anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 5. KW im Jahre 2004. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz, Wirtschaftsrecht und Gewinnspiel-/Glücksspielrecht.
Neben den Urteilen des BVerwG (DTAG-Entgeltpflicht ab Zugangsgewährung), des OLG Oldenburg (Anforderungen an Datensicherung) sind hier vor allem die Entscheidungen des VG Oldenburg (Spielgerät mit Gewinnmöglichkeit?) und des LG Berlin (Bloßes Bereitstellen v. EDV kein Glücksspiel) zu erwähnen. Aus dem außergerichtlichen Bereich gibt es den ersten Gesetzesentwurf zu Finanz-Fernabsatzverträgen und die Ausführungen der EU-Kommission zu Spam zu vermelden.
Die Kanzlei Heyms & Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Heyms-DrBahr.de/findex.php?p=kontakt.html
Die Themen im Überblick:
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1. BVerwG: DTAG-Entgeltpflicht ab Zugangsgewährung
2. BAG: Bei biometrischem Zugangskontrollsystem Zustimmung des Betriebsrats
3. OLG Oldenburg: Anforderungen an Datensicherung
4. OVG Münster: "AktivPlus"-Tarife der DTAG rechtmäßig
5. VG Oldenburg: Spielgerät mit Gewinnmöglichkeit ?
6. LG Berlin: Bloßes Bereitstellen v. EDV kein Glücksspiel
7. Neue 0190-Dialer-Urteile
8. Ab dem 1. Februar ungekürzter EVN bei 0190/0900
9. Gesetzesentwurf über Finanz-Fernabsatzverträge
10. EU-Kommission: Erläuterungen und Infos zu Spam
11. In eigener Sache: Neue rechtliche Kolumne auf "Die Computer-Ecke"
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1. BVerwG: DTAG-Entgeltpflicht ab Zugangsgewährung
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Das Bundesverwaltungsgericht hat heute über Klagen der Deutschen Telekom AG gegen Bescheide der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post im Rahmen der so genannten Missbrauchsaufsicht entschieden. Die Klägerin schließt mit Wettbewerbern auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen Verträge u.a. über den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung und zur Endleitung als Teil der Teilnehmeranschlussleitung.
Diese Verträge enthielten jeweils Klauseln, nach denen die Leistungspflicht der Klägerin erst ab dem Zeitpunkt entstand, zu dem eine Genehmigung der Regulierungsbehörde hinsichtlich des von der Klägerin verlangten Entgeltes vorlag. Die Klägerin änderte diese Klausel später dahin ab, dass ihre Leistungspflicht ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses besteht und der Vertragspartner das Entgelt für vereinbarte Leistungen, die sie vor Erteilung einer Entgeltgenehmigung erbracht hat, nach Genehmigungserteilung zu erbringen hat. Die Regulierungsbehörde beanstandete beide Klauseln als missbräuchlich und untersagte ihre weitere Verwendung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung nur hinsichtlich der Vertragsklausel gegeben ist, nach der eine Leistungspflicht der Klägerin erst ab dem Ergehen der Entgeltgenehmigung besteht:
Hinsichtlich der die Entgeltleistungspflicht der Wettbewerber der Klägerin betreffenden Vertragsklausel sind die Bescheide nicht gerechtfertigt. Es handelt sich um eine Bedingung der Gewährung des Netzzugangs, die im Einklang mit den Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes steht. Die Genehmigung der Entgelte für die hier von der Klägerin zu erbringenden Netzzugangsleistungen wirkt auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages zurück, in dem diese Entgelte vereinbart worden sind. Deshalb kann die Klägerin nach Ergehen der Entgeltgenehmigung für vereinbarte Leistungen, die sie zuvor erbracht hat, das genehmigte Entgelt nachträglich verlangen.
Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Durch die ihre Leistungspflicht einschränkende Klausel hat die Klägerin den Anspruch der Wettbewerber auf Netzzugang ungerechtfertigt und missbräuchlich eingeschränkt. Die Klägerin ist grundsätzlich nach dem bürgerlichen Recht in Verbindung mit dem Telekommunikationsgesetz bereits ab Vertragsschluss zur Leistungserbringung verpflichtet.
BVerwG 6 C 1 und 2.03 - Urteile vom 21. Januar 2004
Quelle: Pressemitteilung Nr. 5/2004 des BVerwG v. 21.01.2004
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2. BAG: Bei biometrischem Zugangskontrollsystem Zustimmung des Betriebsrats
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Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer anweist, sich in einem Kundenbetrieb der dort eingerichteten biometrischen Zugangskontrolle zu unterziehen. Die Anweisung betrifft das betriebliche Verhalten der entsandten Kundendienstmitarbeiter und ist daher nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Außerdem handelt es sich um die nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtige Anwendung einer technischen Überwachungseinrichtung.
Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats steht nicht entgegen, dass das Zugangskontrollsystem im Kundenbetrieb eingerichtet ist. Zwar hat der Arbeitgeber auf die dortigen Verhältnisse keinen unmittelbaren Einfluss. Er gibt aber den entsandten Arbeitnehmern die mitbestimmungspflichtigen Anweisungen. Daher ist zwischen ihm und dem Betriebsrat zu vereinbaren, ob und in welcher Weise die Arbeitnehmer der Zugangskontrolle in einem fremden Betrieb unterworfen werden.
Der Arbeitgeber muss bei der Vertragsgestaltung mit dem Kunden dafür sorgen, dass die mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen umgesetzt werden. Individualrechtliche Rechtspositionen der betroffenen Arbeitnehmer bleiben hiervon unberührt.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gab deshalb dem Antrag eines Betriebsrats statt, wonach der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats oder einen entsprechenden Spruch der Einigungsstelle Arbeitnehmer bei einer Kundenfirma nicht einsetzen darf, soweit von ihnen verlangt wird, Fingerabdrücke in einem Fingerprint-Scanner zu hinterlegen, der im Kundenbetrieb in einer "Personenvereinzelungsanlage" (Zugangsschleuse) eingerichtet ist. Bereits das Arbeitsgericht hatte dem Antrag des Betriebsrats entsprochen; das Landesarbeitsgericht hatte ihn dagegen abgewiesen.
BAG Beschluss vom 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 -
Quelle: Pressemitteilung Nr. 3/04 des BAG v. 27.01.2004
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3. OLG Oldenburg: Anforderungen an Datensicherung
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Das OLG Oldenburg (Urt. v. 03.06.2003 - Az.: 9 U 10/03 = http://snipurl.com/49dl) hatte darüber zu entscheiden, welche Anforderungen an eine Datensicherung zu stellen sind.
Die Klägerin baute bei den Beklagten eine EDV-Anlage ein und verlangte nun Bezahlung ihrer Leistungen. Die Beklagten erklärten die Aufrechnung, weil die Klägerin bei der ursprünglichen Installation und Konfiguration der Anlage eine fehlerhafte Datensicherung eingebaut hatte.
Um die Datensicherung durchzuführen, mussten die Beklagten zunächst manuell alle Anwendungen schließen und die Datenbank herunterzufahren, bevor dann anschließened manuell die Datensicherung auszulösen war.
(Hinweis: Der zu beurteilende Sachverhalt spielte im Jahr 2000).
Das OLG Oldenburg ist der Ansicht, dass eine solche manuelle Datensicherung nicht dem (damaligen) Stand der Technik entsprach und einem normalen fachfremden gewerblichen Benutzer nicht zuzumuten war:
"Der Senat ist (...) der Ansicht, dass die gelieferte Datensicherung (...) fehlerhaft war, (...) denn die Klägerin hat es versäumt, hinreichende Vorsorge für Bedienfehler der Beklagten zu treffen.
