Die ausführliche Inhaltsangabe eines Romans ist eine Urheberrechtsverletzung, wenn das zusammengefasste Werk wiedererkennbar ist (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 28.06.2024 - Az.: 19 O 5537/23).
Ein Kinderbuchverlag verklagte einen Schulbuchverlag, weil dieser in einer Ausgabe für Lehrer eine ausführliche Inhaltsangabe sowie Textzitate (ca. 1 Seite Inhaltsangabe und 20 Zitate) aus dem Roman veröffentlicht hatte.
Die Klägerin verfügte über umfassende Nutzungsrechte an dem Werk und sah sich dadurch in ihren Interessen verletzt.
Die Beklagte verteidigte sich mit den gesetzlichen Schranken des Urheberrechts (u.a. Zitatrecht und Sonderregelungen für Unterrichtsmaterialien).
Das LG Nürnberg-Fürth gab der Klägerin weitgehend Recht.
Die seitenfüllende Inhaltsangabe sowie 20 übernommene Zitate überschritten nach Ansicht des Gerichts die Grenzen der zulässigen Nutzung.
Die Schranken des Urheberrechts, insbesondere Zitatrecht (§ 51 UrhG), Parodie/Pastiche (§ 51a UrhG) und Unterrichtsmittel (§ 60b UrhG), würden nicht greifen.
1. Einseitige Inhaltsangabe ist eine Urheberrechtsverletzung:
Nach der Rechtsprechung des BGH und des EuGH reiche es für eine Urheberrechtsverletzung aus, dass das neue Werk - hier die Inhaltsangabe - das Original in seinen prägenden Zügen wiedererkennbar mache.
Die Inhaltsangabe sei dem Original zu nahe gekommen.
Die Fabel sei in allen wesentlichen Zügen wiedergegeben. Sie enthalte die den Roman prägenden Gedanken und deren Ausgestaltung in einer Weise, die das Original nicht hinter sich lasse, sondern vielmehr deutlich erkennen lasse:
“Dieses EuGH-Kriterium der ”Wiedererkennbarkeit" ist nach dem BGH freilich so zu verstehen, dass insbesondere die bisherigen Ausnahmefälle nach deutschem Recht, in denen aufgrund einer “Natur der Sache” das eigentlich für eine freie Benutzung
erforderliche Kriterium, wonach die eigenschöpferischen Züge des Ausgangswerks hinter dem neuen Werk “verblassen” müssten – relevant etwa in den Fällen der Satire oder der Parodie, bei denen zwangsläufig zur Auseinandersetzung das Ausgangswerk für den Leser erkennbar bleiben muss – nicht gefordert wurde, so nicht weiter als Ausnahmefälle aufrechterhalten bleiben können. (…)Die beanstandete einseitige (…) “Zusammenfassung des Inhalts” des Romans (…) stellt auf dieser Basis eine Vervielfältigungshandlung des Originalwerks iSd § 16 UrhG (…) und mithin einen Eingriff in das Verbreitungsrecht gemäß § 17 UrhG dar:
Maßgeblich ist der Gesamteindruck der die Eigentümlichkeit/Originalität (…) begründenden Teile des Vorlagewerks und des neuen Werks.Nach diesem Gesamteindruck bleibt aber die Fabel des Romans in der gegebenen Zusammenfassung erkennbar und verblasst hierin nicht, was ja gerade auch nicht bezweckt ist, um eine Auseinandersetzung mit dem Originalwerk bei der weiteren Durcharbeitung des Unterrichtsmodells (im Unterricht mit den Schülern) zu ermöglichen."
2. Urheberrechtliche Schranken greifen nicht:
Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf gesetzliche Schranken berufen.
Das Zitatrecht (§ 51 UrhG) sei nicht anwendbar, da keine Auseinandersetzung mit dem Originaltext stattfinde. Denn die Inhaltsangabe diene nur der Erleichterung des Unterrichts, nicht aber der kritischen Auseinandersetzung.
Auch die Regelung des Parodie / Pastiches (§ 51a UrhG) greife nicht. Die Norm komme nur dann zur Anwendung, wenn das Originalwerk verändert werde, um etwas Eigenes, Neues, Künstlerisches oder Kritisches zu schaffen.
Dies sei hier nicht der Fall. Die Ausgabe der Beklagten wolle zum Verständnis des Romans beitragen, ohne eine eigene schöpferische Leistung zu erbringen.
Der Band sei auch kein Unterrichts- und Lehrmedium (§ 60b UrhG), da es sich nicht um eine “Sammlung” im Sinne dieser Vorschrift handele. Denn das Buch befasse sich fast ausschließlich mit dem Werk der Klägerin. Die Vorschrift setze aber eine gleichwertige Zusammenstellung verschiedener Werke voraus. Dies sei hier nicht der Fall.