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Die einzelnen News
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BVerfG: Verfassungsbeschwerde erfolglos: YouTuber bleibt wegen Beleidigung verurteilt
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Ein YouTuber scheitert mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung (BVerfG, Beschl. v. 09.06.2025 - Az.: 1 BvR 2721/24). Ein bekannter YouTuber mit knapp 600.000 Abonnenten veröffentlichte satirisch gemeinte Videos, in denen er drei deutsche Politikerinnen beleidigte. In zwei Fällen waren Ausschnitte zu hören, in denen jemand rief: „Ey, Du kleine Fotze!“.
Im dritten Fall bezeichnete der YouTuber eine Politikerin als „aufgedunsene Dampfnudel“.
Die betroffenen Frauen waren jeweils zuvor im Video zu sehen. Der YouTuber berief sich auf Kunst- und Meinungsfreiheit und betrachtete seine Aussagen als satirische Kritik. Das AG Detmold verurteilte ihn wegen Beleidigung. Das LG Detmold wies die Berufung zurück. Das OLG Hamm verwarf seine Revision. Daraufhin legte der YouTuber Verfassungsbeschwerde ein. Das BVerfG nahm die Beschwerde jedoch nicht zur Entscheidung an. Es sei keine ausreichende Begründung vorgetragen worden, die belege, dass Grundrechte des YouTubers verletzt worden seien. Insbesondere sei nicht klar gemacht worden, warum seine Äußerungen als durch die Kunst- oder Meinungsfreiheit geschützt gelten müssten. Zwar könne Satire unter Schutz stehen, aber selbst bei Annahme eines Kunstwerks sei nicht überzeugend dargelegt worden, warum die Verurteilung nicht gerechtfertigt sei. Zudem habe das Landgericht die Aussagen nicht nur als Schmähkritik eingestuft, sondern auch hilfsweise abgewogen und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Politikerinnen überwiege. Eine solche Bewertung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: "Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass das Landgericht fälschlicherweise vom Vorliegen von Schmähkritik (…) ausgegangen ist. bb) Darüber hinaus hat sich der Beschwerdeführer nicht inhaltlich damit auseinandergesetzt, dass das Landgericht zumindest eine hilfsweise Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der betroffenen Politikerinnen durchgeführt hat und es deswegen nicht darauf ankommt, ob eine Schmähkritik, die eine Abwägung entbehrlich machen würde, vorliegt. Weshalb die hilfsweise Abwägung verfassungsrechtlichen Anforderung nicht genügen sollte, legt die Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend dar (…)."
Und weiter: “cc) Soweit der Beschwerdeführer einen Widerspruch zwischen der Annahme einer Schmähkritik einerseits und einer hilfsweisen Abwägung anderseits rügt, setzt er sich nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinander, nach der die gerichtliche Feststellung einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik eine - hilfsweise - Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten nach den konkreten Umständen des Falles nicht ausschließt (…)”
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2.