Im vorliegenden Fall ist von einem solchen Bedienfehler auszugehen, denn die Beklagten haben offensichtlich nicht alle Anwendungen geschlossen, bevor man die Datensicherung startete. Dies führte dazu, dass die komplette Sicherung der Datenbank nicht stattfinden konnte und der jeweils auf den Bändern abgebildete Datenbestand nutzlos war.
Gegen einen solchen durchaus naheliegenden Bedienfehler hätte die Klägerin vergleichsweise einfach Vorsorge treffen können, wenn sie die Datenbank vor der Datensicherung nicht wie geschehen mit dem normalen "shutdown"-Befehl, sondern mit "shutdown immediate" (= wartet noch die SQL-Befehle der aktiven Benutzer ab und beendet dann die Verbindung) oder "shutdown abort" (= beendet alle Verbindungen sofort) geschlossen hätte, weil die beiden letztgenannten Befehle sichergestellt hätten, dass die Datenbankanwendungen in jedem Fall vor der Sicherung geschlossen worden wären (...)."
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4. OVG Münster: "AktivPlus"-Tarife der DTAG rechtmäßig
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Der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat heute den Beschwerden der Deutschen Telekom AG und der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gegen vier Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Köln, mit denen die o.g. Optionstarife gestoppt worden waren, stattgegeben.
Damit ist die Telekom weiter berechtigt, die Optionstarife "AktivPlus xxl (neu)" und "AktivPlus basis calltime 120" anzuwenden. Im Tarif "AktivPlus xxl (neu)" kann man samstags, sonntags und an bundeseinheitlichen Feiertagen gegen ein Überlassungsentgelt von 7,94 € netto City- und Deutschlandverbindungen führen; im Übrigen gilt der Tarif "AktivPlus". Im Tarif "AktivPlus basis calltime 120" erhält man für ein monatliches Überlassungsentgelt von 3,63 € netto ein 120-minütiges Freikontingent für City- und Deutschlandverbindungen; ab der 121. Minute gilt der Tarif "AktivPlus basis".
Mit Bescheid vom 02.09.2003 hatte die Regulierungsbehörde auf Antrag der Telekom die beiden Optionstarife genehmigt. Gegen diese Genehmigung hatten zwei Wettbewerber der Telekom beim Verwaltungsgericht Köln Klage erhoben und zugleich beantragt, die aufschiebende Wirkung dieser Klagen anzuordnen. Diesen Anträgen war das Verwaltungsgericht Köln mit drei Beschlüssen vom 15.12.2003 und einem Beschluss vom 22.12.2003 gefolgt und hatte die Anwendung der beiden Tarife mit vier Beschlüssen vom 15. bzw. 22.12.2003 gestoppt.
Nachdem die Telekom und die Regulierungsbehörde dagegen Beschwerden erhoben hatten, hatte das Oberverwaltungsgericht in einer Zwischenentscheidung vom 19.12.2003 die Vollziehung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Köln bis zur Entscheidung über die Beschwerden ausgesetzt. Den Beschwerden hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die beiden Tarife enthielten unzulässige Preisabschläge, weil sie bei einer realistischen Ausnutzung die sonst von der Regulierungsbehörde angenommenen Verbindungskosten unterschritten, treffe nicht zu. Die Verbindungsentgelte des "AktivPlus"-Tarifs und des Tarifs "AktivPlus basis" lägen zwischen der Dumpingpreisgrenze und dem Standard-Verbindungsentgelt und seien kostendeckend, sodass sie nicht mit einem Teil des monatlichen Überlassungsentgelts finanziert würden.
Vielmehr stehe das jeweilige Überlassungsentgelt in vollem Umfang zur Deckung der samstags, sonntags und an Feiertagen geltenden Flatrate bzw. der 120 Freiminuten zur Verfügung. Die Überlassungsentgelte selbst seien angesichts des beobachteten und erwarteten Kundenverhaltens ebenfalls kostendeckend und keine Dumpingpreise.
Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar.
Az.: 13 B 2621/03, 13 B 2624/03, 13 B 2623/03, 13 B 2689/03
Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 29.01.2004
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5. VG Oldenburg: Spielgerät mit Gewinnmöglichkeit ?
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Das VG Oldenburg (Beschl. v. 13. August 2003 - Az.: 12 B 1906/03 = http://snipurl.com/49dp) hatte darüber zu entscheiden, wann ein Unterhaltungsspielgerät und wann ein Spielgerät mit Gewinnmöglichkeit vorliegt.
Kern der rechtlichen Problematik ist § 33 c GewO.
Der Antragsteller betrieb seit längerem eine Spielhalle mit zehn Geld- und zwölf Unterhaltungsspielgeräten. Seit dem 15. Mai 2002 setzte er nun in seiner Spielhalle zudem das Spielgerät "Bank-Master" ein. Hierbei handelt es sich um ein Spielgerät, dass bei Eingabe eines sogenannten Teilnahmezertifikats bespielt werden kann. Dieses Teilnahmezertifikat erlangte der Besucher, wenn er zuvor an den Spielgeräten spielte, aber auch schon bei Betreten der Spielhalle oder bei bloßer postalischer Anfrage.
Der "Bank-Master" besteht aus verschiedenen Displays, die fest eingestellte Punktzahlen zeigen. Im Rahmen einer Ausspielung per Zufallsgenerator wird ein bestimmter Punktwert ermittelt (zum einen über die Auswahl der in den Displays angezeigten Punktwerte sowie über die Bestimmung eines bestimmten Prozentsatzes).
Hierbei kann sich auch der Punktwert "0" (Niete) ergeben. Hat der Teilnehmer hiernach einen "Punktgewinn" erzielt, erhält er diesen in Euro ausbezahlt, wenn er die auf dem Gewinncoupon aufgedruckte Frage richtig beantwortet. Daneben wurde vom Bank-Master-Spielgerät ein sog. Wochenziehungsabschnitt ausgestellt, mit dem an einer wöchentlichen Verlosung (Gewinnsumme derzeit insgesamt 100,- EUR) teilgenommen werden konnte.
Das VG Oldenburg hat den "Bank Master" als Geldspielgerät im Sinne des § 33 c Abs. 1 S. 1 GewO iVm. § 1 Abs. 1 Spielverordnung eingestuft:
"(...) wenn es sich um ein Spielgerät handelt, dass mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen Vorrichtung ausgestattet ist, und die Möglichkeit eines Gewinnes bietet.
Ein Gewinn (...) liegt vor, wenn der Spieler einen (...) Vermögenswert oder einen vermögenswerten Vorteil erhält (...). Nicht erforderlich ist, dass der Gewinn durch das Gerät selbst ausgeschüttet wird. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der Geräteaufsteller oder ein Dritter den Gewinn auszahlt (...).
Infolge der Möglichkeit der Teilnahme der Spieler an den Unterhaltungsspielgeräten des Antragstellers an einem Gewinnspiel mit Bargeldgewinnen sind diese Spielgeräte rechtlich als Geldspielgeräte (...) zu bewerten."
Das Gericht bejaht hier somit einen geldwerten Einsatz:
"Entgegen der Auffassung des Antragstellers erbringt der Spieler an seinen Spielgeräten auch einen - verdeckten - Einsatz. Dies wäre nur dann zu verneinen, wenn der Gewinn nicht von der Nutzung der Spielgeräte abhängig ist (...). Bei dem Einsatz des Bank-Master-Spielgeräts (...) besteht aber ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Nutzung der Spielgeräte und der Teilnahme an dem Bank-Master-Spiel, so dass ein verdeckter Einsatz über das Entgelt für das Spielgerät geleistet wird. Die Spieler an den Spielgeräten in der Spielhalle erhalten nämlich bei jedem Spiel ein zum Spiel am Bank-Master berechtigendes Teilnahmezertifikat.
