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Die einzelnen News
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1.
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BFH: Kein DSGVO-Auskunftsanspruch über anonyme Steueranzeige
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Steuerpflichtige haben keinen DSGVO-Anspruch auf Einsicht in eine anonyme Anzeige bei einer Finanzbehörde (BFH, Urt. v. 15.07.2025 - Az.: IX R 25/24). Ein Gastronomiebetrieb wurde Ziel einer anonymen Anzeige, woraufhin das Finanzamt eine Kassen-Nachschau durchführte. Es kam zu keinen steuerlichen Nachforderungen oder strafrechtlichen Konsequenzen. Das betroffene Unternehmen beantragte beim Finanzamt Einsicht in die Verwaltungsakten und DSGVO-Auskunft über den Inhalt der Anzeige. Ziel war es vor allem, den anonymen Anzeigenerstatter zu identifizieren. Das Finanzamt verweigerte die Einsicht und lehnte auch die Auskunft ab. Zu Recht, wie nun der BFH entschied. Eine anonyme Anzeige müsse, auch wenn sie personenbezogene Daten enthalte, nicht automatisch vollständig offengelegt werden. Zwar seien Teile solcher Anzeigen grundsätzlich vom Anwendungsbereich der DSGVO erfasst. Doch könne der Auskunftsanspruch durch andere Rechte eingeschränkt werden. In vorliegenden Fall sei das Interesse an der Geheimhaltung des Anzeigenerstatters höher zu bewerten. Das Steuergeheimnis und der Informantenschutz sollten die Bereitschaft Dritter fördern, steuerlich relevante Hinweise zu geben. Würde das Finanzamt solche Anzeigen offenlegen, bestünde die Gefahr, dass diese Informationsquelle versiege. Auch die Tatsache, dass der Kläger durch die Anzeige keine konkreten Nachteile, wie etwa strafrechtliche Ermittlungen oder Steuernachzahlungen, erlitten habe, spreche gegen eine Offenbarung. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO sei wegen vorrangiger Schutzziele ausgeschlossen. Das nationale Recht, insbesondere die Abgabenordnung, setze unionsrechtskonform enge Grenzen für die Auskunftspflicht, insbesondere zum Schutz der Aufgaben der Finanzbehörden und der Rechte Dritter: “Eine Finanzbehörde muss über den Inhalt einer ihr vorliegenden anonymen Anzeige gegenüber dem betroffenen Steuerpflichtigen keine Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO erteilen, wenn das Geheimhaltungsinteresse der Behörde zum Zwecke der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie der aus § 30 AO herrührende Identitätsschutz des Anzeigeerstatters im Einzelfall höher wiegen als das Informationsinteresse des Steuerpflichtigen.”
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2.
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OLG Düsseldorf: Sportschuhe mit Streifen verletzen Markenrechte von Puma
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Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat heute (25.09.2025) unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Schüttpelz einer Herstellerin von Sportschuhen (Antragsgegnerin und Berufungsbeklagte) untersagt, im geschäftlichen Verkehr bestimmte Streifengestaltungen auf zwei Schuhmodellen zu verwenden. Die Puma SE, Antragstellerin und Berufungsklägerin ("PUMA"), ist eine weltweit führende Sportartikelherstellerin und kennzeichnet ihre Schuhe mit einem bestimmten Formstreifen, der europaweiten Markenschutz als Bildmarke genießt. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine in Spanien ansässige Herstellerin von Sportschuhen, die ihre Produkte über eine eigene Internetseite auch nach Deutschland vertreibt, darunter auch drei Schuhmodelle mit verschiedenen Streifengestaltungen. PUMA sieht hierin eine Verletzung ihrer Markenrechte und hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens beantragt, der Antragsgegnerin das Angebot, den Vertrieb und die Bewerbung der drei Schuhmodelle im Gebiet der Europäischen Union zu untersagen. Nachdem das Landgericht Düsseldorf zunächst am 08.05.2024 eine entsprechende einstweilige Verfügung – jedoch nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – erlassen hatte, hob es diese Beschlussverfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urteil vom 18.03.2025, Az. 37 O 35/24, wieder auf. Zur Begründung führte das Landgericht aus, es liege schon keine markenmäßige Benutzung und jedenfalls keine Verwechslungsgefahr vor. Eine sofortige Beschwerde gegen die Teilabweisung ihres Antrags – im Hinblick auf die unionsweite Untersagung – legte PUMA nicht ein. Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt PUMA ihren Antrag auf Erlass eines unionsweiten Vertriebsverbots der drei Schuhmodelle weiter. Der 20. Zivilsenat hat mit seiner heute verkündeten Entscheidung das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18.03.2025 teilweise abgeändert und die Beschlussverfügung vom 08.05.2024 hinsichtlich zwei der drei angegriffenen Streifengestaltungen bestätigt. Zur Begründung führt der Senat aus, der Antrag sei zulässig, soweit er sich auf ein Verbot für die Bundesrepublik Deutschland richte. Der Senat sei gemäß Art. 131 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 125 Abs. 4 lit. b UMV zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen international zuständig, da sich die Antragsgegnerin rügelos – mangels erneuter Rüge im Berufungsverfahren – auf das Verfahren eingelassen habe (Art. 26 Brüssel la-VO). Die einstweilige Verfügung könne jedoch nicht unionsweit, sondern nur für die Bundesrepublik Deutschland erlassen werden. Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 08.05.2024 sei insoweit rechtskräftig geworden, da sich PUMA nicht mit einer sofortigen Beschwerde dagegen gewehrt habe, dass das Landgericht ein unionsweites Verbot zurückgewiesen habe. Soweit sich PUMA gegen die Streifengestaltung auf zwei Schuhmodellen wende, sei ihr Antrag begründet und der Antragsgegnerin eine entsprechende Verwendung zu untersagen. Denn diese verletze die Markenrechte von PUMA aus ihrer Unionsbildmarke , Registernummer 008461469, die unter anderem für Schuhe eingetragen ist ("Verfügungsmarke"). Zwischen der Verfügungsmarke und den angegriffenen Streifengestaltungen bestehe auch Verwechslungsgefahr. Die Kennzeichnungskraft der Bildmarke habe durch ihre Bekanntheit eine erhebliche Steigerung erfahren und die verwendeten Zeichen seien sich aufgrund ihres Gesamteindrucks ausreichend ähnlich. So steigen sowohl die Verfügungsmarke als auch die Streifen auf den Schuhen von links unten nach rechts oben an, wobei der Anstiegswinkel in allen drei Fällen in etwa 15 Grad betrügen. Dabei verjüngten sich sowohl die Verfügungsmarke als auch zwei der drei angegriffenen Streifengestaltungen in ihrem Verlauf von links unten nach rechts oben. Soweit die Streifen auf den Schuhen zwei Unterbrechungen aufwiesen, werde hierdurch der Eindruck eines durchgehenden Streifens nicht maßgeblich beeinträchtigt. Die Antragsgegnerin habe die zwei Streifengestaltungen auch markenmäßig verwendet, da in diesen – wie bei Sportschuhen üblich – ein Hinweis auf die Herkunft aus dem Unternehmen der Antragstellerin zu sehen sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Schuhmodelle der Antragsgegnerin sichtbar mit ihrem Namen gekennzeichnet seien. Dabei könne es sich aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers auch um eine Zweitmarke oder Modellbezeichnung handeln. Bezüglich der dritten angegriffenen Streifengestaltung hat die Berufung jedoch keinen Erfolg, da der Senat von keiner für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichenden Zeichenähnlichkeit ausgeht. Im Gegensatz zu den anderen beiden Streifengestaltungen fehle es an dem für den Gesamteindruck zentralen Element eines durchgehenden Streifens, da der Schuh vielmehr zwei Streifenelemente aufweise. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Aktenzeichen: I-20 U 35/25 Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf v. 25.09.2025
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3.
