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Die einzelnen News
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1.
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BVerwG: Datenerhebung aus allgemein zugänglichen Quellen für Telefonmarketing nur dann erlaubt, wenn Opt-In für Call vorliegt
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Wer in allgemein zugänglichen Verzeichnissen veröffentlichte Telefonnummern von Zahnarztpraxen erhebt und speichert, um unter Nutzung dieser Daten Telefonwerbung zu betreiben, kann sich nicht auf den in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO geregelten Erlaubnistatbestand der Wahrung berechtigter Interessen berufen, sofern nicht eine zumindest mutmaßliche Einwilligung der betroffenen Zahnärzte im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vorliegt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerin kauft Edelmetallreste von Zahnarztpraxen an. Hierzu erhebt sie aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen - wie z.B. den Gelben Seiten - Namen und Vornamen des Praxisinhabers sowie die Praxisanschrift nebst Telefonnummer. Die von ihr gespeicherten Kontaktdaten nutzt sie, um durch Telefonanrufe bei den Zahnarztpraxen in Erfahrung zu bringen, ob die Angerufenen Edelmetalle an sie verkaufen möchten. Im Januar 2017 ordnete die beklagte saarländische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit auf der Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes in der damals geltenden Fassung gegenüber der Klägerin an, die für den Zweck einer telefonischen Werbeansprache erfolgende Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten von Inhabern von Zahnarztpraxen einzustellen, sofern nicht eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt oder bereits ein Geschäftsverhältnis mit ihm besteht. Nach rechtskräftiger Abweisung ihrer Klage beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf die im Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung erfolglos die Aufhebung des Bescheids vom Januar 2017. Die hierauf vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes erhobene Verpflichtungsklage hatte keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes wies die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurück, ein Wiederaufnahmegrund nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 SVwVfG liege nicht vor. Durch die Datenschutzgrundverordnung habe sich die Rechtslage nicht zu Gunsten der Klägerin geändert. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO, der nunmehr eine Interessenabwägung vorsehe, könne nicht als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung herangezogen werden. Denn die telefonische Werbeansprache entspreche mangels einer zumindest mutmaßlichen Einwilligung der angesprochenen Zahnärzte nicht den Anforderungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Werde die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO unterstellt, bestünde unter Berücksichtigung der Wertungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG kein berechtigtes Interesse der Klägerin. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Zwar ist der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO entgegen der Auffassung der Vorinstanz hier grundsätzlich anwendbar. Bei der Beurteilung, ob die Datenverarbeitung zur Wahrung eines „berechtigten Interesses" im Sinne dieser Bestimmung erfolgt, sind jedoch die Wertungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG zu berücksichtigen. Ob dies generell für Bestimmungen des nationalen Rechts gilt, die keinen datenschutzspezifischen Gehalt haben, musste das Bundesverwaltungsgericht nicht entscheiden. Denn mit § 7 UWG hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 13 der Richtlinie 2002/58/EG enthaltenen Vorgaben zum Schutz der Privatsphäre der Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Weg zugesandter Werbung umgesetzt. Es widerspräche daher dem Grundsatz der Einheit der Unionsrechtsordnung, wenn diese lauter- keitsrechtlichen Wertungen bei der Konkretisierung des berechtigten Interesses im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO außer Betracht bleiben müssten. Hiervon ausgehend fehlt es der Klägerin an einem berechtigten Interesse im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO, weil der von ihr verfolgte Zweck der Datenverarbeitung gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG verstößt. Bei den Telefonanrufen, mit denen die Klägerin die Bereitschaft der angerufenen Zahnärzte zum Verkauf von Edelmetallen in Erfahrung