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Die einzelnen News
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1.
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EuGH: Facebook darf öffentliche personenbezogene Daten nur eingeschränkt für zielgerichtete Werbung verwenden
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Ein soziales Online-Netzwerk wie Facebook darf nicht sämtliche personenbezogenen Daten, die es für Zwecke der zielgerichteten Werbung erhalten hat, zeitlich unbegrenzt und ohne Unterscheidung nach ihrer Art verwenden Der Umstand, dass Herr Maximilian Schrems bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion seine sexuelle Orientierung mitgeteilt hat, gestattet dem Betreiber einer Online-Plattform für ein soziales Netzwerk nicht, andere Daten über die sexuelle Orientierung von Herrn Schrems zu verarbeiten, die er gegebenenfalls außerhalb dieser Plattform im Hinblick darauf erhalten hat, sie zu aggregieren und zu analysieren, um Herrn Schrems personalisierte Werbung anzubieten Herr Maximilian Schrems wendet sich vor den österreichischen Gerichten gegen die seiner Ansicht nach rechtswidrige Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten durch Meta Platforms Ireland im Rahmen des sozialen Online-Netzwerks Facebook. Dabei geht es u. a. um Daten zu seiner sexuellen Orientierung. Meta Platforms erhebt personenbezogene Daten der Nutzer von Facebook, darunter Herr Schrems, über deren Tätigkeiten innerhalb und außerhalb dieses sozialen Netzwerks. Dazu gehören u. a. Daten über den Abruf der Online-Plattform sowie von Websites und Anwendungen Dritter. Zu diesem Zweck verwendet Meta Platforms auf den betreffenden Websites eingebaute „Cookies“, „Social Plugins“ und „Pixel“. Meta Platforms kann anhand der ihr zur Verfügung stehenden Daten auch das Interesse von Herrn Schrems an sensiblen Themen wie sexuelle Orientierung erkennen, was es ihr ermöglicht, hierzu zielgerichtete Werbung an ihn zu richten. Somit stellt sich die Frage, ob Herr Schrems ihn betreffende sensible personenbezogene Daten dadurch offensichtlich öffentlich gemacht hat, dass er bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion die Tatsache, dass er homosexuell sei, mitgeteilt und somit die Verarbeitung dieser Daten gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) genehmigt hat. In diesem Kontext7 hat der österreichische Oberste Gerichtshof den Gerichtshof um Auslegung der DSGVO ersucht8. Erstens antwortet der Gerichtshof, dass der in der DSGVO festgelegte Grundsatz der „Datenminimierung“ dem entgegensteht, dass sämtliche personenbezogenen Daten, die ein Verantwortlicher wie der Betreiber einer Online-Plattform für ein soziales Netzwerk von der betroffenen Person oder von Dritten erhält und die sowohl auf als auch außerhalb dieser Plattform erhoben wurden, zeitlich unbegrenzt und ohne Unterscheidung nach ihrer Art für Zwecke der zielgerichteten Werbung aggregiert, analysiert und verarbeitet werden. Zweitens ist es nach Auffassung des Gerichtshofs nicht ausgeschlossen, dass Herr Schrems durch seine Aussage bei der fraglichen Podiumsdiskussion seine sexuelle Orientierung offensichtlich öffentlich gemacht hat. Es ist Sache des österreichischen Obersten Gerichtshofs, dies zu beurteilen. Der Umstand, dass eine betroffene Person Daten zu ihrer sexuellen Orientierung offensichtlich öffentlich gemacht hat, führt dazu, dass diese Daten unter Einhaltung der Vorschriften der DSGVO verarbeitet werden können. Dieser Umstand allein berechtigt jedoch nicht, andere personenbezogene Daten zu verarbeiten, die sich auf die sexuelle Orientierung dieser Person beziehen. Somit gestattet der Umstand, dass sich eine Person bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion zu ihrer sexuellen Orientierung geäußert hat, dem Betreiber einer Online-Plattform für ein soziales Netzwerk nicht, andere Daten über ihre sexuelle Orientierung zu verarbeiten, die er gegebenenfalls außerhalb dieser Plattform von Anwendungen und Websites dritter Partner im Hinblick darauf erhalten hat, sie zu aggregieren und zu analysieren, um dieser Person personalisierte Werbung anzubieten. Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-446/21 | Schrems (Mitteilung von Daten an die breite Öffentlichkeit) Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 04.10.2024
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2.