Dass für das Bank-Master-System auch noch weitere Teilnahmemöglichkeiten bestehen, unterbricht den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der entgeltlichen Nutzung der Unterhaltungsgeräte und dem Bank-Master-Spielgerät nicht."
Das VG Oldenburg ist damit anderer Ansicht als das VG Gelsenkirchen (Beschl. v. 19. März 2001 - Az.: 7 L 2715/00), dass einen verdeckten Einsatz für ein Gewinnspiel als nicht gegeben sah, weil der Einsatz für die Spielgeräte unabhängig davon in derselben Höhe zu leisten war, ob das streitige Gerät betätigt oder überhaupt in dieser Spielhalle aufgestellt worden war.
Die Richter sehen vor allem in der zeitlichen Kompotente ein wichtiges Beurteilungskriterium:
"Nach Auffassung der Kammer kann dem nur dann gefolgt werden, wenn eine Marketing-Maßnahme für einen vorübergehenden Zeitraum erfolgt und der Spielbetrieb der Unterhaltungsspielgeräte hierdurch nicht wesentlich verändert wird. Sollen indes die Unterhaltungsspielgeräte mit dem Bank-Master-Spielgerät auf Dauer verbunden werden, verändert sich für den Besucher der Charakter des Spielgeräte."
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6. LG Berlin: Bloßes Bereitstellen v. EDV kein Glücksspiel
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Die Entwicklung in Sachen Glücksspiel-Recht in Deutschland in den vergangenen Monaten ist außerordentlich turbulent.
Erst vor kurzem hat der EuGH (Urt. v. 6 . November 2003 - Az.: C-243/01 - Gambelli = http://snipurl.com/2xd4) eine grundlegende Entscheidung in Sachen Glücksspiele getroffen ("Gambelli"). Vgl. dazu den Artikel von RA Dr. Bahr: "Glücksspiele: Grundlegende Änderung der Rechtsprechung" = http://snipurl.com/3ybd
Diese Rechtsansicht ist durch den Beschluss des LG München (Besch. v. 27. Oktober 2003 - Az.: 5 Qs 41/2003) und die Entscheidung des AG Heidenheim (Beschl. v. 01.12.2003 - AZ.: 3 Ds 424/03 = PDF, 76 KB = http://snipurl.com/49dx) in der nationalen Rechtsprechung bestätigt worden. Vgl. hierzu den Artikel von RA Dr. Bahr: "Neuigkeiten aus dem Bereich des Glückspiel-Rechts" = http://snipurl.com/447o
Dagegen haben das BayOLG (Beschl. v. 26.11.2003 - 5 St RR 289/03 = vgl. die Kanzlei-Info v. 21.01.2004 = http://snipurl.com/447y) und das VG Stade (Beschl. v. 27.11.2003 - Az.: 6 B 1674/03 = vgl. die Kanzlei-Info v. 27.01.2004 = http://snipurl.com/49dy) eine Änderung der bisherigen Rechtslage verneint.
Nun liegt eine weitere Entscheidung in dieser Problematik vor, nämlich der Beschluss des LG Berlin (Beschl. v. 23.09.2003 - Az.: 526 Qs 214/03).
Der Beschuldigte bot in Berlin die Möglichkeit an, Wetten auf das Ergebnis von Fussballspielen oder anderen sportlichen Ereignissen zu festen Gewinnquoten (sog. "Oddset-Wetten") abzuschließen. Er war jedoch nicht selbst der Buchmacher bzw. Wetthalter, sondern eine auf den Isle of Man ansässige Firma M., die ordnungsgemäße Inhaberin einer entsprechenden britischen Lizenz ist.