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OLG Karlsruhe: Irreführende Online-Werbung eines Goldhändlers
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Die Online-Werbung eines Goldhändlers ("Bestellungen über 2.000 € sind bei uns nicht meldepflichtig!") ist irreführend, weil dadurch der falsche Eindruck erweckt wird, es gibt eine entsprechende gesetzliche Meldepflicht (OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.09.2025 - Az.: 14 U 72/25). Der verklagte Edelmetall-Händler warb in seinem Online-Shop wie folgt: "Bestellungen über 2.000 EUR sind bei uns nicht meldepflichtig! Bei uns können Sie auch größere Bestehungen über 2 000€ ganz einfach und diskret online abwickeln. Im Gegensatz zu Barkäufen im stationären Handel unterliegen Online-Bestellungen nämlich nicht der gesetzlichen Meldepflicht. Das bedeutet für Sie: - Kein bürokratischer Aufwand oder Papierkram - Keine Meldung ans Finanzamt - Volle Diskretion und Anonymität - Schnelle, unkomplizierte Kaufabwicklung Nutzen Sie jetzt diese Vorteile und kaufen Sie Ihre Wunsch-Edelmetalle bequem und sicher in unserem Online-Shop - auch bei höheren Bestellwerten über 2.000 EUR."
Das OLG Karlsruhe stufte dies als Täuschung der Verbraucher ein und bejahte einen Wettbewerbsverstoß. Denn es gebe keine gesetzliche Meldepflicht für Bargeldzahlungen ab 2.000,- EUR, weder im stationären Handel noch online. Die Werbung vermittle jedoch den fehlerhaften Eindruck, dass nur beim Einkauf vor Ort eine Meldung ans Finanzamt notwendig sei, nicht aber im Online-Shop. Damit werde ein rechtlicher Vorteil behauptet, der in Wirklichkeit nicht existiere. Dies sei eine unzutreffende Tatsachenbehauptung, die geeignet sei, Verbraucher zu täuschen. Auch wenn es im stationären Handel bei Bargeschäften über 2.000,- EUR bestimmte Pflichten zur Identitätsprüfung gebe, bedeute dies nicht automatisch eine Meldepflicht. Eine solche bestehe nur bei konkretem Verdacht auf Geldwäsche, unabhängig vom Betrag oder der Zahlungsart. Die Aussage sei daher geeignet, Kunden vom stationären Handel abzuhalten und sie fälschlicherweise zum Onlinekauf zu bewegen: "Diese Behauptung über die Rechtslage ist schlicht falsch, weil das Gesetz eine derartige Meldepflicht auch bei den genannten Bargeschäften nicht kennt, die Meldepflicht vielmehr von ganz anderen Voraussetzungen abhängig macht. (…) Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die – unzutreffende – Vorstellung, eine Bazahlung über mindestens 2.000 € im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Edelmetallszöge zwangsläufig eine Meldung gegenüber dem Finanzamt nach sich, die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen geeignet ist. Schon die infolge einer Meldung gegenüber den Finanzbehörden eröffnete Möglichkeit „lästiger“ behördlicher Nachfragen ist zur Überzeugung des Senats geeignet, jedenfalls einen nicht unerheblichen Teil der Marktteilnehmer zu einer einer Bestellung im Internet zu motivieren, wenn in diesem Fall derartige Risiken nicht bestehen."
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4.
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OLG Nürnberg: Irreführende Werbung eines Kosmetikstudios mit "Fachzentrum für medizinische Haarentfernung"
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Ein Kosmetikstudio darf nicht mit “Fachzentrum für medizinische Haarentfernung” für sich werben, wenn das Personal keine medizinische Ausbildung hat (OLG Nürnberg, Urt. v. 19.08.2025 - Az.: 3 U 562/25). Die Beklagte betrieb einen Salon für dauerhafte Haarentfernung und warb mit der Aussage “Fachzentrum für medizinische Haarentfernung” .
Die verwendeten Geräte waren zwar medizinisch klassifiziert, doch das Personal besaß aber keine medizinische Ausbildung. Das OLG Nürnberg stufte dies als Täuschung der Verbraucher ein. Zwar seien die verwendeten Geräte medizinisch zugelassen. Doch das eingesetzte Personal habe keine medizinischen Qualifikationen. Der Begriff “medizinisch” könne beim Verbraucher die Erwartung wecken, dass eine medizinisch fundierte Beratung und Behandlung erfolge. Diese Annahme werde durch den Begriff “Fachzentrum” noch verstärkt, weil er eine besondere Fachkompetenz suggeriere: "Der Senat kommt (…) zum Ergebnis, dass die Bezeichnung „Fachzentrum für medizinische Haarentfernung“ dann, wenn das eingesetzte Personal nicht über qualifizierte medizinische Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügt, irreführend i.S.v. § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 u. 3 UWG ist. Letzteres ist,(…) der Fall, weil sich die angesprochenen Verbraucher hinreichend konkrete Vorstellungen bilden, es würden Handlungen und Prüfungen vorgenommen, wie sie auch bei medizinischen Behandlungen durch einen Arzt, Heilpraktiker, Physiotherapeuten o.Ä. unternommen werden, wenn auch spezifiziert für den Bereich der Haut und Behaarung. (…) Zu bedenken ist hierbei jeweils, dass Verbraucher bei gesundheitsbezogenen Aussagen besonders schützenswert sind und daher strenge Anforderungen an Richtigkeit und Klarheit zu stellen sind (…). Gesundheitsbezogene Werbeaussagen sind dementsprechend der Erfahrung nach besonders wirksam; eine irreführende Werbung kann erhebliche Gefahren für die Gesundheit des einzelnen Kunden, aber auch der Allgemeinheit zur Folge haben."
