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Kategorie: Wirtschaftsrecht

LAG Hamm: Umstrittener Roman eines Arbeitnehmers ist kein Kündigungsgrund

Die 13. Kammer des LAG Hamm hat am heutigen Tage das Berufungsverfahren 13 Sa 436/11 verhandelt. Der 51 Jahre alte Kläger ist seit 1998 bei der beklagten Arbeitgeberin als Sachbearbeiter in der Abteilung Vertrieb/Verkauf tätig. Er ist Mitglied des Betriebsrats. Die Arbeitgeberin stellt Küchenmöbel her und beschäftigt über 300 Arbeitnehmer.

Der Kläger hat einen so genannten Büro-Roman verfasst, der den Titel trägt "Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht." Der Roman ist aus der Perspektive des Ich-Erzählers "Jockel Beck" geschrieben. Im Buch wird dem (dort so genannten) Arbeitnehmer "Hannes" unterstellt, dieser konsumiere Rauschmittel ("hat alles geraucht, was ihm vor die Tüte kam"). Über die Arbeitnehmerin "Fatma" heißt es im Buch, sie "erfülle so manches Klischee, was man allgemein von Türken pflegt: ihre krasse Nutzung der deutschen Sprache und auch ihr aufschäumendes Temperament. Leider steht ihr Intellekt genau diametral zu ihrer Körbchengröße."

Der Junior-Chef "Horst" wird im Buch folgendermaßen beschrieben: "Er ist ein Feigling! Er hat nicht die Eier, jemandem persönlich gegenüberzutreten, dafür schickt er seine Lakaien."

Der Kläger bot das Buch Ende Oktober 2010 während der Arbeitszeit Kollegen zum Kauf an. Die Arbeitgeberin sprach am 10. November 2010 eine fristlose Kündigung aus. Der Betriebsrat hatte zuvor dieser Kündigung zugestimmt.

Die Arbeitgeberin stützt die Kündigung darauf, dass der Roman des Klägers beleidigende, ausländerfeindliche und sexistische Äußerungen über Kollegen und Vorgesetzte des Klägers enthalte. Das Buch weise deutliche Parallelen zum Unternehmen und dort tätigen Personen auf. U. a. die Romanfiguren "Hannes", "Fatma" und "Horst" seien als tatsächlich existierende Personen zu identifizieren. Durch den Roman sei der Betriebsfrieden erheblich gestört worden. Verschiedene Arbeitnehmer hätten sich persönlich angegriffen gefühlt, eine Mitarbeiterin habe sich in ärztliche Behandlung begeben müssen.

Das Arbeitsgericht Herford hatte der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgegeben. Die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm hat die Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Maßgeblich für die Kammer waren folgende Erwägungen:

Der Kläger könne sich auf die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG berufen. Insoweit bestehe die Vermutung, dass es sich bei einem Roman nicht um tatsächliche Gegebenheiten, sondern um eine fiktionale Darstellung handele. Etwas anderes könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann gelten, wenn alle Eigenschaften einer Romanfigur dem tatsächlichen Vorbild entsprächen. Dies habe im Streitfall nicht festgestellt werden können, zumal die Beklagte betont habe, die im Roman überspitzt gezeichneten Zustände spiegelten nicht die realen Verhältnisse im Betrieb wider.

Das Landesarbeitsgericht hat im Hinblick den Einfluss des Verfassungsrechts auf die Entscheidung die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Az.: LAG Hamm 13 Sa 436/11
Az.: ArbG Herford 2 Ca 1394/10

Quelle: Pressemitteilung des LAG Hamm v. 15.07.2011

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