Newsletter
Zurück |
Newsletter vom 11.01.2012 |
Betreff: Rechts-Newsletter 2. KW / 2012: Kanzlei Dr. Bahr |
|
Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Irreführendes Angebotsschreiben für Internet-Branchenbuch _____________________________________________________________ Ein formularmäßig aufgemachtes Angebotsschreiben für einen Eintrag in ein Branchenverzeichnis verstößt gegen Wettbewerbsrecht, wenn dem flüchtigen Leser suggeriert wird, die Unterzeichnung und Rücksendung dieses Angebotsschreibens stelle lediglich eine Aktualisierung von Eintragungsdaten im Rahmen einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung dar (BGH, Urt. v. 30.06.2011 - Az.: I ZR 157/10). Die Beklagte stellte im Internet Branchenverzeichnisse für eine Vielzahl von Städten zur Verfügung. Sie versandte ein formularmäßig aufgemachtes Angebotsschreiben an Gewerbetreibende, welches bei flüchtiger Betrachtung den Eindruck vermittelte, lediglich einen bei der Beklagten bestehenden Brancheneintrag im Hinblick auf die Daten zu aktualisieren. Die Mitbewerberin, die die "Gelbe Seiten" herausgab, ging wettbewerbsrechtlich dagegen vor. Der BGH bejahte einen Wettbewerbsverstoß. Das äußere Erscheinungsbild des Angebotsschreibens verschleiere den Werbecharakter. Es werde der unzutreffende Eindruck vermittelt, dass die beworbene Ware oder Dienstleistung bereits bestellt sei. Die graphische Gestaltung sowie die Zwischenüberschrift "Bitte die Adressdaten überprüfen und auf Wunsch vervollständigen" lasse die für eine Werbung typische Anpreisung der beworbenen Ware oder Dienstleistung vermissen. Aus der Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Marktteilnehmers sei das Angebotsschreiben nicht als Werbung erkennbar, vielmehr werde der Eindruck bestätigt, es bestehe bereits ein Vertragsverhältnis mit der Beklagten. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BGH: Berichterstattung über private Beziehung zu Inka Bause zulässig _____________________________________________________________ Ein Politiker muss eine identifizierende Wort- und Bildberichterstattung über seine Person in einem Presseartikel über seine prominente Partnerin (hier: die Moderatorin Inka Bause) hinnehmen. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht tritt hinter die geschützten Äußerungsinteressen des Presseorgans zurück (BGH, Urt. v. 22.11.2011 - Az.: VI ZR 26/11). Der Kläger war Politiker und Lebensgefährte der bekannten RTL-Moderatorin Inka Bause. In einer Ausgabe der Zeitschrift "SUPERillu" veröffentlichte die Beklagte einen Artikel, der auf der Titelseite mit den Worten "INKAS TRAUMJAHR" und der Unterzeile "Neue Liebe macht ihr Glück perfekt" angekündigt und mit "Die INKA Story" betitelt war. Inhalt des Artikels waren u.a. Details zu Alter, Größe, Sternzeichen etc. des Klägers. Weiter war der Beitrag mit einem Porträtfoto des Klägers bebildert. Der Kläger sah hierin seine Allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzt und nahm die Zeitung auf Unterlassung in Anspruch. Zu Unrecht wie der BGH nun entschied. Die Karlsruher Richter lehnten die Klage ab. Im Rahmen einer umfassenden Güterabwägung trete das klägerische Persönlichkeitsrecht hinter das Informationsinteresse der Allgemeinheit zurück. Die Angaben in dem Artikel seien noch der Sozialsphäre zuzurechnen, in welcher dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Einzelnen von vornherein ein tendenziell größeres Gewicht zukäme. Die Beklagte habe über den Kläger ernsthaft und sachbezogen berichtet, um dem Informationsanspruch des Publikums zu genügen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beizutragen. Ihre Intention sei es nicht gewesen, lediglich die Neugier der Leser zu befriedigen. Auch sei die Intensität der Beeinträchtigung gering und die streitigen Äußerungen in keiner Weise herabsetzend oder gar ehrverletzend. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. OLG Frankfurt a.M.: Bei Online-Persönlichkeitsverletzungen kein fliegender Gerichtsstand _____________________________________________________________ Nach Ansicht des OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 07.02.2011 - Az.: 25 W 41/10) gilt bei Online-Persönlichkeitsverletzungen nicht der sogenannte fliegende Gerichtsstand. Die verklagte Zeitung veröffentlichte über den Kläger auf ihrem Online-Portal folgende Aussage: "Der Inhaber der Marke "X" ist der Geschäftsmann Z. 198… stand er vor Gericht, weil er im Namen einer "A" zwei Sprengstoffanschläge mit selbst gebauten Sprengsätzen auf Migranten verübt hatte. Aufgrund von Hehlerei mit gestohlenen Waffen wurde er 198… verurteilt." Der Kläger machte in Kassel den Unterlassungsanspruch geltend. Dies stuften die Frankfurter Richter als unzuständiges Gericht ein. Bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet sei nicht an jedem Ort, an dem die beanstandete Seite abrufbar sei, ein Gerichtsstand gegeben. Vielmehr sei ein deutlicher Bezug zu dem Gerichtsort erforderlich. Eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Veröffentlichung an dem betreffenden Gerichtsort müsse erheblich näher liegen als die bloße bundesweite Abrufbarkeit. Zudem müsse die geltend gemachte Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Kenntnisnahme von der Meldung auch an diesem Ort eintreten. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Hamburg: Keine Verwirkung der Gegendarstellung bei fehlender vorheriger Stellungnahme _____________________________________________________________ Ein Gegendarstellungsanspruch besteht auch dann, wenn der Betroffene eine vorherige Äußerung zum Sachverhalt verweigert hat (OLG Hamburg, Urt. v. 05.07.2011 - Az.: 7 U 41/11). Der Kläger verlangte von dem verklagten Verlag einen Gegendarstellungsanspruch hinsichtlich eines Artikels. Der Beklagte war der Ansicht, dass das klägerische Recht verwirkt sei, da dieser trotz Anfrage vor der Veröffentlichung keine Stellungnahme abgegeben habe. Es sei unzulässig, dann im Nachhinein eine Gegendarstellung zu verlangen. Das Gericht bejahte das Recht auf Gegendarstellung. Die Nichteinlassung auf eine erbetene Stellungnahme und die spätere Forderung nach einer Gegendarstellung stelle kein widersprüchliches Verhalten dar. Vielmehr seien zahlreiche Gründe denkbar, aus denen eine Privatperson eine Stellungnahme zu einem bevorstehenden Tatsachenbericht verweigern könnte, z.B. mangelnde Zeit, fehlendes Interesse oder Misstrauen gegenüber dem Veröffentlichenden. Auch könne der Betroffene nicht mit Bestimmtheit wissen, inwieweit seine Stellungnahme in den Tatsachenbericht einfließe. Es stelle sich als fraglich dar, ob die Einarbeitung der Stellungnahme der Qualität einer Gegendarstellung nahe komme. Vielmehr könne es ebenso passieren, dass die Stellungnahme dazu genutzt werde, den Betroffenen in Misskredit zu bringen. Die Verweigerung einer vorherigen Stellungnahme dürfe daher nicht zu einem Rechtsverlust führen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 5. OLG Köln: Zulässiger Werbevergleich zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung _____________________________________________________________ Veröffentlicht ein Versicherungsverband der privaten Krankenversicherungen im Rahmen einer Imagekampagne eine Anzeige, welche eine herabsetzende Tendenz über gesetzliche Krankenversicherungen beinhaltet, kann diese Anzeige dennoch den Kriterien eines zulässigen Werbevergleichs standhalten. Der Freiheit der Meinungsäußerung ist in einem solchen Fall der Vorzug einzuräumen, wenn die Anzeige in der öffentlichen Auseinandersetzung um die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens den eigenen Standpunkt verdeutlichen soll (OLG Köln, Urt. v. 28.01.2011 - Az.: 6 U 180/10). Die Beklagte, ein Versicherungsverband der privaten Krankenversicherungen, hatte in Tageszeitungen mit zwei Anzeigen geworben, welche die gesetzlichen Krankenversicherungen im Vergleich zu den privaten Krankenversicherungen in ein sehr negatives Licht rückte. Obgleich die herabsetzende Tendenz in den Anzeigen nicht zu übersehen seien, so sei die Werbung gleichwohl rechtmäßig. Denn im Zuge der Diskussion um eine neue Gesundheitsreform stellten die Anzeigen eine zulässige freie Meinungsäußerung dar. Sie sollten die Verbraucher erkennbar nicht zu einer bestimmten Nachfrageentscheidung bewegen, sondern vielmehr die öffentliche Debatte motivieren. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Schleswig: Getarnte Werbung in Zeitung nicht wettbewerbswidrig _____________________________________________________________ Veröffentlicht ein Versicherungsverband der privaten Krankenversicherungen im Rahmen einer Imagekampagne eine Anzeige, welche eine herabsetzende Tendenz über gesetzliche Krankenversicherungen beinhaltet, kann diese Anzeige dennoch den Kriterien eines zulässigen Werbevergleichs standhalten. Der Freiheit der Meinungsäußerung ist in einem solchen Fall der Vorzug einzuräumen, wenn die Anzeige in der öffentlichen Auseinandersetzung um die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens den eigenen Standpunkt verdeutlichen soll (OLG Köln, Urt. v. 28.01.2011 - Az.: 6 U 180/10). Die Beklagte, ein Versicherungsverband der privaten Krankenversicherungen, hatte in Tageszeitungen mit zwei Anzeigen geworben, welche die gesetzlichen Krankenversicherungen im Vergleich zu den privaten Krankenversicherungen in ein sehr negatives Licht rückte. Obgleich die herabsetzende Tendenz in den Anzeigen nicht zu übersehen seien, so sei die Werbung gleichwohl rechtmäßig. Denn im Zuge der Diskussion um eine neue Gesundheitsreform stellten die Anzeigen eine zulässige freie Meinungsäußerung dar. Sie sollten die Verbraucher erkennbar nicht zu einer bestimmten Nachfrageentscheidung bewegen, sondern vielmehr die öffentliche Debatte motivieren. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. LG Düsseldorf: Einlagerung markenrechtswidriger Waren begründet Mitstörerhaftung _____________________________________________________________ Ein Unternehmer, der für einen seiner Kunden eine Lagerhalle anmietet und diesem Unternehmer Mitarbeiter zur Verfügung stellt, um Waren einzulagern, kann als Mitstörer in Haftung genommen werden, wenn es sich bei diesen Waren um markenrechtsverletzende Produkte handelt (LG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2011 - Az.: 4 O 137/97). Der Beklagte hatte für einen seiner Kunden eine Lagerhalle angemietet, in welcher Markenprodukte der Klägerin gelagert wurden. Für die Einlagerung hatte der Beklagte seinem Kunden darüber hinaus eigene Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Die eingelagerten Produkte verstießen gegen deutsches Markenrecht, was dem Beklagten bekannt war. Die Düsseldorfer Richter bejahten eine Mitstörerhaftung des Beklagten. Er habe umfangreiche Unterstützungshandlungen vorgenommen, obgleich ihm die Markenverletzung bekannt gewesen sei. Dadurch treffe ihn eine Mitverantwortlichkeit. Das OLG Hamburg (Beschl. v. 15.08.2007 - Az.: 5 U 188/06) hingegen ist anderer Ansicht und verneint eine Mithaftung, wenn ein Unternehmen als inländischer (Zwischen-) Empfänger von rechtswidriger Ware aus dem Ausland angegeben wird. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. LG Hamburg: Online-Schleichwerbung der ARAG wettbewerbswidrig _____________________________________________________________ Das LG Hamburg (Beschl. v. 03.01.2012 - Az.: 312 O 715/11: PDF) hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens festgestellt, dass die Rechtsschutzversicherungsgesellschaft ARAG wettbewerbswidrig Online-Schleichwerbung betreibt. Seit März 2005 unterhalten die Rechtsanwälte Carsten Hoenig und Dr. Martin Bahr das Rechtsschutzversicherer-Blog RSV-Blog.de. Auf ihm berichten mehr als 30 Rechtsanwälte über ihre praktischen Erfahrungen mit den Leistungen der Rechtsschutzversicherer in Deutschland. In einem bereits älteren Posting "ARAG macht Probleme", bei dem es um die kritische Auseinandersetzung mit dem Regulierungsverhalten der ARAG ging, tauchte ein merkwürdiges