Und weiter: “Der Senat, dessen Mitglieder Verbraucher sind und regelmäßig von Werbung für Waren oder Dienstleistungen aller Art angesprochen werden, erkennt eine Mehrzahl von Möglichkeiten, wie die Bezeichnung „medizinische Haarentfernung“, allein und in Kombination mit dem Begriff „Fachzentrum“, von Verbrauchern verstanden werden kann.”
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OLG Stuttgart: "LIDL Plus"-App mit Vorteilsprogramm ist rechtmäßig
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Der 6. Zivilsenat (Verbraucherrechtssenat) des Oberlandesgerichts Stuttgart hat heute in dem am 22. Juli 2025 mündlich verhandelten Verfahren die Klage abgewiesen. Die Beklagte bietet eine Lidl Plus App an, bei deren Nutzung Verbraucher Rabatte, personalisierte Produktinformationen, Teilnahmen an Sonderaktionen usw. erhalten. Dafür muss die angebotene App installiert werden, Kunden müssen dort persönliche Daten angeben. Außerdem müssen sie sich mit den Teilnahmebedingungen einverstanden erklären. Das ist ein online abrufbarer, 18 DiNA4-Seiten langer Text. Dort steht unter 4.1, die Teilnehme an Lidl Plus sei „kostenlos“ und unter 4.2 wird erläutert, welche Daten der Kunden erhoben, gespeichert und genutzt werden. Der klagende Verbraucherschutzverband meint, die Nutzung der App sei nicht kostenlos. Zwar müsse der Verbraucher kein Geld zahlen. Da er sich aber mit der Verwendung der Anmeldedaten und der beim weiteren Gebrauch der App erhobenen Daten einverstanden erkläre, bezahle er mit seinen Daten. Lidl dürfe deshalb nicht behaupten, die Nutzung der App sei kostenlos und sei außerdem gesetzlich verpflichtet, einen „Gesamtpreis“ anzugeben. Deswegen verklagt die Verbraucherzentrale Lidl nach den Vorschriften des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG). Nach der Entscheidung des 6. Zivilsenats ist die zulässige Klage unbegründet: Es ist nicht zu beanstanden, dass Lidl bei der Anmeldung keinen „Gesamtpreis“ angibt. Die Verpflichtung zur Angabe eines Gesamtpreises setzt voraus, dass überhaupt ein Preis zu entrichten ist. Einen solchen haben die Verbraucher bei der Nutzung der Lidl Plus App aber gerade nicht zu bezahlen. Das deutsche Gesetz und die zugrundeliegenden europäischen Normen verstehen einen „Preis“ ersichtlich als zu zahlenden Geldbetrag und nicht als irgendeine sonstige Gegenleistung. Mit der Verpflichtung des Unternehmers zur Angabe eines „Gesamtpreises“ sollen die Verbraucher vor versteckten Kosten, Abofallen usw. geschützt werden. Dass der Unternehmer eine nicht in Geld bestehende Gegenleistung als solche offenlegen und als „Gesamtpreis“ bezeichnen müsste, ist nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts weder vom deutschen noch vom europäischen Normgeber gewollt. Es ist auch nicht irreführend, dass Lidl die Nutzung der App in den Teilnahmebedingungen als „kostenlos“ bezeichnet. Der Begriff „kostenlos“ bringt lediglich und in zulässiger Weise zum Ausdruck – woran Lidl und die Verbraucher gleichermaßen ein Interesse haben –, dass die Verbraucher für die Nutzung der App und die erhofften Vorteile kein Geld bezahlen müssen. Dass Lidl bei der Anmeldung und Nutzung der App Daten der Verbraucher erhebt und diese in wirtschaftlicher Weise nutzt, steht ausdrücklich und in engem Zusammenhang mit dem Wort „kostenlos“ in den Nutzungsbedingungen. Die