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Die einzelnen News
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1.
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OLG Düsseldorf: Fehlende WLAN-Tauglichkeit ist bei Software verkehrswesentliche Eigenschaft
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Setzt eine Software eine kabelgebundene Verbindung voraus und ist über WLAN nicht funktionsfähig, so handelt es sich dabei um eine verkehrswesentliche Eigenschaft (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.02.2024 - Az.: 10 U 70/23). Die Beklagte erwarb bei der Klägerin eine Software. Als sich später herausstellte, dass das Produkt nicht WLAN-tauglich war, erklärte sie die Anfechtung des Vertrages. Die Klägerin argumentierte, dass die Käuferin sich hätte besser informieren müssen. Das OLG Düsseldorf war der Ansicht, dass die Beklagte den Kontrakt wirksam angefochten hatte, da sie im Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, nämlich die kabellose Nutzung, gewesen sei: "Entgegen des von der Berufung zu der Frage der verkehrswesentlichen Eigenschaften ihrer Software eingenommenen Standpunktes handelt es sich bei den Voraussetzungen, die das System des Kunden erfüllen muss, damit die Software der Klägerin genutzt werden kann, auch um eine Eigenschaft der Software. Das folgt ganz zwanglos aus der Tatsache, dass es eine Vielzahl von Softwaren gibt, die auch per WLAN genutzt werden können. Nicht das Netzwerk bestimmt, ob eine bestimmte Software genutzt werden kann, sondern umgekehrt bestimmt die Software, welche Anforderungen sie an die Umgebung richtet, in der sie genutzt werden kann. Der bei der Beklagten vorhandene Irrtum, dass sie die an sie zu überlassende Software über das bei ihr vorhandene kabellose Netzwerk nutzen und die verschiedenen Arbeitsplätze verbinden kann, ist auch ein Irrtum über eine als verkehrswesentlich einzustufende Eigenschaft der Software. Entscheidend für die Verkehrswesentlichkeit einer Eigenschaft ist, ob der Erklärende sie in irgendeiner Weise - und sei es auch nur konkludent - dem Vertrag (erkennbar) zugrunde gelegt hat (…). Auch hier ist die Beklagte bei dem Abschluss des Vertrages in einer für die Klägerin erkennbaren Weise davon ausgegangen, dass sie die Software der Klägerin in dem bei ihr vorhandenen kabellosen System nutzen kann. So hat unstreitig vor Vertragsschluss eine Präsentation der Software in den Räumlichkeiten der Beklagten stattgefunden, ohne dass - was ebenfalls unstreitig ist - über das in den Räumlichkeiten vorhandene Netzwerk gesprochen worden ist. Weder hat die Klägerin einen Hinweis dazu erteilt, noch hat sich die Beklagte aufgrund der geführten Gespräche zu einer Nachfrage veranlasst gesehen. Thematisiert wurde allein die von der Beklagten gestellte Frage der Nutzungsmöglichkeit auf der Baustelle mit einem mobilen Endgerät. Diese Gesamtumstände rechtfertigen den Rückschluss, dass die Beklagte in einer für die Klägerin erkennbaren Weise davon ausgegangen ist, zur Nutzung der Software der Klägerin nur den Vertrag abschließen zu müssen, ohne zusätzlichen Aufwand zu haben, ohne eine LAN-Verbindung in ihren Räumlichkeiten mit weiterem, ggfs. nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand installieren lassen zu müssen."
Auch aus den AGB und der Leistungsbeschreibung habe sich nichts anderes ergeben. "Die Beklagte war nach dem Inhalt des mit der Klägerin geschlossenen Vertrages nicht dazu verpflichtet, ihrerseits dafür Sorge zu tragen, dass sie die Systemvoraussetzungen erfüllt. So wird auf Seite 3 des Vertrages unter der blau hinterlegten Überschrift "Leistungsbeschreibung" auf die - ausdrücklich als vollständig bezeichnete - Leistungsbeschreibung unter www....... verwiesen. Unter dieser URL findet sich eine Darstellung der verschiedenen von der Klägerin angebotenen Module, jeweils zu öffnen über das Anklicken eines Plus-Zeichens. Die Systemvoraussetzungen sind an dieser Stelle nicht unmittelbar dargestellt. Ist aber dem Wortlaut des Vertrages nach nur die über die vorgenannte URL abrufbare Leistungsbeschreibung zum Vertragsgegenstand gemacht worden und werden dort keine Mitwirkungspflichten der Beklagten vorgegeben, sind solche auch nicht zum Vertragsgegenstand gemacht worden. (…) Werden zudem die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in die Betrachtung einbezogen und bei der Bestimmung der den Vertragsparteien vertraglich auferlegten Pflichten berücksichtigt, begründen auch diese keine Vertragspflicht der Beklagten, ein LAN-Netzwerk bereit zu halten.
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2.
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OLG Frankfurt a.M.: "Abkaufen" von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen führt zu Rechtsmissbrauch
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Wer anbietet, ihm zustehende wettbewerbsrechtliche Ansprüche “abzukaufen”, handelt rechtsmissbräuchlich und verliert seine Berechtigung, entsprechende Rechtsverletzungen zu verfolgen (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.05.2024 - Az.: 10.04.2024 - Az.: 6 W 41/24). Die Parteien waren Ärzte und Mitbewerber im Bereich der Penisvergrößerungen. Die Kläger warfen dem Beklagten irreführende Werbung und weitere Wettbewerbsverstöße vor. Sie forderten ihn auf, diese Handlungen einzustellen, da seine Werbung zu einem Rückgang ihrer eigenen Patienten führte. Im Wege der außergerichtlichen Gespräche legten die Kläger einen Vergleichsvertrag vor, in dem u.a. hieß: "Die Vertragsparteien zu 2) bis zu 4) verpflichten sich, auf ihr Recht zur Geltendmachung von Ansprüchen aus ärztlichem Berufsrecht oder aus Wettbewerbsrecht gegenüber der Vertragspartei zu 1) zu verzichten".
