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Die einzelnen News
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1.
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BGH: Unbegründeter SCHUFA-Eintrag kann Anspruch auf DSGVO-Schadensersatz begründen
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Eine voreilige und unbegründete Meldung an die SCHUFA kann eine DSGVO-Schadensersatzpflicht auslösen, sofern sie nachweisbare Nachteile für die betroffene Person zur Folge hat (BGH, Urt. v. 13.05.2025 - Az.: VI ZR 67/23). Ein Inkassounternehmen meldete eine titulierte Forderung an die SCHUFA, noch bevor die Einspruchsfrist des Schuldners abgelaufen war. Der Kläger behauptete, die daraus resultierende negative SCHUFA-Auskunft habe erhebliche wirtschaftliche Nachteile für ihn verursacht, u.a. den Verlust von Kreditkarten und das Scheitern einer Immobilienfinanzierung. Er klagte auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO. Das LG Mainz gab dem Kläger teilweise recht und sprach ihm 5.000,- EUR Schadensersatz zu. Das OLG Koblenz wies jedoch in der Berufung die Klage vollständig ab. Der Kläger legte daraufhin Revision beim BGH ein. Der BGH hob das Urteil des OLG Koblenz auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Das OLG Koblenz habe das Merkmal des immateriellen DSGVO-Schadens zu streng beurteilt. Ein Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO müsse nicht schwerwiegend sein, wohl aber konkret. Der Kläger habe solche konkreten Auswirkungen substantiiert dargelegt, nämlich den Verlust von Kreditkarten und drohende Kündigungen von Geschäftsbeziehungen. Zudem könne auch der Kontrollverlust über personenbezogene Daten als Schaden gewertet werden “Der Kläger hat den Eintritt eines immateriellen Schadens im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Form einer Beeinträchtigung seiner Kreditwürdigkeit und damit seines (wirtschaftlichen) guten Rufes hinreichend dargelegt.”
Und weiter: “Abgesehen davon hat der Kläger, indem er vorgebracht hat, dass die Beklagte unter Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung seine persönlichen Daten unzulässig an einen Dritten (hier die SCHUFA) übermittelt habe, der Sache nach auch einen immateriellen Schaden in Form des sogenannten Kontrollverlustes über seine Daten geltend gemacht (…).”
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2.
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BGH: Werbeblocker kann Urheberrecht von Webseiten-Betreiber verletzen
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Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über urheberrechtliche Ansprüche wegen des Vertriebs eines Werbeblockers entschieden. Er hat die Sache zur Nachholung weiterer Feststellungen an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Sachverhalt: Die Klägerin ist ein Verlagshaus. Sie ist Pächterin mehrerer Online-Portale. Die Beklagte zu 1 vertreibt ein Plug-in für Webbrowser, das der Unterdrückung von Werbeanzeigen auf Webseiten dient. Die Beklagten zu 2 bis 4 waren Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Bei Aufruf der Webseiten der Online-Portale der Klägerin durch Eingabe der entsprechenden Internet-Adresse in einen Internet-Browser fordert der Browser vom Server der Klägerin die HTML-Datei an und speichert sie im Arbeitsspeicher auf dem Endgerät des Nutzers. Zur Anzeige des HTML-Dokuments interpretiert der Browser den Inhalt des HTML-Dokuments mittels einer Parsing-Engine. Das Ergebnis der Interpretation ist eine Objektstruktur, ein sogenannter DOM-Knotenbaum. Zur Formatierung der Webseite baut eine CSS-Engine sogenannte CSS-Strukturen ("CSSOM") auf. Die DOM- und CSS-Strukturen werden mittels einer Render-Engine in einer Rendering-Baumstruktur zusammengeführt. Der Werbeblocker der Beklagten nimmt Einfluss auf diese vom Browser erzeugten Datenstrukturen und sorgt dafür, dass als Werbung erkannte Elemente nicht auf dem Bildschirm des Nutzers erscheinen. Die Klägerin ist der Auffassung, bei der Programmierung ihrer Webseiten handele es sich aufgrund der darin enthaltenen Steuerungselemente insgesamt um Computerprogramme im Sinne des § 69a Abs. 1 UrhG, an denen ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Der DOM-Knotenbaum und die CSS-Strukturen mit den darin enthaltenen Handlungsanweisungen seien Ausdrucksformen dieser Programmierung und nähmen an deren urheberrechtlichem Schutz teil. Die bei der Verwendung des Werbeblockers erfolgenden Vervielfältigungen im Sinne des § 69c Nr. 1 Satz 1 UrhG seien unberechtigt. Der Werbeblocker führe außerdem zu unbefugten Umarbeitungen im Sinne des § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG. Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nur insoweit zugelassen, als die Klägerin ihre Ansprüche auf eine von ihr behauptete - der ersten unveränderten Vervielfältigung im Arbeitsspeicher nachfolgende - abändernde Vervielfältigung und Umarbeitung eines Computerprogramms gestützt hat. Die Klägerin hat ihre Ansprüche allerdings in vollem Umfang weiterverfolgt. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit es die Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen der behaupteten abändernden Vervielfältigung und Umarbeitung eines Computerprogramms im Sinne des § 69c Nr. 1 und 2 UrhG betrifft. Die weitergehende Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof als unzulässig verworfen. Die Annahme des Berufungsgerichts, durch eine Nutzung des Werbeblockers der Beklagten werde das ausschließliche Recht zur Umarbeitung eines Computerprogramms gemäß § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG nicht verletzt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kann ein Eingriff in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach § 69a Abs. 1 und 2 Satz 1 UrhG und damit eine Verletzung des Rechts zur Umarbeitung im Sinne von § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG und Vervielfältigung im Sinne von § 69c Nr. 1 Satz 1 UrhG nicht verneint werden. Dem Berufungsurteil lässt sich nicht eindeutig entnehmen, von welchem Schutzgegenstand und von welchen für die Frage des Eingriffs maßgeblichen schutzbegründenden Merkmalen dieses Schutzgegenstands das Berufungsgericht ausgegangen ist. Das Berufungsurteil lässt überdies nicht erkennen, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin zu den Besonderheiten eines Browsers hinreichend berücksichtigt hat, wonach virtuelle Maschinen wie ein Browser und die in ihm enthaltenen Engines nicht durch einen Objektcode gesteuert würden, sondern durch einen Bytecode, durch den die virtuellen Maschinen einen Objektcode erstellten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bytecode oder der von ihm geschaffene Code als Computerprogramm geschützt ist und der Werbeblocker im Wege der Umarbeitung oder abändernden Vervielfältigung in das daran bestehende ausschließliche Recht eingegriffen hat. Urteil vom 31. Juli 2025 - I ZR 131/23 - Werbeblocker IV Vorinstanzen: Landgericht Hamburg - Urteil vom 14. Januar 2022 - 308 O 130/19 Oberlandesgericht Hamburg - Urteil vom 24. August 2023 - 5 U 20/22 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 31.07.2025
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3.
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BGH: Cheat-Software für Spielkonsolen verstößt nicht zwingend gegen das Urheberrecht
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Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Vertrieb von Software, die dem Nutzer die Manipulation des Programmablaufs eines Computerspiels ermöglicht, ohne die Programmdaten des Objekt- oder Quellcodes der auf der Spielkonsole eingesetzten Spielesoftware zu verändern, nicht das Urheberrecht des Spieleherstellers an der Spielesoftware verletzt. Sachverhalt: Die Klägerin vertreibt als exklusive Lizenznehmerin für ganz Europa Spielkonsolen und hierfür konzipierte Computerspiele. Bei den Beklagten zu 1 und 2 handelt es sich um Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die Software entwickelt, produziert und vertreibt, insbesondere Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin. Der Beklagte zu 3 ist Director der Beklagten zu 1 und 2. Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in deren Computerspielen umgehen, zum Beispiel die zeitliche Beschränkung der Verwendung eines "Turbos" oder die Beschränkung der Zahl von Fahrern in einem Rennspiel. Die Softwareprodukte der Beklagten bewirken dies, indem sie die variablen Daten verändern, die die Spielesoftware bei ihrer Ausführung im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegt. Dem Programm wird damit ein Zustand vorgespiegelt, der im regulären Spielbetrieb zwar eintreten kann und damit programmimmanent ist, aber nicht dem tatsächlichen Spielstand entspricht. Die Klägerin ist der Auffassung, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG darstelle. Sie hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 23. Februar 2023 (GRUR 2023, 577 - Action Replay I) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat über das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 17. Oktober 2024 - C-159/23 (GRUR 2024, 1704 - Sony Computer Entertainment Europe) entschieden. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass durch den Einsatz der Software der Beklagten nicht in den Schutzbereich der Computerprogramme der Klägerin eingegriffen und daher das der Klägerin zustehende Recht der Umarbeitung gemäß § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG nicht verletzt wird. Der urheberrechtliche Schutz von Computerprogrammen fällt unter die Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, deren Bestimmungen durch die §§ 69a ff. UrhG in deutsches Recht umgesetzt werden. Computerprogramme unterliegen danach dem Schutz des Urheberrechts. Der gewährte Schutz gilt gemäß § 69a Abs. 2 Satz 1 UrhG für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind gemäß § 69a Abs. 2 Satz 2 UrhG nicht geschützt. Zu den urheberrechtlich geschützten Ausdrucksformen eines Computerprogramms zählen der Quellcode und der Objektcode, da sie die Vervielfältigung oder spätere Entstehung dieses Programms ermöglichen. Andere Elemente des Programms, wie insbesondere seine Funktionalität, genießen keinen urheberrechtlichen Schutz. Die Softwareprodukte der Beklagten verändern nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die variablen Daten, die die Spielesoftware bei ihrer Ausführung im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegt und spiegeln dem Programm damit einen Zustand vor, der zwar nicht dem tatsächlichen Spielstand entspricht, aber im regulären Spielbetrieb eintreten kann und damit programmimmanent. Weil die Softwareprodukte der Beklagten nur den Ablauf des Programms beeinflussen und nicht die Programmdaten des Objekt- oder Quellcodes der auf der Spielkonsole eingesetzten Spielesoftware der Klägerin verändern, greifen sie nicht in den Schutzbereich des Rechts an der Spielesoftware als Computerprogramm im Sinne von § 69a Abs. 1 und 2 Satz 1 UrhG ein. Urteil vom 31. Juli 2025 - I ZR 157/21 - Action Replay II Vorinstanzen: Landgericht Hamburg - Urteil vom 24. Januar 2012 - 310 O 199/10 Oberlandesgericht Hamburg - Urteil vom 7. Oktober 2021 - 5 U 23/12 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 31.07.2025
