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Die einzelnen News
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1.
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EuGH-Generalanwalt: Datenbank mit personenbezogenen Daten darf im Rahmen der Zwangsvollstreckung an Dritte verkauft werden
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Nach Ansicht von Generalanwalt Priit Pikamäe kann eine Datenbank mit personenbezogenen Daten unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsverfahrens verkauft werden, auch wenn die von diesen Daten betroffenen Personen dem nicht zugestimmt haben Das ist dann der Fall, wenn die mit einem solchen Verkauf verbundene Datenverarbeitung in einer demokratischen Gesellschaft zur Sicherstellung der Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs notwendig und verhältnismäßig ist Bei einem polnischen Gericht ist ein Rechtsstreit anhängig zwischen einer Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstands einer anderen Gesellschaft, die auf den Online-Verkauf spezialisiert ist und gegenüber der die erstgenannte Gesellschaft eine Forderung hat. Die vermögensrechtliche Haftung dieses Mitglieds kann dann geltend gemacht werden, wenn die Schuldnergesellschaft nicht über hinreichende Vermögenswerte verfügt, um die Forderung der Gläubigergesellschaft zu befriedigen. Das Vorstandsmitglied ist jedoch der Ansicht, dass dies nicht der Fall sei, da die Schuldnergesellschaft u. a. zwei Datenbanken mit Daten von Nutzern der von ihr geschaffenen Online-Plattform besitze. Diese Datenbanken enthalten personenbezogene Daten von Hunderttausenden von Personen, die der Verarbeitung ihrer Daten in Form einer Bereitstellung an Dritte außerhalb dieser Plattform nicht zugestimmt haben. Das polnische Gericht hat Zweifel, ob die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)1 es einem Gerichtsvollzieher gestattet, diese Datenbanken in einem Zwangsvollstreckungsverfahren ohne die Zustimmung der von diesen Daten betroffenen Personen zu veräußern, und hat daher den Gerichtshof angerufen. In seinen Schlussanträgen schlägt Generalanwalt Priit Pikamäe dem Gerichtshof vor, dies zu bejahen. Seiner Ansicht nach fallen die von dem Gerichtsvollzieher zur Schätzung des Werts der betreffenden Datenbanken und zu ihrer Versteigerung vorgenommenen Handlungen in den Anwendungsbereich der DSGVO. Diese Handlungen umfassten nämlich mindestens das Auslesen, das Abfragen und die Verwendung der personenbezogenen Daten und ihre Bereitstellung an den Erwerber und seien daher als eine „Verarbeitung“ dieser Daten im Sinne dieser Verordnung anzusehen. Zudem meint der Generalanwalt, dass der Gerichtsvollzieher als der für diese Verarbeitung Verantwortliche eingestuft werden müsse. Außerdem vertritt der Generalanwalt den Standpunkt, dass die in Rede stehende Verarbeitung rechtmäßig sei, wenn sie für die Wahrnehmung einer dem Gerichtsvollzieher übertragenen Aufgabe, die in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolge, erforderlich sei. Schließlich stellt der Generalanwalt fest, dass sich der Zweck der von dem Gerichtsvollzieher vorgenommenen Verarbeitung von dem ursprünglichen Zweck unterscheide, der darin bestanden habe, die Nutzung der in Rede stehenden Online-Plattform zu ermöglichen. Damit diese weitere Verarbeitung als mit der DSGVO vereinbar angesehen werden könne, müsse sie eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zur Erreichung eines der mit dieser Verordnung verfolgten Ziele im öffentlichen Interesse darstellen. Nach Auffassung des Generalanwalts kann unter diesen Zielen das der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche grundsätzlich die Verarbeitung der vorliegend in Rede stehenden Daten rechtfertigen. Er hebt auch hervor, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit, die dem polnischen Gericht obliege, eine Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht der Gläubigergesellschaft und dem Recht der Nutzer der in Rede stehenden Online-Plattform auf Schutz personenbezogener Daten impliziere. Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-693/22 | I. (Verkauf einer Datenbank) Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 22.02.2024
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2.
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KG Berlin: Ordnungsgeld wegen Verstoß gegen untersagte Online-Glücksspiel-Werbung auch dann, wenn Verstoß nicht mehr andauert
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Die Verhängung eines Ordnungsgeldes (hier: wegen verbotener Online-Glücksspiel-Werbung) setzt nicht voraus, dass die Verletzung noch im Moment des Gerichtsverfahrens andauern muss (KG Berlin, Beschl. v. 02.01.2024 - Az.: 5 W 140/23). Der Beklagten war in der Vergangenheit gerichtlich untersagt worden, für ausländische Online-Glücksspiele zu werben. Als die Beklagte gegen dieses Verbot verstieß, beantragte die Gläubigerin die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Die Beklagte wandte ein, sie habe den Verstoß zwischenzeitlich eingestellt, sodass der Antrag unzulässig sei. Das KG Berlin erließ ein Ordnungsgeld iHv. 50.000,- EUR. Erforderlich sei nicht, dass der Verstoß während des gerichtlichen Verfahrens noch andauere. Maßgeblich sei alleine, dass es in der Vergangenheit zu einer solchen Handlung gekommen sei: "Das Abstellen der zu unterlassenden Handlung, also das Absehen von weiteren Verstößen, macht den vorher eingetretenen Verstoß nicht ungeschehen. Bereits nach dem Wortlaut des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfordert die Verhängung eines Ordnungsmittels allein, dass der Schuldner (wie in die Vorschrift hineinzulesen ist: schuldhaft) der ihm auferlegten Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen, zuwiderhandelt. Die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO setzt aber schon nach dem Wortlaut dieser Norm nicht voraus, dass die schuldhafte Zuwiderhandlung noch im Zeitpunkt der Beantragung eines Ordnungsmittels durch den Gläubiger (oder gar im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag) vorliegt. Dies erscheint auch unter dem Gesichtspunkt der Sinnhaftigkeit der Vorschrift richtig. Für titulierte Unterlassungspflichten, gegen welche überhaupt nur einmal oder nur innerhalb einer bestimmten Frist verstoßen werden kann, ist dies ohne Weiteres einzusehen (…). Wollte man es anders sehen, könnte der nur einmal mögliche Verstoß oder könnte der nur innerhalb einer bestimmten Frist mögliche Verstoß (nach Ablauf der Frist) nicht sanktioniert werden. Ein erfolgter derartiger Verstoß bliebe folgenlos; § 890 ZPO wäre sinnentleert und liefe leer."
