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Kategorie: Wettbewerbsrecht

BGH: Wettbewerbsrechtliche Abmahnbefugnis spielt im Ordnungsmittelverfahren keine Rolle mehr

Die Einleitung eines Ordnungsmittelverfahren setzt keine wettbewerbsrechtliche Abmahnbefugnis nach § 8c UWG voraus.

Ob der Gläubiger eines Urteils (hier: verbotene Garantiewerbung auf Amazon) überhaupt noch zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen befugt ist, ist für ein Ordnungsmittelverfahren unerheblich. Denn die Antragsbefugnis ergibt sich allein aus der Stellung als Gläubiger (BGH, Beschl. v. 21.12.2023 - Az.: I ZB 42/23).

In der Vergangenheit war der Beklagten gerichtlich verboten worden, auf der Amazon-Plattform in unzulässiger Weise mit einer Garantie zu werben.

Die Klägerin, ein Wettbewerbsverband, war nach altem Wettbewerbsrecht noch befugt, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Ende 2020 trat eine Gesetzesänderung in Kraft, mit der die Klägerin diese Befugnis verlor.

Nun stellte sich die Frage, ob sie befugt war, Ordnungsmittel-Verfahren zu beantragen, obgleich ihr formal gar keine Anspruchsberechtigung nach § 8c UWG mehr zustand.

Der BGH bejahte dies.

Die Berechtigung in der Zwangsvollstreckung ergebe sich rein aus der formalen Stellung als Gläubigerin. Ein Rückgriff auf § 8c UWG komme nicht in Betracht:

"Für die Zulässigkeit eines Ordnungsmittelantrags des Gläubigers sind die Änderung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 sowie die Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF danach ohne Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob § 15a Abs. 1 UWG nF auch auf das Ordnungsmittelverfahren Anwendung findet (…) und ob für den Stichtag des 1. September 2021 auf das dem Titel zugrundeliegende Erkenntnisverfahren abzustellen ist oder ob der Stichtag auch für das nachfolgende Ordnungsmittelverfahren maßgeblich ist.

b) Die Neuregelung der sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF und der daraus folgende Wegfall der Sachbefugnis des Gläubigers, wenn dieser nicht in die Liste gemäß § 8b UWG nF eingetragen ist, greift in das streitgegenständliche Zwangsvollstreckungsverfahren ebenfalls nicht ein.

aa) Es gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, dass die Vollstreckbarkeit eines Titels von dem Schicksal des sachlich-rechtlichen Anspruchs unabhängig ist (…)."

Der betreffende Wettbewerbsverband ist also auch weiterhin berechtigt, formal Ordnungsmittel-Verfahren anzustreben.

Anmerkung von RA Dr. Bahr:

Der Schuldner eines solchen gerichtlichen Titels ist in diesen Fällen nicht schutzlos. Vielmehr kann er, aufgrund der geänderten Abmahnbefugnis, das zugrunde liegende Urteil selbst aus der Welt zu schaffen. Dann besteht nämlich auch nicht die Gefahr eines Ordnungsgeldes.

Der BGH weist am Ende seiner Entscheidung selbst - überdeutlich - auf diese Möglichkeiten hin:

"bb) Ob und inwieweit die aufgrund der Gesetzesänderung (jedenfalls derzeit) entfallene Sachbefugnis des Gläubigers der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF die Möglichkeit eröffnet, sich wegen dieser materiellen Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel zu wenden, bedarf im Streitfall mithin keiner Entscheidung (…)

cc) Ebenfalls offenbleiben kann deshalb, ob gegen Unterlassungstitel, die - wie hier - im Verfahren der einstweiligen Verfügung erlassen worden sind, die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO statthaft ist oder ob die Schuldnerin dagegen allein mit einem Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 Abs. 1 ZPO vorgehen kann (…) und wie sich die Abgabe einer Abschlusserklärung auswirkt, in der die Schuldnerin - wie hier - auf ihre Rechte aus § 927 ZPO verzichtet hat (…)."

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