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BGH: Unzulässig: Instagram-Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für Hyaluron-Behandlungen
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Der unter anderem für Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass für eine Behandlung, bei der durch Unterspritzung mit Hyaluron oder Hyaluronidase Form oder Gestalt von Nase oder Kinn verändert werden, nicht mit Vorher-Nachher-Darstellungen geworben werden darf. Sachverhalt: Die Klägerin ist eine in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Verbraucherzentrale. Die Beklagte bietet in ihrer Praxis ästhetische Behandlungen des Gesichts an und bewirbt diese sowohl auf ihrer Webseite als auch auf der Social-Media-Plattform Instagram mit Beiträgen, die Patienten vor und nach der Behandlung zeigen sollen. Die Klägerin ist der Auffassung, die Bewerbung der von der Beklagten angebotenen Behandlungen mit Vorher-Nachher-Darstellungen verstoße gegen die verbraucherschützenden Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Bisheriger Prozessverlauf: Das Oberlandesgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Werbung der Beklagten mit Vorher-Nachher-Darstellungen verstoße außerhalb der Fachkreise gegen das Werbeverbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG. Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei der von der Beklagten beworbenen Behandlung, bei der mittels eines Instruments - hier: einer Kanüle - in den menschlichen Körper eingegriffen und seine Form oder Gestalt - hier: durch Einbringung einer Substanz (Hyaluron oder Hyaluronidase) zur Korrektur von Nase oder Kinn - verändert werden, um einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG handelt. Für die Wirkung eines solchen Eingriffs darf nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG nicht durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden. Dieses weite Begriffsverständnis des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs ist mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar und entspricht sowohl dem Willen des Gesetzgebers als auch dem Schutzzweck dieser Vorschriften, unsachliche Einflüsse durch potentiell suggestive und irreführende Werbung für medizinisch nicht notwendige Eingriffe zurückzudrängen, die Entscheidungsfreiheit betroffener Personen zu schützen und zu vermeiden, dass sich diese Personen unnötigen Risiken aussetzen, die ihre Gesundheit gefährden können. Soweit die Beklagte geltend macht, Risiken dieser Behandlung seien mit den Risiken von Ohrlochstechen, Piercen und Tätowieren vergleichbar, kommt es hierauf nicht an, weil diese Maßnahmen keine operativen plastisch-chirurgischen Eingriffe im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c HWG, sondern lediglich ästhetische Veränderungen der Hautoberfläche darstellen, die nicht in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG fallen. Urteil vom 31. Juli 2025 - I ZR 170/24 Vorinstanz: OLG Hamm - Urteil vom 29. August 2024 - I-4 UKl 2/24 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 31.07.2025
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5.
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BGH: Online-Autokauf: Anforderungen an die Widerrufsbelehrung
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Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich bereits mit Beschluss vom 25. Februar 2025 (VIII ZR 143/24, NJW 2025, 1268) aufgrund zahlreicher Nichtzulassungsbeschwerden insbesondere mit der Frage befasst, ob ein Unternehmer, der bei Fernabsatzverträgen mit Verbrauchern eine von der Musterwiderrufsbelehrung in Teilen abweichende Widerrufsbelehrung verwendet, in der von ihm formulierten Widerrufsbelehrung zusätzlich seine - auf dessen Internet-Seite zugängliche - Telefonnummer angeben muss, wenn in der Widerrufsbelehrung als Kommunikationsmittel beispielhaft seine Postanschrift und E-Mail-Adresse genannt werden. Der Senat hat diese Frage in dem vorbezeichneten Beschluss verneint und die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Beim VIII. Zivilsenat sind in der Folge zahlreiche weitere, ähnlich gelagerte Verfahren eingegangen, in denen seitens der - ebenfalls auf Rückabwicklung der Kaufverträge klagenden - Fahrzeugkäufer nunmehr die Frage aufgeworfen wird, ob der Unternehmer bei der eingangs genannten Fallgestaltung in der von ihm formulierten Widerrufsbelehrung zusätzlich seine Telefaxnummer angeben muss, wenn er diese im Impressum seiner Internet-Seite nennt. In diesem Zusammenhang wird von Fahrzeugkäufern auch geltend gemacht, diese Telefaxnummer sei nicht erreichbar gewesen. Darüber hinaus erheben diese Nichtzulassungsbeschwerden - in Anlehnung an eine nach dem Beschluss des Senats ergangene, hiervon abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 11. März 2025 - 6 U 57/24, juris, Revision anhängig unter VIII ZR 62/25) - Rügen sowohl zu der Frage, ob der Verbraucher durch die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung über die persönliche und sachliche Reichweite des Widerrufsrechts irregeführt werde, als auch zu der Frage, ob die Widerrufsbelehrung der Beklagten deshalb unwirksam sei, weil dem Käufer darin zwar mitgeteilt werde, dass er als Folge eines Widerrufs die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware zu tragen habe, die Widerrufserklärung jedoch keine Angaben zu den Kosten der Rücksendung enthalte. Von der Beantwortung dieser Fragen hängt in den Streitfällen ab, ob die Widerrufsfrist von vierzehn Tagen bereits mit dem Erhalt