Und weiter: "Ausgehend hiervon ist aber nicht zu ersehen, weshalb dann, wenn gegen eine Unterlassungspflicht mehrfach oder dauerhaft verstoßen werden kann, ein Ordnungsmittel dann nicht mehr beantragt und verhängt werden können sollte, wenn (zwar nach Ausspruch der Unterlassungspflicht im Erkenntnisverfahren, aber) im Zeitpunkt der Abfassung oder Anhängigmachung des Ordnungsmittelantrags der Verstoß nicht (mehr) vorliegt. Andernfalls bliebe ein bei einem Verstoß gegen eine ihm gerichtlich auferlegte Unterlassungspflicht ertappter Unterlassungsschuldner durch nunmehriges Abstellen der zum Verstoß führenden Handlung, also durch ein bloßes Absehen von weiteren Verstößen, für die Vergangenheit sanktionslos. Auch dies würde zu einer starken Entwertung von § 890 ZPO führen. Eine im Erkenntnisverfahren für die Auferlegung einer Unterlassungspflicht (außerhalb der Fälle der Erstbegehungsgefahr) erforderliche Wiederholungsgefahr ist für die Verhängung von Ordnungsmitteln im Zwangsvollstreckungsverfahren damit gerade nicht erforderlich."
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3.
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OLG Celle: Urheberrechtsschutz hat Vorrang vor den Umgestaltungsplänen der Stadt Hannover
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Darf eine Stadt ein großflächiges Kunstwerk beseitigen, um einen öffentlichen Platz neu zu gestalten? Diese Frage hatte der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten aus dem Urheberrecht zuständige 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle zu entscheiden. Im Jahr 1990 hatte die Stadt Hannover den auf der Rückseite des Hauptbahnhofs gelegenen Andreas-Hermes-Platz neu gestaltet und einen Entwurf des überregional tätigen Landschaftsarchitekten Prof. Lange umgesetzt. Dieser hatte in einem Architektenwettbewerb den 1. Platz belegt. Ein zentrales Element dieses Entwurfs ist ein inmitten von Bäumen befindlicher Brunnen (Wasserspiegel) mit einem Durchmesser von rund 50 Metern, der mit Sitzstufen aus Sandstein eingefasst ist, über den ein steinerner Steg führt und in dessen Inneren sich mehrere große Gestaltungselemente befinden. Nachdem zwischenzeitlich ein anderer Teil des Platzes durch einen Hotelneubau in Anspruch genommen wurde, nimmt dieser Brunnen einen großen Teil der Restfläche ein. Er ist zwischenzeitlich erheblich sanierungsbedürftig. Die Stadt Hannover beabsichtigt, diesen Brunnen abzureißen und den Andreas-Hermes-Platz neu zu gestalten, um die Aufenthaltsqualität zu steigern und gewissen sozialen Problemen bei der bisherigen Nutzung entgegenzuwirken. In einer Beschlussvorlage vom 21. August 2023 führte sie aus, sie werde im Jahr 2024 mit den Planungen für ein neues dauerhaftes Gestaltungs und Nutzungskonzept des Platzes beginnen; für die Zwischennutzung werde sie zeitnah Ideen entwickeln. Sie wolle verschiedene Nutzungskonzepte testen. Der zuständige Stadtbezirksrat erteilte hierzu seine Zustimmung. Gegen den Abriss haben sich die Erben des verstorbenen Architekten gewehrt und in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, der Stadt zu untersagen, den Brunnen abzureißen. Diesen Antrag hatte das Landgericht Hannover in erster Instanz mit Urteil vom 11. Dezember 2023 zurückgewiesen. Auf die Berufung der Erben des Architekten hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle mit Urteil vom 27. Februar 2024 diese Entscheidung des Landgerichts abgeändert und es der Stadt auf der Grundlage der derzeitigen Sachlage – insbesondere des derzeitigen Planungsstandes – untersagt, den Brunnen abzureißen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass der Urheber eines Kunstwerks ebenso wie dessen Erben grundsätzlich vor Beeinträchtigungen seines Werks geschützt sind, dieses Interesse des Urhebers aber gegen die Interessen des Eigentümers – hier der Stadt Hannover – abzuwägen ist. Zwar gehen die Interessen des Grundstückseigentümers in der Regel gegenüber dem Urheberinteresse vor. Vorliegend genügt jedoch der gegenwärtige Stand der Planung der Stadt Hannover für eine - dauerhafte oder vorübergehende - Umgestaltung und Umnutzung des Platzes nicht, um das verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Urhebers an dem Erhalt seines Werks zurücktreten zu lassen. Die Stadt Hannover hatte zwar im Verhandlungstermin eine erste Planungsskizze für eine dreijährige Zwischennutzung vorgelegt. Es ist nach der Auffassung des Senats aber derzeit unklar, welche Aussichten bestehen, dass die dort dargestellten Nutzungsideen tatsächlich umgesetzt werden. Es ist der Beklagten nach der Beurteilung des Senats zuzumuten, zunächst ihre Nutzungsabsichten näher zu konkretisieren. Der Senat hat abschließend klargestellt, dass die Stadt Hannover zwar gegenwärtig – auf der Grundlage des vorliegenden Planungsstandes – den Brunnen nicht beseitigen darf. Dies schließt aber nach den Urteilsgründen nicht aus, dass sie weitere Planungen für eine Änderung der Platzgestaltung vornimmt, die den Abriss des Brunnens beinhalten. Ergebnisse einer fortgeschrittenen Planung wären nach den Entscheidungsgründen bei einer erneuten Interessenabwägung zu berücksichtigen. Das Urteil ist rechtskräftig. (OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2024 – 13 U 57/23) Quelle: Pressemitteilung des OLG Celle v. 01.03.2024
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4.