Bezeichnung als „kostenlos“ sehen nur diejenigen Verbraucher, die die Nutzungsbedingungen lesen. Wer die Nutzungsbedingungen liest, erfährt dort aber auch, welche Daten erhoben und von Lidl verwendet werden. Beim verständigen Leser entsteht daher nicht der Eindruck, „kostenlos“ bedeute, dass er als Nutzer keinerlei Gegenleistung erbringen müsse. Und wer die Nutzungsbedingungen nicht liest, der erfährt schon gar nichts von der als „kostenlos“ bezeichneten Nutzung. Der 6. Zivilsenat hat die Revision zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Oberlandesgericht Stuttgart - 6 UKl 2/25 Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 23.09.2025
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LG Halle: Überhöhte Preise für Smart-Meter-Einbau (hier: fast 900,- EUR) wettbewerbswidrig
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Nimmt ein Anbieter für den Einbau von Smart-Metern in Mietwohnungen-Einbau fast 900,- EUR, so verstößt dies gegen die gesetzlichen Regelungen und ist wettbewerbswidrig (LG Halle, Urt. v. 21.08.2025 - Az.: 8 O 17/25). Beklagte war die Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom GmbH. Der Netzbetreiber hatte auf seiner Webseite Preise für den freiwilligen Einbau intelligenter Stromzähler (sogenannter iMSys) veröffentlicht, die deutlich über den gesetzlich erlaubten Höchstbeträgen lagen. Die Beträge bewegten sich zwischen 644,- und 884,- EUR. Laut Gesetz waren jedoch maximal 30 EUR (nach alter Regelung) bzw. 100,- EUR (nach neuer Regelung) erlaubt. In der Preisangabe liege ein klarer Verstoß gegen das Messstellenbetriebsgesetz. Dieses Gesetz diene auch dem Verbraucherschutz, da es die Preisgestaltung bei der freiwilligen Ausstattung mit Smart Metern regele. Die Vorschrift solle Verbraucher vor überhöhten Kosten schützen und die Nachfrage fördern. Die von der Beklagten verlangten Beträge seien "unangemessen", da sie weit über den gesetzlich vermuteten Höchstbeträgen lägen. Die Tatsache, dass der Netzbetreiber wenige Wochen später ein neues Preisblatt mit stark reduzierten Kosten veröffentlicht habe, zeige zusätzlich, dass die alten Preise nicht gerechtfertigt gewesen seien. . Eine Irreführung der Verbraucher sei ebenfalls gegeben, da der Eindruck erweckt wurde, die hohen Preise seien zulässig. "Die Beklagte hat mit ihrem Preisblatt (…) vom 01.01.2025 gegen § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MsbG a.F. verstoßen, indem sie für die vorzeitige Ausstattung mit einem iMSys statt 30,- EUR knapp 650,- EUR bzw. knapp 900,- EUR verlangte.(…) Die Angemessenheit des Höchstbetrages von 30,- EUR wird gern. S. 2 vermutet. Diese gesetzliche Vermutung vermochte die Beklagte nicht zu widerlegen (§ 292 ZPO). Sie hat bereits nicht näher dargelegt, wie sich ihre Preise nach dem Preisblatt vom 01.01.2025 im einzelnen zusammensetzen, d.h. welche Kosten sic für die einmalige Ausstattung mit einem iMSys konkret kalkuliert hat. Gegen die Angemessenheit ihrer vormalig geforderten Preise spricht aber vor allem, daß sie bereits ca. 2 Monate später ausweislich ihres neuen Preisblattes vom 25.02.2025 die einmaligen Einbaukosten nunmehr für knapp unter 100,-EUR anbieten kann. Damit belegt die Beklagte selbst die Unangemessenheit ihrer zuvor geforderten Beträge."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräfig.