Einer der Kläger schickte dem Beklagten auch nachfolgende Nachricht per WhatsApp: “Der Hinweis mit der Werbung und der Aufforderung sie abzustellen war nur ein freundlicher Hinweis unter Kollegen für den Fall, dass du es dir anders überlegen solltest denn dann würde natürlich der Berufsrechtlichen und Wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung auch eine Klage auf Schadensersatz erfolgen. Wenn du also irgendwelche Zweifel hegst diese Vereinbarung unterzeichnen zu wollen dann würde ich an deiner Stelle dringend die Werbung ausschalten einfach um die Schadensersatzsumme, die ich dann einklagen würde, nicht zu erhöhen. ”
Die Parteien konnten sich nicht einigen, sodass die Kläger daraufhin gerichtlich Unterlassungsansprüche aus dem UWG geltend machten. Das OLG Frankfurt a.M. wies das Begehren als rechtsmissbräuchlich zurück. Das Handeln der Kläger habe klar sachfremde Ziele: "Der Antragsgegner hat geltend gemacht und (…) eidesstattlich versichert (…), der Antragsteller zu 2 habe ihm bereits zu Beginn ihres Gesprächs am 24.02.2024 gesagt, er müsse das Angebot von Penisvergrößerungen von seiner Website und Werbung entfernen. Beim Angebot von Penisvergrößerungen handele es sich um sein „Baby“ und sein Monopol. Wenn der Antragsgegner künftig gleichwohl Penisvergrößerungen anbiete und durchführe, werde er ihn und seine Praxis wirtschaftlich ruinieren, dann sei insbesondere seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Der Antragssteller zu 2 habe angeboten, Patienten, die an einer Penisvergrößerung interessiert seien, künftig gegen 2.000 Euro an A zu „vermitteln“, dann werde er nichts gegen den Antragsgegner unternehmen. Wenn dieser nicht spätestens am kommenden Montag (26.02.2024) Bescheid gebe, ob er „kooperiere“, werde er ihn ruinieren. Der Antragsgegner habe dann am 25.02.2024 mit A telefoniert, der geäußert habe, der Antragsteller zu 2 setze öfter Kollegen unter Druck, damit diese ihm auf dem Gebiet der Penisvergrößerungen keine Konkurrenz machten. A habe dem Antragsgegner bestätigt, eine Vermittlung von Patienten sei ein vernünftiger „Deal“, damit dieser seine „Ruhe“ habe. Kurz darauf habe sich A nochmal bei ihm gemeldet und gesagt, er begehe so viele Gesetzesverstöße, dass er die Behandlung des Penis künftig unterlassen sollte. Nach Erhalt der (von Seiten der Antragsteller unterzeichneten) Vereinbarung am 27.02.2024 habe er mit dem Antragsteller zu 2 telefoniert. Dieser habe ihn aufgefordert, als „Geste“ guten Willens seine Google-Ads zur Penisvergrößerung ausschalten, was der Antragsgegner auch getan habe, damit der Antragsteller zu 2 nicht gegen ihn vorgehe."
Und weiter: "Auf den Hinweis, dass in der vorgelegten „Vereinbarung“ die Vergütung von 2.000 Euro nicht erwähnt sei, habe der Antragsteller zu 2 geäußert, das könne er nicht schriftlich abgeben, die Vereinbarung sei aber sehr gut und der Antragsgegner müsse diese sofort unterschreiben, damit er ihn in Ruhe lasse. Es gebe deutschlandweit mehrere Kollegen, die dankbar seien, so eine Vereinbarung von ihm zu bekommen. Er habe so eine Vereinbarung vor Jahren mit einem D geschlossen, der seitdem seine Ruhe habe und gegen den er nicht anwaltlich vorgegangen sei. Wenn der Antragsgegner die Vereinbarung sofort unterschreibe, gebe es „keinen Kampf“ mehr zwischen ihnen."
Ein Rechtsmissbrauch liege auf der Hand, so die Richter: "Dabei ging es A und dem Antragsteller zu 2, wie auch die oben wiedergegebene WhatsApp-Nachricht belegt (…), nicht in erster Linie darum, die streitgegenständlichen (angeblichen) Wettbewerbsverstöße zu unterbinden. (…) Nach eigenem Vorbringen der Antragsteller schadete ihnen die Internetwerbung des Antragsgegners erheblich. Der Markt für Penisverlängerungen ist mit ca. 10 Operateuren bundesweit sehr klein. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass A (unbestritten) gegenüber dem Antragsgegner angab, der Antragsteller zu 2 setze öfter Kollegen unter Druck, damit diese ihm auf dem Gebiet der Penisvergrößerungen keine Konkurrenz machten. Der Antragsteller zu 2 gab selbst (ebenfalls unbestritten) an, er agiere schon seit 25 Jahren so und habe mehr als 250 Klagen geführt, dies sei sein Tagesgeschäft und seine Stärke. (…) Bei gebotener Gesamtwürdigung aller Umstände hat das Landgericht den Eilantrag damit zutreffend als rechtsmissbräuchlich angesehen. (…) Die Antragstellerseite hat aber nicht nur versucht, sich die Berechtigung zur Verfolgung der geltend gemachten Unterlassungsanträge abkaufen zu lassen. Sie hat auch den Versuch unternommen, den Antragsgegner gezielt in seiner wettbewerblichen Tätigkeit auf dem Gebiet der Penisverlängerungen zu behindern (was teilweise in Form der Änderung der Google-Ads bereits erfolgreich war), um sich den entsprechenden Marktanteil zu sichern (…). Ein solches Vorgehen ist nach zutreffender Auffassung des Landgerichts nicht mehr vom Wettbewerbsrecht gedeckt, sondern rechtsmissbräuchlich. An dieser Bewertung ändert der Umstand nichts, dass der Antragsgegner - jedenfalls teilweise - unlauter geworben haben mag."