zu bringen sucht, handelt es sich um Werbung im Sinne dieser Bestimmung. Da die von der Klägerin angesprochenen Inhaber von Zahnarztpraxen in dem hier vorliegenden Kontext als sonstige Marktteilnehmer zu qualifizieren sind, ist eine zur Unzulässigkeit der Werbeanrufe führende unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG anzunehmen, wenn nicht zumindest eine mutmaßliche Einwilligung vorliegt. Diese wird durch ein sachliches Interesse der Anzurufenden an der Telefonwerbung indiziert. Auf der Grundlage der für das Bundesverwaltungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Denn danach dient die Veröffentlichung der Telefonnummern der Zahnärzte in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen ausschließlich dazu, die Erreichbarkeit für Patienten zu gewährleisten. Zudem hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Verkauf von Edelmetallresten zur Gewinnerzielung weder typisch noch wesentlich für die Tätigkeit eines Zahnarztes ist. Schließlich hat die Klägerin nicht deshalb einen Anspruch auf eine erneute Sachentscheidung, weil es an einer auf die nunmehr geltende Rechtslage bezogenen Ermessensausübung der Beklagten fehlen würde. Denn das der Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Abhilfemaßnahmen nach Art. 58 Abs. 2 DSGVO grundsätzlich eingeräumte Ermessen ist im vorliegenden Fall dahingehend reduziert, dass nur ein Verbot gemäß Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist, um dem festgestellten Verstoß gegen die DSGVO abzuhelfen. BVerwG 6 C 3.23 - Urteil vom 29. Januar 2025 Vorinstanzen: OVG Saarlouis, OVG 2 A 111/22 - Urteil vom 20. April 2023 - VG Saarlouis, VG 5 K 461/20 - Urteil vom 15. Dezember 2021 - Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 29.01.2025
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2.
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BAG: Arbeitgeber muss Gewerkschaft keine Mitarbeiter-E-Mail-Adressen herausgeben
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Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, der für ihn tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E-Mail-Adressen seiner - bereits vorhandenen und neu hinzukommenden - Arbeitnehmer zum Zweck der Mitgliederwerbung mitzuteilen. Ein solches Begehren kann nicht auf eine von den Gerichten - im Weg der gesetzesvertretenden Rechtsfortbildung - vorzunehmende Ausgestaltung der durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Koalitionsbetätigungsfreiheit gestützt werden. Die Parteien haben über Möglichkeiten der klagenden Gewerkschaft gestritten, im Betrieb der Beklagten digital Werbung zu betreiben. Die Beklagte entwickelt, produziert und vertreibt Sportartikel. Sie ist die Obergesellschaft eines weltweiten Konzerns. Die Klägerin ist die für die Beklagte zuständige Gewerkschaft. Im Betrieb sind etwa 5.400 Arbeitnehmer tätig. Ein erheblicher Teil der betriebsinternen Kommunikation findet digital - ua. über E-Mail, die von Microsoft 365 entwickelte Anwendung Viva Engage und das konzernweite Intranet - statt. Die meisten Arbeitnehmer verfügen über eine unter der Domain der Beklagten generierte - namensbezogene - E-Mail-Adresse. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr müsse für die Mitgliederwerbung ein “Zugang” zu diesen Kommunikationssystemen eingeräumt werden. Die Beklagte sei daher ua. verpflichtet, ihr sämtliche betrieblichen E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu übermitteln. Zumindest habe sie einen solchen Anspruch, um den Arbeitnehmern bis zu 104 E-Mails im Jahr mit einer Größe von bis zu 5 MB zu übersenden. Zudem sei ihr ein Zugang als “internal user” zum konzernweiten Netzwerk bei Viva Engage zu gewähren, damit sie dort eine bestimmte Anzahl werbender Beiträge einstellen könne. Außerdem müsse die Beklagte auf der Startseite ihres Intranets eine Verlinkung mit einer Webseite der Klägerin vornehmen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet einer Gewerkschaft zwar grundsätzlich die Befugnis, betriebliche E-Mail-Adressen der Arbeitnehmer zu Werbezwecken und für deren Information zu nutzen. Allerdings haben die Gerichte - mangels Tätigwerdens des Gesetzgebers - bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die mit einem solchen Begehren kollidierenden Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 14 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie die ebenfalls berührten Grundrechte der Arbeitnehmer aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in den Blick zu nehmen. Sie haben alle betroffenen Positionen im