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Kategorie: Urheberrecht

OLG Hamburg: Slogan "Wir sind Papst" ist urheberrechtlich geschützt

Die Schlagzeile "Wir sind Papst" ist urheberrechtlich geschützt, da sie ausreichende Schöpfungshöhe aufweist und in ihrer sprachlichen Prägnanz eine eigenständige kreative Leistung darstellt.

Die Worte “Wir sind Papst” als Überschrift in einer Zeitung weisen eine ausreichende Schöpfungshöhe aus, sodass die urheberrechtlich geschützt sind (OLG Hamburg, Urt. v. 29.08.2024 – Az.: 5 U 116/23).

Die klägerische Bild-Zeitung hatte im April 2005 bei der Wahl von Joseph Ratzinger in ihrer Zeitung als Headline geschrieben:

“Wir sind Papst”.

Die Beklagte verwendete nun diesen Text. Dagegen ging die Klägerin vor, da sie in der unerlaubten Übernahme eine Urheberrechtsverletzung sah.

1. Schöpfungshöhe gegeben:

Diese Ansicht bestätigte nun auch das OLG Hamburg:

"Die Schlagzeile „Wir sind Papst“ vom 20.04.2005 genießt – wie das Landgericht zu Recht angenommen hat – als Sprachwerk i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG urheberrechtlichen Schutz. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass im Bereich der Sprachwerke auch die sog. kleine Münze urheberrechtlich geschützt ist. Es gelten deshalb grundsätzlich geringe Anforderungen an die hinreichende Individualität (Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 2 Rn. 85). Diese Anforderungen sind vorliegend bei der Schlagzeile „Wir sind Papst“ vom 20.04.2005 erfüllt. (...)

(a) Es bestand für die betreffende Schlagzeile zur Wahl des deutschen Kardinals Joseph Ratzingers zum Nachfolger von Papst Johannes Paul II. ein Gestaltungsspielraum, den der Autor Georg Streiter eigenschöpferisch ausgenutzt hat. Der Autor fasste – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – in drei Worten das Ereignis und die damit zusammenhängende Überraschung und Freude der Deutschen im Zusammenhang mit der Wahl eines deutschen Papstes in einer Zeitungs-Titelzeile prägnant zusammen."

Und weiter:

"Zu vorbestehenden „Wir sind“-Slogans hält die Schlagzeile „Wir sind Papst“ einen deutlichen Abstand ein.

Insoweit ist im Streitfall davon auszugehen, dass der Schöpfer Georg Streiter u.a. vom Ausspruch „Wir sind Weltmeister“ inspiriert war. Dies ergibt sich aus dem Interview mit Georg Streiter gemäß Anlage TW5. Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich – unwidersprochen – geltend gemacht, die Schlagzeile „Wir sind Papst“ sei angelehnt an den aus dem Sport bekannten und geläufigen Ausspruch „Wir sind Weltmeister“ wie er etwa seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer im Jahr 1990 von breiten Teilen der Bevölkerung nach WM-Titeln deutscher Nationalmannschaften im Sport verwendet worden sei. Die Antragstellerin hat demgegenüber gemeint, die gegenständliche Schlagzeile „Wir sind Papst“ grenze sich jedoch deutlich vom Ausspruch „Wir sind Weltmeister“ ab.

In dem Interview mit dem Schöpfer Georg Streiter (Anlage TW5) heißt es zur Frage „Wer ist mit ‚Wir‘ gemeint und warum sollen wir stolz sein?“: „Wir – das sind wir Deutschen. Natürlich schwingt da das Gefühl von ‚Wir sind Weltmeister‘ ein bisschen mit – aber ich glaube, hier geht es weniger um Stolz, sondern mehr um eine unschuldige Freude ohne jede Überheblichkeit.“.

Während „Wir sind Weltmeister“ durch „Deutschland ist Weltmeister“ ersetzbar ist, so ist dies bei „Wir sind Papst“ nicht gleichermaßen möglich. „Deutschland ist Papst“ oder „die Deutschen sind Papst“ ist keine inhaltlich zutreffende Aussage. Insofern hält der Slogan „Wir sind Papst“ einen deutlichen Abstand zum Slogan „Wir sind Weltmeister“ ein. Zu anderen vorbekannten 3-Worte-„Wir sind“-Slogans wie „Wir sind Kirche“ (1961) und „Wir sind das Volk“ (1989) besteht ebenfalls ein deutlicher Abstand."