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KG Berlin: Doch kein Zwang zur Nutzung des Digital Services Act (DSA)-Meldeverfahrens
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Betroffene von Rechtsverletzungen, die Ansprüche gegen einen Hostinganbieter geltend machen möchten, müssen nicht zwingend das Meldeverfahren nach dem Digital Services Act (DSA) einhalten, sondern können auch auf anderem Weg (z.B. per E-Mail) die Plattform kontaktieren (KG Berlin, Beschl. v. 25.08.2025 - Az.: 10 W 70/25). In dem zugrundeliegenden Fall wollte der klägerische Gastronomiebetrieb erreichen, dass bestimmte Online-Bewertungen über sein Restaurant entfernt werden. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung richtete sich gegen die Plattformbetreiberin als Hostdienstleisterin. Das LG Berlin lehnte das Begehren in der Vorinstanz ab, weil der Anspruch nicht über das DSA-Meldeverfahren der Plattform eingebracht worden war, sondern auf anderem Weg, vgl. unsere Kanzlei-News v. 22.08.2025. In der Rechtsmittelinstanz hat das KG Berlin diese Entscheidung aufgehoben und klargestellt, dass es einen solchen Zwang nicht gebe. Betroffene seien nicht verpflichtet, das DSA-Meldeprozdere, das die Plattform anbiete, zu benutzen. Die Verordnung verpflichte nur die Plattformen, ein solches Verfahren bereitzustellen. Ein Zwang für Nutzer, dieses Verfahren auch tatsächlich zu nutzen, bestünde hingegen nicht. Andere Formen der Meldung, etwa per E-Mail oder oder Briefpost, seien nicht grundsätzlich unzulässig. Auch sie könnten geeignet sein, die Plattform in zumutbarer Weise über eine Rechtsverletzung zu informieren. Dabei trage der Nutzer lediglich das Risiko, dass eine unpräzise Meldung eventuell nicht ausreiche, um eine tatsächliche Kenntnis der Plattform im Sinne des Gesetzes zu begründen. Das KG Berlin wies zudem darauf hin, dass der DSA im Sinne des Verbraucherschutzes weit auszulegen sei und keine unnötigen Hürden für Nutzer schaffen wolle. Das Gericht hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das LG Berlin: "Die Antragsgegnerin war für die Wahrung ihrer Rechte nicht gezwungen, ein von der Antragsgegnerin nach Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Digital Services Act, im Folgenden "DSA") eingerichtetes Verfahren zu nutzen."
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LG Berlin II: Bekannter Synchronsprecher bekommt wegen geklonter KI-Stimme Schadensersatz
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Manfred Lehmann, einer der bekanntesten Synchronsprecher Deutschlands, hat vor dem LG Berlin II feststellen lassen, dass eine geklonte KI-Stimme sein Recht an der eigenen Stimme verletzt und er einen Anspruch auf Schadensersatz (hier: 4.000,- EUR) hat (LG Berlin, Urt. v. 20.08.2025 - Az.: 2 O 202/24). Der Sprecher klagte gegen den Betreiber eines YouTube-Kanals. Dieser hatte zwei Videos mit einer KI-generierten Stimme veröffentlicht, die stark der Stimme des Klägers ähnelte. In den Videos wurde satirisch die frühere Bundesregierung kritisiert und am Ende der Online-Shop des Beklagten beworben. Der Kläger sah darin einen Verstoß gegen sein Recht an der eigenen Stimme und verlangte Schadensersatz sowie Erstattung seiner Anwaltskosten. Das LG Berlin sprach dem Kläger beides zu. 1. Verletzung des "Rechts an der eigenen Stimme": Die genutzte KI-Stimme sei eine bewusste Nachahmung der bekannten Synchronstimme des Klägers. Ein großer Teil des Publikums könne glauben, der Kläger selbst habe gesprochen. Damit liege ein Eingriff in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht vor. Auch wenn es sich um Satire handelte, sei die Stimme nicht zur Auseinandersetzung mit dem Kläger genutzt worden, sondern um Aufmerksamkeit für die Videos und damit auch für den angeschlossenen Webshop zu erzeugen. Die Stimme sei also kommerziell eingesetzt worden. Zudem habe der Kläger nie in die Verwendung seiner Stimme eingewilligt. Weder gegenüber dem KI-Anbieter noch dem Beklagten. Es könne der Eindruck entstehen, dass der Kläger die politischen Inhalte und Produkte des Beklagten unterstütze, was sein öffentliches Ansehen schädigen könne. Auch habe eine Kennzeichnung als KI-Stimme gefehlt. Die Meinungs- und Kunstfreiheit des Beklagten trete hinter dem Schutzinteresse des Klägers zurück, da die Stimme rein wirtschaftlichen Zwecken diene. 