Die Staatsanwaltschaft Berlin warf dem Beschuldigten einen Verstoß gegen § 284 StGB vor und beantragte eine Beschlagnahme der Wettunterlagen und zahlreicher Computer, die offensichtlich zur Weiterleitung von Wetten an die Firma M. benutzt wurden. Das AG Tiergarten (Az.: 350 Gs 3291/03) erließ den entsprechenden Beschlagnahme-Beschluss.
Gegen diese Entscheidung nun wehrte sich der Beschuldigte mit dem Rechtsmittel der Beschwerde vor dem LG Berlin. Die Berliner Richter gaben der Beschwerde vollumfänglich statt und hoben den Beschlagnahme-Beschluss auf:
"Eine Strafbarkeit des Beschuldigten nach § 284 StGB ist nicht ersichtlich, so dass keine Berechtigung zur weiteren Beschlagnahme (...) der Gegenstände besteht. (...)
Es kann dahingestellt bleiben, ob Sportwetten überhaupt Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind (...).
Nach Auffassung der Kammer stellt das Gewerbe des Beschuldigten jedoch keine strafbare Veranstaltung von Glücksspiel iSd. § 284 Abs.1 StGB, sondern lediglich eine (nicht strafbare) Sportwettenvermittlung dar. Wetthalter und Veranstalter ist die Firma M. (...). Diese zeichnet für die Durchführung der Oddset-Wette organisatorisch wie finanziell verantwortlich. So hat der Beschuldigte z.B. keinen Einfluss auf die Wettquoten und steht auch im übrigen nicht wirtschaftlich hinter dem Veranstalter, sondern erhält von diesem ein monatliches Fixum.
Entgegen der Auffassung des (...) Bundesgerichtshofes (Urt. v. 28.11.2002 . 4 StR 260/02 = PDF, 55 KB) unterfällt die verfahrensgegenständliche gewerbliche Vermittlung von Sportwetten nicht unter die Tatbestandsalternative des § 284 Abs.1 1.Alt. StGB, weil ansonsten der Veranstaltungsbegriff unzulässig entgegen dem Wortlaut überdehnt würde. Insoweit ist zwischen dem Veranstalten und dem gewerblichen Vermitteln von Glücksspiel zu unterscheiden (...)."
Hinsichtlich der "Gambelli-"Entscheidung merken die Richter an:
"Diese Auslegung wird durch die Materialien zur Neufassung des § 287 StGB (...) unterstützt. Zum anderen wird sie von den eingehenden Ausführungen des Generalanwalts bei dem Europäischen Gerichtshof vom 13. März 2003 (...) getragen, wonach es sich bei dem dort verfahrensgegenständlichen italienischen Datenübermittlungszentrum um keine Niederlassung des englischen Buchmachers handele, vielmehr sei dieses im Wege des (erlaubten) "Dienstleistungsverkehrs" tätig."
Daraus zieht das LG Berlin folgendene Konsequenzen:
"Das Gewerbe des Beschuldigten unterfällt daher auch nicht dem "Bereitstellen von Einrichtungen" zum Betreiben eines Glücksspiels iSd. von § 284 Abs.1 3.Alt. StGB. Denn der Wettvermittler stellt neben einem Raum letztlich nur ein technisches Übermittlungsgerät (z.B. einen internetfähigen Computer) nebenst einem Tisch bereit.
Also keine Dinge, die bauartbedingt für ein Glücksspiel geeignet oder bestimmt sind. Mit anderen Worten: Die vom Beschuldigten bereitgestellte Einrichtung ermöglicht lediglich die Vermittlung von Sportwetten, nicht aber das Veranstalten von Glücksspielen.
Da auch keine anderweitige Strafbarkeit des Beschuldigten nicht ersichtlich ist, war der angefochtene Beschluss aufzuheben."