2. Indiz: Nutzung als Headline einer Zeitung:

Das Gericht stützte sich im Weiteren auf zwei Umstände, die auch für eine Schöpfungshöhe sprechen würden.

Zum einen, dass der besagte Text als Nutzung einer Zeitungs-Headline verwendet worden sei. Hierbei erfolge häufig eine besonders prägnante Zusammenfassung:

"Weiter ist zu berücksichtigen, dass „Wir sind Papst“ eine Zeitungsartikel-Überschrift bzw. Titel-Schlagzeile war. 

Zeitungs- und Zeitschriftenartikel zeichnen sich in der Regel – wie ausgeführt – durch eine Individualprägung ihres Autors aus. Eine solche ist auch bei der hier vorliegenden Schlagzeile anzunehmen. Die Schlagzeile „Wir sind Papst“ verbalisiert in besonders prägnanter Form und unter Anwendung stilistischer Mittel ein Identifikationsgefühl in der Bevölkerung. 

Hierfür bedient sich der Autor des Stilmittels des „totum pro parte“. Insgesamt kommt durch die Prägnanz und das verwendete stilistische Mittel des „totum pro parte“ eine Individualprägung des Autors zum Ausdruck. 

Es handelt sich letztlich um die prägnante Zusammenfassung eines Artikels in nur drei Worten, womit – wie ausgeführt – das Ereignis und die damit zusammenhängende Überraschung und Freude der Deutschen im Zusammenhang mit der Wahl eines deutschen Papstes zum Ausdruck gebracht wird."

3. Weiteres Indiz: Anerkennung in Fachkreisen

Ein weiterer Umstand, der für eine ausreichende Schöpfungsqualität spreche, sei auch die Anerkennung in Fachkreisen, so die Richter:

"Ein weiteres Indiz für die Schutzfähigkeit als Werk ist die Anerkennung in Fachkreisen und der übrigen Öffentlichkeit.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können als Indizien im Rahmen der Prüfung der Originalität auch nach der Schaffung des Werkes eingetretene Umstände berücksichtigt werden, wie etwa die Anerkennung in Fachkreisen (…). Als ein Indiz für die Schutzfähigkeit eines Werks kann auch die Beachtung, die das Werk in den Fachkreisen und in der übrigen Öffentlichkeit gefunden hat, mit einzubeziehen sein (…). 

Dies soll dann möglich sein, wenn diese nachträglichen Umstände wie etwa Einschätzungen in der Fachwelt einen Anhaltspunkt für die Beurteilung bieten können, ob das Werk zum Zeitpunkt seiner Ausgestaltung eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellte (…). So liegt der Fall hier.

Die Gesellschaft für deutsche Sprache vergab im Jahr 2006 für die Schlagzeile „Wir sind Papst“ den zweiten Platz unter den zehn Wörtern des Jahres 2005 und begründete die hohe Platzierung damit, dass die Wendung sprachlich einprägsam sei und noch Monate später zitiert und verändert worden sei (…). 

In der Meldung der Gesellschaft für deutsche Sprache heißt es weiter: „Sprachlich einprägsam, hat diese Wendung selbst im Ausland ein Echo gefunden und wurde noch Monate später zitiert und verändert (‚Sind wir noch Papst?‘)“. Diese Anerkennung in Fachkreisen ist vorliegend ein Indiz für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit. In Fachkreisen und der übrigen Öffentlichkeit hat die gegenständliche Schlagzeile auch noch lange nach ihrer Schöpfung erhebliche Beachtung gefunden, insbesondere durch die zahlreichen Abwandlungen (z.B. „Wir sind Kanzler“ im September 2005, „Wir sind Präsident“ in Österreich im Jahr 2006, „Wir sind WeltmeisterIN“ in 2007, „Wir sind Oscar“ in 2007 und „Wir waren Papst“ in 2022).

Dass der Autor Anfang des Jahres 2006 für die Schlagzeile mit einem Kreativpreis des Art Directors Club Deutschland ausgezeichnet wurde (…), ist – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – ebenfalls ein Indiz für die Schutzfähigkeit und die besondere Qualität sowie Individualität dieser Sprachschöpfung."

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