2. Schadensersatz iHv. 4.000,- EUR: Die 4.000 ,- EUR Schadensersatz ergeben sich aus einer fiktiven Lizenzgebühr von jeweils 2.000,- EUR pro Video. Das Gericht habe diesen Betrag geschätzt, weil der Kläger üblicherweise vergleichbare Honorare für Werbevertonungen erhalte. Es sei berücksichtigt worden, dass der YouTube-Kanal des Beklagten 190.000 Abonnenten habe, die Stimme des Klägers besonders bekannt sei und keine zeitliche Begrenzung der Nutzung vorgelegen habe. Ein Zeuge aus der Agentur des Klägers habe zudem bestätigt, dass 2.000 ,- EUR pro Clip ein realistisches Mindesthonorar darstellen würden: "Der Beklagte hat in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts an der eigenen Stimme des Klägers eingegriffen. (…) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht an der eigenen Stimme umfasst, auch wenn es - anders als der Bildnisschutz gemäß §§ 22ff. KUG - spezialgesetzlich nicht geregelt ist. Die Intensität der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung steht der durch Bild und Namensverwendung bei der Verwendung einer bekannten Stimme zu Werbezwecken in nichts nach (…). In dieses Recht hat der Beklagte dadurch eingegriffen, dass er eine Kl-erzeugte Stimme des Klägers genutzt hat, um von ihm hergestellte Videos zu vertonen und anschließend zu verbreiten. Natürlich handelte sich dabei nicht um „die“ Stimme des Klägers, sondern einer von einer Kl erzeugten Nachahmung dieser Stimme. Insofern ist die Frage eines Eingriffs aber nicht anders zu beurteilen, als wenn die Nachahmung durch einen Stimmenimitator erfolgt wäre."
Und weiter: “Die fiktive Lizenzgebühr, die von dem Beklagten als Wertersatz für die eingetretene Bereicherung zu leisten ist, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit jeweils 2.000 € pro Videoclip zu bemessen.”
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LG Berlin II: Rechtsmissbrauch bei Anspruch gegen Bewertungsportal, wenn Bewertender leicht identifizierbar
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Ein Unternehmen hat keinen Anspruch gegen ein Bewertungsportal auf das pauschale Löschen von Bewertungen, wenn es die Identität des Verfassers auf einfache Weise selbst feststellen kann (LG Berlin II, Beschl. v. 13.05.2025 - Az.: 2 O 318/24). In dem vorliegenden Fall wollte eine Firma eine negative Bewertung auf einem Online-Portal löschen lassen. Sie behauptete, es habe nie einen geschäftlichen Kontakt mit dem Bewertenden gegeben. In der Bewertung waren jedoch mehrere konkrete Daten wie Vorname, Datum und Höhe einer Zahlung sowie der Zeitpunkt eines Telefonats angegeben. Somit hätte sich die Identität des Nutzers relativ leicht aus internen Daten prüfen lassen. Das LG Berlin stufte ein solches Vorgehen der Kläger als klar rechtsmissbräuchlich ein: "Darüber hinaus sieht die Kammer im vorliegenden Fall auch die Grenze des Rechtsmissbrauchs im Sinne der Hotelbewertungsportal-Rechtsprechung des BGH erreicht. Nach der Rechtsprechung des BGH, der die Kammer folgt, ist der Bewertete bei der Rüge des fehlenden geschäftlichen Kontaktes nicht gehalten, diese näher zu begründen, selbst wenn in der Bewertung für einen Gästekontakt sprechen; etwas anderes gilt nur, wenn sich die Identität des Bewertenden aus der Bewertung unmittelbar ergibt oder die Rüge rechtsmissbräuchlich erhoben wird (BGH, Urt. v. 9. 8. 2022 – VI ZR 1244/20, NJW 2022, 3072, 3075 Rn. 37 – Hotelbewertungsportal). Hier ist dem Kläger zuzugeben, dass aus der Bewertung selbst die Identität der Bewertenden nicht unmittelbar hervortrat, weil dies erst einen Abgleich mit internen Daten des Klägers erfordert. Die Kammer sieht die Rüge des fehlenden geschäftlichen Kontakts allerdings im konkreten Fall als rechtsmissbräuchlich an. Aus der Bewertung waren der Vorname der Bewertenden, das Datum der Guthabenaufbuchung, die Höhe der Aufbuchung, das Datum des Telefonats und das Datum und die Uhrzeit der Pay-Pal-Abbuchung genau bezeichnet. Ist hiernach die Ermittlung des geschäftlichen Kontaktes durch einen einfachen Abgleich sicher und zuverlässig möglich, muss der Kläger diesen einfacheren Weg ergreifen, bevor er gegenüber der Beklagten den geschäftlichen Kontakt beanstandet."