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OLG Dresden: Anwalt darf Gläubigerdaten aus Insolvenzakte für eigene Akquisition verwenden = kein DSGVO-Verstoß
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Ein Rechtsanwalt darf Gläubigerdaten, die er aus einer Insolvenzakte erhalten hat, zur eigenen Akquise verwenden und die Betroffenen anschreiben. Es handelt sich um eine datenschutzrechtlich zulässige Zweckänderung, die von den berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO gedeckt ist (OLG Dresden, Urt. v. 09.01.2024 - Az.: 4 U 1274/23). Der Beklagte war ein Anwalt, der sich auf Verbraucherschutzrecht spezialisiert hatte. Er hatte Gläubiger einer GmbH, die vor kurzem in Insolvenz gegangen war, per Post angeschrieben. Die personenbezogenen Daten hatte er der Insolvenzakte entnommen. Die Empfänger wehrten sich gegen diese Datenverwendung, weil sie meinten, es liege ein DSGVO-Verstoß vor. Das OLG Dresden folgte dieser Auffassung nicht, sondern stufte das Handeln des Juristen als zulässig ein. 1. Berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO ist Rechtfertigungsgrund: Denn die Speicherung, so die Robenträger, sei durch die berechtigten Interessen nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO erlaubt: "a) Als berechtigtes Interesse an der Verwendung von Namen und Anschrift der Kläger für das Schreiben vom 18.05.2022 hat der Beklagte glaubhaft dargelegt, dass er als vornehmlich auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes und damit auch mit Blick auf das Gemeinwohl tätiger Rechtsanwalt für Bank- und Kapital- sowie Versicherungsrecht vor allem insolvenzgeschädigte Kleinanleger auf bestehende rechtliche Möglichkeiten hinweisen wollte. Die Wahrnehmung von Verbraucherschutzinteressen als Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit wird belegt durch Presseberichte (…) und den Internetauftritt seiner Kanzlei, die diesen Interessenschwerpunkt widerspiegelt. Daneben ist im Rahmen der Abwägung auch das wirtschaftliche Interesse des Beklagten an der Datenverarbeitung zu Akquisezwecken als berechtigtes Interesse einzustellen, da das Schreiben zumindest auch darauf abzielte, von den Adressaten mandatiert zu werden. In Erwägungsgrund Nr. 47 zur DSGVO wird ausdrücklich klargestellt, dass die Durchführung von Direktmarketingmaßnahmen als berechtigtes Interesse betrachtet werden kann, deren Zulässigkeit vermutet wird. Nichts anderes kann für alle sonstigen Werbemaßnahmen gelten, zu denen das streitgegenständliche Schreiben zählt. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu Werbezwecken kann damit grundsätzlich auf den Erlaubnistatbestand der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f gestützt werden (…). b) Auf Seiten der Kläger steht ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das gegen die unbefugte Nutzung ihrer Namens- und Adressdaten für Werbezwecke streitet, auch vor dem Hintergrund des Bekanntwerdens ihrer „Geschädigtenstellung“ bei einem fehlgeschlagenen Investment und Einzelheiten ihrer finanziellen Situation, sowie ihr Interesse am Schutz ihrer allgemeinen Persönlichkeitsrechte vor Belästigung durch unerwünschte Werbung und aufgedrängten Informationen. c) Die somit nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO erforderliche Abwägung ergibt, dass die Verarbeitung durch den Beklagten als Verantwortlichen rechtmäßig ist, da die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der Kläger als betroffene Personen am Schutz ihrer Daten nicht überwiegen."
2. Nur geringe Schutzbedürftigkeit der Daten: Da es sich bei den Informationen lediglich um Adressdaten handle, seien diese auch deutlich geringer schutzbedürftig: "Insgesamt ist das Schreiben in seiner konkreten Ausgestaltung als Verbraucherinformation und als Werbemaßnahme unter Verwendung von eher als unkritisch anzusehenden Adressdaten mit der DSGVO zu vereinbaren. Jedenfalls sind im Rahmen der Interessenabwägung keine überwiegenden Interessen auf Klägerseite zu erkennen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass es sich um Daten handelte, die durch die besondere anwaltliche Stellung, in Ausnutzung der besonderen anwaltlichen Informations- bzw. Akteneinsichtsrechte, erlangt worden sind, und deren Verwendung äußerst limitiert ist (…). Gleichwohl ist die ausdrückliche Hervorhebung der Direktwerbung in Erwägungsgrund 47 zur DSGVO ein Hinweis darauf, dass Werbung nicht nur ein „berechtigtes Interesse“ darstellt, sondern dass Werbung vielmehr bei der Interessenabwägung im Sinne einer gesetzlichen Vermutung grundsätzlich zulässig ist, solange der Maßstab der Erforderlichkeit eingehalten wird, der überdies eher weit auszulegen ist. Zum Ausgleich sieht die DSGVO in Art. 21 Abs. 2 für das Direktmarketing ein bedingungsloses Widerspruchsrecht der betroffenen Person vor (…). Damit wird den Interessen der Kläger hinreichend Rechnung getragen."
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Erst vor kurzem hat das LG Freiburg (Urt. v. 20.09.2023 - Az.: 8 O 63/23) ähnlich entschieden und einer Anwaltskanzlei zugestanden, die Anlegerdaten einer insolventen Unternehmergruppe zur eigenen Akquisition zu verwenden, vgl. die Kanzlei-News v. 01.01.2024.
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5.