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EuGH: Verkauf apothekenpflichtiger Arzneimittel über das Internet erfordert ausdrückliche Einwilligung des Kunden
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Der Verkauf apothekenpflichtiger Arzneimittel über das Internet erfordert die ausdrückliche Einwilligung des Kunden in die Verarbeitung seiner Daten, auch wenn es sich um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt Der deutsche Bundesgerichtshof, der den Rechtsstreit zwischen zwei konkurrierenden Apothekern zu entscheiden hat, ersucht den Gerichtshof um Auslegung der Verordnung zum Schutz personenbezogener Daten (DSGVO). Der Gerichtshof stellt fest, dass die DSGVO einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es Mitbewerbern eines mutmaßlichen Verletzers von Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten ermöglicht, diesen Verstoß als verbotene unlautere Geschäftspraxis gerichtlich zu beanstanden. Die Möglichkeit der Mitbewerber, eine solche Klage zu erheben, besteht zusätzlich zu den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung dieser Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden sowie den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen, die in der DSGVO vorgesehen sind. Der Gerichtshof entscheidet außerdem, dass Daten, die Kunden bei der Onlinebestellung apothekenpflichtiger Arzneimittel eingeben, Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO darstellen, auch wenn der Verkauf dieser Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf. Folglich muss der Verkäufer diese Kunden klar, vollständig und in leicht verständlicher Weise über die spezifischen Umstände und Zwecke der Verarbeitung dieser Daten informieren und ihre ausdrückliche Einwilligung in diese Verarbeitung einholen. Der deutsche Bundesgerichtshof hat einen Rechtsstreit zwischen zwei deutschen Apothekern zu entscheiden. Der Apotheker, dem die “Lindenapotheke” gehört, vertreibt seit dem Jahr 2017 apothekenpflichtige Medikamente über Amazon. Die Kunden müssen im Rahmen der Onlinebestellung dieser Medikamente verschiedene Informationen eingeben. Gestützt auf die deutschen Rechtsvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken beantragte ein Mitbewerber des Apothekers bei den deutschen Gerichten, dem Inhaber der Lindenapotheke aufzutragen, diese Tätigkeit einzustellen, solange nicht gewährleistet sei, dass die Kunden vorab in die Verarbeitung von Gesundheitsdaten einwilligen können. Die Gerichte erster und zweiter Instanz vertraten die Ansicht, dass dieser Vertrieb eine unlautere und unzulässige Praxis darstelle, da er gegen die Verordnung zum Schutz personenbezogener Daten (DSGVO)1 verstoße. Wenn keine ausdrückliche Einwilligung der die Arzneimittel erwerbenden Kunden vorliege, komme es beim Verkauf nämlich zu einer Verarbeitung von Gesundheitsdaten, die gemäß der DSGVO verboten sei. Der deutsche Bundesgerichtshof stellt sich die Frage, ob die nationalen Rechtsvorschriften, die es einem Mitbewerber ermöglichen, auf der Grundlage des Verbots unlauterer Geschäftspraktiken Klage gegen den mutmaßlichen Verletzer von Vorschriften der DSGVO zu erheben, mit dieser Verordnung im Einklang stehen. Nach der DSGVO obliege die Überwachung und Durchsetzung dieser Verordnung nämlich grundsätzlich den nationalen Aufsichtsbehörden und die betroffenen Personen (in diesem Fall die Kunden) seien für die Durchsetzung ihrer Rechte verantwortlich. Der deutsche Bundesgerichtshof möchte außerdem wissen, ob die Daten, die beim Kauf apothekenpflichtiger Arzneimittel über das Internet eingegeben werden, Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO darstellen, auch wenn diese Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedürfen. Er hat sich daher an den Gerichtshof gewandt. 1. DSGVO-Verletzungen sind abmahnbar: Der Gerichtshof antwortet als Erstes, dass die DSGVO einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der - zusätzlich zu den Rechten und Befugnissen, die die DSGVO den nationalen Aufsichtsbehörden, den betroffenen Personen und den diese Personen vertretenden Verbänden einräumt - Mitbewerber des mutmaßlichen Verletzers von Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten auf der Grundlage des Verbots unlauterer Geschäftspraktiken wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO gerichtlich gegen diese Person vorgehen können. Im Gegenteil - dies trägt unbestreitbar dazu bei, die Rechte der betroffenen Personen zu stärken und ihnen ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Im Übrigen kann sich dies als besonders wirksam erweisen, da so zahlreiche Verstöße gegen die DSGVO verhindert werden können. 2. Ausdrückliche Einwilligung des Kunden notwendig: Als Zweites stellt der Gerichtshof fest, dass die von den Kunden bei der Onlinebestellung apothekenpflichtiger Arzneimittel eingegebenen Daten (wie z. B. Name, Lieferadresse und für die Individualisierung der Arzneimittel notwendige Informationen) Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO darstellen, auch wenn der Verkauf dieser Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf. Aus diesen Daten kann nämlich mittels gedanklicher Kombination oder Ableitung auf den Gesundheitszustand einer identifizierten oder identifizierbaren natürlichen Person geschlossen werden, da eine Verbindung zwischen dieser Person und einem Arzneimittel, seinen therapeutischen Indikationen und Anwendungen hergestellt wird, unabhängig davon, ob diese Informationen den Kunden oder eine andere Person betreffen, für die der Kunde die Bestellung tätigt. Folglich ist unerheblich, dass ohne ärztliche Verschreibung Arzneimittel nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit und nicht mit absoluter Sicherheit für die Kunden bestimmt sind, die sie bestellt haben. Nach der Art der Arzneimittel und danach zu differenzieren, ob ihr Verkauf einer ärztlichen Verschreibung bedarf, liefe dem mit der DSGVO verfolgten Ziel eines hohen Schutzniveaus zuwider. Der Verkäufer muss diese Kunden daher klar, vollständig und in leicht verständlicher Weise über die spezifischen Umstände und Zwecke der Verarbeitung dieser Daten informieren und ihre ausdrückliche Einwilligung in diese Verarbeitung einholen. Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-21/23 | Lindenapotheke Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 04.10.2024
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3.