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LAG Hamm: Arbeitgeber muss für dauerhafte Videoüberwachung 15.000,- EUR Schadensersatz an Mitarbeiter zahlen
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Ein Betrieb muss 15.000,- EUR Schadensersatz zahlen, weil ein Mitarbeiter fast zwei Jahre lang unzulässig per Video überwachte (LAG Hamm, Urt. v. 28.05.2025 – Az.: 18 SLa 959/24). Ein Produktionsmitarbeiter war in einem Stahlbetrieb tätig, in dem 34 Videokameras rund um die Uhr die Betriebsräume und Arbeitsplätze filmten. Auch der Bereich um seinen Arbeitsplatz wurde dauerhaft überwacht. Der Kläger fühlte sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte unter anderem auf Schadensersatz. Die Beklagte führte auf Sicherheitsgründe, Diebstahlsgefahr und Arbeitsschutz als Gründe für die Kameras an. Das LAG Hamm verurteilte den Arbeitgeber zu einem Schadensersatz iHv. 15.000,- EUR wegen der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers. In der fast zweijährigen Videoüberwachung liege ein schwerer und rechtswidriger Eingriff in die Rechte des Betroffenen vor. Weder § 26 BDSG noch die DSGVO rechtfertigten die Maßnahme. Der Kläger habe nicht wirksam eingewilligt, da keine freiwillige Zustimmung vorlag und eine klare Belehrung über ein Widerrufsrecht fehlte. Die Interessen des Arbeitgebers, etwa zur Diebstahlverhütung oder zur Arbeitssicherheit, rechtfertigten eine solche umfassende Überwachung keinesfalls. Die Kameras filmten fast lückenlos alle Arbeitsbereiche, ohne dass konkret dargelegt worden sei, wozu genau diese Überwachung notwendig gewesen sei. Der Kläger habe während der Arbeitszeit keine Möglichkeit gehabt, sich der Kameraüberwachung zu entziehen. Zudem hätten mehrere Personen innerhalb des Unternehmens jederzeit auf die Aufzeichnungen zugreifen können, da keine ausreichenden Schutzmaßnahmen getroffen worden seien, um die Daten zu sichern oder den Zugriff zu beschränken. Die Beklagte habe auch vorsätzlich und schuldhaft gehandelt und sich über geltendes Datenschutzrecht hinweggesetzt. Sie habe sich nicht vorab rechtlich beraten lassen und auch im laufenden Verfahren keine konkreten Pläne zur Änderung oder Einschränkung der Überwachung dargelegt. Verglichen mit anderen Entscheidungen, in denen Arbeitnehmern für kürzere und weniger intensive Überwachungen Entschädigungen von 2.000,- EUR bis 7.000,- EUR zugesprochen worden seien, sei die hier ausgesprochene Summe von 15.000,- EUR gerechtfertigt. Die besonders lange Dauer, der umfassende Umfang der Überwachung und der psychische Druck, dem der Kläger über Monate ausgesetzt war, rechtfertigten einen entsprechend höheren Betrag: "Unter Berücksichtigung der Geldentwertung und des nicht geringen Verschuldens der Beklagten ist im Streitfall eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000,00 € angemessen. Die Beklagte hat sich in eklatanter Weise über die Vorgaben des Datenschutzrechts hinweggesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass sie hätte glauben dürfen, ihr Vorgehen seien rechtmäßig, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte nicht vorgebracht, sich vor der Installation der Kameraüberwachungsanlage datenschutzrechtlich beraten lassen zu haben. Zudem handelt es sich angesichts der Dauer und Intensität der Überwachung um einen besonders schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers (…)."
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8.
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LG Hamburg: Kein unerlaubter Werbe-Anruf nach Treffen auf Geburtstagsfeier
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Erfolgt nach einem privaten Gespräch auf einer Geburtstagsfeier ein Telefonanruf unter früheren Kollegen und wird dort der neue Arbeitgeber thematisiert, liegt darin noch kein unerlaubter Werbeanruf (LG Hamburg, Urt. v. 06.03.2025 - Az.: 312 O 227/23). Die Klägerin, ein Immobilienunternehmen, gegen ein konkurrierendes Maklerunternehmen wegen eines angeblich unerlaubten Werbeanrufs vor. Streitpunkt war ein Telefonanruf eines früheren Mitarbeiters der Klägerin, der inzwischen bei der Beklagten arbeitete. Auf einer privaten Geburtstagsfeier traf der Ex-Kollege Angestellte der Klägerin und es wurden berufliche Themen besprochen. Dabei fiel auch der Satz "Man sieht sich immer zweimal im Leben”.