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OLG Frankfurt a.M.: Kein Nachvergütungsanspruch wegen Darstellung der europäischen Landmasse auf Euro-Banknoten
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Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung sog. Nachvergütungsansprüche wegen der Darstellung der europäischen Landmasse auf den Euro-Banknoten zurückgewiesen. Die Darstellung der europäischen Landmasse fußt auf einer von der Firma des Klägers lizenzierten Foto-Kollage aus zahlreichen Satellitenbildern. Die vom Kläger begehrte Beteiligung an den der Beklagten jährlich zugewiesenen so genannten Seigniorage-Einkünften scheidet nach Auffassung des OLG bereits deshalb aus, da diese Einkünfte nicht „aus der Nutzung des Werks“, sondern unabhängig von der optischen Gestaltung der Banknoten entstehen. Der Kläger begehrt Nachvergütung wegen der Abbildung der europäischen Landmasse auf den Euro-Banknoten der ersten (2002) und der zweiten Serie (2019). Die beklagte EZB ist allein berechtigt, Euro-Banknoten zu genehmigen und sie gemeinsam mit den nationalen Notenbanken auszugeben. Die Gestaltung der Euro-Banknoten war das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, der mit einem Gestaltungswettbewerb begonnen hatte. Diesen hatte ein österreichischer Designer gewonnen. Seine Entwürfe sahen als eines der Gestaltungselemente eine Abbildung der europäischen Landmasse vor. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten beauftragte die vom Kläger geführte Firma, ihr dafür eine „satellite projection of Europe“ herzustellen und die Rechte an der Nutzung dieser Abbildung für damals 25.000 österreichische Schillinge zu übertragen. Der Kläger behauptet, er selbst habe auftragsgemäß die streitgegenständliche Bilddatei aus einer Vielzahl von Satellitenbildern als Foto-Collage zusammengesetzt und bearbeitet. Er errechnet sich einen Nachvergütungsanspruch für die überlassene Bilddatei u.a. auf Basis der sog. Seigniorage-Einkünfte. Diese werden der Beklagten jährlich in Höhe von 8% des Werts aller im Euro-Währungsgebiet umlaufenden Geldscheine zugewiesen. Im Wege der Teilklage begehrt er Zahlung von 25.000,00 €. Widerklagend hat die Beklagte beantragt feststellen, dass dem Kläger kein weiterer Anspruch in Höhe von rund 5,5 Mio. € zustehe. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit der Berufung verfolgte der Kläger erfolglos seinen Zahlungsanspruch in Höhe von 25.000 € weiter. Der für Urheberrecht zuständige 11. Zivilsenat kommt zu dem Ergebnis, dass dem Kläger auch bei einer zu seinen Gunsten unterstellten Urheberschaft an der Datei und der Annahme eines urheberrechtsschutzfähigen Werks kein Nachvergütungsanspruch zusteht. Der urheberrechtliche Nachvergütungsanspruch solle sicherstellen, dass der Schöpfer eines Werkes angemessen an der wirtschaftlichen Werknutzung beteiligt werde. Der Anspruch beziehe sich auf die Erträge und Vorteile „aus der Nutzung des Werkes“. Die vom Kläger angeführten Seigniorage-Einkünfte seien keine derartige wirtschaftliche Nutzung des vom Kläger reklamierten Werks. Sie entstünden ohne jede wirtschaftliche Verwertungshandlung des Werks allein aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für die Geldpolitik. „Der Wert der Banknoten - und damit verbunden die Höhe der Seigniorage-Einkünfte - bestimmt sich allein nach ihrem zahlenmäßigen Aufdruck/der Stückelung. Ihre optische Gestaltung wirkt sich weder auf den aufgedruckten Wert noch den Umfang des Umlaufvermögens aus“,
vertieft das OLG. Der Umfang des umlaufenden Barvermögens werde rein ökonomisch ermittelt. Auch ohne Verwendung einer Abbildung der Landmasse Europas auf den Banknoten wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, Banknoten im jeweils erforderlichen Umfang und den erforderlichen Größen zu genehmigen und auszugeben. Sie hätte in diesem Fall Seigniorage-Einkünfte in identischer Höhe erhalten. Darüber hinaus seien die geldwerten Vorteile der Beklagten auch deshalb nicht „aus der Nutzung des Werkes“ entstanden, da die auf den Banknoten dargestellte europäische Landmasse als so genannte freie Benutzung anzusehen sei. Die eigentümlichen Bestandteile des Werkes des Klägers, das sich u.a. durch eine naturgetreue und in den Farben an der Farbskala eines Atlasses orientierten Darstellung auszeichne, träten hinter die eigenschöpferischen Veränderungen der Beklagten zurück. Prägend für die Banknoten sei insbesondere die einheitliche, an der Stückelungsgröße orientierte farbliche Gestaltung. „Der Betrachter nimmt keine naturgetreue Abbildung Europas war, sondern ein grafisches Element mit den Umrissen Europas“, begründet der Senat weiter. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision beim Bundesgerichtshof begehren. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.2.2024, Az. 11 U 83/22 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.5.2024, Az. 2-06 52/21) Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 29.02.2024 Erläuterungen § 32a UrhG Weitere Beteiligung des Urhebers Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung sich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes erweist, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich. ...
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6.
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VG Berlin: DSGVO-Auskunftsanspruch auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn mehr als 5.000 Aktenseiten durchgesehen werden müssen
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Ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist auch dann nicht unbegründet, wenn der zur Auskunftspflichtige umfangreiche Recherche (hier: Sichtung von mehr als 5.000 Seiten Akten) durchführen muss (VG Berlin, Urt. v. 06.02.2024 - Az.: 1 K 187/21). Der Kläger begehrte eine Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass dies mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden und der Anspruch daher unbegründet sei. Diesen Standpunkt teilte das VG Berlin, sondern verurteilte die Beklagte zur Unterlassung: "Das Gericht verkennt nicht, dass mit der Zurverfügungstellung von Kopien aller in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthaltenen Dokumente, in denen personenbezogene Daten des Klägers verarbeitet werden, nicht nur wegen der in jedem Einzelfall erforderlichen Prüfung entgegenstehender Rechte i.S.d. Art. 15 Abs. 4 DSGVO ein erheblicher Aufwand einhergeht. Aufgrund der Bedeutung des – grundsätzlich unbedingt gewährleisteten – Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO kommt eine Weigerung des Verantwortlichen, einem Auskunftsbegehren wegen des zu seiner Erfüllung zu treibenden unverhältnismäßigen Aufwandes Folge zu leisten, jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, beispielsweise bei einem offenkundig groben Missverhältnis zwischen den zur Erfüllung des Auskunftsanspruches erforderlichen Anstrengungen und dem Informationsinteresse des Betroffenen (vgl. Urteil der Kammer vom 12. Oktober 2023 - 1 K 561/21, juris Rn. 60)."
