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Kategorie: Onlinerecht

Berliner Datenschutzbeauftragter: Anmietung von Adressen + Lettershop-Verfahren führt zu gemeinsamer Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO

Adresshändler und Werbende sind nach Auffassung der Berliner Datenschutzbehörde auch ohne direkten Datenzugriff als gemeinsam verantwortlich nach Art. 26 DSGVO.

Nach Auffassung des Berliner Datenschutzbeauftragten führt die Anmietung von Adressen und der anschließende Einsatz des Lettershop-Verfahrens zu einer gemeinsamen Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO. Dies soll auch dann gelten, wenn das anmietende Unternehmen die Adressen zu keinem Zeitpunkt erhält. 

In seinem aktuellen Jahresbericht für das Jahr 2024 (Download hier) berichtet der Berliner Datenschutzbeauftragte über zwei wichtige Verfahren zum Adresshandel. 

In beiden Fällen versendete ein Lettershop postalische Werbung im Auftrag von Unternehmen, die werben wollten. Die Adressen stammten von Adresshändlern, die im Auftrag des Kunden gezielt Zielgruppen selektierten.

Im ersten Fall waren das u.a. die Merkmale “Performer“, ”konservativ-etabliert" und “liberal-intellektuell”. Im zweiten Fall wurde nach “wohnhaft in Berlin”, “wohnhaft in Brandenburg”, “Kaufkraft stark überdurchschnittlich” und "Kaufkraft überdurchschnittlich“ gesucht. 

Die Berliner Datenschutzbehörde sah in beiden Fällen eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO zwischen Werbenden und Adresshändlern, auch wenn der Lettershop zwischengeschaltet war und der Werbende die Daten gar nicht erhielt. Wörtlich äußert sich die Behörde wie folgt: 

"Die Adresshändler:innen und die Werbenden sind nach unserer Bewertung vorliegend jeweils gemeinsam Verantwortliche. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geht nach Art. 26 von gemeinsam Verantwortlichen aus, wenn zwei oder mehr Verantwortliche gemeinsam die Zwecke der und die Mittel zur Verarbeitung festlegen. Gemeinsamer Zweck der Verarbeitung ist hier die Direktwerbung an die von den Adresshändler:innen anhand der Kriterien der Werbenden ausgewählten Adressat:innen.

Gleiches gilt auch für die wesentlichen Mittel des Versands der Direktwerbung, bei dem das Verfahren durch die Adresshändler:innen und den konkreten Inhalt des Werbeschreibens sowie die Auswahl der Adressat:innen durch die Werbenden (mit)festgelegt wurde. 

Der Annahme einer gemeinsamen Verantwortlichkeit steht auch nicht entgegen, dass ein Lettershop eingesetzt wurde und die Werbenden in bestimmten Konstellationen keinen Zugang zu den personenbezogenen Daten hatten. Nach der Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung auch entscheiden, wer die Daten nicht selbst verarbeitet, also selbst keinen Zugriff auf sie hat. Im Rahmen unserer Verfahren haben die Werbenden bestritten, gemeinsam mit den jeweiligen Adresshändler:innen verantwortlich zu sein. 

Die nach Art. 26 DSGVO notwendige Vereinbarung zwischen gemeinsam Verantwortlichen wurde dementsprechend nicht abgeschlossen."

Die Behörde verwarnte in beiden Fällen die Unternehmen, die sich dagegen gerichtlich wehrten.

In einem Fall wurde das gerichtliche Verfahren von der betroffenen Partei nicht weiter betrieben, sodass es bestandskräftig wurde. Das zweite Verfahren läuft noch. Die Behörde rechnet für 2025 mit einem Urteil.

Anmerkung von RA Dr. Bahr:

Sollte sich die Rechtsauffassung der Berliner Datenschutzbehörde in der Praxis tatsächlich durchsetzen, würde dies eine massive Veränderung der alltäglichen Adresshandels-Praxis führen. Adresshändler und Werbetreibender wären dann gemeinsam datenschutzrechtlich verantwortlich, was weitreichenden Konsequenzen hätte: Für etwaige Datenschutzverletzungen würde eine gesamtschuldnerische Haftung eintreten und auch Auskunftserteilungen nach Art. 15 DSGVO müssten grundlegend neu überarbeitet werden.

Wichtig: Im Oktober 2025 gibt es zu diesem wichtigen Thema und noch vielen weiteren Schwerpunkten ein eigenes Seminar mit RA Dr. Bahr “Werbeeinwilligungen nach DSGVO & UWG”. Nähere Infos + Anmeldung hier.

 

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