der Ware angelaufen und damit der Widerruf jeweils verspätet (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 BGB) oder ob - im Falle einer unwirksamen Widerrufsbelehrung - das Widerrufsrecht erst nach zwölf Monaten und vierzehn Tagen erloschen (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB) und damit der vom Käufer erklärte Widerruf rechtzeitig erklärt worden ist. In einem ausgewählten Verfahren, dem ein die Berufung des dortigen Fahrzeugkäufers nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisender Beschluss des Kammergerichts Berlin - 14. Zivilsenat - vom 13. Dezember 2024 (14 U 86/24) zugrunde liegt, hat der Senat nunmehr über die von dem Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entschieden. Sachverhalt und Prozessverlauf Am 18. April 2022 und am 15. Juni 2022 erwarb der Kläger als Verbraucher von der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, jeweils ein Neufahrzeug im Wege des Fernabsatzes. Die Beklagte, die auf ihrer Internet-Seite unter "Kontakt" ihre Telefonnummer und im Impressum erneut ihre Telefonnummer und dort zusätzlich auch ihre Telefaxnummer angegeben hat, verwendete nicht die Musterwiderrufsbelehrung, sondern eine in Teilen davon abweichende Widerrufsbelehrung. Dort werden die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der Beklagten mitgeteilt, nicht aber ihre Telefon- und ihre Telefaxnummer. Dazu heißt es, dass der Widerruf "mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail)" erklärt werden könne. Am 17. September 2022 wurde dem Kläger das zuerst erworbene Fahrzeug übergeben, am 28. Dezember 2022 das zweite Fahrzeug. Am 24. August 2023 erklärte er per E-Mail den Widerruf seiner auf den Abschluss der beiden Kaufverträge gerichteten Erklärungen. Die im Wesentlichen auf Rückzahlung des jeweiligen Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Fahrzeuge, gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt, möchte er sein Klagebegehren weiterverfolgen. Entscheidung des Bundesgerichtshofs Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht gerichtete Beschwerde zurückgewiesen, da ein Grund für die Zulassung der Revision nicht vorliegt. Insbesondere soweit die Beschwerde im Hinblick auf unionsrechtliche Fragestellungen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) geltend macht, ist für eine hierauf gestützte Zulassung der Revision kein Raum. Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 25. Februar 2025, der einen im Wesentlichen gleichgelagerten Parallelfall betraf, bereits entschieden, dass die fehlende Angabe der Telefonnummer in der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung dem Anlaufen der Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BGB) nicht entgegensteht (so bereits im Einzelnen Senatsbeschluss vom 25. Februar 2025 - VIII ZR 143/24, aaO Rn. 8). Wie der Senat nunmehr entschieden hat, bleibt die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg, dem Anlaufen der Widerrufsfrist habe entgegengestanden, dass die Beklagte in der Widerrufsbelehrung nicht auch ihre Telefaxnummer angegeben habe beziehungsweise die auf ihrer Internetseite angegebene Telefaxnummer nach dem Vortrag des Klägers nicht erreichbar gewesen sei, obwohl in der Widerrufsbelehrung die Möglichkeit eines Widerrufs per Telefax mitgeteilt worden sei. Der Senat hat es als offenkundig angesehen, dass weder dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 Buchst. h der Verbraucherrechterichtlinie, dem Kontext der Bestimmung noch den vom Unionsgesetzgeber verfolgten Regelungszielen zu entnehmen ist, dass der Unternehmer in einer Widerrufsbelehrung seine Telefaxnummer anzugeben hat, wenn er in der Widerrufsbelehrung - wie im gegebenen Fall - seine Postanschrift sowie seine E-Mail-Adresse mitteilt. Insoweit gelten die Ausführungen des Senatsbeschlusses vom 25. Februar 2025 (VIII ZR 143/24, aaO Rn. 6 ff., 16 ff.) zu einer unter diesen Umständen entbehrlichen Mitteilung der Telefonnummer des Unternehmers entsprechend. Dem Anlaufen der Widerrufsfrist stünde es - woran ebenfalls keine vernünftigen Zweifel bestehen ("acte clair") - bei richtlinienkonformer Auslegung der Vorschriften der § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 BGB auch nicht entgegen, wenn im Impressum der Internetseite der Beklagten eine unrichtige oder nicht erreichbare Telefaxnummer angegeben worden sein sollte, obwohl in der Widerrufsbelehrung die Möglichkeit eines Widerrufs per Telefax erwähnt ist. Denn eine - unterstellt - insoweit unrichtige Widerrufsbelehrung ist unter den gegebenen Umständen nicht geeignet, sich auf die Befähigung des Verbrauchers, den Umfang seiner aus dem Fernabsatzvertrag herrührenden Rechte und Pflichten - konkret: seines Widerrufsrechts - einzuschätzen, beziehungsweise sich auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen, auszuwirken. Der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher würde selbst bei einer fehlerhaften Angabe der Telefaxnummer nicht irregeführt und von einer rechtzeitigen Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten, wenn der Unternehmer - wie hier - sowohl seine Postanschrift als auch seine E-Mail-Adresse mitteilt, über die der Verbraucher schnell mit ihm in Kontakt treten und effizient kommunizieren kann. Ein solcher Verbraucher, der einen vergeblichen Übermittlungsversuch mittels eines - im Übrigen ohnehin weitgehend überholten - Kommunikationsmittels, hier in Form eines Telefaxschreibens, vergeblich versucht hätte, würde sodann ein effizientes Kommunikationsmittel wählen, welches der Kläger in Gestalt einer E-Mail auch von vornherein tatsächlich