchung waren 17 Programme, die erhebliche Unterschiede in Quantität und Qualität von Telefonsexwerbung und Sex-Clips aufweisen.
Gefunden wurden insgesamt 125 Einzelfälle in zehn Programmen, bei denen der Verdacht auf einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Pornographie besteht – dies insbesondere durch die Bewerbung von Sex-Seiten im Internet. In 26 Fällen wurden mögliche Verstöße gegen das Pornographieverbot festgestellt. In wenigen Fällen ergab die Prüfung mögliche Verstöße gegen das Werbeverbot für Prostitution. Ebenfalls evaluiert wurden einige Spots, die gegen die Werbebestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages (Trennung von Werbung und Programm, Werbeumfang, Sponsoringvorschriften) verstoßen haben könnten.
Wolfgang Thaenert, Vorsitzender der DLM: „Die Untersuchung belegt erneut die Konvergenz insbesondere der beiden Medien Fernsehen und Internet: Viele Inhalte des Fernsehens werden inzwischen im Internet aufgegriffen, wobei das Fernsehen als Portal für den Internet-Einstieg dient.“ Hiermit würden sich auch für die rechtliche Bewertung neue Fragestellungen eröffnen: „Ob und wie die Inhalte der Internetseiten, für die in Fernsehspots geworben wird, einzubeziehen oder zuzurechnen sind, wird noch zu klären sein.“
„Die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten bzw. die für die Aufsicht über Fernsehen und Internet zuständige Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) unter dem Vorsitz der Landesmedienanstalten werden sich mit den Einzelfällen weiter befassen“, erläuterte Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Vorsitzender der KJM, das weitere Verfahren. „Die Zurechenbarkeit verlinkter Inhalte wird nicht nur in der KJM diskutiert werden. Hier sehe ich gerade auch für die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle die Verpflichtung, eine den Interessen des Jugendmedienschutzes angemessene Spruchpraxis zu entwickeln.“
Unabhängig von der Frage der medienrechtlichen Zulässigkeit der Telefonsexwerbung und der Sex-Clips ist insgesamt eine starke Verdichtung dieser Angebote festzustellen: „Programmübergreifend, über Stunden hinweg und in unablässigen Wiederholungsschleifen kommt es zu einer ausgedehnten nächtlichen Programmfläche, der sich der Fernsehzuschauer kaum noch entziehen kann“, so Winfried Engel, Vorsitzender der Gremienvorsitzendenkonferenz. Inhaltlich besonders problematisch sei die Vermittlung eines Bildes, das Frauen als Sexualobjekte darstelle, ungewöhnliche sexuelle Praktiken als Normalität beschreibe und bestimmte Personengruppen – bspw. osteuropäische Frauen – diskriminiere. „Die Telefonsex-Spots wie auch die Sex-Clips vermitteln gesellschaftliche Leitbilder, die unserem Wertekonsens zuwiderlaufen. Daher gibt es nicht nur einen medienrechtlichen Handlungsbedarf; wir müssen uns für eine Reduzierung und eine qualitative Veränderung dieser Angebote einsetzen.“
Quelle: Pressemitteilung 7/2003 der Arbeitsgemeinschaft Landesmedienanstalten v. 21. Mai 2003