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3.
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OLG München: Außerordentliche Kündigung eines Vorstands wegen Weiterleitung sensibler E-Mails an private Adresse
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Die außerordentliche Kündigung eines Vorstands, der sensible E-Mails an seine private Adresse weiterleitet, ist gerechtfertigt (OLG München, Urt. v. 31.07.2024 - Az.: z U 351/23e). Der Kläger war Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft und leitete mehrfach dienstliche E-Mails mit sensiblen Informationen an seine private E-Mail-Adresse weiter. Dies geschah ohne Zustimmung der betroffenen Personen und ohne Genehmigung durch den Aufsichtsrat. Dies geschah in der Form, dass er bei Mails, die er von seinem beruflichen Account versandte, seine private Adresse bei einem Freemailer auf CC setzte. Das verklagte Unternehmen kündigte ihm daraufhin fristlos. Der Kläger ging dagegen vor und argumentierte, dass die Weiterleitungen notwendig gewesen seien, um sich selbst gegen mögliche Vorwürfe im Unternehmen abzusichern. Zudem habe er die E-Mails nicht an Dritte weitergegeben. Das OLG München stufte das Handeln des Klägers als rechtswidrig ein, sodass die Kündigung wirksam war. Die Weiterleitung dienstlicher E-Mails mit sensiblen Informationen an die private E-Mail-Adresse des Klägers stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, insbesondere im Hinblick auf die DSGVo. Die betroffenen E-Mails enthielten vertrauliche Informationen, darunter Gehaltsabrechnungen und interne Unternehmensdaten, deren Weitergabe an private E-Mail-Accounts nicht durch berechtigte Interessen des Klägers gedeckt sei: "Alle vom Kläger weitergeleiteten streitgegenständlichen Emails bezogen sich auf „betriebliche Angelegenheiten“ (…) und beinhalteten keine offenkundigen Tatsachen. So betraf die Email vom 23.04.2021, 16:27 Uhr (…) das Verhalten u.a. des Mitvorstands … bezüglich der Behandlung von Gehaltsabrechnungen nicht nur des Klägers, sondern auch des früheren Vorstandsvorsitzenden der Beklagten … . In der Email vom 10.05.2021 (…) ging es um die Behandlung von Forderungen des Klägers gegen die Beklagte, um Schriftwechsel mit der Steuerberatungsgesellschaft der Beklagten sowie um Kompetenzstreitigkeiten mit dem Mitvorstand … Gegenstand der Email vom 31.05.2021, 12:10 Uhr (…) war eine Anfrage der … AG nach dem Geldwäschegesetz und eventuell drohende Maßnahmen der BAFIN gegen die Beklagte. Die Email vom 31.05.2021, 17:47 Uhr (…) bezog sich auf eine Zuständigkeitsstreitigkeit zwischen dem Kläger und Mitarbeitern der …-Gruppe sowie die Provisionsplanung für 2021. Letztere war auch Thema der am 16.06.2021 um 11:13 Uhr vom Kläger versandten Email (…), der u.a. eine als „confidentiel“ überschriebene Präsentation betreffend Fragen zur Provisionierung sowie das Protokoll eines internen Meetings vom 07.06.2021 zu dieser Problematik beigefügt war. Die Emails vom 18.06.2021, 17.17 Uhr (…) und vom 21.06.2021, 12:34 Uhr laut Anl. B 6 betrafen den von einem Mitarbeiter der Beklagten (…) gegen diese geltend gemachten Anspruch auf Provisionszahlungen. In der Email vom 24.06.2021, 11:51 Uhr (…) waren wiederum Umsatzerlöse und Bonifizierungsgrundlagen für diesen Mitarbeiter thematisiert. Dieser Email beigefügt waren Email-Verkehr des Klägers mit Mitarbeitern der Beklagten sowie die Kopie eines Lizenzvertrages mit dem Kundenunternehmen … GmbH. Gegenstand der am 28.06.2021 um 13:26 Uhr versandten Email (…) an … und … von der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft … GmbH waren Spesenzahlungen der Beklagten an den Kläger." Und weiter: "Die Weiterleitung der streitgegenständlichen Emails auf den privaten Account des Klägers ist auch ein wichtiger Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB. (…) Die Weiterleitung der Emails wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Kläger (…) „nur solche Emails weiterleitete, die aufgrund der besorgniserregenden Veränderungen im Betrieb der Beklagten (…) unentbehrlich waren, um später beweisen zu können, dass er selbst keine zur Haftung führenden Fehler begangen hat“ (…). Denn für eine solche prophylaktische Selbsthilfe bestand (…) keine Veranlassung. Solange der Kläger noch Vorstand war, hatte er qua Amt Zugriff auf die Unterlagen der Beklagten. Nach seiner Abberufung als Vorstand hat er dagegen einen Einsichtsanspruch aus § 810 BGB, soweit er Unterlagen der Beklagten für seine Verteidigung benötigen sollte, wobei der Kläger durch die die Beklagte treffenden handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten auch vor unzeitiger Vernichtung der Unterlagen hinreichend geschützt ist (…)."
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4.