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EuGH: FIFA-Bestimmungen über internationale Transfers von Fußballspielern europarechtswidrig
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Fußball: Einige FIFA-Bestimmungen über internationale Transfers von Berufsfußballspielern verstoßen gegen das Unionsrecht Diese Bestimmungen behindern die Freizügigkeit der Spieler und beschränken den Wettbewerb zwischen den Vereinen Ein ehemaliger Berufsfußballspieler mit Wohnsitz in Frankreich wendet sich vor den belgischen Gerichten gegen einige von der Federation internationale de football association (FIFA), dem Verband, der weltweit für die Organisation und Kontrolle des Fußballs zuständig ist, erlassene Bestimmungen und macht geltend, sie hätten seine Verpflichtung durch einen belgischen Fußballverein behindert. Die fraglichen Bestimmungen finden sich im „FIFA- Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern“ (RSTS). Diese Bestimmungen, die sowohl von der FIFA als auch von den ihr angehörenden nationalen Fußballverbänden wie dem belgischen Verband (URBSFA) angewandt werden sollen, gelten u. a. für den Fall, dass ein Verein der Ansicht ist, dass einer seiner Spieler seinen Arbeitsvertrag vorzeitig ohne „triftigen Grund“ aufgelöst hat. In einem solchen Fall haften der Spieler und jeder Verein, der ihn verpflichten möchte, gesamtschuldnerisch für die Zahlung einer Entschädigung an den ehemaligen Verein. Außerdem kann der neue Verein unter bestimmten Umständen mit einer sportlichen Sanktion in Form eines Verbots der Verpflichtung neuer Spieler für eine vorgegebene Periode geahndet werden. Schließlich muss der nationale Verband, dem der ehemalige Verein des Spielers angehört, es ablehnen, dem Verband, bei dem der neue Verein registriert ist, einen internationalen Freigabeschein auszustellen, solange zwischen dem ehemaligen Verein und dem Spieler eine Streitigkeit über die Auflösung des Vertrags besteht. Die Cour d’appel de Mons (Appellationshof Mons, Belgien) fragt den Gerichtshof, ob diese unterschiedlichen Bestimmungen mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und dem Wettbewerbsrecht vereinbar sind. Der Gerichtshof entscheidet, dass alle diese Bestimmungen gegen das Unionsrecht verstoßen. Zum einen sind die fraglichen Bestimmungen geeignet, die Freizügigkeit von Berufsfußballspielern zu behindern, die ihre Tätigkeit weiterentwickeln möchten, um für einen neuen Verein mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Union zu arbeiten. Diese Bestimmungen belasten diese Spieler und die Vereine, die sie einstellen möchten, nämlich mit erheblichen rechtlichen, unvorhersehbaren und potenziell sehr großen finanziellen sowie ausgeprägten sportlichen Risiken, die zusammen genommen geeignet sind, den internationalen Transfer dieser Spieler zu behindern. Zwar können Beschränkungen der Freizügigkeit von Berufsfußballspielern durch das im Allgemeininteresse liegende Ziel gerechtfertigt werden, die Ordnungsmäßigkeit der Fußballwettbewerbe zwischen den Vereinen zu gewährleisten, indem ein gewisser Grad an Beständigkeit in den Mannschaften der Profifußballvereine aufrechterhalten wird, im vorliegenden Fall scheinen die fraglichen Bestimmungen jedoch, vorbehaltlich einer Überprüfung durch die Cour d’appel de Mons, in mehrerlei Hinsicht über das hinauszugehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Zum anderen entscheidet der Gerichtshof im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht, dass die beanstandeten Bestimmungen eine Beschränkung bzw. Verhinderung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs bezwecken, der zwischen allen Profifußballvereinen in der Union bestehen kann, wenn sie einseitig Spieler verpflichten, die bei einem anderen Verein unter Vertrag stehen oder denen vorgeworfen wird, ihren Arbeitsvertrag ohne triftigen Grund aufgelöst zu haben. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass die Möglichkeit, miteinander in den Wettbewerb zu treten, indem man bereits ausgebildete Spieler verpflichtet, eine wesentliche Rolle im Bereich des professionellen Fußballs spielt und dass Bestimmungen, die diese Art des Wettbewerbs in allgemeiner Weise beschränken, indem sie die Verteilung der Arbeitnehmer auf die Arbeitgeber festschreiben sowie die Märkte abschotten, einer Abwerbeverbotsvereinbarung ähneln. Im Übrigen stellt der Gerichtshof fest, dass diese Bestimmungen - vorbehaltlich einer Überprüfung durch die Cour d’appel de Mons - nicht unerlässlich oder erforderlich zu sein scheinen. Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-650/22 | FIFA Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 04.10.2024
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EuGH: Kennzeichnung von Bio-Erzeugnissen: Produkte aus Drittländern dürfen Bio-Logo nur dann tragen, wenn alle EU-Vorgaben eingehalten
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Kennzeichnung ökologischer/biologischer Erzeugnisse: Ein aus einem Drittland eingeführtes Lebensmittel darf das Unionslogo für ökologische/biologische Produktion nur dann tragen, wenn es allen Vorgaben des Unionsrechts entspricht Dies gilt auch dann, wenn die Produktionsvorschriften des Drittlands als denen des Unionsrechts gleichwertig anerkannt sind, wobei ein entsprechendes Erzeugnis gleichwohl das Logo dieses Drittlands für ökologische/biologische Produktion tragen darf Das in Bezug auf das Logo der Europäischen Union für ökologische/biologische Produktion geltende Verbot der Verwendung für Erzeugnisse, die in einem Drittland nach Vorschriften hergestellt werden, die denen des Unionsrechts lediglich gleichwertig sind, gilt gleichermaßen für die Verwendung von Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion. Sofern ein Erzeugnis den Drittlandsvorschriften entspricht, darf jedoch das Logo des betreffenden Drittlands für ökologische/biologische Produktion in der Union für ein solches Erzeugnis verwendet werden, auch wenn es Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion enthält. Herbaria, ein deutscher Hersteller, stellt ein Getränk her, das aus einer Mischung aus Fruchtsäften und Kräuterauszügen besteht und neben ökologischen/biologischen Erzeugnissen nicht pflanzliche Vitamine und Eisengluconat enthält. Auf der Verpackung dieses Erzeugnisses befindet sich u. a. das Logo der Union für ökologische/biologische Produktion (EU-Bio-Logo). Die deutschen Behörden ordneten an, dass Herbaria das EU-Bio-Logo von der Verpackung dieses Erzeugnisses zu entfernen habe, da das Erzeugnis nicht den Vorgaben der Verordnung über die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen1 entspreche. Danach dürften Vitamine und Mineralstoffe verarbeiteten Erzeugnissen, die die Bezeichnung „ökologisch/biologisch“ führten, nämlich nur zugesetzt werden, wenn ihre Verwendung gesetzlich vorgeschrieben sei, was bei dem fraglichen Getränk nicht der Fall sei. Herbaria macht vor dem deutschen Bundesverwaltungsgericht eine Ungleichbehandlung ihres Erzeugnisses gegenüber einem vergleichbaren, aus den Vereinigten Staaten eingeführten Erzeugnis geltend, das ebenfalls nicht pflanzliche Vitamine und Mineralstoffe enthalte, aber nicht mit einem solchen Verbot belegt werde. In der Tat sind die Vereinigten Staaten als Drittland anerkannt, dessen Produktions- und Kontrollvorschriften denen der Union gleichwertig sind. Das bedeutet, dass aus den Vereinigten Staaten stammende Erzeugnisse, die den dortigen Produktionsvorschriften entsprechen, in der Union als ökologische/biologische Erzeugnisse vermarktet werden dürfen. Damit, so Herbaria, ermögliche diese Anerkennung jedoch, dass amerikanische Konkurrenzprodukte das EU-Bio-Logo sowie Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion tragen dürften, sofern sie nur die Produktionsvorschriften der Vereinigten Staaten erfüllten, also auch dann, wenn sie nicht den Produktionsvorschriften des Unionsrechts entsprächen. Der Gerichtshof, der vom deutschen Bundesverwaltungsgericht zu der aufgeworfenen Ungleichbehandlung befragt wird, befindet, dass bei einem aus einem Drittland eingeführten Erzeugnis, das nach Produktions- und Kontrollvorschriften hergestellt wurde, die als denen des Unionsrechts gleichwertig anerkannt sind, weder das EU- Bio-Logo noch Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion verwendet werden dürfen, wenn es nicht voll und ganz den Produktionsvorschriften des Unionsrechts entspricht. Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr einer Beeinträchtigung des fairen Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt für ökologische/biologische Erzeugnisse und von Unklarheiten mit Irreführungspotenzial für die Verbraucher. Mit dem EU-Bio-Logo wird bezweckt, die Verbraucher in klarer Art und Weise darüber zu informieren, dass das Erzeugnis, auf dem es angebracht ist, voll und ganz allen Vorgaben des Unionsrechts entspricht und nicht nur Vorschriften, die diesen Vorgaben gleichwertig sind. Der Gerichtshof stellt jedoch auch fest, dass ein Drittlandslogo für ökologische/biologische Produktion in der Union für entsprechende eingeführte Erzeugnisse verwendet werden darf, auch wenn es Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion enthält. Ein solches Logo ist nämlich nicht geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass die betreffenden eingeführten Erzeugnisse sämtlichen Produktions- und Kontrollvorschriften der Union entsprechen. Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-240/23 | Herbaria Kräuterparadies II Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 04.10.2024
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KG Berlin: Posting auf X mit Hakenkreuz-Symbol auf Corona-Schutzmaske ist strafbar
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Der 2. Strafsenat des Kammergerichts hat heute auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin hin einen 63-Jährigen wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in zwei Fällen schuldig gesprochen, weil er im August 2022 auf der Internetplattform „Twitter“ zwei sog. Posts veröffentlicht hatte, auf denen jeweils ein Text nebst einer medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung sichtbar war, welche mittig die Abbildung eines Hakenkreuzes trägt. Das Amtsgericht Tiergarten hatte den Angeklagten am 23. Januar 2024 in erster Instanz von dem Vorwurf des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen i.S.d. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB freigesprochen, weil der Angeklagte das Hakenkreuz in ablehnendem Kontext genutzt habe. Dadurch sei der Schutzzweck des § 86a StGB nicht verletzt worden. Das Kammergericht als Revisionsinstanz hat die Verneinung der Strafbarkeit in diesem Zusammenhang als rechtsfehlerhaft eingestuft. Der Schutzzweck des Gesetzes diene der Verbannung der Nutzung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aus dem Bild des politischen Lebens unabhängig von der dahinter stehenden Absicht. Lediglich die Regelung in § 86a Abs. 3 StGB i.V.m. § 86a Abs. 4 StGB (sog. Sozialadäquanzklausel) lasse gewisse Ausnahmen zu. Dann müsse aus Sicht eines objektiven Betrachters die Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts gerade verhindert werden wollen, die ablehnende Haltung müsse für einen objektiven Betrachter eindeutig und unmissverständlich sein. Das Handeln des Angeklagten in diesem konkreten Fall sei jedoch nicht durch die Sozialadäquanzklausel gedeckt. Das Hakenkreuz als eines der Hauptkennzeichen der verbotenen nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) werde hier ausschließlich dazu genutzt, um Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung zu äußern; eine eindeutige Abkehr von den Idealen des Nationalsozialismus sei in den verfahrensgegenständlichen Posts nicht erkennbar. Der Vergleich von Corona-Maßnahmen, die durch die Verwendung der Mund-Nasen-Bedeckung verkörpert werden sollen, mit dem durch das Hakenkreuz symbolisierten NS-Terrorregime stelle eine Verharmlosung des Nationalsozialismus und des nationalsozialistischen Völkermordes an Millionen Juden dar, nicht aber eine Kritik daran, so die Vorsitzende in ihrer heutigen mündlichen Urteilsbegründung. Auch habe der Angeklagte mit seinen Posts nicht den Zweck verfolgt, objektiv über Vorgänge des Zeitgeschehens zu berichten oder staatsbürgerliche Aufklärung zu betreiben. Die Verwendung des Symbols auf der Maske erwecke vielmehr den Eindruck, dass die Verwendung des Hakenkreuzes geduldet werde. Genau dieser Eindruck sei aber zu vermeiden, so die Vorsitzende weiter. Das „kommunikative Tabu“ müsse nach dem Willen des Gesetzgebers aufrechterhalten werden, damit keine Gewöhnung an derartige Symbole eintrete. Hinsichtlich des Strafausspruchs hat das Kammergericht das Verfahren an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen, d.h. eine andere Richterin oder ein anderer Richter als in der ersten Instanz hat nun über die Höhe der Strafe zu befinden. Az.: 2 ORs 14/24 Quelle: Pressemitteilung des KG Berlin v. 30.09.2024
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OLG Frankfurt a.M.: Unzulässige Gebühr für Ersatz-SIM-Karten in AGB
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Ein Mobilfunkanbieter darf in seinen AGB keine unzulässigen Gebühren für Ersatz-SIM-Karten verlangen (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 18.07.2024 - Az.: 1 UKI 2/24). Die verklagte Drillisch Online GmbH hatte in ihren Geschäftsbedingungen nachfolgende Regelung festgelegt: "SIM-Karten Ersatz-SIM-Karte Ersatz-SIM-Karten können in der persönlichen Servicewelt bestellt werden Einmalig 14,85 Euro.“
Das OLG Frankfurt a.M. sah darin einen Wettbewerbsverstoß und verurteilte das Unternehmen zur Unterlassung. Die Klausel sei in ihrer Formulierung zweideutig, sodass sie im Zweifel auch dann greife, wenn dem Kunden keinerlei Vorwurf zu machen sei, wenn die Original-SIM-Karte nicht mehr funktioniere. Mit einer solchen Regelung wälze der Anbieter das wirtschaftliche Risiko auf den Kunden ab, was unzulässig sei: "Die von dem Kläger beanstandete Klausel ist nach Maßgabe dessen so zu verstehen, dass der Kunde auch dann das Entgelt in Höhe von 14,85 Euro entrichten muss, wenn ihm ohne sein Zutun eine funktionsunfähige SIM durch den Mobilfunkdiensteanbieter überlassen worden ist und er deswegen eine SIM nachbestellt. Die Beklagte überbordet damit Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten auf den Kunden, denn in einem solchen Fall ist die in Ziff. 5.1 der AGB geregelte, den Mobilfunkdienstanbieter treffende kostenlose Überlassungspflicht der SIM tangiert. Diese ist als Nebenleistungspflicht des Mobilfunkdienstanbieters zu qualifizieren, weil ohne die einmalige Überlassung einer funktionsfähigen SIM die Hauptleistung in Gestalt der Erbringung der Mobilfunkdienstleistungen nicht gewährleistet werden kann."