Weg der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie trotz ihres Gegensatzes für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Hiervon ausgehend blieb der auf eine bloße Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen gerichtete Klageantrag erfolglos. Ein solches isoliertes Begehren ermöglicht keine - die kollidierenden Verfassungswerte ausgleichende - Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit. Auch der hilfsweise Klageantrag, der auf eine Mitteilung der betrieblichen E-Mail-Adressen und eine Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang abzielte, war unbegründet. Die mit dem Leistungs- und Duldungsverlangen jeweils einhergehenden Belastungen der Beklagten beeinträchtigen sie erheblich in ihrer verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und begründen - schon jeweils für sich genommen - ihr überwiegendes Schutzbedürfnis gegen eine solche Inanspruchnahme. Das Abwägungsergebnis hat nicht zur Folge, dass damit für die Klägerin keine Möglichkeit eröffnet wäre, das E-Mail-System der Beklagten zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen zu nutzen. Ihr steht die Möglichkeit offen, die Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse zu fragen. Auch für deren grundrechtlich verbürgte Belange stellt dies den schonendsten Ausgleich dar. Der auf eine Nutzung des konzernweiten Netzwerks bei Viva Engage gerichtete Klageantrag blieb ebenfalls erfolglos. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen der Beklagten übersteigen das durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Interesse der Klägerin an der Durchführung solcher Werbemaßnahmen. Auch der auf die Vornahme einer Verlinkung im Intranet der Beklagten abzielende Klageantrag war unbegründet. Die Klägerin konnte ihr Begehren mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Betriebsverfassungsgesetz nicht auf eine analoge Anwendung von § 9 Abs. 3 Satz 2 BPersVG stützen. Ob sich ein solches Begehren grundsätzlich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergeben kann, konnte der Senat offenlassen. Jedenfalls kann die Klägerin nicht verlangen, dass ein auf ihre Webseite verweisender Link auf der Startseite des Intranets angebracht wird. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2025 - 1 AZR 33/24 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 26. September 2023 - 7 Sa 344/22 - Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 28.01.2025
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3.
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BAG: Arbeitgeber darf Entgeltabrechnungen seinen Mitarbeitern digital bereitstellen
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Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpost- fach einstellt. Die Klägerin ist im Einzelhandelsbetrieb der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Für den Konzernverbund, dem die Beklagte angehört, regelt die Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 7. April 2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, hat der Arbeitgeber zu ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken. Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte die Beklagte ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach die Klägerin und verlangte, ihr weiterhin Abrechnungen in Papierform zu übersenden. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage, mit der die Klägerin die Erteilung der Entgeltab- rechnungen begehrt, stattgegeben. Es hat angenommen, die Entgeltabrechnungen seien ihr durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger sie - anders als die Klägerin im Streitfall - für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO vorge- schriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an ei- ner elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen. Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein. Der Senat ist jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen worden sind, ob Einführung und Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2025 - 9 AZR 48/24 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16. Januar 2024 - 9 Sa 575/23 - Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 28.01.2025
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BGH: Verwertung von "EncroChat"-Daten bei Cannabis-Handel möglich