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LG Berlin II: CO₂-Einsparungen bei Google Flights irreführend dargestellt
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Google Flights handelt irreführend, bei Flügen mit Emissionsangaben zu werben, ohne in ausreichender Form darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Informationen um bloße Schätzungen handelt (LG Berlin II, Urt. v. 25.03.2025 - Az.: 15 O 349/24). Bei der Darstellung von Flügen warb Google Flights mit Emissionseinsparungen, etwa durch Hinweise wie “30 % weniger Emissionen“ oder durch optisch hervorgehobene Darstellungen. Dadurch entstand bei den Verbrauchern der Eindruck, dass bestimmte Flüge deutlich klimafreundlicher waren als andere. Tatsächlich basierten die Werte jedoch auf Schätzungen oder Berechnungen, die für Verbraucher weder nachvollziehbar noch überprüfbar waren. Google erläuterte nicht, auf welcher Berechnungsgrundlage die Werte beruhten. Das LG Berlin stufte diese Werbung als irreführend ein. Die Angaben seien für den durchschnittlichen Verbraucher nicht hinreichend verständlich und konkret. Ohne eine klare Erläuterung, wie die Einsparwerte zustande kämen, könnten Nutzer die Aussagekraft der Hinweise nicht beurteilen. Damit bestünde die Gefahr, dass sie bei der Flugbuchung in die Irre geführt würden. Zum Beispiel könnten sie annehmen, sie entschieden sich für einen klimafreundlicheren Flug. Werbung mit Umweltaspekten müsse besonders transparent und nachvollziehbar sein, um keine Fehlvorstellungen hervorzurufen: "Die Beklagte täuscht Verbraucher durch die Darstellung verminderter Emissionen, beispielsweise auf dem Flug von Frankfurt nach Paris am 19. März 2024 um 06:40, mit der Angabe „-31 % Emission“. Zur Vermeidung einer Täuschung wäre ein unmissverständlicher und sofort wahrnehmbarer Hinweis darauf erforderlich gewesen, dass es sich bei der Angabe der Emissionen oder der Emissionsersparnis lediglich um einen Schätzwert handelt. Alleine die Beifügung des Wortes „geschätzt“ vor der Angabe der Emissionsersparnis wäre wohl bereits ausreichend, um hinreichend und unmissverständlich auf die beschränkte Aussagekraft der Angaben hinzuweisen."
Und weiter: "Die Angabe von CO2-Äquivalenten ist vielmehr ein Bestandteil der eigenen Dienstleistung beim Vergleich verschiedener Flüge. Zwar werden die Fluggesellschaften durch die Suchmaschine der Beklagten sichtbar, was absatzfördernde Wirkung haben kann. Auf der anderen Seite sollen die Fluggesellschaften nach möglichst objektiven Kriterien miteinander verglichen werden. Außerdem werden gerade nicht gegen monetäre Vorteile günstigere Suchergebnisse versprochen. Suchergebnisse können auch negative Wirkung haben, insbesondere wenn man im Vergleich zur Konkurrenz teurer ist oder einen höheren CO2 Ausstoß prognostiziert bekommt. Auch eine Eigenwerbung liegt in den Angaben nicht. Es handelt sich bei dem Vergleich nicht um die Bewerbung eines Angebots der Beklagten, sondern um ihr Angebot selbst."
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6.