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OLG Stuttgart: Online-Coaching-Vertrag wegen Verstoß gegen FernUSG nichtig
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Hat ein Online-Coaching-Vertrag keine Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG), ist der Vertrag nichtig. Eine räumliche Trennung iSd. FernUSG liegt auch bei einem gemeinsamen Video-Call vor (OLG Stuttgart, Urt. v. 29.08.2024 – Az.: 13 U 176/23). Der Kläger schloss mehrere Online-Coaching-Verträge (u.a. über Trading) ab und zahlte dafür insgesamt rund 24.000,- EUR. Einige Zeit später widerrief er die Verträge und verlangte sein Geld zurück. Da die Beklagte nicht über eine Erlaubnis nach dem FernUSG verfüge, seien sämtliche Verträge nichtig, so seine Argumentation. Das OLG Stuttgart gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung. 1. FernUSG auch dann anwendbar, wenn gemeinsamer Video-Call: Zunächst stellen die Richter fest, dass eine räumliche Trennung iSd. FernUSG auch dann vorliege, wenn die Parteien einen gemeinsamen Video-Call haben: "Es ist auch das Merkmal der überwiegenden räumlichen Trennung gegeben. Diese Voraussetzung ist schon deshalb erfüllt, weil nach der Programmbeschreibung zweiwöchig Online-Meetings stattfinden und Präsenzveranstaltungen eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen. Außerdem werden den Teilnehmern Lehrvideos mit Lektionen zum Durcharbeiten zur Verfügung gestellt (…). Entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (Faix, MMR 2023, 821, 824, Vennemann, FernUSG, 2. Aufl., § 1 Rn. 10) ist auch bei einem Online-Unterricht eine räumliche Trennung gegeben. Hierfür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung."
Und weiter: “Auch der Umstand, dass bei Videokonferenzen eine synchrone Kommunikation wie bei Präsenzveranstaltungen möglich ist, kann eine einschränkende Auslegung des insoweit klaren Wortlauts nicht begründen. Ziel des Gesetzes ist eine umfassende Ordnung des Fernunterrichtsmarktes zum Schutz der Teilnehmerinteressen, nachdem Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität auf dem Markt waren (BT-Drs. 7/4245, S. 12). Dieser Schutzzweck führt dazu, dass die Tatbestandsmerkmale weit und nicht restriktiv auszulegen sind (BGH v. 15.10.2009 - III ZR 310/08 - juris Rn. 16 ff.). Ausgehend hiervon gibt es für eine einschränkende Auslegung bei Videokonferenzen keinen Anlass. Dies gilt umso mehr, als das Bedürfnis, die Teilnehmer vor unseriösen Anbietern zu schützen, bei Videokonferenzen deutlich größer als bei Präsenzveranstaltungen ist, nachdem für Präsenzveranstaltungen Investitionen in die Räume erforderlich sind, was unseriöse Anbieter abschrecken kann. Hinzukommt, dass bei Präsenzveranstaltungen eine stärkere soziale Kontrolle stattfindet, da im Falle einer geringen Qualität des Unterrichts die Lehrenden unmittelbar mit dem Unmut der Teilnehmer konfrontiert werden und die Teilnehmer sich - unter anderem hierüber - auch unmittelbar austauschen können.”
Das OLG München vertritt exakt die gegenteilige Auffassung, vgl. unsere Kanzlei-News v. 29.08.2024. 2. Lernerfolgskontrolle gegeben = Beantwortung von Fragen ausreichend: Auch die Voraussetzung, dass eine Lernerfolgskontrolle gegeben sein müsse, sei im vorliegenden Fall zu bejahen: "Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung ein weites Verständnis des Merkmals zu Grunde zu legen (BGH v. 15.10.2009 – III ZR 310/08 - juris Rn. 20 ff.). Danach ist eine Überwachung des Lernerfolgs nach §1 Abs.1 Nr.2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Ausreichend ist insoweit, wenn der Lernende in den Informationsveranstaltungen eine individuelle Anleitung erhält und Fragen zum eigenen Verständnis des bisher Erlernten an den jeweiligen Dozenten stellen kann, um insoweit eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde und "sitzt". Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, sieht bereits die Programmbeschreibung (Anlage B7) auf Seite 6 ausdrücklich vor, als es darin heißt, dass Fragen in den Meetings und per Mail, oder in der Facebook-Gruppe geklärt werden. Dies dient auch der persönlichen Lernkontrolle. Der frühere Geschäftsführer der Beklagten hat dies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt, indem er angegeben hat, dass in den Meetings die Fragen der Teilnehmer geklärt würden; natürlich hätten nicht alle Teilnehmer jede Woche eine Frage, die Sitzungen gingen aber immer so lange, bis alle ihre Fragen beantwortet bekommen hätten. Weiter hat der Vertreter der Beklagten im Rahmen der Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass der Kunde nach Erfassung der Grundlagen erst einmal mit Spielgeld agiere und anhand konkreter Investitionsentscheidungen Fragen stellen könne, die dann in Live-Calls geklärt würden. Erst wenn er stabil 3 bis 5 % Rendite pro Woche erreiche, könne er ins Echtgeldkonto wechseln und Echtgelt investieren. Soweit er dabei Verluste erwirtschafte, würden die Fehler analysiert und aufgezeigt, was man hätte besser machen können. A usgehend hiervon findet auch insoweit eine Kontrolle der Lernenden durch die Lehrenden statt. Dies alles wird schließlich dadurch bestätigt, dass in der Programmbeschreibung (Anl. B7) an mehreren Stellen hervorgehoben wird, dass es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern - mithilfe einer intensiven Betreuung - auch um die Gewährleistung einer „erfolgreichen Umsetzung“ des Erlernten und die Erzielung bestimmter „Ergebnisse“ geht (…)."
Da die Beklagte über keine Zulassung nach dem FernUSG verfügte, war der Vertrag unwirksam und das erlangte Geld muss zurückgezahlt werden: "Die Beklagte verfügt unstreitig nicht über eine Zulassung i.S.v. § 12 Abs. 1 FernUSG, sodass der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist. Demnach hat die Beklagte nach § 818 Abs. 2 BGB Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung in Höhe von 23.800,00 €. Der Wert der beklagtenseits erbrachten Leistungen ist im Rahmen der Saldotheorie (…) nicht zu berücksichtigen."
