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KG Berlin: Rechtsmissbrauch durch fliegenden Gerichtsstand

Das KG Berlin (Beschl. v. 25.01.2008 - Az.: 5 W 371/07: PDF) hat entschieden, dass durch eine unverhältnismäßige Ausnutzung des fliegenden Gerichtsstand ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegen kann.

"Die durch die Regelung des fliegenden Gerichtsstands ermöglichte deutschlandweite Gerichtswahl schließt die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Wahl im Einzelfall nicht aus (...).

Grundsätzlich ist es allerdings nicht als missbräuchlich (...) anzusehen, wenn der Kläger das ihm bequemste oder genehmste Gericht auswählt, also beispielsweise sein Heimatgericht oder das Gericht mit der ihm am günstigsten erscheinenden Rechtsprechung. Es ist gerade in Rechtsstreitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes weder ungewöhnlich noch anrüchig, wenn angreifende Wettbewerber im Hinblick auf den häufig eröffneten "fliegenden Gerichtsstand" das gerichtliche Forum wählen, welches ihnen im Hinblick auf die dort vorherrschende Rechtsprechung zur Erreichung ihrer Prozessziele am meisten Erfolg versprechend erscheint.

Dieser Effekt ist (...) Ausdruck des gesetzgeberischen Willens (...). Jede auf den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs wegen Ausnutzung eines bestehenden "Rechtsprechungsgefälles" gestützte Beschränkung der zur Entscheidung zuständigen Gerichte, die weiter geht als die aus den jeweils anwendbaren allgemeinen Regelungen über die örtliche Zuständigkeit, bedeutet nicht nur eine Verweigerung des gesetzlichen Richters (...), sondern zugleich auch eine Missachtung des Gleichheitsgebots (...).

Die Ausnutzung des "fliegenden" Gerichtsstands (...) ist also grundsätzlich keine unzulässige Rechtsausübung. Denn die Gerichtswahl (...) kennt grundsätzlich keine Einschränkung, und zwar auch dann nicht, wenn ein Antragsteller unter Ausnutzung diesbezüglicher Möglichkeiten die Rechtsprechung verschiedener Gerichte sozusagen "testet" (...)."


Auf den konkreten Fall übertragen nehmen die Berliner aber dann einen Fall des Missbrauchs an:

"Die von der Antragstellerin und ihrer Tochtergesellschaft praktizierte Gerichtsstandswahl zeichnet sich jedoch durch die Besonderheit aus, dass sie offenkundig darauf abzielt, ein dem jeweiligen Gegner ortsfernes Gericht auszuwählen, was aber - auch unter Zugrundelegung vorstehender
Grundsätze - die Annahme des Missbrauchs nahe legt: Würde es der Antragstellerin um die Ausnutzung einer für sie günstigen Rechtsprechungslage gehen, hätte es seinerzeit nahegelegen, ausschließlich oder zumindest vorzugsweise Hamburger und Berliner Gerichte anzurufen.

Dies ist jedoch nicht geschehen. Vielmehr wurden und werden die Verletzer deutschlandweit in Anspruch genommen, und zwar möglichst weit von ihrem Wohnund Geschäftssitz entfernt, und zwar auch dann, wenn das Sitz- oder das nächstgelegene Gericht zum Kreis der ansonsten vom Gläubiger Präferierten zählt.

Als besonders krass empfindet es der Senat insoweit, dass vor dem Landgericht Köln ein Antragsgegner aus Hamburg (...) in Anspruch genommen wird, wohingegen vor dem Landgericht Hamburg Antragsgegner aus Bonn und aus der Nähe von Düsseldorf in Anspruch genommen werden, und dass ein Gegner aus der Nähe von Würzburg in Berlin, ein Gegner aus Göppingen demgegenüber in Würzburg in Anspruch genommen wird.

Des Weiteren werden etwa Gegner aus Bremen oder Umgebung in Braunschweig oder Berlin und Gegner aus Kaiserslautern oder Pforzheim in Magdeburg in Anspruch genommen.

Mangels anderer Anhaltspunkte für wirklich sachliche Motive lässt diese Vorgehensweise - mit Blick auf die drohenden Reisekosten zum Gerichtsort - auf Schädigungsabsicht schließen."

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