Das KG Berlin (Beschl. v. 31.10.2008 - Az.: 9 W 152/06) hat entschieden, dass die Veröffentlichung von anwaltlichen Schriftsätzen unter gewissen Umständen gerechtfertigt sein kann.
Ein bekanntes Presseunternehmen hatte über bestimmte Medienanwälte berichtet, die im Auftrage ihrer prominenten Mandanten immer wieder einzelne Presseartikel abgemahnt hatten. Im Rahmen der Berichterstattung wurde auch, in indirekter Rede, aus einem anwaltlichen Schriftsatz zitiert.
Der betroffene Medienanwalt sah hierin eine Rechtsverletzung und begehrte Unterlassung.
Zu Unrecht wie nun das KG Berlin entschied.
Zunächst stellen die Berliner Richter fest, dass die Veröffentlichung von Auszügen aus Anwaltsschriftsätzen in der Presse zwar durchaus eine Rechtsverletzung sein könne. Es sei jedoch in jedem Einzelfall das Persönlichkeitsrecht des Anwalts mit der Meinungs- und Pressefreiheit abzuwägen.
Liege ein sachlicher, nachvollziehbarer Grund vor, so sei die Publikation gerechtfertigt.
"Die Veröffentlichung eines Zitates aus einem anwaltlichen Schriftsatz kann das (...) allgemeine Persönlichkeitsrecht des Rechtsanwaltes (...) beeinträchtigen. (...)
Auch dieses Recht ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Ob eine Verletzung dieses Rechts vorliegt, ist jeweils anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen; denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite, hier insbesondere mit der ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit (...) sowie der Meinungsfreiheit (...) bestimmt werden (...)."
Im vorliegenden Fall bejahen die Juristen einen solchen sachlichen Grund, denn das Zitat diene der kritischen Berichterstattung. Auch stehe nicht der Medienanwalt im Mittelpunkt der Berichterstattung, sondern die Nennung diene vielmehr lediglich als Beispiel:
"Im vorliegenden Fall hatte die Berichterstattung (...) keinen (...) Bezug zu einer konkreten Tätigkeit des Antragstellers oder eines der anderen namentlich erwähnten Anwälte im Auftrage eines Mandanten; vielmehr ging es um die Darstellung eines Beispielsfalles aus der Praxis zur für den Leser plastischen und nachvollziehbaren Beschreibung eines gesellschaftspolitisch relevanten Phänomens, nämlich die - nach Meinung des Antragsgegners - Zunahme juristischer Auseinandersetzungen zwischen Prominenten mit Hilfe bestimmter spezialisierter Rechtsanwälte und der Presse sowie deren Auswirkungen auf die Berichterstattungsfreiheit."
Ergebnis:
Die aktuelle Entscheidung ist kein Freifahrtsschein, zukünftig detailiert aus anwaltlichen Schriftsätzen zu zitieren. Vielmehr ist es stets eine Frage des Einzelfalls inwieweit nun die Veröffentlichung erlaubt ist oder nicht.
Die bislang veröffentlichte Rechtsprechung zu diesem Problem ist sehr uneinheitlich: Das OLG Hamm (Urt. v. 11.12.2007 - Az.: 4 U 132/07) hat entschieden, dass die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen im Internet mit voller Nennung der anwaltlichen Parteivertreter die Rechtsanwälte erlaubt ist. Differenzierend hingegen das OLG Hamburg (Beschl. v. 09.07.2007 - Az.: 7 W 56/07) und das OLG München (Beschl. v. 16.10.2007 - Az.: 29 W 2325/07).
Siehe dazu auch unser Video "Law-Vodcast: Dürfen Abmahnschreiben im Internet veröffentlicht werden?".