Wenige Tage später rief der neue Mitarbeiter seinen ehemaligen Kollegen an, um ihm das System seines neuen Arbeitgebers zu erläutern. Die Klägerin wertete dies als unzulässige Telefonwerbung und verlangte Unterlassung. Zu Unrecht, wie das LG Hamburg nun entschied. Denn es handle sich nicht um einen Cold Call. In dem Anruf liege keine unzumutbare Belästigung im Sinne des Wettbewerbsrechts. Zwar bedürfe es für den Anruf einer (zumindest mutmaßlichen) Einwilligung. Eine solche habe vorgelegen, da zuvor ein persönliches Gespräch auf einer privaten Feier gegeben habe, bei dem auch berufliche Themen besprochen worden seien. Die Aussage “Man sieht sich immer zweimal im Leben” habe der Ex-Kollege als Zeichen von Offenheit für weitere Gespräche deuten dürfen. Zudem habe der Angerufene während des Anrufs zugehört und das Gespräch nicht sofort beendet. Allein der berufliche Inhalt reiche nicht aus, um den Anruf als unzumutbare Werbung zu werten: "Für den Anruf (…) konnte (…) die Beklagte sich auf eine mutmaßliche Einwilligung des Angerufenen beziehen. Diese ergab sich aus dem Gespräch mit Herrn R.- O1 auf der privaten Geburtstagsfeier von Frau E., Prokuristin der Klägerin, auf der aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Klägerin, zusammengekommen waren, und auch über Berufliches gesprochen hatten. Die Klägerin selbst hat in der Schilderung von Herrn R.- O1 eine Kurzbeschreibung des Gesprächs vorgelegt, in der über die berufliche Perspektive von Herrn von C., den Umstand, dass seine Familie noch immer in F. wohne, und die Äußerung von Herrn R.- O1, man sehe sich immer zweimal im Leben berichtet wird. Aufgrund dieses Gesprächs und wegen der Äußerung, man sehe sich immer zweimal im Leben, durfte Herr von C. davon ausgehen, dass Herr R.- O1 ein Interesse an einem Gespräch über die Beklagte haben würde."
Und weiter: "Von einer mutmaßlichen Einwilligung ist auszugehen, wenn der Anrufer aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände davon ausgehen durfte, dass der Umworbene ein sachliches Interesse an der telefonischen Werbebotschaft haben werde (…). Maßgeblich ist die Einzelfallbetrachtung. Ob es den von Beklagtenseite wahrgenommenen, aber streitigen „tiefen Blick“ gegeben hat, kann dahinstehen, weil jedenfalls schon der unstreitige Gesprächsgegenstand als mutmaßliche Einwilligung aufgenommen werden durfte."
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VG Hannover: Klage gegen die Aufstellung von gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen abgewiesen
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Die 7. Kammer hat nach der mündlichen Verhandlung vom heutigen Tag die Klage eines Bürgers gegen die Umrüstung von insgesamt 14 Ampelanlagen an drei Verkehrspunkten in der Stadt Hildesheim abgewiesen. Die Klage, die das Gericht als allgemeine Leistungsklage einordnete, sei schon unzulässig. Die Voraussetzung der Klagebefugnis sei nicht gegeben. Im Rahmen der Klagebefugnis müsse der Kläger eine Verletzung eigener Rechte geltend machen, wobei die bloße Möglichkeit einer Verletzung ausreiche. Diese Möglichkeit hat die Kammer schon nicht erkannt. Die vom Kläger geltend gemachte Ungleichbehandlung aufgrund seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung nach Art. 3 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Grundgesetz (GG) habe das Gericht nicht erblicken können, weil die Vielfaltsampeln auch Männer und heterosexuelle Paare abbildeten. Auch die Verletzung seiner sexuellen Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 GG habe das Gericht nicht erkennen können, weil die Ampelzeichen Pärchen in vielfältiger Weise (in der Konstellation Mann-Frau, Frau-Frau, Mann-Mann) zeigten und die Installationen keine – über die Befolgung des Regelungsgehalts der Lichtzeichen hinausgehenden – Rechte oder Pflichten für die Betrachter begründeten. Die Verletzung des Erziehungsrechts des Klägers aus Art. 6 Abs. 2 GG sah die Kammer ebenfalls nicht. Die Abbildung