Und weiter: "Diese Voraussetzung ist hier jedoch – trotz des großen Umfangs der durch die Beklagte zu sichtenden und vor einer Herausgabe an den Kläger ggf. zu anonymisierenden Akten – nicht erfüllt. Denn der Kläger hat unter Bezugnahme auf die besondere Schutzwürdigkeit seiner personenbezogenen Daten (vgl. hierzu das den Beteiligten bekannte Urteil der Kammer vom 10. Juni 2020 - VG 1 K 143/16, UA S. 9f.) plausibel dargelegt, dass er vorrangig deren Weitergabe durch die Beklagte an Dritte nachvollziehen wolle (die laut der Mitteilung der Beklagten an den Kläger vom 18. November 2020 mehrfach erfolgt ist), um diesen Dritten gegenüber eventuell die Löschung oder die Einschränkung der Verarbeitung der Daten geltend zu machen. Dem lässt sich allein dadurch Rechnung tragen, dass die Beklagte die betreffenden Dokumente in Kopie an den Kläger herausgibt; eine abstrakte Mitteilung der Empfänger der Daten ist nach dem oben Gesagten für die jeweils erforderliche Einzelfallprüfung nicht ausreichend. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs, an den gleichermaßen strenge Anforderungen zu stellen sind, greift vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht durch."
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7.
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LG Bochum: Werbeaussage von Dr. Oetker Vitalis Müsli verboten
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Die Werbeaussage von Oetker Vitalis Müsli ("Dieses Vitalis Müsli enthält Magnesium, das zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung beiträgt“) ist irreführend und somit verboten (LG Bochum, Urt. v. 06.12.2023 - Az.: I-13 O 51/23). Die Beklagte war der Nahrungsmittelhersteller Dr. Oettker. Auf der Verpackung der Dr. Oettker Vitalis Knusper Müsli hieß es: “Dieses Vitalis Müsli enthält Magnesium, das zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung beiträgt”
Die klägerische Verbraucherzentrale monierte das als irreführend. Es sei zwar zutreffend, dass Magnesium gegen Müdigkeit helfe. Hierfür bedürfe es jedoch eines bestimmten Mindestgewichts, de das Produkt der Beklagten nicht erreiche. Das LG Bochum gab der Klägerin Recht und verbot die Werbeaussage. "Die Verordnung (EU) Nr. 432/2023 regelt in Artikel 1 Abs. 2, dass die in Absatz 1 genannten gesundheitsbezogenen Angaben (…) nur gemäß den im Anhang genannten Bedingungen gemacht werden dürfen. Im Anhang ist geregelt, dass die Aussage „Magnesium trägt zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei“ nur für Lebensmittel verwendet werden darf, die die Mindestanforderung an eine Magnesium-Quelle gem, den im Anhang der Verordnung EG Nr. 1924/2006 aufgeführten Angaben erfüllen. Die von der Beklagten auf der Verpackung des Knusper-Schoko-Müslis verwendeten Aussagen wären daher nur dann zulässig, wenn die Menge des Knusper-Schoko- Müslis, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann, 15 % der Referenzmenge an Magnesium enthält."
Maßgeblich sei dabei die tägliche Verzehrmenge: "Bei der Beurteilung der Frage, welche Verzehrmenge bei dem Knusper-Müsli Schoko vernünftigerweise erwartet werden kann, ist nach Auffassung der Kammer die Angabe der Beklagten, dass eine Portion 40 g Müsli enthalte, zu berücksichtigen. (…) Auch wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass ausreichend wäre, dass die erforderliche signifikante Menge nicht mit einer Portion, sondern über den Tag verteilt mit mehreren Portionen aufgenommen wird, setzt dies voraus, dass vernünftigerweise erwartet werden muss, dass mehrere Portionen Müsli am Tag verzehrt werden. Dies ist indes nicht der Fall. Vielmehr nehmen die angesprochenen Verbraucher, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehören, Müsli üblicherweise zum Frühstück und nicht zu anderen Mahlzeiten zu sich. Dementsprechend weist auch die Beklagte auf der Schmalseite der Verpackung direkt unterhalb des angegriffenen Hinweises auf folgendes hin: „Starte im Rahmen einer magnesiumhaltigen Ernährung mit diesem Müsli in den Tag“. Dies belegt, dass auch die Beklagte davon ausgeht, dass das Knusper-Müsli üblicherweise zum Frühstück und nicht zu weiteren Mahlzeiten verzehrt wird."
Diese erreiche nicht die notwendige Mindestmenge, sodass mit dem Versprechen nicht geworben werden dürfe. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, das Berufungsverfahren läuft.
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8.