gewählt hat. Der Senat hat überdies in Anknüpfung an seinen Beschluss vom 25. Februar 2025 (VIII ZR 143/24, aaO Rn. 29) nochmals hervorgehoben, dem Anlaufen der Widerrufsfrist stehe hier auch der Umstand nicht entgegen, dass die Widerrufsbelehrung einleitend das Bestehen eines Widerrufsrechts (abstrakt) an die Verbrauchereigenschaft des Käufers ("Wenn Sie ein Verbraucher sind…") und an die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln knüpft. Der Sinn und Zweck der Widerrufsbelehrung ist vielmehr in Fällen wie dem vorliegenden - im Anwendungsbereich der Verbraucherrechterichtlinie - auch erfüllt, wenn der Verbraucher (abstrakt) darüber informiert wird, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ihm ein Widerrufsrecht zusteht. Eine Rechtsbelehrung im Einzelnen dahingehend, ob diese - häufig in der Sphäre des Verbrauchers liegenden - Umstände im konkreten Einzelfall gegeben sind, obliegt dem Unternehmer hingegen nicht. Vielmehr obliegt es dem Verbraucher, anhand der Umstände des Einzelfalls selbst zu beurteilen, ob die genannten Voraussetzungen des Widerrufsrechts in seinem Fall gegeben sind. Das Berufungsgericht hat schließlich ebenfalls rechtsfehlerfrei entschieden, dass dem Anlaufen der Widerrufsfrist - wie der Senat in seinem nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangenen Beschluss vom 25. Februar 2025 (VIII ZR 143/24, aaO Rn. 28) bereits ausgeführt hat - auch nicht entgegensteht, dass die Beklagte in ihrer Widerrufsbelehrung dem Käufer zwar mitgeteilt hat, er habe die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware zu tragen, entgegen Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EGBGB jedoch keine - zumindest schätzungsweise - Angaben zur Höhe der Kosten der Rücksendung gemacht hat. Dies hindert jedoch das Anlaufen der Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht. Denn die Folgen einer fehlerhaften Belehrung über die Kosten sind in der Vorschrift des § 357 Abs. 5 BGB (§ 357 Abs. 6 BGB aF) abschließend und vorrangig geregelt. Beschluss vom 22. Juli 2025 - VIII ZR 5/25 Vorinstanzen: Landgericht Berlin II - Urteil vom 19. Juli 2024 - 3 O 357/23 Kammergericht Berlin - Beschluss vom 13. Dezember 2024 - 14 U 86/24 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 29.07.2025
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6.
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BGH: Nicht gewollte Namensnennung in einem Demo-Aufruf begründet keinen Anspruch auf Schadensersatz
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Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Bundestagsabgeordneten für die Partei Die Linke, der in einem Demonstrationsaufruf der Partei Freie Sachsen namentlich genannt worden war, kein Schadensersatzanspruch wegen dieser Namensnennung zusteht. Sachverhalt: Der Kläger ist Bundestagsabgeordneter für die Partei Die Linke im Wahlkreis Leipzig-Süd. Die Beklagte ist eine Landespartei; sie wird vom Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz als "rechtsextremistische Kleinstpartei" beschrieben. Der Kläger hatte für den 5. September 2022, 19.00 Uhr unter dem Titel "Preise runter - Energie und Essen müssen bezahlbar sein" eine Demonstration auf dem Leipziger Augustusplatz vor der Oper angemeldet. Hieran anknüpfend meldete auch die Beklagte für denselben Tag zur selben Uhrzeit auf demselben Platz vor dem Gewandhaus eine Demonstration unter dem Titel "Freie Sachsen unterstützen den Montagsprotest von S.[…] P.[…Name des Klägers] und Der Linken - gemeinsam gegen die da oben" an. Am 31. August 2022 um 17.48 Uhr veröffentlichte die Beklagte über den von ihr betriebenen eigenen Telegram-Kanal "Freie Sachsen" einen Beitrag mit der Überschrift "GETRENNT MARSCHIEREN, GEMEINSAM SCHLAGEN!". Der Beitrag ist mit dem Motto "LIEBER DEMONSTRIEREN ALS ZU HAUSE FRIEREN!" versehen und enthält die Unterüberschrift "Montag (5. September) großer Protest in Leipzig - quer durch alle politischen Lager der Opposition!" Zwischen der Überschrift und der Unterüberschrift werden sechs Personen aufgelistet. An der ersten bis vierten Stelle werden u.a. dem Compact-Magazin, dem Demokratischen Widerstand und den Freien Sachsen zugeordnete Personen unter voller Namensnennung genannt. An fünfter und sechster Stelle werden ein langjähriger Spitzenpolitiker und der Kläger jeweils für die Partei Die Linke aufgeführt. Der Kläger erwirkte am 2. September 2022 eine Unterlassungsverfügung, woraufhin die Beklagte den Beitrag am 3. September 2022 löschte. Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 15.000 €. Er macht geltend, sein guter Ruf und seine Glaubwürdigkeit als Politiker seien erheblich dadurch beeinträchtigt worden, dass in dem Beitrag zu Unrecht der Eindruck erweckt worden sei, er kooperiere mit einer "Rechtspartei". Ergänzend hat der Kläger seinen Anspruch auf Art. 82 DSGVO gestützt. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Beklagte wegen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar verletze der Beitrag der Beklagten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. In ihm werde die unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt, der Kläger "paktiere" mit der Beklagten. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung erreiche aber nicht den Erheblichkeitsgrad, der für die Zubilligung einer Geldentschädigung erforderlich sei. Ein Anspruch aus Art. 82 DSGVO komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Norm sei im Bereich der politischen Auseinandersetzung nicht einschlägig. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Es fehlt an der für die Zuerkennung einer Geldentschädigung erforderlichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Dem angegriffenen Beitrag ist die Aussage, der Kläger paktiere mit Kräften des äußersten rechten Spektrums, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt, nicht eindeutig zu entnehmen. Der Beitrag weist vielmehr einen mehrdeutigen Aussagegehalt auf. Er lässt - am Maßstab des unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten gemessen - mehrere Deutungsalternativen zu, die sich jeweils als nicht fernliegend erweisen. So wird ein Teil der Leser den Beitrag dahingehend verstehen, dass darin eine von einem gemeinschaftlichen Willen aller benannten Personen getragene einheitliche Demonstration angekündigt wird und dass diese Personen, mithin auch der Kläger, sich diesbezüglich abgesprochen bzw. zusammengewirkt haben. Demgegenüber wird ein anderer Teil der Leser dem angegriffenen Beitrag eine Kooperation des Klägers mit den benannten Vertretern der Beklagten nicht entnehmen. Ausgehend von der ins Auge fallenden Überschrift "GETRENNT MARSCHIEREN, GEMEINSAM SCHLAGEN!" und dem im Plural gefassten Text im weiß umrandeten Kasten "ALLE KUNDGEBUNGEN SIND GENEHMIGT" wird dieser Teil der Leser im nachfolgenden Text eine Beschreibung getrennter, unabhängig voneinander organisierter Protestmärsche erwarten. Dieser Teil der Leser wird das Wort "gemeinsam" im Folgetext allein auf das mit dem Protest verfolgte Ziel beziehen. In der zuletzt genannten Deutungsvariante verletzt der angegriffene Beitrag das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht. Aus diesem Grund hat die Verhängung zivilrechtlicher Sanktionen nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung zu unterbleiben. Denn lassen die Formulierung oder die Umstände der Äußerung eine nicht das Persönlichkeitsrecht verletzende Deutung zu, so verstößt die Verurteilung zum Schadensersatz - anders als die Verurteilung zur Unterlassung - gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten immateriellen Schadensersatzanspruch auch nicht auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO stützen. Denn die Verbreitung des den Namen des Klägers nennenden Beitrags auf dem Telegram-Kanal der Beklagten fällt in den Geltungsbereich des Medienprivilegs (Art. 85 Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 4 MStV). § 23 Abs. 1 Satz 4 MStV schützt die Datenverarbeitung aller Anbieter von Telemedien zu journalistischen Zwecken unabhängig von deren organisatorischer Selbstständigkeit. Die Beklagte hat die in ihrem Beitrag enthaltenen personenbezogenen Daten, so u.a. den Namen des Klägers, als Anbieterin eines Telemediums zu journalistischen Zwecken verarbeitet. Die Formulierung "zu journalistischen Zwecken" im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 4 MStV ist weit zu verstehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erfolgt eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken dann, wenn sie zum Zweck hat, Informationen, Meinungen oder Ideen mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Dies ist hier der Fall. Der Beitrag diente dem Ziel, auf die öffentliche Meinungsbildung ein- und an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Urteil vom 29. Juli 2023 - VI ZR 426/24 Vorinstanzen: Landgericht Leipzig - 8 O 852/23 - Entscheidung vom 19. Dezember 2023 Oberlandesgericht Dresden - 4 U 3/24 - Entscheidung vom 23. April 2024 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 29.07.2025
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7.
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OLG Nürnberg: Automatische SCHUFA-Meldung bei Handyvertrag durch berechtigte Interessen nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO erlaubt
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Die automatische Übermittlung von Positivdaten an die SCHUFA beim Abschluss eines Handyvertrags ist durch das berechtigte Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gedeckt und datenschutzrechtlich zulässig (OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.07.2025 – Az.: 16 U 540/25). Der Kläger schloss bei der Beklagten einen Mobilfunkvertrag ab. Die Beklagte übermittelte ohne dessen ausdrückliche Einwilligung sogenannte Positivdaten über diesen Vertrag an die SCHUFA. Der Kunde sah hierin eine Datenschutzverletzung und forderte unter anderem DSGVO-Schadenersatz. Das OLG Nürnberg konnte keine Rechtsverletzung erkennen und lehnte den Anspruch ab. Die Datenübermittlung sei nach der DSGVO zulässig gewesen. Die Beklagte habe ein berechtigtes Interesse an der Betrugsprävention gehabt. Solche Positivdaten könnten helfen, verdächtige Vertragsabschlüsse zu erkennen, etwa wenn eine Person viele Mobilfunkverträge kurz hintereinander abschließe. Auch habe der Kläger bei Vertragsabschluss in den Datenschutzhinweisen erkennen können, dass solche Datenübermittlungen möglich seien. Diese Information war für den Kunden deutlich sichtbar und verständlich dargestellt. “Der Senat schließt sich hier der mehrheitlich vertretenen Auffassung an, wonach die entsprechende Datenverarbeitung durch die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Betrugsprävention gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO gerechtfertigt war, vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. Mai 2025 – 11 U 1335/34, GRUR-RS 2015, 10143; OLG Bamberg, Urteil vom 5. Mai 2025 – 4 U 120/24e, GRUR-RS 2025, 8805; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. Oktober 2024 – 20 U 51/24, GRUR-RS 2024, 32757, Prof. Dr. P., Schufa-Scoring und Schadensersatz bei der Übermittlung von Positivdaten, NJW 2024, 1689, Rn. 13, beck-online.”