Die Revision gegen das Urteil hat das OLG Stuttgart ausdrücklich zugelassen, damit der BGH eine abschließende Klärung der Rechtsfragen vornehmen kann: “Die Revision war zuzulassen, nachdem noch nicht abschließend geklärt ist, ob bei einem Online-Unterricht die Voraussetzungen der Annahme einer überwiegenden räumlichen Trennung gegeben sind. Da es eine Vielzahl vergleichbarer Fälle gibt, hat die Frage damit grundsätzliche Bedeutung (…).”
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5.
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LG Baden-Baden: Unzulässige Abänderung von Verträgen bei Schweigen des Kunden
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Schweigt ein Verbraucher auf das Angebot einer Vertragserweiterung, so kann der andere Vertragspartner nicht einseitig die Vertragsbedingungen abändern (LG Baden-Baden, Urt. v. 27.03.2024 - Az.: 5 O 26/23 KfH). Der Beklagte, ein Versicherungsvertreter, schrieb seine Kunden an, die eine Versicherung abgeschlossen hatten und bot diesen eine kostenpflichtige Erweiterung an. Er schrieb u.a. “Für die deutlichen Mehrleistungen wird jedoch ein jährlicher Mehrbetrag von 35 € brutto notwendig. Sollten wir innerhalb der nächsten 14 Tage keine anderslautende Rückmeldung von Ihnen erhalten, werden wir die Umstellung Ihres Vertrages zum 31.12.202 für Sie veranlassen.”
Reagierte ein Kunde nicht auf diese Nachricht, wurde der Kontrakt entsprechend auf die teureren Konditionen umgestellt. Das LG Baden-Baden stufte dies als wettbewerbswidrig ein. 1. Schweigen ist keine Willensänderung: Denn Schweigen sei keine Willenserklärung, so die Richter. “Das Schweigen eines Verbrauchers ist keine Willenserklärung. In dem Schreiben wird als Folge des Schweigens eine kostenpflichtige Vertragsumstellung festgelegt. Dies ist unzulässig, weil es eine Irreführung darstellt. Es wird dem Verbraucher gegenüber verschwiegen, dass dessen Schweigen eben keine Willenserklärung ist. Das verstößt gegen §§ 5 lit. a) Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 1; 3 UWG. (…) Der Beklagte täuscht den Verbraucher über die diesem zustehenden Rechte, was gegen §§ 5 Abs. 2 Nr. 7; 3 UWG verstößt. Er suggeriert Rechte, nämlich die bestehende Beauftra gung zur Umstellung des Vertrages, die ihm nicht zustehen, was gegen §§ 5 Abs. 2 Nr. 3; 3 UWG verstößt. Der Beklagte verschafft sich durch seine unzutreffenden Ausführungen einen Vorsprung durch Rechtsbruch gegenüber seinen rechtstreuen Mitbewerbern, was gegen §§ 3 lit. a); 3 UWG verstößt."
2. Handeln auch nicht durch § 40 VVG legitimiert: Das Handeln des Beklagten könne auch nicht durch § 40 VVG gerechtfertigt werden, denn diese Vorschrift greife nur, wenn die Prämie sich ändere, die Leistungen aber komplett gleich blieben: "§ 40 VVG ändert daran nichts. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG kann der Verbraucher sofort kündigen, wenn der Versicherer aufgrund einer Anpassungsklausel die Prämie erhöht, ohne dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes entsprechend ändert. Gemäß § 40 Abs. 2 WG gilt dies entsprechend, wenn der Versicherer aufgrund einer Anpassungsklausel den Umfang des Versicherungsschutzes vermindert, ohne die Prämie entsprechend herabzusetzen. Das ist hier nicht der Fall. Hier soll eine Umstellung des Vertrages erfolgen, wobei für die deutlichen Mehrleistungen ein Mehrbetrag von 35 € geltend gemacht wird."
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6.
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LG Berlin: Beauftragung eines LegalTech aufgrund fehlerhaftem Bestellbutton unwirksam = Rüge gegen Mietpreiserhöhung unwirksam
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Ist die Beauftragung eines Legal Tech-Unternehmens unwirksam, so ist die von dieser Firma für den Verbraucher ausgesprochen Rüge gegen eine Mietpreiserhöhung ebenfalls nichtig (LG Berlin, II, Urt. v. 08.08.2024 - Az.: 67 S 92/24). Die Klägerin war Mieterin und forderte von ihrem Vermieter die Rückzahlung eines Teils der Miete, die sie aufgrund eines Verstoßes gegen die Mietpreisbremse überzahlt hatte. Sie beauftragte hierfür ein spezialisiertes Legal Tech-Unternehmen online. Der Bestellbutton auf dieser Seite war mit “Auftrag verbindlich erteilen”
beschriftet. Die Klägerin war Mieterin und verlangte von ihrem Vermieter einen Teil der zu viel gezahlten Miete wegen Verstoßes gegen die Mietpreisbremse zurück. Das LG Berlin stufte diese Rüge als unwirksam ein und wies die Klage der Mieterin ab. Aufgrund der fehlerhaften Beschriftung des Bestellbuttons auf der Webseite des beauftragten Unternehmens sei die vorgenommene Beauftragung unwirksam: "Der von der Klägerin und dem Inkassodienstleister elektronisch angebahnte Geschäftsbesorgungsvertrag war - und ist - gemäß § 312j Abs. 4 BGB schwebend unwirksam. Denn der Inkassodienstleister hat die Bestellsituation unter Verstoß gegen § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB nicht so gestaltet, dass die als Verbraucherin handelnde Klägerin mit ihrer Bestellung ausdrücklich bestätigt hat, sich zur „Zahlung“ zu verpflichten. Die Regelungen des § 312j Abs. Abs. 2-4 BGB sind auf das Geschäftsmodell des von der Klägerin beauftragten Inkassodienstleisters wegen des weit auszulegenden Tatbestandsmerkmals der „Zahlung“ im Sinne des § 312j Abs. 2 BGB anzuwenden. Dem steht es insbesondere nicht entgegen, dass der Mieter erst nach Eintritt einer weiteren Bedingung, hier der erfolgreichen Durchsetzung der Rückforderungsansprüche gegenüber dem Vermieter, verpflichtet ist, dem Inkassodienstleister die entgeltliche Gegenleistung in Gestalt eines Erfolgshonorars zu zahlen (vgl. EuGH, Urt. v. 30. Mai 2024 – C-400/22, NJW 2024, 2449, beckonline Tz. 51; Kammer, Vorlagebeschl. v. 2. Juni 2022 – 67 S 259/21, ZMR 2022, 725, beckonline Tz. 57 ff. m.w.N.). Nach § 312j Abs. 3 BGB ist in den Fällen, in denen eine Bestellung im elektronischen Rechtsverkehr über eine Schaltfläche erfolgt, die Hinweispflicht des Unternehmers nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist."