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LG Hamburg: More Nutrition-Werbung für Schoko-Brownie "95 % weniger Zucker" ist wettbewerbswidrig
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Die Werbung von More Nutrition für ihre Schoko-Brownies (u.a. “95 % weniger Zucker”) ist wettbewerbswidrig, weil nicht erkennbar ist, worauf sich der Vergleich bezieht (LG Hamburg, Urt. v. 23.02.2024 - Az.: 315 O 175/22). Es ging um die folgende Werbeaussagen für die bekannten Schoko-Brownies von More Nutrition: “95 % weniger Zucker” und “70 % weniger Fett” und “perfekt für jede Diät”
Das LG Hamburg stufte alle drei Statements als wettbewerbswidrig ein und untersagte sie. 1. Wettbewerbsverstoß aufgrund fehlender Bezugsgröße: Bei den Werbeaussagen “95 % weniger Zucker” und “70 % weniger Fett” sei das Problem, so das Gericht, dass es an der erforderlichen Bezugsgröße fehle. “Die werblichen Anpreisungen „95 % weniger Zucker“ und „70 % weniger Fett“ sind - zumindest ohne jede Bezugsangabe - irreführend, da diese bei einem erheblichen Anteil des angesprochenen Verkehrs in Bezug auf die Eigenschaften der beworbenen Protein-Brownie-Mischung hinsichtlich ihrer Zusammensetzung Fehlvorstellungen hervorrufen (…).”
Und weiter: "Zwar ist zu konstatieren, dass ein überwiegender Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Werbeaussagen auch ohne die Angabe einer Bezugsgröße so verstehen dürfte, dass ein Vergleich mit herkömmlichen Brownies mit deutlich höherem Fett- und Zuckergehalt gezogen wird. Indes werden die Anpreisungen mangels Angabe einer Bezugsgröße von einem erheblichen Anteil der angesprochenen Verkehrskreise auch dahingehend verstanden, dass sich das beworbene Produkt, verglichen mit seiner früheren Zusammensetzung, nunmehr durch einen noch geringeren Fett- und Zuckergehalt auszeichnet. Gerade bei Lebensmitteln, die als gesundheitsfördernd gelten, ist es üblich, dass eine (vermeintlich) noch gesündere Zusammensetzung entsprechend der hier beanstandeten Werbung beworben wird. Derartige Werbeversprechen sind in der Regel besonders effektiv, da den Rezipienten der Werbung vermittelt wird, dass das beworbene Produkt im Vergleich zu seinem Vorgänger nun aus einer besonders gesunden Zusammensetzung besteht, der Geschmack jedoch nicht leidet. Der Kammer ist zudem wohlbekannt, dass entsprechende Werbeaussagen insbesondere im Zusammenhang mit Lebensrnitteln getätigt werden, die sich von dem „Originalprodukt“ durch eine Ersetzung des Zuckeranteils durch Süßstoffe auszeichnen (etwa “Light”-Softdrinks). Ebendies ist auch bei den von der Beklagten vertriebenen Produkten der Fall. So wird bei dem durch die angegriffenen Anpreisungen beworbenen Produkt der üblicherweise in Brownies enthaltene hohe Zuckeranteil durch die Zugabe des Süßstoffes Erythrit ersetzt."
Bedeutet: Wird bei den Werbeaussagen eine Bezugsgröße angegeben (z.B. “herkömmliche Brownie-Backmischungen ohne Verwendung von Zuckeraustauschstoffen”), sind diese zulässig. 2. Grundsätzliche Irreführung durch ““perfekt für jede Diät”: Der Text “perfekt für jede Diät” hingegen sei ganz grundsätzlich nicht erlaubt. Denn in dieser Absolutheit sei die Aussage falsch: "Zwar ist auch im Hinblick auf diese Werbeaussage zu konstatieren, dass ein Großteil der angesprochenen Verkehrskreise die Anpreisung so verstehen dürfte, dass gerade der geringe Zucker- und Fettanteil dazu beiträgt, sich kalorienbewusst zu ernähren und deshalb das Produkt „perfekt für jede Diät“ sei. Zu sehen ist jedoch, dass auch diese Anpreisung von einem erheblichen Anteil des angesprochenen Verkehrs derart verstanden wird, dass das beworbene Produkt der Beklagten auch „perfekt“ für solche Diäten sei, die nicht (primär) auf die Gewichtsreduktion ausgerichtet sind. Gemeinhin anerkannt und auch bei den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt ist, dass eine Diät nicht ausschließlich mit dem Ziel der Gewichtsreduktion einhergeht, sondern mit unterschiedlichen Zielen verbunden werden kann. Beispielsweise kann eine Diät auch zur Behandlung einer Krankheit angezeigt sein. Gerichtsbekannt (…) ist jedoch, dass die von der Beklagten beworbene Brownie-Mischung jedenfalls nicht „perfekt“ für jede Art von Diät ist. Als Beispiele seien hier etwa Diäten genannt, bei denen man auf den Verzehr von Gluten oder Protein verzichtet."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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9.
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LG Hamburg: Margarine Sanella: Trotz Reduzierung der Füllmenge identische Verpackung = Irreführende Mogelpackung
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Reduziert ein Lebensmittelproduzent die Füllmenge seiner Ware, ändert aber nichts an der bisherigen Verpackung (hier: Margarine Sanella von 500g auf 400g), dann liegt darin eine Irreführung durch eine wettbewerbswidrige Mogelpackung (LG Hamburg, Urt. v. 13.02.2024 - Az.: 406 HKO 121/22). Dies gilt zumindest dann, wenn kein zeitlicher Abstand von 3 Monaten dazwischen liegt. Klägerin war die Verbraucherzentrale Hamburg, die das Vorgehen des Herstellers der Margarine Sanella beanstandete. Die verklagte Firma hatte bis vor Kurzem das Produkt mit einer Füllmenge von 500g ausgeliefert und nun das Gewicht auf 400g reduziert. Auf der Ware befand sich jeweils ordnungsgemäß die Angabe zu den Gramm-Angaben. Das Produkt wurde in der nahezu identischen bisherigen Umverpackung weiterhin genutzt. Die Klägerin sah darin eine Irreführung, weil der Verbraucher aufgrund der Beibehaltung des bisherigen Designs davon ausgehe, dass er 500g und nicht 400g erwerbe. Das LG Hamburg folgte dieser Ansicht und verurteilte das Unternehmen zur Unterlassung. 1. Irreführung durch Beibehaltung der bisherigen Produktverpackung: Die Hamburger Richter knüpfen dabei an der Tatsache an, dass die Margarine mit dem nun reduzierten Gewicht in einem identischen Layout angeboten werde: "Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die allgemeinen Irreführungstatbestände des § 5 UWG auch bei Irreführungen hinsichtlich einer Packungsgröße anwendbar. (...) Vorliegend ist der Vertrieb der hier streitigen 400 g-Packung ohne deutlich sichtbaren aufklärenden Hinweis über die geänderte Füllmenge jedenfalls für einen Zeitraum von 3 Monaten irreführend, wenn „Sanella“ zuvor in einer bis auf die Füllmengenangabe identischen Produktverpackung in 500 g-Packungen vertrieben worden ist."