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LG Frankfurt a.M.: Apple Watch darf nicht mit der Aussage "CO2-neutrales Produkt" beworben werden
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Der Apple-Konzern hat sein Produkt Apple Watch im Internet unter anderem wie folgt angeboten: „Die Apple Watch ist unser erstes CO2 neutrales Produkt.“ Gegen diese Werbung hat die Deutsche Umwelthilfe e.V. vor dem Landgericht Frankfurt am Main geklagt. Die für Wettbewerbssachen zuständige 6. Kammer für Handelssachen hat heute entschieden, dass Apple diese Art der Werbung zu unterlassen hat. Sie sei irreführend und verstoße gegen das Wettbewerbsrecht (§ 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG). Ob eine Werbung irreführend sei, hänge davon ab, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorrufe, also hier Verbrauchern als potentiellen Käufern der Apple Watch. Die Vorsitzende der Kammer erklärte in ihrer Urteilsbegründung: „Die Verbrauchersicht ist geprägt durch das allgemein bekannte, von der Europäischen Union unterzeichnete Pariser Übereinkommen von 2015. Danach dürfen zur Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts nicht mehr klimaschädliche Gase ausgestoßen werden, als der Atmosphäre durch ein Senken des Kohlenstoffdioxids – etwa mit Wäldern – entzogen werden.“ Verbraucher würden daher davon ausgehen, dass bei der beworbenen Apple Watch eine CO2-Kompensation bis etwa in das Jahr 2050 gesichert sei. Apple hatte sich darauf berufen, zum CO2-Ausgleich ein Waldprojekt in Paraguay zu betreiben. Es handele sich um Eukalyptus-Plantagen auf angepachteten Grundstücken. In ihrem heutigen Urteil erkannte die Kammer jedoch, dass diese Pachtverträge in Bezug auf 75 % der Projektfläche nur bis 2029 bestünden. Eine CO2-Kompensation sei daher lediglich bis zum Jahr 2029 gewährleistet. Apple habe nicht nachweisen können, dass sämtliche Pachtverträge verlängert würden. Eine gesicherte Perspektive für die Fortsetzung des Waldprojekts bestehe nicht. Apple hatte weiter erklärt, die Unwägbarkeit der Pachtverlängerungen mit einem sog. Verra-Pufferkonto nach VCS-Standards abgesichert zu haben. Dazu stellte die Kammer fest, im Fall der Nichtverlängerung der Pachtverträge ermöglichten die VCS-Standards Apple unter anderem bloß die weitere Überwachung des Waldprojekts. „Die Möglichkeit, den entfernten Teil des Projektgebiets für die verbleibende Laufzeit lediglich zu überwachen und erst im Fall des Verlusts den Mechanismus des Pufferkontos eingreifen zu lassen, stellt keine dem Fortbestand des Waldprojekts über das Jahr 2029 hinaus gleich geeignete Maßnahme zur Kompensation von CO2 dar.“ Keinen Erfolg hatte die Klage, soweit beanstandet worden war, das Logo „Carbon Neutral“ werde als Gütesiegel missverstanden. Die Gestaltung des Logos besitze nicht die Anmutung eines Gütesiegels. Das Logo werde von Verbrauchern nur als Erkennungszeichen dafür verstanden, ob das betreffende Produkt nach den Maßstäben von Apple als CO2-neutral eingeordnet werde. Der mit einem offiziellen Gütesiegel vermittelte Eindruck einer Gewähr für eine bestimmte Güte und Brauchbarkeit der Ware werde damit nicht geschaffen. Das Urteil (Aktenzeichen 3-06 O 8/24) ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden. Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt a.M. v. 26.08.2025
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LG Hamburg: Rechtsmissbrauch bei Anspruch gegen Bewertungsportal, wenn Bewertender bekannt ist
