Wer anbietet, ihm zustehende wettbewerbsrechtliche Ansprüche “abzukaufen”, handelt rechtsmissbräuchlich und verliert seine Berechtigung, entsprechende Rechtsverletzungen zu verfolgen (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.05.2024 - Az.: 10.04.2024 - Az.: 6 W 41/24).
Die Parteien waren Ärzte und Mitbewerber im Bereich der Penisvergrößerungen.
Die Kläger warfen dem Beklagten irreführende Werbung und weitere Wettbewerbsverstöße vor. Sie forderten ihn auf, diese Handlungen einzustellen, da seine Werbung zu einem Rückgang ihrer eigenen Patienten führte.
Im Wege der außergerichtlichen Gespräche legten die Kläger einen Vergleichsvertrag vor, in dem u.a. hieß:
"Die Vertragsparteien zu 2) bis zu 4) verpflichten sich, auf ihr Recht zur Geltendmachung von Ansprüchen aus ärztlichem Berufsrecht oder aus Wettbewerbsrecht gegenüber der Vertragspartei zu 1) zu verzichten".
Einer der Kläger schickte dem Beklagten auch nachfolgende Nachricht per WhatsApp:
“Der Hinweis mit der Werbung und der Aufforderung sie abzustellen war nur ein freundlicher Hinweis unter Kollegen für den Fall, dass du es dir anders überlegen solltest denn dann würde natürlich der Berufsrechtlichen und Wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung auch eine Klage auf Schadensersatz erfolgen. Wenn du also irgendwelche Zweifel hegst diese Vereinbarung unterzeichnen zu wollen dann würde ich an deiner Stelle dringend die Werbung ausschalten einfach um die Schadensersatzsumme, die ich dann einklagen würde, nicht zu erhöhen. ”
Die Parteien konnten sich nicht einigen, sodass die Kläger daraufhin gerichtlich Unterlassungsansprüche aus dem UWG geltend machten.
Das OLG Frankfurt a.M. wies das Begehren als rechtsmissbräuchlich zurück.
Das Handeln der Kläger habe klar sachfremde Ziele:
"Der Antragsgegner hat geltend gemacht und (…) eidesstattlich versichert (…), der Antragsteller zu 2 habe ihm bereits zu Beginn ihres Gesprächs am 24.02.2024 gesagt, er müsse das Angebot von Penisvergrößerungen von seiner Website und Werbung entfernen. Beim Angebot von Penisvergrößerungen handele es sich um sein „Baby“ und sein Monopol. Wenn der Antragsgegner künftig gleichwohl Penisvergrößerungen anbiete und durchführe, werde er ihn und seine Praxis wirtschaftlich ruinieren, dann sei insbesondere seine wirtschaftliche Existenz gefährdet.
Der Antragssteller zu 2 habe angeboten, Patienten, die an einer Penisvergrößerung interessiert seien, künftig gegen 2.000 Euro an A zu „vermitteln“, dann werde er nichts gegen den Antragsgegner unternehmen.
Wenn dieser nicht spätestens am kommenden Montag (26.02.2024) Bescheid gebe, ob er „kooperiere“, werde er ihn ruinieren. Der Antragsgegner habe dann am 25.02.2024 mit A telefoniert, der geäußert habe, der Antragsteller zu 2 setze öfter Kollegen unter Druck, damit diese ihm auf dem Gebiet der Penisvergrößerungen keine Konkurrenz machten.
A habe dem Antragsgegner bestätigt, eine Vermittlung von Patienten sei ein vernünftiger „Deal“, damit dieser seine „Ruhe“ habe. Kurz darauf habe sich A nochmal bei ihm gemeldet und gesagt, er begehe so viele Gesetzesverstöße, dass er die Behandlung des Penis künftig unterlassen sollte. Nach Erhalt der (von Seiten der Antragsteller unterzeichneten) Vereinbarung am 27.02.2024 habe er mit dem Antragsteller zu 2 telefoniert.
Dieser habe ihn aufgefordert, als „Geste“ guten Willens seine Google-Ads zur Penisvergrößerung ausschalten, was der Antragsgegner auch getan habe, damit der Antragsteller zu 2 nicht gegen ihn vorgehe."
Und weiter:
"Auf den Hinweis, dass in der vorgelegten „Vereinbarung“ die Vergütung von 2.000 Euro nicht erwähnt sei, habe der Antragsteller zu 2 geäußert, das könne er nicht schriftlich abgeben, die Vereinbarung sei aber sehr gut und der Antragsgegner müsse diese sofort unterschreiben, damit er ihn in Ruhe lasse.
Es gebe deutschlandweit mehrere Kollegen, die dankbar seien, so eine Vereinbarung von ihm zu bekommen. Er habe so eine Vereinbarung vor Jahren mit einem D geschlossen, der seitdem seine Ruhe habe und gegen den er nicht anwaltlich vorgegangen sei.
Wenn der Antragsgegner die Vereinbarung sofort unterschreibe, gebe es „keinen Kampf“ mehr zwischen ihnen."
Ein Rechtsmissbrauch liege auf der Hand, so die Richter:
"Dabei ging es A und dem Antragsteller zu 2, wie auch die oben wiedergegebene WhatsApp-Nachricht belegt (…), nicht in erster Linie darum, die streitgegenständlichen (angeblichen) Wettbewerbsverstöße zu unterbinden. (…)
Nach eigenem Vorbringen der Antragsteller schadete ihnen die Internetwerbung des Antragsgegners erheblich. Der Markt für Penisverlängerungen ist mit ca. 10 Operateuren bundesweit sehr klein. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass A (unbestritten) gegenüber dem Antragsgegner angab, der Antragsteller zu 2 setze öfter Kollegen unter Druck, damit diese ihm auf dem Gebiet der Penisvergrößerungen keine Konkurrenz machten. Der Antragsteller zu 2 gab selbst (ebenfalls unbestritten) an, er agiere schon seit 25 Jahren so und habe mehr als 250 Klagen geführt, dies sei sein Tagesgeschäft und seine Stärke. (…)
Bei gebotener Gesamtwürdigung aller Umstände hat das Landgericht den Eilantrag damit zutreffend als rechtsmissbräuchlich angesehen. (…) Die Antragstellerseite hat aber nicht nur versucht, sich die Berechtigung zur Verfolgung der geltend gemachten Unterlassungsanträge abkaufen zu lassen. Sie hat auch den Versuch unternommen, den Antragsgegner gezielt in seiner wettbewerblichen Tätigkeit auf dem Gebiet der Penisverlängerungen zu behindern (was teilweise in Form der Änderung der Google-Ads bereits erfolgreich war), um sich den entsprechenden Marktanteil zu sichern (…).
Ein solches Vorgehen ist nach zutreffender Auffassung des Landgerichts nicht mehr vom Wettbewerbsrecht gedeckt, sondern rechtsmissbräuchlich.
An dieser Bewertung ändert der Umstand nichts, dass der Antragsgegner - jedenfalls teilweise - unlauter geworben haben mag."