Anmerkung:
Rückschlüsse aus der Entscheidung des LG Berlin sollten nur sehr vorsichtig gezogen werden. Denn wie das Gericht selber ausführt hat der BGH (Urt. v. 28.11.2002 . 4 StR 260/02 = PDF, 55 KB = http://snipurl.com/49e1) schon Ende 2002 über eine artverwandte Konstellation entschieden:
"Veranstalter (...) ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluß von Spielverträgen ermöglicht (...).
Diese Voraussetzungen kann der Angeklagte dadurch erfüllt haben, daß er zur Durchführung des Spielbetriebes unter einer eigenen Firmenbezeichnung Räumlichkeiten anmietete, Angestellte beschäftigte, die erforderliche Ausstattung bereitstellte, Wettprogramme auslegte, Einzahlungen der Spieler entgegennahm und Gewinne auszahlte.
Daß er die Wettdaten an die Firma M., Isle of Man, weiterleitete und bis auf den ihm zustehenden Festbetrag von 4.000.- Euro monatlich den verbleibenden Gewinnsaldo an diese zu überweisen hatte, ändert für sich gesehen daran nichts. Der Begriff des "Veranstaltens" setzt nämlich nicht notwendig voraus, daß der Täter mit eigenen finanziellen Interessen am Ergebnis des Spielbetriebes tätig wird."
Hier sind keine besonderen Gründe oder Tatsachen ersichtlich, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten. Insofern handelt es sich bei dem Beschluss "lediglich" um eine vom BGH abweichende Rechts-Auffassung, deren Wirkung nicht überschätzt werden darf.
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7. Neue 0190-Dialer-Urteile
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Es gibt vier neue 0190-Dialer-Urteile zu vermelden:
a) Urteil des LG Mönchengladbach vom 12.12.2003 - Az.: 2 S 116/03:
(Leitsätze:)
1. Der Telefon-Kunde ist für die Tatsache, dass die Verbindung durch einen illegalen 0190-Dialer ungewollt hergestellt wurde, beweispflichtig.
2. Auch aus der Tatsache, dass ein Dialer grundsätzlich missbraucht werden kann, ergibt sich keine Umkehr der Beweis- und Darlegungslast zu Lasten des Netz-Betreibers. Denn Web-Dialer können wie meisten anderen Sachen oder Gegenstände - und letztlich gilt das auch für Computerprogramme - zweckentfremdet werden, ohne dass man den Herstellern derartiger Gegenstände deshalb besondere Sorgfalts- oder gar Produktbeobachtungspflichten auferlegen könnnte. Dies ergibt sich insbesondere aus einer Wertung des § 8 TDG.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/lgmoenchengladbach121203.htm
b) Urteil des AG Duisburg vom 09.01.2004 - Az.: 71 C 5094/03:
(Leitsatz:)
Der Netz-Betreiber ist beweispflichtig für die Inanspruchnahme der Leistung.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agduisburg090104.htm
c) Urteil des AG Viersen vom 20.01.2004 - Az.: 17 C 304/03:
(Leitsätze:)
1. Der Netz-Betreiber ist beweispflichtig für die Inanspruchnahme der Leistung.
2. Fehlt die technische Überprüfung nach § 16 TKV, so greift kein Anscheinsbeweis zugunsten des Netz-Betreibers.
3. Eine Zertifizierung nach DIN ISO 9001:2000 ist nicht ausreichend, um die Nachweispflicht nach § 16 Abs.3 TKV zu erfüllen.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agviersen200104.htm
d) Urteil des AG Villingen-Schwenningen vom 10.11.2003 - Az.: 5 C 474/03:
(Leitsätze:)
1. Aufgrund einer Einzelverbindungsübersicht durch den Netz-Betreiber, die auf automatischen Gebührenerfassungseinrichtungen basiert, ist ein Beweis des ersten Anscheins für die Richtigkeit der Telefonrechnung gegeben.