Diese Bestimmung benachteilige den Verbraucher unangemessen und sei daher rechtswidrig: "Die beanstandete Klausel hält der Inhaltskontrolle nicht stand. Die streitige Gebühr für die Ersatz-SIM ist vielmehr mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und benachteiligt die Vertragspartner der Beklagten in unangemessener Weise (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. (…) Ferner ist die Klausel mit dem aus § 307 Abs. 1 Nr. 2 BGB folgenden Transparenzgebot nicht zu vereinbaren. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (…). So liegen die Dinge hier. Einem durchschnittlich verständigen Verbraucher ist nicht erkennbar, ob sich die streitbefangene Klausel auch auf die Fälle einer ohne sein Zutun defekten SIM bezieht. Der Umfang der bestehenden Vergütungspflicht bleibt damit im Unklaren."
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7.
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OLG Hamburg: Slogan "Wir sind Papst" ist urheberrechtlich geschützt
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Die Worte “Wir sind Papst” als Überschrift in einer Zeitung weisen eine ausreichende Schöpfungshöhe aus, sodass die urheberrechtlich geschützt sind (OLG Hamburg, Urt. v. 29.08.2024 – Az.: 5 U 116/23). Die klägerische Bild-Zeitung hatte im April 2005 bei der Wahl von Joseph Ratzinger in ihrer Zeitung als Headline geschrieben: “Wir sind Papst”.
Die Beklagte verwendete nun diesen Text. Dagegen ging die Klägerin vor, da sie in der unerlaubten Übernahme eine Urheberrechtsverletzung sah. 1. Schöpfungshöhe gegeben: Diese Ansicht bestätigte nun auch das OLG Hamburg: "Die Schlagzeile „Wir sind Papst“ vom 20.04.2005 genießt – wie das Landgericht zu Recht angenommen hat – als Sprachwerk i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG urheberrechtlichen Schutz. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass im Bereich der Sprachwerke auch die sog. kleine Münze urheberrechtlich geschützt ist. Es gelten deshalb grundsätzlich geringe Anforderungen an die hinreichende Individualität (Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 2 Rn. 85). Diese Anforderungen sind vorliegend bei der Schlagzeile „Wir sind Papst“ vom 20.04.2005 erfüllt. (...) (a) Es bestand für die betreffende Schlagzeile zur Wahl des deutschen Kardinals Joseph Ratzingers zum Nachfolger von Papst Johannes Paul II. ein Gestaltungsspielraum, den der Autor Georg Streiter eigenschöpferisch ausgenutzt hat. Der Autor fasste – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – in drei Worten das Ereignis und die damit zusammenhängende Überraschung und Freude der Deutschen im Zusammenhang mit der Wahl eines deutschen Papstes in einer Zeitungs-Titelzeile prägnant zusammen."
Und weiter: "Zu vorbestehenden „Wir sind“-Slogans hält die Schlagzeile „Wir sind Papst“ einen deutlichen Abstand ein. Insoweit ist im Streitfall davon auszugehen, dass der Schöpfer Georg Streiter u.a. vom Ausspruch „Wir sind Weltmeister“ inspiriert war. Dies ergibt sich aus dem Interview mit Georg Streiter gemäß Anlage TW5. Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich – unwidersprochen – geltend gemacht, die Schlagzeile „Wir sind Papst“ sei angelehnt an den aus dem Sport bekannten und geläufigen Ausspruch „Wir sind Weltmeister“ wie er etwa seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer im Jahr 1990 von breiten Teilen der Bevölkerung nach WM-Titeln deutscher Nationalmannschaften im Sport verwendet worden sei. Die Antragstellerin hat demgegenüber gemeint, die gegenständliche Schlagzeile „Wir sind Papst“ grenze sich jedoch deutlich vom Ausspruch „Wir sind Weltmeister“ ab. In dem Interview mit dem Schöpfer Georg Streiter (Anlage TW5) heißt es zur Frage „Wer ist mit ‚Wir‘ gemeint und warum sollen wir stolz sein?“: „Wir – das sind wir Deutschen. Natürlich schwingt da das Gefühl von ‚Wir sind Weltmeister‘ ein bisschen mit – aber ich glaube, hier geht es weniger um Stolz, sondern mehr um eine unschuldige Freude ohne jede Überheblichkeit.“. Während „Wir sind Weltmeister“ durch „Deutschland ist Weltmeister“ ersetzbar ist, so ist dies bei „Wir sind Papst“ nicht gleichermaßen möglich. „Deutschland ist Papst“ oder „die Deutschen sind Papst“ ist keine inhaltlich zutreffende Aussage. Insofern hält der Slogan „Wir sind Papst“ einen deutlichen Abstand zum Slogan „Wir sind Weltmeister“ ein. Zu anderen vorbekannten 3-Worte-„Wir sind“-Slogans wie „Wir sind Kirche“ (1961) und „Wir sind das Volk“ (1989) besteht ebenfalls ein deutlicher Abstand."
