Die Werbeaussage “Tschüss Wartezimmer. Hallo Online-Arzt" ist unzulässig und verstößt gegen das ärztliche Berufsrecht (SG München, Urt. v. 29.04.2025 - Az.: S 56 KA 325/22).
Ein Unternehmen bot über eine digitale Plattform Videosprechstunden mit Ärzten an. Dabei warb es prominent mit folgenden Statements:
"Tschüss Wartezimmer. Hallo Online-Arzt.
Arztgespräch, Privatrezept und Krankschreibung in Minuten"
Die klägerische Kassenärztliche Vereinigung sah in dieser Werbung einen Verstoß gegen das ärztliche Berufsrecht sowie das Heilmittelwerberecht und klagte auf Unterlassung. Sie monierte, dass die Gefahr bestünde, dass Versicherte davon ausgingen, dass ein Besuch in der Arztpraxis überflüssig sei und die Fernbehandlung in jedem Fall ausreiche.
Das SG München schloss dieser Meinung an.
Die Werbung sei irreführend und somit rechtswidrig.
Denn durch die Aussage werde der Eindruck erweckt, dass der persönliche Arztbesuch vollständig durch eine Videosprechstunde ersetzt werden könne. Dies sei jedoch medizinisch nicht haltbar und rechtlich nicht zulässig.
Laut der ärztlichen Berufsordnung müsse in jedem Einzelfall entschieden werden, ob eine Fernbehandlung ausreiche oder ein persönlicher Kontakt notwendig sei.
Auch nach § 9 HWG dürfe keine Werbung verwendet werden, die zu falschen Erwartungen über den Behandlungserfolg führe oder den persönlichen Arztkontakt pauschal als verzichtbar darstelle.
Die von der Beklagten genutzte Formulierung suggeriere, der Online-Arzt sei immer und überall verfügbar und ein Praxisbesuch sei veraltet“ oder überflüssig.
Damit werde der Eindruck erweckt, dass Fernbehandlungen gleichwertig oder sogar überlegen seien, ohne Rücksicht auf die medizinische Eignung im Einzelfall:
"Mit der streitgegenständlichen Werbung bewirbt die Beklagte ein umfassendes, nicht auf bestimmte Krankheitsbilder eingeschränktes digitales Primärversorgungsmodell (…).
Die Kombination "Tschüss Wartezimmer" und "Hallo Online Arzt" enthält die Aussage, dass die ärztliche Versorgung ohne einen "klassischen" Arztbesuch möglich ist. Diese Aussage wird durch den Zusatz "Arztgespräch, Privatrezept und Krankschreibung in Minuten" verstärkt.
Denn letztlich handelt es sich bei diesen Leistungen um das, was ein erkrankter Versicherter erwartet, wenn er davon ausgeht, dass er so erkrankt ist, dass ein Arztbesuch erforderlich ist, weil er eine Medikation benötigt und er arbeitsunfähig ist."
Und weiter:
"Entgegen der Ansicht der Beklagten wird mit der Werbung in der Kombination der zitierten Darstellungen nicht nur vermittelt, dass ein vereinfachter Zugang zu einem behandelnden Arzt ohne lange Wartezeit in vollen Wartezimmern besteht.
Gegen dieses Verständnis spricht schon die Einleitung "Tschüss Wartezimmer. Hallo Online Arzt.", die durch die Verwendung von Verabschiedung und Begrüßung eine endgültige Abkehr vom klassischen Arztbesuch darstellt.
Zudem führt auch die Auslegung im Sinne der Beklagten zu 1) nicht dazu, dass ein Verstoß gegen § 9 Satz 2 HWG nicht angenommen kann. Denn auch die Aussage, dass kurzfristige eine Behandlung ohne Wartezeit im Wartezimmer möglich ist, beinhaltet die Aussage, dass bei jeder Erkrankung ein klassischer Arztbesuch nicht erforderlich ist und bewirbt damit eine umfassende Versorgung."