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Der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision der Staatsanwaltschaft ein Urteil des Landgerichts Berlin I aufgehoben, soweit dieses den Angeklagten freigesprochen hat. Das Landgericht hatte den Angeklagten am 3. Mai 2024 unter Freispruch im Übrigen wegen drei Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Ecstasy-Tabletten und Kokain) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen handelte der Angeklagte mit diesen Betäubungsmitteln als Nutzer eines Kryptohandys des Anbieters "EncroChat". Der Freispruch betraf Anklagevorwürfe, wonach der Angeklagte in gleicher Weise mit großen Mengen an Cannabisprodukten im Jahr 2020 Handel getrieben haben soll. Die Vorwürfe wurden auf "EncroChat"-Daten zu Verkaufsgeschäften gestützt, die das Gericht in die Hauptverhandlung eingeführt hatte. Solche Daten waren 2020 in großem Umfang in Frankreich erhoben und auf der Grundlage einer Europäischen Ermittlungsanordnung (EEA) an deutsche Behörden weitergeleitet worden. Die vorgeworfenen Taten waren bis zum Inkrafttreten des Cannabisgesetzes zum 1. April 2024 nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als Verbrechen strafbar. Sie stellen jetzt nach § 34 Abs. 1 und 3 KCanG lediglich Vergehen dar, die milder bestraft werden können. Nach dem Grundsatz des Vorrangs milderen Rechts (§ 2 Abs. 3 StGB) ist deshalb in vor dem 1. April 2024 begangenen "Alt"-Fällen des Cannabishandels zumeist das neue Recht als milderes Recht anzuwenden. Das Landgericht hat den Freispruch damit begründet, dass die "EncroChat"-Daten wegen der Gesetzesänderung nicht mehr als Beweismittel verwertbar seien, da wegen solcher Taten eine gravierende Ermittlungsmaßnahme wie eine Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) jetzt nicht mehr zulässig sei. In seiner Grundsatzentscheidung vom 2. März 2022 (5 StR 457/21, vgl. hierzu die Pressemitteilung Nr. 38/2022 vom 25. März 2022) hatte der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Verwertbarkeit der "EncroChat"-Daten bei einer Verurteilung wegen erheblichen Drogenhandels nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG u.a. damit begründet, dass dieser als besonders schwere Straftat im Katalog des § 100b Abs. 2 StPO enthalten sei. Dies ist bei Straftaten nach § 34 Abs. 1, 3 KCanG nicht mehr der Fall. Daraus hatten einige Oberlandesgerichte abgeleitet, die Daten seien nunmehr in Fällen des Cannabishandels unverwertbar. Auf eine solche Entscheidung hatte sich auch das Landgericht bei seinem Freispruch bezogen. Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, dass die genannte Gesetzesänderung in Fällen wie dem vorliegenden keine Auswirkungen auf die Verwertbarkeit der "EncroChat"-Daten hat. Hierfür waren folgende Gesichtspunkte maßgebend: Rechtsgrundlage für die Verwertung solcher Daten in der Hauptverhandlung ist § 261 StPO. Auch wenn von anderen europäischen Staaten Daten zu Zwecken der Strafverfolgung zur Verfügung gestellt werden, richtet sich die Verwertung nach deutschem Recht. Ausdrückliche Verwendungsbeschränkungen für solche Daten gibt es im nationalen Recht nicht. Ein Verwertungsverbot außerhalb von gesetzlich geregelten Beweisverwertungsverboten kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Voraussetzung in diesen Fällen ist, dass die Daten unrechtmäßig erlangt wurden. Dies war vorliegend nicht der Fall, denn die EEA als Grundlage für die Übermittlung der Daten war rechtmäßig. Die Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen hierfür bestimmen sich unionsrechtlich gemäß der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL EEA). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum "EncroChat"-Komplex und zu der für die Rechtmäßigkeit einer EEA zentralen Norm des Art. 6 Abs. 1 RL EEA (EuGH, Urteil vom 30. April 2024 - C-670/22) ist zum Zeitpunkt des Erlasses der EEA unter anderem zu prüfen, ob die Datenübermittlung in einem vergleichbaren innerdeutschen Fall rechtmäßig wäre. Damit verweist das Unionsrecht auf nationale Regelungen zur Datenanforderung. Das deutsche Recht enthält Regelungen, die eine solche Datengewinnung erlauben; bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen kommen dabei Beschränkungen in Betracht, die den Verdacht bestimmter Straftaten voraussetzen. Durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum einschlägigen Unionsrecht ist nunmehr geklärt, dass die vom Bundesgerichtshof in "EncroChat"-Fällen vor allem auf den Zeitpunkt der Beweisverwertung in der Hauptverhandlung bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Maßstäbe für besonders schwerwiegende Grundrechtseingriffe (vgl. § 100e Abs. 6 StPO) bereits bei der Beweisübermittlung vorzunehmen ist. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 1. November 2024 - 2 BvR 684/22) die Heranziehung der strafprozessual restriktivsten Verwendungsschranke in den "EncroChat"-Fällen für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. Danach kommt es auf die Rechtsmäßigkeit der Datenübermittlung an. Maßgeblich ist hierfür der Rechtszustand bei Datenanforderung. Zum damaligen Zeitpunkt im Jahr 2020 waren die angeklagten Taten als Verbrechen nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar. Die Daten wurden nach den bisherigen Maßstäben des Bundesgerichtshofs also rechtmäßig von Frankreich nach Deutschland übermittelt. In solchen Fällen gilt schon nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass eine Änderung der rechtlichen Bewertung einer Tat im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht zu einer Unverwertbarkeit rechtmäßig erlangter Daten führt. Es ging vorliegend auch nicht um Bagatelltaten, sondern um den Handel mit Cannabisprodukten in größeren Mengen. Soweit der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs seine bisherige Rechtsprechung geändert hat, war er hierzu durch die für ihn verbindliche Auslegung der europarechtlichen Anforderungen an eine auf den Beweismitteltransfer abzielende EEA durch den Europäischen Gerichtshof aufgerufen. Die Sache muss deshalb, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs neu verhandelt und entschieden werden. Urteil vom 30. Januar 2025 - 5 StR 528/24 Vorinstanz: Landgericht Berlin I - Urteil vom 3. Mai 2024 - (511 KLs) 279 Js 374/23 (1/24) Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 30.01.2025
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OLG Bamberg: Online-Plattform für Arbeitgeberbewertungen muss Daten zum Bewertenden nur bedingt preisgeben
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Ein Unternehmen kann von einer Online-Plattform für Arbeitgeberbewertungen keine Daten über die Bewertenden erhalten, wenn deren Aussagen keine rechtswidrige Schmähkritik darstellen (OLG Bamberg, Beschl. v. 17.12.2024 - Az.: 6 W 12/24e). Das klägerische Unternehmen verlangte von der Beklagten - einer Online-Plattform für Arbeitgeberbewertungen - die Herausgabe von Nutzerdaten. Zwischen Dezember 2022 und Februar 2024 wurden 13 kritische Bewertungen abgegeben, diedie das Firma als rufschädigend empfand. Sie verlangte die Herausgabe von Namen, E-Mail-Adressen und IP-Adressen. Das OLG Bamberg wies den Anspruch zurück. 1. Herausgabe der IP-Adressen: Der Anspruch auf Herausgabe der IP-Adressen sei von vornherein unbegründet. Denn das Gesetz erlaube nur die Herausgabe von Bestandsdaten (z.B. Name oder E-Mail-Adresse), nicht aber von Nutzungsdaten wie IP-Adressen: "Die Beschwerde muss, wie das Landgericht richtigerweise erkannt hat, von vornherein erfolglos bleiben, soweit sich der Antrag auf die Herausgabe der IP-Adresse bezieht. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 TDDDG schuldet die Beteiligte allenfalls Auskunft über die bei ihr vorhandenen Bestandsdaten, nicht aber über Nutzungsdaten. Bestandsdaten sind nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TDDDG die personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind. Dazu gehören Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers, nicht aber die IP-Adresse, von der aus Inhalte hochgeladen wurden. IP-Adressen sind Nutzungsdaten im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TDDDG (…)."
2. Herausgabe der sonstigen Daten: Auch den Anspruch hinsichtlich der übrigen Daten hielt das Gericht für unbegründet, da es sich bei den beanstandeten Bewertungen um zulässige Meinungsäußerungen handele. Nur beleidigende, ehrverletzende oder unwahre Tatsachenbehauptungen könnten jedoch eine Auskunftspflicht begründen. Die Äußerungen enthielten zwar teilweise scharfe Kritik ("Katastrophe dieser Laden", “Schmutz”), seien aber nicht rein herabsetzend, sondern in einen sachlichen Kontext eingebettet: "Zwar enthalten die beiden Aussagen deutliche Kritik an den Führungskräften des bewerteten Unternehmens. Diese entzieht sich jedoch noch nicht von vornherein jeglichem sachlichen Kontext. Ferner ist für die Einordnung die gesamte Bewertung und der Gesamtzusammenhang der beanstandeten Äußerungen mit dem übrigen Inhalt der Bewertung zu berücksichtigen. Dabei ist zu sehen, dass die Bewertung nicht die schlechtest mögliche Gesamtbenotung vergibt und insbesondere die Kategorie „Gehalt/Sozialleistungen“ mit vier Sternen bewertet. Demnach ist nicht ersichtlich, dass es dem Bewerter ausschließlich um eine Herabsetzung oder Diffamierung der Antragstellerin geht.”