Erforderlich sei auch, dass die Ware mit der bisherigen Gramm-Anzahl bis vor Kurzem am Markt angeboten wurde. Das Gericht geht hier von einem Zeitraum von 3 Monaten aus. So heißt es in dem Urteilstenor: “Die Beklagte wird verurteilt, es (…) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Streichfett „Sanella“ mit 400 g Inhalt (…) in den Verkehr zu bringen, wenn dieses erst vor kurzem, nämlich bis zu 3 Monaten zuvor, in einer gleich großen Umverpackung mit 500 g in den Verkehr gebracht wurde (…)”
Bedeutet: Ist der Zeitraum zwischen alten und neuem Produkt größer als 3 Monate, dann soll keine Irreführung mehr anzunehmen sein. 2. Irreführung trotz richtiger Angabe der neuen Füllmenge: Die Irreführung werde auch nicht durch den Umstand ausgeschlossen, dass die reduzierte Gramm-Anzahl auf der Packung abgedruckt sei, da der Verbraucher diese Information nicht weiter wahrnehme: "Die auf der Produktseite angegebene Füllmenge wird dem situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbraucher vielfach entgehen. Er wird vielmehr regelmäßig auf Grund des übereinstimmenden Erscheinungsbildes der Verpackungen davon ausgehen, ein auch hinsichtlich der Füllmenge unverändertes Produkt zu erwerben und die geringere Füllmenge erst im Nachhinein bemerken."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Das LG Hamburg betritt mit dieser Entscheidung absolutes Neuland. Folgt man der Ansicht des LG Hamburg, bedeutet dies faktisch, dass jeder Hersteller, der seine Füllmenge reduziert, verpflichtet wäre, ein neues Produkt-Layout einzuführen, um den Vorwurf der Irreführung zu entgehen. Auch das Argument, dass die gesetzlichen Gewichtsangaben vom Verbraucher nicht weiter wahrgenommen würden, ist sehr zweifelhaft. Wenn man nämlich diese Meinung vertritt, könnte man auch exakt gegenteilig argumentieren: Wenn der Verbraucher die Gramm-Anzahl ignoriert, dann hat er sich auch in der Vergangenheit keinerlei Gedanken über das Gewicht gemacht, sodass es ihm egal ist, ob er nun 500g oder 400g Margarine erwirbt.
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LG München I: Online-Coaching-Verträge im B2B-Bereich auch ohne FernUSG-Zulassung wirksam
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Das Fernunterrrichtsschutzgesetz (FernUSG) gilt nicht im B2B-Bereich, sodass hier auch keine Pflicht zu einer Zulassung besteht. Die geschlossenen Verträge sind wirksam (LG München I, Urt. v. 12.02.2024 - Az.: 29 O 12157/23). Die Parteien schlossen einen Online-Coaching-Vertrag über einen Betrag iHv. 20.000,- EUR. Der Inhalt der Leistungen war wie folgt beschrieben: "1. Leistungsumfang 1.1. Das Programm - "..." ist ein 9-monatiges Coaching-Programm, das den Kunden in den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung & Business Aufbau unterstützt. 1.2. Im Programmzeitraum von 9 Monaten werden dem Kunden die Programminhalte in Form von Zoom-Webinaren, Audio- und/oder visuellen Präsentationen und periodischen persönlichen Coachingeinheiten 1:1 und über den Messenger zur Verfügung gestellt. Der Kunde hat innerhalb dieser 9 Monate - Zoom mindestens 3x pro Woche - Zugang zur exklusiven Business Facebook Gruppe - VIP Chat Support via WhatsApp - Zugang zum Mitgliederbereich, der auch über die 9 Monate hinaus bestehen bleibt - 1:1 Coachings nach Bedarf"
Die Klägerin, die Unternehmerin war und selbst Online-Coaching anbot, zahlte den Betrag, kündigte jedoch nach einiger Zeit den Kontrakt und verlangte die Rückzahlung der Summe. U.a. berief sie sich dabei darauf, dass die Vereinbarung aufgrund der fehlenden FernUSG-Genehmigung unwirksam sei. Als die Klägerin nicht zahlte, ging der Rechtsstreit vor Gericht. Das LG München I wies die Klage gleich aus mehreren Gründen ab. 1. FernUSG im B2B-Bereich überhaupt nicht anwendbar: Das FernUSG greife nur im B2C-Verhältnis, nicht jedoch in B2B-Konstellationen, so das Gericht: "Zudem ist das FernUSG auf Unternehmer nicht anwendbar. In der Gesetzesbegründung des FernUSG steht, dass das Gesetz Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes schützen soll. Zwar handelt es sich im Coachingbereich bei den Käufern häufig um Verbraucher, die sich mit Hilfe des Coachings eine Selbständigkeit aufbauen möchten und dann gegebenenfalls bereits als Existenzgründer gelten. Dieses vermeintliche Problem lässt sich allerdings dahingehend lösen indem man auf die Verbrauchereigenschaft zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt. Der Ansicht, dass das FernUSG leidglich auf Verbraucher anwendbar sein soll entspricht auch die gegenwärtige Regelung des § 3 Abs. 3 FernUSG, wonach bei einem Fernunterrichtsvertrag zu den wesentlichen Eigenschaften, über die der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch zu informieren hat, näher bezeichnete Aspekte gehören. Es bedarf somit der Entscheidung ob die Klägerin bei Vertragsschluss als Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB oder als Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB gehandelt hat. Ein Unternehmer gem. § 14 BGB ist jede natürliche oder juristische Person, die am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen ein Entgelt anbietet. Der Klägerin wird seit 4 Jahren und 4 Monaten eine Unternehmereigenschaft nachgewiesen. Sie bietet im Internet ähnliche Coachings wie die der Beklagten an. Dies ergibt sich einerseits aus dem Linkedln Profil der Klägerin in welchem sie seit September 2019 als Unternehmerin gelistet ist. Zudem bietet die Klägerin einige Webinare und Live-Coachings in ihrer Facebook-Gruppe an. Weiterhin finden sich zahlreiche Angebote der Klägerin auf den Seiten ... und .... Die Klägerin ist daher als Unternehmerin gem. § 14 BGB anzusehen sodass der vorliegend geschlossene Vertrag nicht von den Regelungen des FernUSG umfasst ist."