Und weiter: "Diese Anforderungen zugrunde gelegt, war die Mitteilung des Abschlusses eines Telekommunikationsvertrages mit dem Servicekonto Nr. (…) zum Zwecke der Betrugsprävention gerechtfertigt. (a) Ein berücksichtigungsfähiges Interesse im Sinne Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO liegt vor. Was als berechtigtes Interesse zu gelten hat, bestimmt die Vorschrift nicht ausdrücklich. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 47 zur DSGVO stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten im für die Verhinderung von Betrug unbedingt erforderlichen Umfang ausdrücklich ein berechtigtes Interesse des jeweiligen Verantwortlichen dar. Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung nachvollziehbar ausgeführt, dass sich anhand streitgegenständlichen Daten mögliche Betrugsfälle im Rahmen des Abschlusses der sog. Postpaid-Mobilfunkverträge, bei denen – wie auch dem Senat bekannt ist – meist in Verbindung mit der Lieferung eines (teuren) Mobiltelefons – die Telekommunikationsleistung nachträglich abgerechnet wird, identifizieren lassen, da in den Fällen, in denen potentielle Kunden in kurzer Zeit unerklärlich viele Mobilfunkverträge abschließen, auf die Absicht des Kunden geschlossen werden könne, an die teure Hardware zu gelangen. Soweit der Kläger einwendet, dass bei der Einmeldung der Daten an die SCHUFA der Vertragsschluss bereits erfolgt sei, steht dies nicht entgegen, denn die Einmeldung dient auch der Vermeidung zukünftiger Betrugsfälle. (b) Ebenso ist nachvollziehbar, dass die konkrete Datenverarbeitung zur Betrugsprävention erforderlich war."
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LG Braunschweig: Irreführende Online-Werbung mit Bezeichnung "Alkoholfreier Gin"
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Alkoholfreie Getränke dürfen nicht als Gin bezeichnet werden, da dies Verbraucher in die Irre führt (LG Braunschweig, Urt. v. 16.10.2024 - Az.: 22 O 2566/23). Die Beklagte bewarb im Internet ihr alkoholfreies Getränk als "(...) ALKOHOLFREIER GIN – FLORAL 0,0 % Vol."
Das LG Braunschweig sah dies als irreführend an. Der Begriff "Gin" für ein alkoholfreies Produkt sei irreführend. Die Spirituosenverordnung verlange für Gin einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 %. Dieser sei bei dem angebotenen Produkt eindeutig nicht gegeben. Deshalb dürfe es nicht als Gin bezeichnet werden. Die Verordnung gelte auch für alkoholfreie Getränke, sofern diese eine Bezeichnung verwendeten, die für Spirituosen rechtlich geschützt sei: "Danach dürfen die rechtlich für Spirituosen, hierunter Gin, vorgeschriebenen Bezeichnungen nicht bei der Bezeichnung von Getränken verwendet werden, welche die Anforderungen für die betreffenden Kategorien gemäß Anhang I der Spirituosenverordnung nicht erfüllen. Anhang I Ziff. 20 bestimmt unter anderem, dass der Mindestalkohol für Gin 37,5 Volumenprozent beträgt. Dieser Wert wird von dem von der Beklagten vertriebenen Produkt unstreitig nicht erfüllt."
Und weiter: "Entgegen der Auffassung der Beklagten findet die Spirituosenverordnung (…) auf den streitgegenständlichen Sachverhalt Anwendung, weil die Verordnung Vorschriften für die Verwendung rechtlich vorgeschriebener Bezeichnungen von Spirituosen in der Aufmachung und Kennzeichnung mit Geltung auch für andere Lebensmittel als Spirituosen enthält. Der Anwendungsbereich der Spirituosenverordnung ist damit auch für das vorliegend von der Beklagten beworbene alkoholfreie Getränke eröffnet."