Das Gericht betont mit seiner Entscheidung noch einmal, dass Unternehmen keinen generellen Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten auf Bewertungsplattformen haben, solange die Meinungsfreiheit gewahrt bleibt, keine strafrechtlich relevanten Inhalte vorliegen oder unwahre Tatsachen gegeben sind.
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OLG Hamm: Unternehmen haftet für irreführende Preisangaben auf Google-Shopping
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Ein Unternehmen haftet für irreführende Preisangaben auf Google-Shopping, auch wenn der Fehler (möglicherweise) durch Google verursacht wurde (OLG Hamm, Beschl. v. 25.11.2024 - Az.: I-4 U 87/24). Die Beklagte hatte auf der Plattform Google Shopping eine Herrenarmbanduhr mit einem Preis von 398,00 EUR beworben. Die Uhr war zu diesem Preis jedoch nie erhältlich und schon seit längerer Zeit nicht mehr lieferbar. Wie es zu der fehlerhaften Anzeige kam, konnte nicht abschließend geklärt werden. Insbesondere war es möglich, dass Google selbst den Fehler verursacht hatte und das betroffene Unternehmen kein Verschulden traf. Die Wettbewerbszentrale erhob Klage wegen irreführender Werbung, da Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Angabe in die Irre geführt werden könnten. In einem Hinweisbeschluss teilte das OLG Hamm mit, dass in jedem Fall das Unternehmen hafte. Denn auch wenn das Problem aus der Sphäre von Google stamme, sei eine Haftung gegeben. Denn Google sei Beauftragter nach § 8 Abs. 2 UWG, so dass im Außenverhältnis eine Verantwortlichkeit des beklagten Unternehmens eintrete. Auch wenn Google die falsche Preisangabe möglicherweise durch einen technischen Fehler verursacht habe, ändere dies nichts an der Haftung der Beklagten. Sie habe die Möglichkeit gehabt, den Fehler zu kontrollieren und zu korrigieren: "Ausgehend hiervon ist Google im vorliegenden Fall als Beauftragter der Beklagten tätig geworden. Unstreitig besteht zwischen der Beklagten und Google ein Vertrag, aufgrund dessen sich Google dazu verpflichtet hat, die von der Beklagten im Internet angebotenen Produkte im Rahmen und nach den Konditionen seines sog. Adwords-Programms zu bewerben. Damit wird Google im Rahmen der bestehenden vertraglichen Abreden zugunsten der Beklagten tätig, indem es diese beim Warenabsatz unterstützt."
Und weiter: "Damit steht fest, dass die Beklagte durch die Veränderung des Datenbestandes, den sie Google zur Verfügung stellt, unmittelbar beeinflussen kann, ob und ggf. zu welchen Konditionen die von ihr angebotenen Waren – eine vertragsgemäße Umsetzung durch Google vorausgesetzt – auf den Shoppingseiten von Google erscheinen. Letztlich hat sie hiervon auch in Bezug auf die streitgegenständliche Werbeanzeige Gebrauch gemacht, indem sie „durch einen einfachen Klick auf der eigenen Plattform“ (...) und das Leeren des Cache dafür gesorgt hat, dass das unzutreffend beworbene Produkt nicht mehr auf den Google-Shoppingseiten erscheint." Und weiter: “Nach alledem ist es für die Begründetheit des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 UWG unerheblich, dass die unzutreffende Werbeanzeige nach dem Sachvortrag der Beklagten auf einen von Google zu vertretenden Fehler zurückzuführen sein soll. Ob und in welchem Umfang die Beklagte bei Google ggf. Regress nehmen kann, hat der Senat vorliegend nicht zu entscheiden.”