Aufgrund dieser unwirksamen Beauftragung sei auch die ausgesprochene Beanstandung unwirksam: "Die schwebende Unwirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages zieht die schwebende Unwirksamkeit der auf elektronischem Wege erteilte Vollmacht nach sich. (…) So liegt der Fall hier. Denn der Inkassodienstleister hat die rechtsgeschäftliche Beauftragung und die darauf beruhende Abtretung und Vollmachtserteilung auf elektronischem Weg untrennbar zu einem einheitlichen Geschäft ausgestaltet und miteinander verknüpft (vgl. BGH, Urt. v. 19. Januar 2022 – VIII ZR 122/21, NJW-RR 2022, 663, beckonline Tz. 52). Jedoch schlägt die aus einem Verstoß gegen die zur Warnung und zum Schutz des Verbrauchers eingeführte Formvorschrift des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB folgende Unwirksamkeit des im elektronischen Rechtsverkehr angebahnten Geschäftsbesorgungsvertrages ohnehin - und unabhängig von der Einheitlichkeit des Geschäfts - auf die ebenfalls formwidrig abverlangte Vollmacht durch (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, NJW 1997, 312, juris Tz. 12; Schilken, in: Staudinger/Schilken, BGB, Stand: 15. März 2023, § 167 Tz. 20 m.w.N.)."
Das LG Berlin weist auch darauf hin, dass eine nachträgliche Genehmigung oder zweite Bevollmächtigung als kritisch anzusehen gewesen wäre, da es sich dabei vermutlich um eine rechtswidrige Umgehungshandlung gehandelt hätte: "Die Unwirksamkeit einer neuerlichen Bevollmächtigung hätte sich außerdem aus § 312k Abs. 1 Satz 2 BGB (…) ergeben. Denn danach finden die Vorschriften der §§ 312 ff. BGB auch dann Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Diese Voraussetzungen wären hier erfüllt, da das Geschäftsmodell der Klägerin in seiner streitgegenständlichen Form auf eine Tatbestandsvermeidung des § 312j Abs. 3 Satz 2 und 4 BGB hinausläuft. Muss nämlich ein Verbraucher, der so wie die Klägerin vermeintlich schon durch ein mit einem Fernkommunikationsmittel abgegebenes Vertragsangebot wirksam verpflichtet ist, im Nachgang dazu wegen der vom Unternehmer bestimmten vertraglichen Gestaltung entweder die Annahmeerklärung des Unternehmers auf nicht elektronischen Wege entgegen nehmen oder sogar sein eigenes Angebot durch eine ihm vom Unternehmer auf elektronischem Wege auferlegte Erfüllungshandlung wiederholen, ist er im Hinblick auf seine vorvertraglichen Informationsbedürfnisse in gleicher Weise schutzbedürftig wie bei einem „echten“ Fernabsatzvertrag (…).
Mit dem Normzweck des § 312j BGB oder der §§ 556d ff. BGB nicht vereinbare Rechtsfolgen sind mit der schwebenden Unwirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages und der Vollmacht für die klagende Mieterin als Verbraucherin bereits deshalb nicht verbunden, da ihr der Inkassodienstleister wegen der gesetzwidrigen Ausgestaltung des Bestellvorgangs für alle aus der formbedingten Unwirksamkeit des Grundgeschäfts und der Vollmacht beruhenden (Vermögens-)Schäden gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB haftet (…)."
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Das aktuelle Urteil des LG Berlin und die zugrunde liegende Entscheidung des EuGH machen deutlich, wie wichtig eine gesetzeskonforme Beschriftung des Bestellbuttons ist. Normalerweise wirken sich die Rechtsfolgen einer unzureichenden Beschriftung nur im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer aus. Wie das vorliegende Beispiel aber anschaulich zeigt, sind mögliche Konsequenzen auch im Verhältnis zu Dritten ohne Weiteres denkbar. Gerade im Bereich der Legal Tech, wo es um Massengeschäfte geht, können solche scheinbar “kleinen" Fehler schnell erhebliche Folgen haben. Denn nun stellt sich die Frage, ob die Mieterin nicht einen entsprechenden Regressanspruch gegen das Unternehmen hat.
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7.
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LG Düsseldorf: Heilpraktiker-Werbung mit absoluter Schmerzfreiheit bei chronischen Schmerzen ist wettbewerbswidrig
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Eine Heilpraktiker-Werbung, die den Anschein erweckt, auch bei jahrelangen Leiden eine Schmerzfreiheit zu erreichen, sind wettbewerbswidrig (LG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2023 - Az.: 38 O 172/23) Der verklagte Heilpraktiker inserierte in einer Zeitung einen Bericht, in der ein Patient von seiner erfolgreichen Behandlung berichtete und behauptete, nach jahrelangen Schmerzen nun endlich schmerzfrei zu sein: “Und nach zwölf Behandlungen sei er völlig schmerzfrei gewesen.”