2. Indiz: Nutzung als Headline einer Zeitung: Das Gericht stützte sich im Weiteren auf zwei Umstände, die auch für eine Schöpfungshöhe sprechen würden. Zum einen, dass der besagte Text als Nutzung einer Zeitungs-Headline verwendet worden sei. Hierbei erfolge häufig eine besonders prägnante Zusammenfassung: "Weiter ist zu berücksichtigen, dass „Wir sind Papst“ eine Zeitungsartikel-Überschrift bzw. Titel-Schlagzeile war. Zeitungs- und Zeitschriftenartikel zeichnen sich in der Regel – wie ausgeführt – durch eine Individualprägung ihres Autors aus. Eine solche ist auch bei der hier vorliegenden Schlagzeile anzunehmen. Die Schlagzeile „Wir sind Papst“ verbalisiert in besonders prägnanter Form und unter Anwendung stilistischer Mittel ein Identifikationsgefühl in der Bevölkerung. Hierfür bedient sich der Autor des Stilmittels des „totum pro parte“. Insgesamt kommt durch die Prägnanz und das verwendete stilistische Mittel des „totum pro parte“ eine Individualprägung des Autors zum Ausdruck. Es handelt sich letztlich um die prägnante Zusammenfassung eines Artikels in nur drei Worten, womit – wie ausgeführt – das Ereignis und die damit zusammenhängende Überraschung und Freude der Deutschen im Zusammenhang mit der Wahl eines deutschen Papstes zum Ausdruck gebracht wird."
3. Weiteres Indiz: Anerkennung in Fachkreisen Ein weiterer Umstand, der für eine ausreichende Schöpfungsqualität spreche, sei auch die Anerkennung in Fachkreisen, so die Richter: "Ein weiteres Indiz für die Schutzfähigkeit als Werk ist die Anerkennung in Fachkreisen und der übrigen Öffentlichkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können als Indizien im Rahmen der Prüfung der Originalität auch nach der Schaffung des Werkes eingetretene Umstände berücksichtigt werden, wie etwa die Anerkennung in Fachkreisen (…). Als ein Indiz für die Schutzfähigkeit eines Werks kann auch die Beachtung, die das Werk in den Fachkreisen und in der übrigen Öffentlichkeit gefunden hat, mit einzubeziehen sein (…). Dies soll dann möglich sein, wenn diese nachträglichen Umstände wie etwa Einschätzungen in der Fachwelt einen Anhaltspunkt für die Beurteilung bieten können, ob das Werk zum Zeitpunkt seiner Ausgestaltung eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellte (…). So liegt der Fall hier. Die Gesellschaft für deutsche Sprache vergab im Jahr 2006 für die Schlagzeile „Wir sind Papst“ den zweiten Platz unter den zehn Wörtern des Jahres 2005 und begründete die hohe Platzierung damit, dass die Wendung sprachlich einprägsam sei und noch Monate später zitiert und verändert worden sei (…). In der Meldung der Gesellschaft für deutsche Sprache heißt es weiter: „Sprachlich einprägsam, hat diese Wendung selbst im Ausland ein Echo gefunden und wurde noch Monate später zitiert und verändert (‚Sind wir noch Papst?‘)“. Diese Anerkennung in Fachkreisen ist vorliegend ein Indiz für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit. In Fachkreisen und der übrigen Öffentlichkeit hat die gegenständliche Schlagzeile auch noch lange nach ihrer Schöpfung erhebliche Beachtung gefunden, insbesondere durch die zahlreichen Abwandlungen (z.B. „Wir sind Kanzler“ im September 2005, „Wir sind Präsident“ in Österreich im Jahr 2006, „Wir sind WeltmeisterIN“ in 2007, „Wir sind Oscar“ in 2007 und „Wir waren Papst“ in 2022). Dass der Autor Anfang des Jahres 2006 für die Schlagzeile mit einem Kreativpreis des Art Directors Club Deutschland ausgezeichnet wurde (…), ist – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – ebenfalls ein Indiz für die Schutzfähigkeit und die besondere Qualität sowie Individualität dieser Sprachschöpfung."
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8.
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OLG Nürnberg: Bestpreis-Werbung darf Verbraucher über den Umfang der Preisermäßigung nicht im Unklaren lassen ("30-Tage-Bestpreis")
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Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hatte in der Berufungsinstanz über die Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbandes gegen einen Lebensmittelhändler zu entscheiden. Der Senat gab der Klagepartei Recht und bestätigte damit das von der beklagten Partei angefochtene landgerichtliche Urteil.
Der klagende Wettbewerbsverband wandte sich gegen die praktizierte „30-Tage-Bestpreis“-Werbung eines Lebensmitteldiscounters. In dessen Werbeprospekt bewarb dieser ein Lebensmittel mit einem prozentualen Preisvorteil von „-36%“. Darunter standen der derzeit für das Produkt verlangte Rabattpreis von „4,44 €“ und der als durchgestrichen gekennzeichnete zuvor verlangten Preis für das Produkt von „6,99 €“. Hinter der Preisangabe von „6,99 €“ befand sich eine hochgestellte Fußnote 1, die auf folgenden Fußnotentext verwies: „bisheriger 30-Tage-Bestpreis, außer (beworbenes Produkt)“.
Das beworbene Produkt war in der Vorwoche für 6,99 € und zwei Wochen zuvor bereits für 4,44 € erhältlich.