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OLG Köln: Online-Kündigungsbutton muss immer eingeblendet sein, nicht erst nach Eingabe bestimmter Daten
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Der gesetzlich vorgeschriebene Kündigungsbutton auf Webseiten muss dauerhaft eingeblendet werden und darf nicht erst dann erscheinen, wenn der Kunde zuvor bestimmte Daten eingegeben hat (OLG Köln, Urt. v. 10.01.2025 - Az.: 6 U 62/24). Das verklagte Telekommunikationsunternehmen bot Kunden auf seiner Internetseite an, Verträge online zu kündigen. Klickte der Nutzer auf den Link, gelangte er auf eine Unterseite, auf der er zahlreiche Daten (u.a. Name, E-Mail-Adresse, Produkt) eingeben musste. Erst nachdem er diese Angaben gemacht hatte, erschien der Kündigungsbutton “Jetzt kündigen”. Darin sah das OLG Köln einen Wettbewerbsverstoß. Der Button “Jetzt kündigen” müsse von Anfang an sichtbar sein, damit der Verbraucher seine Kündigung unmittelbar bestätigen könne. Da der Bestätigungsbutton nicht sofort sichtbar sei, müssten Kunden zunächst mehrere Fragen beantworten, ohne zu wissen, wie viele noch folgen. Dies erschwere die Vertragsbeendigung in unzulässiger Weise. "Nach der gesetzgeberischen Konstruktion und dem eindeutigen Wortlaut (…) ist ein solches Vorgehen nicht zulässig. Die Vorschrift sieht ausdrücklich vor, dass die Abfrage der zur Identifizierung erforderlichen Daten (§ 312k Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BGB) mit der Bestätigungsschaltfläche zugleich erscheinen muss, wie aus der Verknüpfung der beiden Vorgaben in Nr. 1 und 2 mittels des Wortes „und“ hervorgeht. Auch formuliert das Gesetz, dass die Kündigungsschaltfläche zu einer Bestätigungsseite führen muss, die (Nr. 2) „eine Bestätigungsschaltfläche enthält“. Diese Formulierung kann allein dahin verstanden werden, dass diese Schaltfläche auch sofort auf der Bestätigungsseite sichtbar sein muss; die Bestätigungsseite muss insofern „aus einer einheitlichen Webseite“ (OLG Düsseldorf NJW 2024, 2767, 2768 Rn. 14) bestehen, wofür jedoch die Abfrage der Daten unter der stets gleichen URL nicht ausreicht. Vielmehr muss die Betätigung der „Kündigungsschaltfläche“ unmittelbar zu der Bestätigungsseite mit sämtlichen vorgeschriebenen Merkmalen (insbesondere der Bestätigungsschaltfläche) führen. Diese Auslegung nach dem Wortlaut wird auch – anders als das Landgericht meint – durch die Intention des Gesetzes, Kündigungen zu erleichtern, abgedeckt. Andernfalls bestünde (…) in der Tat die von dem Kläger angesprochene Gefahr, dass der Verbraucher durch eine Mehrzahl hintereinander folgender Abfragen in Gestalt einer „scheibchenweisen“ Hinführung zur Bestätigungsschaltfläche von der Ausübung seines Kündigungsrechts abgehalten wird, weil ihm nicht klar sein wird, wie viele Abfragen noch folgen werden."
Und weiter: "Das im Gesetzeswortlaut angelegte Ziel, ihm unmittelbar nach Klick auf die Kündigungsschaltfläche eine Bestätigungsschaltfläche als Signal dafür anzuzeigen, dass er nunmehr auf der richtigen Seite angelangt ist, um seine Erklärung abzugeben, wird damit nicht erreicht. Dem Gesetzgeber stand dabei durchaus vor Augen, dass Unternehmen ein Interesse daran haben könnten, für den Verbraucher nicht ohne Weiteres beizubringende und für die zweifelsfreie Zuordnung auch nicht erforderliche Daten abzufragen und so die einfache und unkomplizierte Kündigung zu erschweren (vgl. BT-Drs. 19/30840 S. 18, 2. Abs.)."
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8.
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OLG Nürnberg: Bank haftet nicht für einen durch Enkeltrick-Betrug entstandenen Vermögensschaden
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Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadensersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 € an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht Nürnberg-Fürth im konkreten Fall nicht feststellen. Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadensersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sogenannten Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in erster Instanz mit Urteil vom 22. Juli 2022 die Klage abgewiesen. Das Gericht führte aus, dass eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen ist. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte die Kammer im vorliegenden Fall nicht feststellen. Die Kammer war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrages noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das Landgericht in seiner Entscheidung. Gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht Nürnberg eingelegt. Auch das Oberlandesgericht verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das Berufungsgericht ergänzend aus. Auf den Hinweis des Oberlandesgerichts zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist damit rechtskräftig. Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens. (Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 22. Juli 2022, Az. 10 O 1384/22, Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. November 2024, Az. 14 U 2275/22) Quelle: Pressemitteilung des OLG Nürnberg v. 30.01.2025
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9.