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Ein Unternehmen darf nicht einfach die Löschung einer Online-Bewertung verlangen, indem es einen geschäftlichen Kontakt abstreitet, obwohl es die Identität des Bewertenden kennt (LG Hamburg, Beschl. v. 26.06.2026 - Az.: 324 O 40/25). Im vorliegenden Fall wollte das klägerische Unternehmen eine negative Online-Bewertung von der Hosting-Plattform löschen lassen. Es bestritt, dass ein echter geschäftlicher Kontakt zum Bewertenden bestand. In der Bewertung waren der Klarnamen des Nutzers sowie genaue Informationen über eine Zahlung, ein Telefonat und eine PayPal-Abbuchung enthalten. Außerdem hatte die Klägerin den Nutzer vorher zweimal per E-Mail angeschrieben. Im Laufe der gerichtlichen Auseinandersetzung einigten sich die Parteien und erklärten den Rechtsstreit für erledigt. Das Gericht hatte nur noch über die Kosten der Auseinandersetzung nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die Richter auferlegten der Klägerseite die Kosten, da sie den Fall nach dem bisherigen Sachstand verloren hätte. Ein Anspruch auf Unterlassung wurde vom Gericht abgelehnt, weil die Beklagte, Betreiberin des Bewertungsportals, nicht als mittelbare Störerin gehaftet hätte. Zwar müsse ein Portal tätig werden, wenn ein Unternehmen behaupte, es habe keinen Kundenkontakt gegeben. Im vorliegenden Fall sei dies jedoch anders zu bewerten, da die Identität des Bewerters aus der Bewertung selbst hervorgehe. In einem solchen Fall müsse das Unternehmen genauer darlegen, warum kein Geschäftskontakt bestanden habe. Dies gelte insbesondere auch deswegen, weil die Klägerin diese Voraussetzungen nicht überzeugend habe darlegen können. Sie habe den Bewertenden bereits zweimal selbst per E-Mail kontaktiert. Damit sei ihr die Identität bekannt gewesen, was die Behauptung eines fehlenden Kontakts unglaubwürdig erscheinen lasse: "Grundsätzlich haftete die Antragsgegnerin als mittelbare Störerin bei der Verletzung reaktiver Prüfpflichten. Die Antragstellerin hat in Abrede genommen, dass es sich bei dem Bewertenden um einen echten Kunden handelt. Dies ist grundsätzlich hinreichend, um reaktive Prüfpflichten der Antragsgegnerin auszulösen. Etwas anderes ergibt sich jedoch, wenn sich der Klarname des Bewerters, also seine Identität, schon aus der Bewertung selbst ergibt. In einem solchen Fall bedarf es aufgrund der Vorbeugung von Rechtsmissbrauchs einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Geschäftskontakts."
Und weiter: "Diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht erfüllt. Der Bewerter hat die Bewertung unstreitig unter seinem Klarnamen abgegeben. Eine Überprüfung dessen wäre der Antragstellerin jederzeit möglich gewesen, gerade da sich aus den eingereichten Nachweisen der Antragsgegnerin ergibt, dass die Antragstellerin selbst zweimal Kontakt zum Bewerter per E-Mail aufgenommen hat, beide Kontaktversuche also von Seiten der Antragstellerin ausgegangen sind (…). Hieran ändert auch die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin nichts, sofern er versichert, „den Nutzenden (...) keinem tatsächlichen geschäftlichen Kontakt oder Interessenten zuordnen“ zu können (…) und sich nun herausstellt, dass der Bewerter (…) von Anfang an unter seinem Klarnamen agierte und von Seiten der Antragstellerin zweimal kontaktiert wurde, zumindest sein Name und E-Mail-Adresse der Antragstellerin also hätte bekannt sein müssen, da sie ihn sonst nicht von sich aus per E-Mail hätten kontaktieren können."