vielfältiger Paar-Konstellationen sei die gesellschaftliche Realität, mit der die Kinder auch unabhängig von den Ampelzeichen konfrontiert seien und die im Übrigen hinzunehmen sei. Einen Verstoß gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung könne der Kläger nicht geltend machen, weil die maßgeblichen Vorschriften nicht drittschützend seien. Der Kläger könne aus den einschlägigen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung keine individuellen Schutzansprüche herleiten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger hat die Möglichkeit, einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu stellen. Az. 7 A 4883/23 Anmerkung: Der Kläger führt außerdem in seiner Funktion als Ratsherr ein gegen den (die vielfältigen Ampelpärchen ermöglichenden) Ratsbeschluss der Stadt Hildesheim gerichtetes Verfahren, welches in der 1. Kammer des Gerichts anhängig ist (Az. 1 A 4050/23). Ein Termin zur mündlichen Verhandlung wurde noch nicht bestimmt. Quelle: Pressemitteilung des VG Hannover v 23.09.2025
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LG München I: GEMA ./. OpenAI: Urheberrechtsverletzung von ChatGPT durch Nutzung von Liedtexten?
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Die auf das Urheberrecht spezialisierte 42. Zivilkammer hat heute die Klage einer Verwertungsgesellschaft gegen zwei Gesellschaften eines führenden Anbieters von Systemen generativer künstlicher Intelligenz (KI) verhandelt (Aktenzeichen 42 O 14139/24). Die Klägerin wirft den Beklagten im Rahmen ihrer Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzklage Urheberrechtsverletzungen vor. Diese werden nach Auffassung der Klägerin durch die Antworten (Ausgaben) des KI-Chatbots der Beklagten, die auf Anfragen der Nutzer (Prompts) folgen, sowie durch Vervielfältigungen in dem dem KI-Chatbot zu Grunde liegenden Sprachmodell (Large Language Model), begangen. Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft und macht in dem vorliegenden Verfahren Ansprüche von Liedtexterinnen und Liedtextern neun bekannter deutscher Liedtexte geltend. Unstreitig wurde das seitens der Beklagten entwickelte Large Language Model mit den streitgegenständlichen neun Liedtexten trainiert. Auf einfache Prompts gab der KI-Chatbot 2024 die Liedtexte in weiten Teilen als Ausgaben originalgetreu wieder. Die Klägerin behauptet, die Ausgabe der Liedtexte würde belegen, dass die streitgegenständlichen Liedtexte im Sprachmodell der Beklagten memorisiert seien. Dies stelle eine unzulässige Vervielfältigung der Liedtexte im Modell im Sinne des Urheberrechts durch die Beklagten dar. Durch die Ausgabe der Texte im Chatbot komme es dann noch zu weiteren Rechtsverletzungen. Die Beklagten widersprechen dem. Das Modell speichere oder kopiere keine spezifischen Trainingsdaten, sondern reflektiere in seinen Parametern, was es basierend auf dem gesamten Trainingsdatensatz erlernt habe. Das Sprachmodell generiere die Ausgaben ausschließlich im Wege einer „sequenziell-analytisch, iterativ-probabilistischen Synthese“. Bei dem Modell handele es sich nicht um eine Datenbank, in der Trainingsdaten hinterlegt seien, die infolge einer Eingabe eines Nutzers gesucht, aufgefunden und anschließend ausgegeben würden. Sie vertreten zudem die Rechtsansicht, dass im Hinblick auf die Ausgaben des KI-Chatbots nicht die Beklagten, sondern der jeweilige Nutzer Hersteller der Ausgabe und somit verantwortlich für diese sei. Eventuelle Rechtseingriffe seien zudem ohnehin durch die Schranken des Urheberrechts, insbesondere die Schranke des sogenannten Text- und Data-Mining gerechtfertigt. Im Rahmen der heutigen mündlichen Verhandlung hat die Kammer mit den Parteien die Sach- und Rechtslage intensiv diskutiert. Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmte die Kammer auf 11.11.2025, 10:00 Uhr, Sitzungssaal 270 im Justizpalast. Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 29.09.2025
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