2. Um diesen Anscheinsbeweis zu erschütteren, bedarf es eines substantiierten Vortrages des Telefon-Kunden.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agvillingenschwenningen101103.htm
Hinweis:
Zu der rechtlichen Problematik von Dialern finden Sie auf unserem Internet-Portal www.dialerundrecht.de ausführliche Erläuterungen.
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8. Ab dem 1. Februar ungekürzter EVN bei 0190/0900
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Seit Montag, dem 1. Februar 2004, gilt Art. 2 des "Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauches von 0190/0900er-Mehrwertdienstrufnummern" (Download hier = http://snipurl.com/49e4).
Bislang war ein häufiger Streitpunkt, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn der Netz-Betreiber lediglich einen gekürzten Einzelverbindungs-Nachweis vorlegen konnte. Vgl. hierzu die ausführlich die Urteils-Sammlung (= http://snipurl.com/49e5) auf unserem Informational-Portal Dialer & Recht (= http://www.dialerundrecht.de).
Dies hat sich nun seit Montag geändert. Danach darf der Einzelverbindungsnachweis bei "0190er- oder 0900er-Mehrwertdiensterufnummer ungekürzt gespeichert werden."
Hinweis:
Zu der rechtlichen Problematik von Dialern finden Sie auf unserem Internet-Portal www.dialerundrecht.de ausführliche Erläuterungen.
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9. Gesetzesentwurf über Finanz-Fernabsatzverträge
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Das Bundeskabinett hat am 29. Januar 2004 einen Gesetzentwurf zur Änderung von Vorschriften über Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen beschlossen. Der Entwurf ist hier downloadbar (PDF, 253 KB = http://snipurl.com/49ea).
Kerninhalt der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen sind umfassende Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher (Artikel 3 bis 5 der Richtlinie) sowie ein Widerrufsrecht (Artikel 6). Das deutsche Zivilrecht, insbesondere das Recht über Fernabsatzverträge in §§ 312b ff. BGB, setzt derzeit die allgemeine Fernabsatzrichtlinie um und nimmt daher – jener Richtlinie folgend – Finanzdienstleistungen aus. Deshalb besteht Anpassungsbedarf.
Die Richtlinie beauftragt weiter die Mitgliedstaaten, außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern (Artikel 14). Auch hier enthält das deutsche Recht noch keine entsprechenden Regelungen.
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10. EU-Kommission: Erläuterungen und Infos zu Spam
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Die Umsetzungsfrist für die Europäische Datenschutz-RiL ("Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation") (PDF, 190 KB = http://snipurl.com/2ub9) ist seit dem 01.11.2003 abgelaufen.
Für das deutsche Recht ist vor allem Art. 13 der RiL wichtig. Denn hier werden bestimmte Vorgaben hinsichtlich der Spam-Rechtslage gemacht. Vgl. dazu den Aufsatz von RA Dr. Bahr: Änderung der SPAM-Rechtslage durch Reform des Wettbewerbsrechts? = http://snipurl.com/2uai
Inzwischen gibt es auch die ersten Entwürfe einer nationalen Umsetzung in das deutsche Wettbewerbsrecht. Vgl. dazu unsere Rechts-FAQ: Das neue Wettbewerbsrecht = http://snipurl.com/49ec
Die Europäische Kommission hat nun vor kurzem eine erläuternde Mitteilung über Spam zum Download zur Verfügung gestellt (PDF, 512 KB = http://snipurl.com/49ed). Auf über 32 Seiten werden eine Vielzahl von wichtigen Punkten angesprochen und erörtert.
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11. In eigener Sache: Neue rechtliche Kolumne auf "Die Computer-Ecke"
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Neben den schon bestehenden rechtlichen News-Reihen bei verschiedenen Informations-Portalen (vgl. http://snipurl.com/49ef) gibt die Kanzlei Heyms & Dr. Bahr ab sofort auch auf "Die Computer-Ecke" (= http://snipurl.com/49eh) eine eigene Rechts-Kolumne heraus.
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