2. Auch wegen fehlender Erfolgskontrolle findet FernUSG keine Anwendung: Ferner fehle es an der notwendigen Erfolgskontrolle, damit ein Fernunterrichtsvertrag vorliege. Hieran fehle es im vorliegenden Fall: "Für das Vorliegen eines Fernunterrichts müsste zudem gem. § 1 Abs.1 S.2 FernUSG eine "Überwachung des Lernerfolgs" gegeben sein. (…) In dem zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Coaching Vertrag wird keine Lernkontrolle erwähnt. Die Klägerin hat hier keine Prüfungsaufgaben erhalten und hatte auch nicht die Gelegenheit sich über ihren Lernerfolg bei der Beklagten rückzuversichern. Das vorliegende Online Coaching stellt keinen Lehrgang oder ein Studium oder ähnliches dar. Zwar konnte die Klägerin bei Verständnisproblemen jederzeit bei Mitarbeitern der Beklagten nachfragen. Von der Beklagten wurde hier ein Raum für etwaige Rückfragen angeboten und ein Netzwerk zum Austausch bereitgestellt. Allerdings ist die Kontrolle des Lernerfolgs nicht als Selbstkontrolle zu verstehen. Vielmehr muss hierfür eine Kontrolle durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten stattfinden. Zusätzlich ist eine Lernerfolgskontrolle bei solchen Inhalten wie sie die Beklagte lehrt ohnehin schwer möglich. Bei dem Coaching handelt es sich um ein Programm zum Business-Aufbau mit einem Schwerpunkt auf dem Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung. Dieses Wissen ist einer Kontrolle nicht wirklich zugänglich. Hierbei bestimmte "Lernerfolge" zu erzielen ist ebenfalls unmöglich, da es sich im einen individuellen Fortschritt der einzelnen Teilnehmer des Coachings handelt." 3. Es fehlt bereits am Merkmal Fernunterricht: Das LG München I geht sogar noch einen Schritt weiter und vertritt den Standpunkt, dass gar kein Fernunterricht vorliege, da beide Parteien, wenn auch nur virtuell, stets zusammen wären: "In einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.07.2023, (Az. 304 O 277/22) wird ausgeführt dass zwar die Teilnahme mittels einer Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG anzusehen ist, da es auf den direkten Kontakt zwischen dem Lehrendem und dem Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme. Wenn man streng auf den Wortlaut abstellt bedeutet "räumlich getrennt", dass sich die Vertragspartner während des Unterrichts nicht am selben Ort aufhalten. Nach dem Wortlaut wäre also auf die physische räumliche Trennung abzustellen. Diese Ansicht wurde auch vom OLG Köln unterstützt, das in einer Entscheidung in einer Bußgeldsache von einer räumlichen Trennung ausging, wenn weniger als die Hälfte des Lehrstoffes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt wurde (OLG Köln, Beschl. v. 24. November 2006 - 81 SsOWi 71/06 - 210 B Rn. 10). "
Das Gesetz sei jedoch an die heutigen Verhältnisse anzupassen und entsprechend auszulegen: "Allerdings dürfte eine solch strenge Orientierung am Wortlaut in der heutigen digitalen Zeit als veraltet anzusehen sein. Das FernUSG trat am 1. Januar 1977 in Kraft. Zu dieser Zeit gab es weder Online Coaching noch digitalen Unterricht, sodass der Gesetzgeber solche Eventualitäten damals noch gar nicht berücksichtigen konnte. Lediglich auf die räumliche Trennung im physischen Sinne abzustellen würde dem heutigen digitalen Zeitalter also nicht gerecht werden. Die Frage der Synchronität ist in einigen anderen Urteilen so entschieden worden, dass es auf eine zeitliche Komponente ankommt, nicht auf die räumliche Distanz. Das bedeutet es müsste eine zeitliche Trennung zwischen dem vom Lehrenden "Unterrichteten" und dem vom Lernenden "Gelernten" geben. Zoom Calls gelten daher immer als synchron, soweit sie live stattfinden. Was vom Lehrenden gesagt wird, wird unmittelbar durch den Lernenden aufgenommen und verarbeitet. Eine zeitliche Trennung gibt es in solchen Konstellationen nicht. 2. Dies war hier der Fall. Alle Coachings der Beklagten fanden live statt. Solch eine synchrone Anwesenheit trägt dazu bei, dass alle Teilnehmer zu Wort kommen und sich aus-tauschen können. Zwar konnten einige Seminare der Beklagten auf der Plattform nochmal zur Wiederholung abgespielt werden, was für eine zeitliche Trennung sprechen mag. Jedoch fanden die ursprünglichen Kurse in Echtzeit mit der Möglichkeit des gegenseitigen Austauschs statt. Die Tatsache, dass sich die Kunden die Aufzeichnung danach erneut ansehen konnten, beeinträchtigt die Synchronizität nicht. Eine zeitliche Trennung ist daher im vorliegenden Fall nicht gegeben, sodass die Voraussetzung des § 1 Abs.1 S.1 FernUSG vorliegt."
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