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LG Rostock: Online-Händler müssen Stoffangaben in Bestellübersicht anzeigen
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In einem Online-Shop muss auf der Bestellübersicht jeweils angegeben werden, aus welchem Material die jeweilige Textilie besteht (LG Rostock, Urt. v. 07.01.2025 - Az.: 6 HK O 28/24). Ein Verbraucherschutzverein verklagte einen Online-Händler, der in seinem Shop einen sogenannten “VIP Seidenschal"
anbot. Die Produktdetailseite enthielt zwar die Information, dass der Schal aus Polyester bestand. Auf der finalen Bestellseite fehlte diese Angabe jedoch, sodass Kunden den Kauf abschließen konnten, ohne vorher über das tatsächliche Material informiert worden zu sein. Das LG Rostock bejahte eine zweifache Wettbewerbsverletzung. Einerseits liege ein Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten vor, andererseits werde der Verbraucher durch die Benutzung des Wortes “Seides” in die Irre geführt. 1. Verstoß gegen gesetzliche Informationspflichten: Es sei gesetzlich vorgeschrieben, dass wesentliche Produkteigenschaften unmittelbar vor Abschluss des Kaufs klar und verständlich mitgeteilt werden müssten. Zu den wesentlichen Eigenschaften gehörten bei Textilien auch die Materialbeschaffenheit: "Denn die Beklagte als Unternehmerin hat durch das abgemahnte Verhalten ihre Pflicht verletzt, dem Verbraucher unter anderen die Informationen gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, in dem für das Kommunikationsmittel und für die Ware angemessenen Umfang, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen. Bei dem Material des Schals handelt es sich um eine wesentliche Eigenschaft der Ware im Sinne des Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. Für den durchschnittlichen Verbraucher ist es von erheblichem Interesse zu erfahren, welche Faserzusammensetzung ein beworbenes Kleidungsstück aufweist, um dessen Wert, sowie Trageeigenschaften, Verträglichkeit und Reinigungsmöglichkeiten beurteilen zu können (…)."
2. Irreführung des Verbrauchers: Der verwendete Begriff “VIP Seidenschal” erwecke den Eindruck eines hochwertigen Produkts, obwohl es tatsächlich aus Polyester bestehe. Die Angabe “Seide” sei daher irreführend: "Das sieht offensichtlich auch die Beklagte selbst so. Denn anders ist nicht zu erklären, warum auch die Beklagte das Material der Kleidung mit der – irreführenden – Angabe, dass der streitbefangene Schal aus Seide bestehe, indem sie ihr Produkt als „VIP Seidenschal“ bezeichnet, herausstellt. Mit der Bezeichnung „VIP“- Schal in offensichtlicher Anspielung auf entsprechende privilegierte - und damit auch gegenüber dem Durchschnitt deutlich teurere - Bereiche in einem Sportstadion - wie auch beim F.C. H. - in Verbindung mit einem nach allgemeiner Ansicht besonders edlen Material (Seide) wird im potentiellen Käufer die Illusion einer Zugehörigkeit zu einem privilegierten Personenkreis geweckt. Nach den eigenen Vorstellungen der Beklagten ist die hervorgehobene Angabe des vermeintlichen Materials des Schals, nämlich Seide, damit ein wesentliches Argument, den Verbraucher vom Kauf des Produktes zu überzeugen. (…) Es ist offensichtlich, dass damit zumindest unterschwellig das Qualitätsgefühl des interessierten Personenkreises angesprochen werden soll, dem hier für kleines Geld ein zumindest der Bezeichnung nach äußerst hochwertiges Produkt angeboten wird, eine - nicht existierende - Zugehörigkeit (“VIP“) vorgegaukelt und das damit getäuscht wird. Es handelt sich demnach auch aus Sicht der Beklagten um eine wesentliche - allerdings nicht vorhandene - Eigenschaft des Schals. Auch wenn der Schal auf einer Fanartikelseite angeboten werde, handele es sich dennoch um ein Textilprodukt, das mit den Waren der Mitglieder des klagenden Vereins vergleichbar sei. Das Gericht stellte fest, dass der Begriff „VIP Seidenschal“ den Eindruck eines hochwertigen Produkts erwecke, obwohl es tatsächlich aus Polyester besteht. Die Angabe „Seide“ sei daher irreführend."
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LG Schweinfurt: Alkoholfreier Wein darf online nicht mit Aussage "gesund genießen" beworben werden
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Alkoholfreier Wein darf nicht mit der Aussage "gesund genießen" beworben werden (LG Schweinfurt, Urt. v. 19.03.2025 - Az.: 5 HK O 23/24). Das verklagte Unternehmen warb im Internet für seinen alkoholfreien Wein mit dem Slogan: “Der ideale Begleiter für alle, die gesund und bewusst genießen”.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sah darin eine unzulässige gesundheitsbezogene Werbung und klagte unter anderem auf Unterlassung. Das LG Schweinfurt bestätigte die Rechtswidrigkeit der Werbung. Der Slogan sei eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Health-Claims-Verordnung und somit nicht zulässig: "Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 17.05.2018 - I ZR 252/16) liegt eine „gesundheitsbezogene Angabe“ auch dann vor, wenn damit zum Ausdruck gebracht wird, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem Verzehr des Lebensmittels einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Aussage, der von der Beklagten als alkoholfrei vertriebene Wein sei der ideale Begleiter für alle, die gesund genießen, ist nur sinnvoll zu verstehen, wenn beim Konsum des von der Beklagten als alkoholfrei vertriebenen Weins für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem Verzehr von Wein einhergehen oder sich ihm anschließen, zumindest geringer ausfallen. Mit dem Begriff „idealer Begleiter“ wird zum Ausdruck gebracht, dass sich dieser Wein gut mit einem gesunden Genuss von Lebensmitteln kombinieren lässt. Diese Aussage wäre logisch nicht nachzuvollziehen, wenn der Konsum dieses Weins die gleichen Auswirkungen auf die Gesundheit hätte wie der Konsum klassischen Weins mit dem entsprechenden Alkoholgehalt."
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