Das Oberlandesgericht Nürnberg sah in dieser Kombination der Preisinformation eine irreführende Werbung. Für den Käufer werde bei dieser Darstellung aus der Werbeanzeige nicht hinreichend klar, dass sich die dargestellte Preisermäßigung auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezieht. Zu dieser Preisinformation ist der Händler jedoch nach einer seit 2022 geltenden Vorschrift in der Preisangabenverordnung verpflichtet. Der Senat des Oberlandesgerichts entschied nun, dass der Verbraucher aufgrund dieser Vorschrift den niedrigsten Preis, den der Händler innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung angewendet hatte, anhand der konkreten Angaben in der Werbung leicht ermitteln können muss.
Zwar darf ein Händler die Preisermäßigung für Produkte zu Werbezwecken nutzen. Die Grenze des Zulässigen ist jedoch überschritten, wenn der Verbraucher aufgrund einer missverständlichen oder mit einer Kombination von mehrdeutigen oder unklaren Preisinformationen überfrachteten Darstellung über den tatsächlichen Umfang des Preisnachlasses im Unklaren gelassen wird. Gibt ein Verkäufer in einer Produktwerbung weitere Preise zu der beworbenen Ware an, muss die Werbeanzeige derart gestaltet sein, dass klar und eindeutig ist, dass sich die Preisermäßigung auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezieht. Die hinreichend klare Angabe dieses „Bestpreises“ stellt für den Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung eine wichtige Orientierungshilfe dar, um die dargestellte Preisermäßigung würdigen zu können.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Urteil des Landgerichts Amberg vom 29. Januar 2024, Az. 41 HK O 334/23; Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 24. September 2024, Az. 3 U 460/24 UWG Quelle: Pressemitteilung des OLG Nürnberg v. 26.09.2024
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9.
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LG Berlin: Beauftragung eines LegalTech trotz fehlerhaftem Online-Bestellbutton wirksam
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Auch wenn die Beauftragung eines Legal Tech-Unternehmens mittels eines fehlerhaften Bestellbuttons erfolgt, ist die Beauftragung wirksam und die von der Firma für den Verbraucher ausgesprochene Rüge gegen eine Mietpreiserhöhung zulässig (LG Berlin, II, Urt. v. 08.08.2024 – 65 S 35/24). Die Klägerin, ein Legal Tech-Unternehmen, machte Rückzahlungsanspruchsansprüche aus einem Mietverhältnis gegen die Beklagte, den Vermieter, geltend. Dazu hatte sie sich die Rückforderungen des Mieters abtreten lassen, die diesem aufgrund eines Verstoßes gegen die Mietpreisbremse zustanden. Das Vertragsverhältnis zwischen der der Klägerin und dem Mieter war durch einen fehlerhaften Online-Bestellbutton zustande gekommen. Die verklagte Vermieterin berief sich nun darauf, dass diese Vereinbarung aufgrund von § 312j Abs. 4 BGB unwirksam sei. Dem folgte das Berliner Gericht nicht, sondern bewertete die Beauftragung als gültig und gab der Klage statt. Die Regelungen zum Bestellbutton hätten den Zweck, den Verbraucher zu schützen. Würde man hier die Norm anwenden, würde das exakte Gegenteil damit erreicht: "Ausweislich Erwägungsgrund Nr. 14 der RL 2011/83/EU sollte die Richtlinie das innerstaatliche Vertragsrecht unberührt lassen, soweit vertragsrechtliche Aspekte in der Richtlinie nicht geregelt werden. Deshalb sollte diese Richtlinie keine Wirkung auf nationale Rechtsvorschriften haben, die beispielsweise den Abschluss oder die Gültigkeit von Verträgen betreffen. Die Auslegung von Willenserklärungen – hier die Bestätigung und Wiederholung einer Abtretung – gehört zweifelsfrei dazu (so bereits Kammer, Beschluss vom 16. August 2022 – 65 S 17/22, n.v.). Dies hat der EuGH in seiner Entscheidung bestätigt (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2024 – C-400/22, Rn. 54f.)"
Und weiter: "Es lässt sich zudem nicht feststellen, weshalb sich ein außerhalb des Rechtsverhältnisses stehender Unternehmer, zudem ausgerechnet der, gegen den der Verbraucher seine ihm nach dem Gesetz zustehenden Rechte – zweifelsfrei – geltend machen und durchsetzen möchte, sich auf einen etwaigen Mangel im Rechtsverhältnis zwischen dem Verbraucher/Zedenten und der Zessionarin erfolgreich sollte berufen können, dies mit der Folge, dass der Verbraucherschutz – zu dem das Wohnraummietrecht gehört – nicht etwa gestärkt, sondern untergraben wird. Dies gilt insbesondere deshalb, weil Art. 8 Abs. 2 Satz 4 der RL 2011/83/EU (allein) vorsieht, dass der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden ist, wenn der Unternehmer die Schaltfläche (oder die entsprechende Funktion), mit der der Verbraucher den Bestellvorgang abschließt, nicht gut lesbar mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung versehen hat. Soweit § 312j Abs. 4 BGB dem Wortlaut nach darüber hinausgehend die Wirksamkeit des Vertrages an die Einhaltung der Pflichten nach Absatz 3 knüpft, handelt es sich unter dem Aspekt der (verbraucherfreundlichen) richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts um keine Frage, die durch den Unternehmer zu klären wäre, der – außerhalb des nach § 312j BGB zustande gekommenen Vertrages stehend – deshalb auf die nicht ihn, sondern den Mieter als Verbraucher schützende Regelung beruft, weil er die erfolgreiche Durchsetzung von Regelungen verhindern will, die den Mieter/Verbraucher gegen ihn als Vermieter schützen (…). Die Beklagte ist weder in den Schutzbereich der Regelung einbezogen noch wird sie vom Schutzzweck der Richtlinie und der auf der Richtlinie basierenden Vorschrift erfasst. Die Regelung in § 312j Abs. 4 BGB soll ausschließlich den Verbraucher schützen (vgl. BT-Drs. 17/7745, S. 12)."