Das LG Düsseldorf wertete eine solche Aussage als Wettbewerbsverstoß. Denn diese Form der Darstellung suggeriere, dass auch langjährige, quasi unheilbare Erkrankungen geheilt werden könnten: "Erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs werden die Anzeige, in der das jahrelange Leiden des Herrn (…) und seine völlige Schmerzfreiheit nach Durchlaufen einer Behandlungsreihe bei dem Beklagten geschildert wird, dahin verstehen, dass der Beklagte mit seiner beworbenen Spritzenbehandlung mit modifizierten Stammzellextrakten und Schlangengiftenzymen selbst scheinbar hoffnungslose Fälle heilen könne. Diesen Eindruck eines von der Behandlung des Beklagten im Regelfall zu erwartenden Erfolges wird der Verbraucher gewinnen, weil ihm Werbung für ihn relevante Vorteile der beworbenen Leistung aufzeigen und ihm nicht lediglich für ihn belanglose Informationen vermitteln soll (…)."
Und weiter: "Unerheblich ist, dass die Geschichte des Herrn (…) nicht aus der Warte eines Dritten geschildert wird, sondern er in der Anzeige selbst zu Wort kommt. Diese Art der Darstellung ändert nichts daran, dass der Anzeigentext von dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher seinem wesentlichen Aussagegehalt nach nicht als die Wiedergabe subjektiver Eindrücke eines einzelnen Patienten des Beklagten ohne Verallgemeinerungswert aufgefasst werden wird. Vielmehr wird der Verbraucher den ihm präsentierten Einzelfall als einen beispielhaft herangezogenen Beleg für die Wirksamkeit der beworbenen Behandlung verstehen, dessen Aussagekraft durch die persönliche Einbeziehung des Patienten in die Berichterstattung verstärkt werden soll (…)."
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8.
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VG Schleswig: Dashcam-Videos auf YouTube müssen verpixelt werden
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Dashcam-Videos auf YouTubes müssen entsprechend verpixelt werden, wenn personenbezogene Daten (z.B. Menschen oder KfZ-Schilder) zu sehen sind. Unverhältnismäßig ist es hingegen, wenn die Datenschutzbehörde fordert, dass der Dashcam-Betreiber bei den eigentlichen Aufnahmen entsprechende Informationspflichten treffen. Es ist vielmehr ausreichend, wenn hierüber auf dem eigentlichen YouTube-Channel informiert wird (VG Schleswig, Urt. v. 07.08.2024 - Az.: 8 A 159/20). Der Kläger war YouTuber und veröffentlichte Dashcam-Video auf der Online-Plattform. Die von ihm aufgenommenen Aufzeichnungen publizierte er unverpixelt. Die zuständige Datenschutzbehörde erließ darauf eine entsprechende Ordnung. Zum einen sollte er danach alle erkennbaren personenbezogenen Informationen anonymisieren. Zum anderen wollte das Amt, dass der Kläger bei den Aufzeichnungen selbst bestimmten Informationspflichten nachkam: Er soll darüber informieren, Filmaufnahmen für YouTube erstellt würden, wer der Verantwortlicher, seine Kontaktdaten und welche berechtigten Interessen verfolgt würden. Der Kläger wehrte sich vor Gericht gegen diese behördliche Maßnahme. 1. Nur verpixelte Veröffentlichung: Die amtliche Verpflichtung hinsichtlich der Verpixelung erklärte das Gericht für wirksam. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiege: "Das Veröffentlichen von Aufnahmen, bei denen Personen, soweit sie sich nach dem Gesamteindruck im Vordergrund des Bildausschnitts befinden und Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelesen werden können, stellt eine rechtswidrige Datenverarbeitung dar. (…) Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt daher unter den Begriff der personenbezogenen Daten, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (…). Auch Kraftfahrzeug-Kennzeichen stellen personenbezogene Daten dar, weil sie einem Halter und gegebenenfalls auch einem Fahrer zurechenbar sind (…). Im öffentlichen Straßenverkehr können betroffene Personen grundsätzlich davon ausgehen, dass sie nicht gefilmt werden. Da vorliegend nichts dafür spricht, von diesem Grundsatz abzuweichen, führt auch dies zu einem Überwiegen der Interessen der betroffenen Personen. Diese Wertung muss erst Recht für Kraftfahrzeug-Kennzeichen gelten. Es mag für den Kläger zusätzlichen Aufwand bedeuten, die Kennzeichen etwa durch eine Verpixelung zu anonymisieren. Im Übrigen werden die Aufnahmen der Straßenlandschaften durch die Anonymisierung der Kennzeichen jedoch nur sehr geringfügig verändert, so dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG der Halter beziehungsweise Fahrer der gefilmten Kraftfahrzeuge überwiegt."