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LG Kassel: Online-Händler müssen bei Textilien über Material informieren
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Ein Onlinehändler muss vor dem Verkauf über das Material seiner Textilien informieren (LG Kassel, Urt. v. 27.03.2025 - Az.: 11 O 695/24). Ein Online-Shop bot Fanartikel wie Schals und Hoodies mit Vereinslogos an, machte dabei auf seiner Website jedoch keine Angaben zur Materialzusammensetzung. Der klägerische Wirtschaftsverband sah darin einen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten und klagte auf Unterlassung. Der Verkäufer wehrte sich mit dem Einwand, diese Details seien für die Kaufentscheidung nicht entscheidend. Das LG Kassel gab dem Verband Recht und verurteilte den Onlinehändler zur Unterlassung. Die Vorschriften der Textilkennzeichnungsverordnung verpflichteten Händler, Verbraucher bereits vor dem Kauf über die genaue Materialzusammensetzung zu informieren. Dies gelte auch für Onlineverkäufe. Diese Angaben seien wesentliche Informationen, die für eine informierte Kaufentscheidung notwendig seien. Der Einwand der Beklagten, die Information über das Material sei nicht kaufentscheidend, sei nicht überzeugend. "Nach Art. 16 I S. 1 TextilKennzVO sind, wenn ein Textilerzeugnis auf dem Markt bereitgestellt wird, die in Art. 5, Art. 7 - Art. 9 TextilKennzVO aufgeführten Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung anzugeben. Gemäß Art. 16 I S. 2 TextilKennzVO müssen diese Informationen für Verbraucher auch schon vor dem Kauf deutlich sichtbar sein. Das gilt auch für Fälle, in denen der Kauf auf elektronischem Weg erfolgt. Die Informationspflichten (…) stellen ab dem Zeitpunkt, zu dem das Erzeugnis in den Geschäftsräumen präsentiert bzw. zur sofortigen Übergabe nach Kaufabschluss bereitgehalten wird, (…) wesentliche Informationen i.S.v. § 5 a II, III Nr. 1 UWG a.F / §§ 5 a I, 5 b I Nr. 1 UWG n.F. dar (…). Die Beklagte hat dem Verbraucher gern. § 5 a I, II UWG diese Informationen vorenthalten. Eine Information wird dem Verbraucher i.S.d. Vorschriften vorenthalten, wenn sie zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmens gehört oder dieser sie sich mit zumutbarem Aufwand beschaffen kann und der Verbraucher sie nicht oder nicht so erhält, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen kann (…). Der Verbraucher benötigt die ihm vorenthaltene Information, um eine informationsgeleitete Kaufentscheidung treffen zu können (…)."
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AG Berlin: Stellenausschreibung = kein Freifahrtschein für E-Mails
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Eine Personalvermittlerin darf einem Unternehmen, das per Stellenanzeige neue Mitarbeiter sucht, keine Werbe-Mails ohne deren Zustimmung schicken (AG Berlin, Urt. v. 07.11.2024 - Az.: 6 C 88/24). Ein Pflegedienst suchte über eine Stellenanzeige eine kaufmännische Fachkraft im Gesundheitswesen. Daraufhin erhielt er von einer Personalvermittlerin eine E-Mail mit Angeboten zur Zusammenarbeit. Die E-Mail enthielt jedoch keine konkrete Bewerbung, sondern stellte allgemein die Dienstleistungen der Vermittlerin vor. Es gab keine Zustimmung zu dieser Werbung. Das AG Berlin stufte die elektronische Nachricht der Personalvermittlerin als unzulässige Werbung. Die Nachricht der Beklagten sei nicht bloß eine Reaktion auf die Stellenanzeige gewesen, sondern diene vielmehr der Eigendarstellung. Die E-Mail sei allgemein gehalten und enthalte lt keine direkte Bewerbung. Eine Stellenanzeige bedeute keine Einwilligung zur Kontaktaufnahme durch Personalvermittler: "In der Stellenanzeige der Klägerin ist keine vorherige ausdrückliche Einwilligung zu dieser Werbung zu sehen. Eine Stellenanzeige richtet sich als invitatio ad offerendum an potentielle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die zur Abgabe einer Bewerbung aufgefordert werden. Nur insoweit bestand eine Einwilligung der Klägerin. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellen wollte, dass von dieser Einwilligung auch die bloße Weiterleitung einer konkreten Bewerbung durch eine zwischengeschaltete Personalvermittlung erfasst wäre, wäre die E-Mail der Beklagten, die eine solche konkrete Bewerbung nicht enthielt bzw. nicht weiterleitete, von der Einwilligung der Klägerin nicht umfasst."