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LG Bremen: Irreführende Online-Werbung für Handwerksleistungen
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Ein Unternehmen, das online mit handwerklichen Begriffen wie “Glaserei” und “Glasnotdienst” wirbt, handelt wettbewerbswidrig, wenn es nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist (LG Bremen, Urt. v. 13.11.2024 - Az.: 9 O 1962/23). Die verklagte Firma warb auf ihrer Webseite mit nachfolgenden Aussagen: “Ihre Glaserei, die Sie immer erreichen! (...)"
und “24 Std. Notverglasung”
und “(…) Glasnotdienst”.
Das Unternehmen war nicht in die Handwerksrolle eingetragen, sondern vermittelte diese handwerklichen Leistungen an Dritte. Das LG Bremen entschied, dass diese Form der Werbung sei. Denn es werbe mit Bezeichnungen Reklame gemacht, die den Eindruck erweckten, es führe handwerkliche Arbeiten selbst durch. Wer lediglich als Vermittler auftrete, müsse darauf transparent und deutlich hinweisen. "Wird die beworbene Dienstleistung nicht selbst erbracht, sondern lediglich an ein Drittunternehmen vermittelt, so ist auf die bloße Vermittlungstätigkeit deutlich hinzuweisen, damit das Publikum erkennen kann, dass die Leistungen nicht von dem Werbenden erbracht werden (…). Ist die beworbene handwerkliche Tätigkeit einem Handwerksbetrieb i. S. d. § 1 Abs. 1 HwO vorbehalten, ist eine irreführende Berühmung bestimmter handwerklicher Tätigkeiten eines nicht in der Handwerksrolle eingetragenen Nichthandwerkers nach § 5 UWG unzulässig."
Und weiter: "Die Beklagte suggeriert einem verständigen, aufmerksamen und durchschnittlich informierten Verbraucher mit den Aussagen (…), dass sämtliche dieser Tätigkeiten von ihr selbstständig ausgeführt werden. Auf der streitgegenständlichen Unternehmenswebsite spricht die Beklagte an diversen Stellen von „ihrem“ Glasnotdienst und dass „sie“ komme. Zudem bezeichnet sie sich selbst als Glaserei (...). Durch die Bezeichnung als Glaserei besteht für den Kunden kein Anlass, eine Leistungserbringung durch jemand anderen als die Beklagte zu erwarten. Die Einschränkung, dass die Beklagte die Tätigkeiten nicht selbstständig durchführt, ergibt sich lediglich durch den wesentlich später folgenden und damit nicht ausreichenden Hinweis (…)."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, es läuft das Berufungsverfahren vor dem OLG Bremen (Az.: 2 U 142/24).
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10.
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Neue RechtsFAQ zur KI-VO
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Ab sofort gibt es auf unseren Seiten eine RechtsFAQ, die sich mit der Verordnung zur Künstlichen Intelligenz (KI-VO) beschäftigt. Die Verordnung zur künstlichen Intelligenz (KI-VO) legt umfassende Regeln für die Entwicklung, den Vertrieb und den Einsatz von KI-Systemen fest. Sie enthält allgemeine Vorschriften für alle KI-Systeme, strenge Anforderungen für Hochrisiko-KI-Systeme und Verbote für bestimmte KI-Praktiken. Zudem betont sie die Notwendigkeit einer ausreichenden KI-Kompetenz und die Einhaltung entsprechender Transparenzpflichten. Seit dem 02.02.2025 besteht auch eine Pflicht zur KI-Schulung der Mitarbeiter. Ab dem 02.08.2026 treten zudem bestimmte Transparenzpflichten wirksam. Die RechtsFAQ gibt es hier
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Allgemeine Informationen zum Newsletter
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