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Kategorie: Onlinerecht

LG Berlin: Beauftragung eines LegalTech aufgrund fehlerhaftem Bestellbutton unwirksam = Rüge gegen Mietpreiserhöhung unwirksam

Eine unzureichende Beschriftung des Bestellbuttons auf einer Legal-Tech-Seite führte zur Unwirksamkeit des Vertrags und der daraus abgeleiteten Mietpreiserhöhung-Rüge.

Ist die Beauftragung eines Legal Tech-Unternehmens unwirksam, so ist die von dieser Firma für den Verbraucher ausgesprochen Rüge gegen eine Mietpreiserhöhung ebenfalls nichtig (LG Berlin, II, Urt. v. 08.08.2024 - Az.: 67 S 92/24).

Die Klägerin war Mieterin und forderte von ihrem Vermieter die Rückzahlung eines Teils der Miete, die sie aufgrund eines Verstoßes gegen die Mietpreisbremse überzahlt hatte. 

Sie beauftragte hierfür ein spezialisiertes Legal Tech-Unternehmen online. Der Bestellbutton auf dieser Seite war mit

“Auftrag verbindlich erteilen”

beschriftet.

Die Klägerin war Mieterin und verlangte von ihrem Vermieter einen Teil der zu viel gezahlten Miete wegen Verstoßes gegen die Mietpreisbremse zurück. 

Das LG Berlin stufte diese Rüge als unwirksam ein und wies die Klage der Mieterin ab.

Aufgrund der fehlerhaften Beschriftung des Bestellbuttons auf der Webseite des beauftragten Unternehmens sei die vorgenommene Beauftragung unwirksam:

"Der von der Klägerin und dem Inkassodienstleister elektronisch angebahnte Geschäftsbesorgungsvertrag war - und ist - gemäß § 312j Abs. 4 BGB schwebend unwirksam. Denn der Inkassodienstleister hat die Bestellsituation unter Verstoß gegen § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB nicht so gestaltet, dass die als Verbraucherin handelnde Klägerin mit ihrer Bestellung ausdrücklich bestätigt hat, sich zur „Zahlung“ zu verpflichten.

Die Regelungen des § 312j Abs. Abs. 2-4 BGB sind auf das Geschäftsmodell des von der Klägerin beauftragten Inkassodienstleisters wegen des weit auszulegenden Tatbestandsmerkmals der „Zahlung“ im Sinne des § 312j Abs. 2 BGB anzuwenden. Dem steht es insbesondere nicht entgegen, dass der Mieter erst nach Eintritt einer weiteren Bedingung, hier der erfolgreichen Durchsetzung der Rückforderungsansprüche gegenüber dem Vermieter, verpflichtet ist, dem Inkassodienstleister die entgeltliche Gegenleistung in Gestalt eines Erfolgshonorars zu zahlen (vgl. EuGH, Urt. v. 30. Mai 2024 – C-400/22, NJW 2024, 2449, beckonline Tz. 51; Kammer, Vorlagebeschl. v. 2. Juni 2022 – 67 S 259/21, ZMR 2022, 725, beckonline Tz. 57 ff. m.w.N.).

Nach § 312j Abs. 3 BGB ist in den Fällen, in denen eine Bestellung im elektronischen Rechtsverkehr über eine Schaltfläche erfolgt, die Hinweispflicht des Unternehmers nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist."

Aufgrund dieser unwirksamen Beauftragung sei auch die ausgesprochene Beanstandung unwirksam:

"Die schwebende Unwirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages zieht die schwebende Unwirksamkeit der auf elektronischem Wege erteilte Vollmacht nach sich. (…)

So liegt der Fall hier. Denn der Inkassodienstleister hat die rechtsgeschäftliche Beauftragung und die darauf beruhende Abtretung und Vollmachtserteilung auf elektronischem Weg untrennbar zu einem einheitlichen Geschäft ausgestaltet und miteinander verknüpft (vgl. BGH, Urt. v. 19. Januar 2022 – VIII ZR 122/21, NJW-RR 2022, 663, beckonline Tz. 52). Jedoch schlägt die aus einem Verstoß gegen die zur Warnung und zum Schutz des Verbrauchers eingeführte Formvorschrift des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB folgende Unwirksamkeit des im elektronischen Rechtsverkehr angebahnten Geschäftsbesorgungsvertrages ohnehin - und unabhängig von der Einheitlichkeit des Geschäfts - auf die ebenfalls formwidrig abverlangte Vollmacht durch (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, NJW 1997, 312, juris Tz. 12; Schilken, in: Staudinger/Schilken, BGB, Stand: 15. März 2023, § 167 Tz. 20 m.w.N.)."

Das LG Berlin weist auch darauf hin, dass eine nachträgliche Genehmigung oder zweite Bevollmächtigung als kritisch anzusehen gewesen wäre, da es sich dabei vermutlich um eine rechtswidrige Umgehungshandlung gehandelt hätte:

"Die Unwirksamkeit einer neuerlichen Bevollmächtigung hätte sich außerdem aus § 312k Abs. 1 Satz 2 BGB (…) ergeben. Denn danach finden die Vorschriften der §§ 312 ff. BGB auch dann Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.


Diese Voraussetzungen wären hier erfüllt, da das Geschäftsmodell der Klägerin in seiner streitgegenständlichen Form auf eine Tatbestandsvermeidung des § 312j Abs. 3 Satz 2 und 4 BGB hinausläuft. Muss nämlich ein Verbraucher, der so wie die Klägerin vermeintlich schon durch ein mit einem Fernkommunikationsmittel abgegebenes Vertragsangebot wirksam verpflichtet ist, im Nachgang dazu wegen der vom Unternehmer bestimmten vertraglichen Gestaltung entweder die Annahmeerklärung des Unternehmers auf nicht elektronischen Wege entgegen nehmen oder sogar sein eigenes Angebot durch eine ihm vom Unternehmer auf elektronischem Wege auferlegte Erfüllungshandlung wiederholen, ist er im Hinblick auf seine vorvertraglichen Informationsbedürfnisse in gleicher Weise schutzbedürftig wie bei einem „echten“ Fernabsatzvertrag (…). 

Mit dem Normzweck des § 312j BGB oder der §§ 556d ff. BGB nicht vereinbare Rechtsfolgen sind mit der schwebenden Unwirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages und der Vollmacht für die klagende Mieterin als Verbraucherin bereits deshalb nicht verbunden, da ihr der Inkassodienstleister wegen der gesetzwidrigen Ausgestaltung des Bestellvorgangs für alle aus der formbedingten Unwirksamkeit des Grundgeschäfts und der Vollmacht beruhenden (Vermögens-)Schäden gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB haftet (…)."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Das aktuelle Urteil des LG Berlin und die zugrunde liegende Entscheidung des EuGH machen deutlich, wie wichtig eine gesetzeskonforme Beschriftung des Bestellbuttons ist. Normalerweise wirken sich die Rechtsfolgen einer unzureichenden Beschriftung nur im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer aus.

Wie das vorliegende Beispiel aber anschaulich zeigt, sind mögliche Konsequenzen auch im Verhältnis zu Dritten ohne Weiteres denkbar. Gerade im Bereich der Legal Tech, wo es um Massengeschäfte geht, können solche scheinbar “kleinen" Fehler schnell erhebliche Folgen haben. Denn nun stellt sich die Frage, ob die Mieterin nicht einen entsprechenden Regressanspruch gegen das Unternehmen hat.

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