2. Informationen auf YouTube-Channel ausreichend: Für rechtswidrig erklärte das Gericht hingegen die behördliche Auflage, direkt bei den Videoaufnahmen den Informationspflichten nachzukommen. Eine solche Verpflichtung sei nicht praktikabel. Es sei ausreichend, wenn diese Informationen auf einer Website abrufbar seien: "Der Kläger ist ausgehend von diesen Maßstäben nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO verpflichtet, der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung die berechtigten Interessen mitzuteilen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden, wenn die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO beruht. Der Kläger hat sich vorliegend insbesondere auf seine Kunstfreiheit und seine Berufsfreiheit und damit auf berechtigte Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO berufen. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO erfolgt die Übermittlung der Informationen schriftlich oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch. Jedenfalls über seine berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO kann der Kläger auch in der von ihm gewählten Form informieren, dass sich auf dem Kraftfahrzeug ein Hinweis auf seine Website befindet, auf der dann wiederum die erforderlichen Informationen nachzulesen sind. Insoweit ist ein Medienbruch zulässig (…). Gewisse Verarbeitungssituationen lassen es schlichtweg nicht zu, sämtliche Transparenzinformationen unmittelbar zur Verfügung zu stellen (…). So ist auch hier zu berücksichtigen, dass beim Vorbeifahren eines Kraftfahrzeuges nur in begrenztem Umfang auf dem Kraftfahrzeug angebrachte Informationen von den betroffenen Personen wahrgenommen werden können und diese deshalb auf die essentiellen Informationen beschränkt werden müssen. Dazu zählen die berechtigten Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO nicht. Hier ist es ausreichend, wenn die betroffenen Personen die Informationen auf Sekundärebene über eine Website abrufen können."
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9.
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AG Arnsberg: DSGVO-Auskunftsanfrage rechtsmissbräuchlich, weil Vorbereitung zur Geltendmachung von DSGVO-Schadensersatz?
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Liegt eine rechtsmissbräuchliche DSGVO-Auskunftsanfrage bereits vor, wenn, wenn es im Internet Hinweise gibt, dass der Anfragende die Informationen dann nutzt, um später einen DSGVO-Schadensersatz geltend zu machen? Diese Frage hat das AG Arnsberg dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt (AG Arnsberg, Beschl. v. 31.07.2024 - Az.: 42 C 434/23). Das klägerische Unternehmen verweigerte dem Beklagten die Auskunft über seine personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 DSGVO. Der Beklagte hatte zuvor seine Daten bei der Anmeldung für einen Newsletter eingegeben und stellte im Anschluss einen Auskunftsantrag nach Art. 15 DSGVO. Die Klägerin vertrat den Standpunkt, das Auskunftsersuchen sei rechtsmissbräuchlich, da der Beklagte diese Anfragen systematisch nutze, um Schadensersatzforderungen zu provozieren. Sie verwies dazu auf zahlreiche Online-Nachrichten, die ein solches Vorgehen des Beklagten belegten. Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen vorgelegt. "1. Ist Art. 12 Abs. 5 S. 2 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dahingehend auszulegen, dass ein exzessiver Antrag auf Auskunft durch den Betroffenen nicht bei der ersten Antragstellung gegenüber dem Verantwortlichen vorliegen kann? 2. Ist Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO dergestalt auszulegen, dass der Verantwortliche ein Auskunftsersuchen des Betroffenen verweigern kann, wenn der Betroffene beabsichtigt, mit dem Auskunftsersuchen Schadenersatzansprüche gegen den Verantwortlichen zu provozieren. 3. Ist Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO dahingehend auszulegen, dass öffentlich zugängliche Informationen über den Betroffenen, die den Schluss zulassen, dass dieser in einer Vielzahl von Fällen bei Datenschutzverstößen Schadenersatzansprüche gegen Verantwortliche geltend macht, die Verweigerung der Auskunft rechtfertigen können? 4. Ist Art. 4 Nr. 2 DSGVO dergestalt auszulegen, dass das Auskunftsersuchen eines Betroffenen gegenüber dem Verantwortlichen gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO und/oder dessen Beantwortung eine Verarbeitung im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt? 5. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Ansehung von Erwägungsgrund 146 S. 1 DSGVO dahingehend auszulegen, dass lediglich diejenigen Schäden ersatzfähig sind, die dem Betroffenen aufgrund einer Verarbeitung entstehen bzw. entstanden sind? Bedeutet dies, dass für einen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO – das Vorliegen eines kausalen Schadens des Betroffenen unterstellt – zwingend eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Betroffenen Vorgelegen haben muss? 6. Falls Frage 5 bejaht wird: Führt dies dazu, dass dem Betroffenen – das Vorliegen eines kausalen Schadens unterstellt – allein aus der Verletzung seines Auskunftsrechts nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO kein Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO zusteht? 7. Ist Art. 82 Abs. 1 DSGVO dergestalt auszulegen, dass der Rechtsmissbrauchseinwand des Verantwortlichen in Bezug auf ein Auskunftsersuchen des Betroffenen in Ansehung des Unionsrechts nicht darin bestehen kann, dass der Betroffene die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten allein oder unter anderem deswegen herbeigeführt hat, um Schadenersatzansprüche geltend zu machen? 8. Falls die Fragen 5 und 6 verneint werden: Stellt allein der mit einem Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO einhergehende Kontrollverlust und/oder die Ungewissheit über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Betroffenen einen immateriellen Schaden des Betroffenen im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO dar oder bedarf es darüber hinaus einer weiteren (objektiven oder subjektiven) Einschränkung und/oder (spürbaren) Beeinträchtigung des Betroffenen?"
Das Verfahren betrifft somit zwei wesentliche Fragen: 1. Liegt ein Rechtsmissbrauch bereits dann vor, wenn der Anfragende diese bewusst einsetzt, um Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO zu provozieren?
2. Reichen öffentlich zugängliche Internet-Beiträge aus, um einen solchen Rechtsmissbrauch zu belegen?
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10.
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Podcast mit RA Dr. Bahr zur (baldigen) Pflicht, Webseiten barrierefrei anzubieten
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Ab Juni 2025 ist es soweit: Die Regelungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) treten in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen grundsätzlich alle Webseite, die einen Abschluss von Verbraucherverträgen ermöglichen, barrierefrei sein. Was das genau bedeutet und welche technischen Anforderungen gestellt werden, haben RA Dr. Bahr und Matthias Krappitz von der Agentur aemka in einem losen Podcast besprochen. Den Podcast und noch weitere Informationen finden Sie hier.
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Allgemeine Informationen zum Newsletter
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