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AG München: Auch wer nur kostenlose Dienstleistungen erbringt, kann gleichwohl "gewerblich" handeln
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Auch wer „Gratis“ Rikscha-Fahrten im Englischen Garten anbietet, handelt gewerblich und benötigt eine Genehmigung Ein Münchner Rikscha-Fahrer bot regelmäßig im Bereich des Englischen Gartens Dienste für Fahrgäste, insbesondere Touristen an, ohne über eine Genehmigung für gewerbliche Tätigkeiten der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung zu verfügen. Um Fahrgäste anzuwerben, brachte der Rikscha-Fahrer auf seiner Rikscha die Aufschrift „Gratis“ an. Die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung verhängte gegen den „Rikscha-Fahrer“ schließlich ein Bußgeld in Höhe von 55 €. Hiergegen wehrte sich dieser vor dem Amtsgericht München im Wege des Einspruchs. Der „Gratis-Rikscha-Fahrer“ behauptete, er sei zwar regelmäßig im Englischen Garten, fahre dort jedoch nur „einfach so“ mit dessen Rikscha herum und nehme Leute mit. Er nehme kein Geld von Fahrgästen an. Das Amtsgericht München verurteilte den Rikscha-Fahrer mit Urteil vom 05.08.2024 wegen Verstoßes gegen die städtische Verordnung über die staatliche Parkanlage Englischer Garten zu einem Bußgeld von 55 €. In seinem Urteil führte es u.a. aus: „Der Zeuge B., ebenfalls Rikscha-Fahrer, gab an, den Betroffenen seit mindestens letzter Saison, d.h. Sommer 2023 beinahe täglich im Münchner Innenstadtbereich, insbesondere auch im Bereich des Englischen Gartens, mit Fahrgästen fahrend anzutreffen. Er warte auch regelmäßig neben den anderen, lizenzierten Rikscha-Fahrern etwa am Biergarten am Chinesischen Turm oder vor dem Milchhäusl auf Fahrgäste. Er habe mehrfach beobachtet, wie der Betroffene gezielt Personen ansprach, die aussahen, als würden sie überlegen, eine Rikscha-Fahrt durchführen zu wollen. Die Personen seien sodann in die Rikscha gestiegen und weggefahren. […] Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass der Betroffene regelmäßig […] gegen § 2 Nr. 3 der städtischen Verordnung über die staatlichen Parkanlagen Englischer Garten, welche die Erbringung gewerblicher Tätigkeiten untersagt, verstößt. Dass der Betroffene dort Rikscha-Fahrten durchführt, ist durch die Zeugen bestätigt worden. Die von ihm angebotene Tätigkeit ist auch gewerblich. Es kommt für das Merkmal der Gewerblichkeit nicht darauf an, ob bewusst ein Entgelt für eine Tätigkeit eingefordert wird, sondern darauf, ob die Tätigkeit auf das dauerhafte Erzielen von Einnahmen ausgelegt ist. Dies ist hier der Fall. Allein schon aus der Dauerhaftigkeit und Häufigkeit der vom Betroffenen durchgeführten Fahrten (der Zeuge B. traf ihn nahezu täglich) bestehen für das Gericht keine Zweifel daran, dass der Betroffene hier ein Geschäftsmodell geschaffen hat, mit dem er unter der Bewerbung einer vorgeblichen „Gratis-Fahrt“ die Fahrgäste dazu bringt, ihm als „Trinkgeld“ oder „Freiwillige Spende“ Geld zu überlassen. Dieses Vorgehen scheint sich für den Betroffenen zu lohnen, da er so bewusst die Gebühren einer Genehmigung für die Schlösser- und Seenverwaltung erspart und nicht an die festgelegten Tarife gebunden ist. Hierfür spricht auch, dass der Betroffene nach den Angaben des Zeugen B. gegenüber anderen Fahrern auch damit prahlte, keine Genehmigung zu haben und zu brauchen.“
Urteil des Amtsgerichts München vom 05.08.2024 Aktenzeichen: 1111 OWi 238 Js 219698/23 Das Urteil ist rechtskräftig. Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 25.08.2025
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Allgemeine Informationen zum Newsletter
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