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Am gleichen Tag hat eine andere Kammer des LG Berlin die identische Frage komplett anders bewertet und die Beauftragung als unwirksam eingestuft, vgl. unsere Kanzlei-News v. 05.09.2024. Rechtssicherheit ist etwas anderes. Es gilt also abzuwarten, bis diese Rechtsfrage die nächsthöheren Instanzen erreichen wird.
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Neuer DSK-Beschluss zu den DSGVO-Anforderungen an Übertragung der Kundendaten bei Asset Deal
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Die Datenschutzkonferenz (DSK) hat in einem aktuellen Beschluss ihre bisherige Ausführungen überarbeitet, welche Anforderungen die DSGVO an die Übertragung von Kundendaten im Rahmen von Asset Deals zu stellen sind. Bei einem Share Deal erwirbt der Käufer die Firma als Ganzes, die Firmenanteile eines Unternehmens gehen auf den Käufer über. Anders hingegen beim sogenannten Asset Deal. Hier erwirbt der Käufer lediglich bestimmte Teile des Unternehmens (z.B. die Kundendaten). Im Jahr 2019 hatte die DSK ihren ersten Beschluss zu dieser Problematik abgegeben und hatte damals festgestellt, dass eine angepasste Widerspruchslösung für einen Teil der Daten grundsätzlich möglich ist, d.h. die Kunden werden vom bisherigen Betreiber angeschrieben und darauf hingewiesen, dass ihre Daten übertragen werden, wenn sie nicht widersprechen (Opt-Out). Vgl. dazu ausführlich unsere Kanzlei-News v. 03.06.2024 dazu. Diese Bewertungen hat die DSK nun durch einen neuen Beschluss v. 11.09.2024 überarbeitet. Nunmehr vertritt die DSK nachfolgende Rechtsansicht: 1. Vor dem Asset Deal: Eine Datenübermittlung vor Abschluss des Asset Deal-Vertrags ist grundsätzlich nur mit Einwilligung möglich. 2. Nach dem Asset Deal: Zeitlich nach dem Asset Deal muss zwischen folgenden Konstellationen unterschieden werden. a. Vertragsanbahnung: Wenn zwischen dem Datenveräußerer und dem Kunden, dessen Datensatz verkauft werden soll, noch kein Vertragsverhältnis besteht, kann eine Übertragung aufgrund der berechtigten Interessen (Art. 6 Abs.1 f DSGVO) in Betracht. Der Veräußerer greift hierzu auf die bereits bekannte Widerspruchslösung mit einer Frist von 6 Wochen zurück. b. Laufende vertragliche Beziehung: aa) Erwerber übernimmt rechtliche Pflichten aus dem bisherigen Vertrag: Übernimmt der Erwerber die Verpflichtungen aus dem bisherigen Vertrag des Veräußerers, gilt: “Werden die laufenden Verträge zwischen dem Veräußerer und den jeweiligen Kundinnen und Kunden mit der zivilrechtlich erforderlichen Genehmigung letzterer auf den Erwerber übertragen, so dass dieser die Verträge übernimmt und selbst neuer Schuldner und Gläubiger der jeweiligen Kunden wird (Vertragsübernahme), so erfüllt der Erwerber den Vertrag mit dem Kunden. Damit kann der Erwerber die für die durch ihn vorzunehmende Vertragserfüllung erforderliche Verarbeitung der Daten des Kunden auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b DS-GVO stützen.”
bb) Erwerber übernimmt keine rechtliche Pflichten aus dem bisherigen Vertrag: Übernimmt der Erwerber hingegen keine Verpflichtungen aus dem bisherigen Vertrag des Veräußerers, soll gelten: "Soll allerdings der Erwerber lediglich den Veräußerer von dessen Schuld gegenüber den jeweiligen Kundinnen und Kunden freistellen, handelt es sich hierbei um eine bloße Erfüllungsübernahme. Wird eine Erfüllungsübernahme zwischen Erwerber und Veräußerer vereinbart, ist zu prüfen, ob einer Übertragung der Daten der Kundinnen und Kunden vom Veräußerer auf den Erwerber überwiegende Interessen der Kundin oder des Kunden i. S. v. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO entgegenstehen. Dies dürfte regelmäßig hinsichtlich der für die Erfüllung erforderlichen Daten nicht der Fall sein, weil die Kundin oder der Kunde vor allem an der Erfüllung interessiert sein dürfte und diese in der Regel durch den Erwerber besser gewährleistet werden kann, als durch den Veräußerer. Überwiegen allerdings im Einzelfall die Interessen an der Nichtübertragung der Daten, ist eine wirksame Einwilligung der betroffenen Kundin oder des Kunden erforderlich."#
c. Beendete vertragliche Beziehung: Ist hingegen die vertragliche Beziehung zwischen Verkäufer und dem Kunden bereits beendet, darf eine Übertragung nur mit Einwilligung erfolgen. d. Bei Krankheitsdaten immer Einwilligung: Bei der Übertragung von Krankheitsdaten vertritt die DSK den Standpunkt, dass immer und ausnahmslos diese nur mit Einwilligung erfolgen dürfen. 3. Praktische Konsequenz: Leider führt der neue Beschluss der DSK zu mehr Verwirrung und deutlich weniger Klarheit. Zunächst stellt sich die Frage, ob die aktuellen Ausführungen der DSK so zu verstehen sind, dass die 2019 etablierte Widerspruchslösung so nicht mehr praktiziert werden darf (außer im Fall der Vertragsanbahnung). Oder handelt es sich nur um Ergänzungen und die bisherigen Interpretationen gelten weiter? Dazu schweigt das Dokument leider. Während die Ausführungen von 2019 relativ klar und eindeutig waren, hinterlässt der Beschluss von September 2024 in wesentlichen Punkten Verwirrung und Unklarheit.
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