Posting von einem User mit angeblichem Namen "Ralf" auf: "Die ARAG ist die beste Rechtsschutzversicherung, die es gibt. Einmal angefragt, schon kam die Deckungszusage, mein Anwalt als auch ich sind begeistert. Weiter so ARAG und mit dem neuen Produkt Recht & Heim ist die ARAG unschlagbar. Eine der fairsten und kompetentesten Versicherungen, die ich kenne." Das war dann doch ein wenig dick aufgetragen und fiel auf. Die IP-Recherche führte direkt zum Rechtsschutzversicherer ARAG. Eine außergerichtliche Abmahnung wurde zurückgewiesen. Die ARAG gab an, weder bestätigen noch ausschließen zu können, dass das Posting von ihr stammte. Aus Datenschutzgründen sei sie zur Löschung der Mitarbeiter-Verbindungsdaten verpflichtet. Auch handle es sich um einen "privaten Beitrag", so dass jeder geschäftliche Charakter fehle. Das LG Hamburg war - wenig überraschend - anderer Ansicht und bejahte einen Wettbewerbsverstoß wegen Schleichwerbung. Gegen die einstweilige Verfügung kann die ARAG noch Rechtsmittel einlegen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LG Nürnberg-Fürth: Markeninhaber kann Anwalt wegen rechtswidriger Titelschutzanzeige in Anspruch nehmen _____________________________________________________________ Ein Rechtsanwalt, der für einen seiner Mandanten eine anonyme, rechtsverletzende Titelschutzanzeige schaltet, kann vom Markeninhaber als Störer in Anspruch genommen werden (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 26.01.2011 - Az.: 3 O 5593/10). Der verklagte Rechtsanwalt schaltete für seinen anonymen Mandanten eine Titelschutzanzeige. Diese Anzeige verletzte jedoch das Markenrecht der Klägerin. Die Klägerin verlangte daher Auskunft über die Identität des Mandanten. Diese Information gab der Advokat jedoch nicht preis, sondern erklärte lediglich, dass der Titelschutz nicht weiter beansprucht werde. Die Klägerin verlangte daraufhin von dem Anwalt den Ersatz der Abmahnkosten. Zu Recht wie die Richter des Nürnberg-Fürth feststellten. Der Beklagte hafte durch die Anzeigenschaltung als Störer für die Markenrechtsverletzung. Er habe die Titelschutzanzeige ohne Nennung des Namens seines Mandanten aufgegeben und sei auch später nicht bereit gewesen, den Mandanten-Namen preiszugeben. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. LG Saarbrücken: Geschäftliche Mails mit Vertraulichkeits-Disclaimer dürfen nicht veröffentlicht werden _____________________________________________________________ Das LG Saarbrücken (Urt. v. 16.12.2011 - Az.: 4 O 287/11) ist der Ansicht, dass E-Mails, die einen Vertraulichkeitsvermerk (Disclaimer) enthalten, grundsätzlich nicht im Internet veröffentlicht werden dürfen. Die Beklagte war die Betreiberin von selbstaukunft.net. Auf dieser Online-Plattform konnten Verbraucher kostenlos eine datenschutzrechtliche Auskunft bei einer Vielzahl von Firmen anfordern. Die Klägerin, ein Auskunftsdienst, der Informationen über die Bonität von Mietern anbot, lehnte die so zugesandten Auskunftsbegehren ab, u.a. deswegen, weil eine ordnungsgemäße Unterschrift fehle. Die Parteien gerieten über diesen Punkt in Streit. Eine E-Mail der Klägerin an die Beklagte wurde schließlich durch selbstauskunft.net online veröffentlicht. In der Mail hieß es am Ende: "Das Kopieren von Inhalten dieser E-Mail, die Weitergabe ohne Genehmigung ist nicht erlaubt und stellt eine Urheberrechtsverletzung dar." Die Veröffentlichung trotz des eindeutigen Verschwiegenheitshinweises verletzte die Klägerin in ihrem Unternehmenspersönlichkeitrecht. Auch wenn es sich um der veröffentlichten E-Mail um eine geschäftliche handle, sei der Inhalt gleichwohl nicht schutzlos, so das Gericht. Vielmehr dürfe eine E-Mail, die einen derartigen Disclaimer enthalte, grundsätzlich nicht publiziert werden, denn der Absender mache deutlich, dass ihm die Vertraulichkeit besonders wichtig sei. Eine Veröffentlichung sei auch bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter nicht gerechtfertigt. Zwar sei der Datenschutz und der damit verbundene Auskunftsanspruch ein wichtiges Thema. Hier übersteige jedoch das Interesse der Klägerin an Vertraulichkeit das der Beklagten auf Benachrichtigung der Öffentlichkeit. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Mag die Entscheidung vom Ergebnis her auch vertretbar sein, die Begründung ist es keineswegs. Nach Meinung des LG Saarbrücken kann der Absender einer E-Mail durch einen Disclaimer "beeinflussen", ob der Inhalt einer elektronischen Nachricht grundsätzlich veröffentlicht werden darf oder nicht. Dies ist - gelinde gesagt - juristischer Humbug. So hat das BVerfG Anfang 2010 (Beschl. v. 18.02.2010 - Az.: 1 BvR 2477/08) entschieden, dass wörtliche Wiedergaben aus E-Mails nicht grundsätzlich rechtswidrig sind. Vielmehr ist im Rahmen einer umfassenden Abwägung der betroffenen Rechtsgüter die Handlung zu beurteilen. So kann bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die Publikation durchaus gerechtfertigt sein (OLG Stuttgart, Urt. v. 10.11.2010 - Az.: 4 U 96/10). Fehlt er hingegen, ist die Veröffentlichung rechtswidrig (KG Berlin, Urt. v. 18.04.2010 - Az.: 10 U 149/10). Die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter hat jedoch objektiv zu erfolgen und kann nicht subjektiv durch einen Disclaimer beeinflusst werden. Andernfalls hätte nämlich der Betroffene es in der Hand, quasi durch die Hintertür doch ein grundsätzliches Veröffentlichungsverbot durchzusetzen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 11. AG Bad Segeberg: Text auf Webseite nicht maßgeblich für Vertragsauslegung _____________________________________________________________ Der Werbetext einer Versicherung auf einer Webseite kann nicht immer bei der Auslegung eines Vertrages herangezogen werden (AG Bad Segeberg, Urt. v. 22.12.2011 - Az.: 16 C 116/11). Der Kläger schloss bei der beklagten Versicherungsgesellschaft eine Hausrats-Police ab, die u.a. Gartenmöbel mit abdeckte. Zwei Jahre nach Vertragsschluss publizierte die Beklagte auf ihrer Webseite zur Police nachfolgende Aussage: "… Tisch, Stühle, Bank und Sonnenschirm - zwei- bis dreitausend Euro kommen schnell zusammen, wenn Gartenfreunde ihren Garten standesgemäß ausstatten. Gartengeräte, Grill und Rasenmäher - alles Wertsachen, die auch Diebe reizen können. …" Es kam bei dem Kläger zum Diebstahl des Edelstahlgrills. Die Versicherung lehnte eine Regulierung ab, da der Schaden nicht vom Versicherungsschutz mit abgedeckt sei. Der Kläger zog vor Gericht und berief sich dabei u.a. auf die Online-Werbeaussagen der Beklagten. Das Gericht lehnte einen Anspruch ab. Entscheidend seien alleine die Bestimmungen des Vertrages. Der Kläger könne sich nicht auf die Werbeaussage im Internet berufen. Diese beinhalte lediglich pauschale, unverbindliche Erläuterungen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer würde die Vertragsbedingungen nicht so verstehen, dass ein Grill zwingend davon umfasst sei. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 12. AG Köln: Zur Schadensersatzpflicht eines Internet-Hotelreservierungsdienstes _____________________________________________________________ Ein Internet-Reisevermittler hat Schäden zu ersetzen, die dem Urlaubsreisenden dadurch entstehen, dass er seine Pflichten aus dem Reisevermittlungsvertrag verletzt hat (AG Köln, Urt. v. 10.10.2011 - Az.: 142 C 518/10). Die Beklagte betrieb ein Online-Portal, auf dem sie Hotelreservierungen vermittelte. Die Klägerin buchte über diese Webseite zwei Doppelzimmer und erhielt auch eine Buchungsbestätigung. Als die Klägerin einige Zeit später ihre Reise antrat, stellte sich heraus, dass gar keine Zimmer gebucht waren. Sie musste also nachbestellen, so dass ihr Mehrkosten entstanden. Diese wollte sie von der Beklagten ersetzt bekommen. Das Online-Portal lehnte dies ab. Richtiger Anspruchsgegner sei das Hotel. Dieser Ansicht folgte das AG Köln nicht. Es liege vielmehr eine Pflichtverletzung der Beklagten vor, denn sie habe die Buchung nicht ordnungsgemäß an das Hotel weitergeleitet. Da sie dies unterlassen habe, liege ein Verstoß gegen den Vermittlungsvertrag vor. Normalerweise müsse der Anspruchsteller alle Voraussetzungen nachweisen. Dies sei im vorliegenden Fall anders. Hier müsse der Reservierungsvermittler darlegen, dass er den Buchungsauftrag weitergeleitet habe. Könne er dies nicht belegen, hafte er. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 13. AG Meldorf: Produktwerbung mit Selbstverständlichkeiten auf eBay rechtlich zulässig _____________________________________________________________ Die Angabe "Original-T-Shirt" und "Wir garantieren, dass es sich bei unseren Angeboten um Originalware handelt" im Rahmen einer eBay-Auktion ist wettbewerbsrechtlich zulässig, obgleich es sich eigentlich um Werbung mit Selbstverständlichkeiten handelt (AG Meldorf, Urt. 10.08.2010 - Az.: 84 C 200/10). Die Parteien veräußerten Textilien über die Online-Plattform eBay. Der Beklagte bewarb seine Produkte dabei mit den Aussagen "Original-T-Shirt" und "Wir garantieren, dass es sich bei unseren Angeboten um Originalware handelt". Die Klägerin sah darin eine wettbewerbswidrige Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Das AG Meldorf folgte dieser Ansicht nicht, sondern hielt die Äußerungen des Beklagten für rechtlich zulässig. Es gebe einen sachlichen Grund für diese Erklärungen. Denn aufgrund eines vermehrten Aufkommens von gefälschter Kleidung könne der potentielle Käufer nicht ohne weiteres erwarten, tatsächlich Originalware zu erhalten. Ähnlich entschied das OLG Hamm (Beschl. v. 20.12.2010 - Az.: I-4 W 121/10). Auch die Hammer Richter meinten, dass es auf dem Markt des Textilhandels nicht selbstverständlich sei, dass Waren stets echt seien. Denn viele Verkäufer würden Fälschungen und Imitate anbieten. Insofern sei es legitim herauszustellen, dass es sich bei den angebotenen Waren nicht um Fälschungen handle. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 14. Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht von Christian Wulff rechtlich zulässig? _____________________________________________________________ Aufgrund der aktuellen Ereignisse um den Bundespräsidenten Christian Wulff stellen sich viele Personen aktuell die Frage: Darf BILD auch ohne Einwilligung des Staatsoberhauptes die Mailbox-Nachricht als Text veröffentlichen? Oder verletzt die Springer-Presse damit geltendes Recht? Bei dieser Frage gilt es zwischen der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Ebene zu unterscheiden. 1. Strafrechtlich: Strafrechtlich geht um die Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB). Da BILD überlegt, das Interview nicht in Sprach-, sondern vielmehr nur in Textform wiederzugeben, scheiden die Tatbestände des § 201 Abs.1 StGB aus. Dort ging es um die Fälle, wo Sprachnachrichten veröffentlicht werden. Unter Strafe steht jedoch auch die Wiedergabe in bloßer Textform. Dafür muss das "nicht öffentlich gesprochene Wort (...) im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach" publiziert werden (§ 201 Abs.2 S.1 Nr.2 StGB). Eben eine solche Veröffentlichung überlegt BILD sich gerade. Unberücksichtigt soll hier gelassen werden, ob die Norm letzten Endes tatsächlich einschlägig ist, da Wulff von sich aus auf die Mailbox gesprochen hat und es sich somit eigentlich um keine Aufnahme eines Dritten handeln könnte. Interessanter ist vielmehr, dass eine solche Veröffentlichung dadurch gerechtfertigt ist, wenn "die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen" gemacht wird (§ 201 Abs.2 S.3 StGB). Der Gesetzgeber hatte bei der Formulierung dieser Norm die damalige BVerfGE-Entscheidung zwischen Günter Wallraff und BILD im Hinterkopf (BVerfGE 66, 116). Die BVerfG-Richter urteilten damals: "Eine Ausnahme (Anm.: D.h. eine Veröffentlichung ist rechtmäßig) kann nur gelten, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die (tatsächliche) Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Die Regelung hat somit absoluten Ausnahmecharakter. Die damalige BT-Drucksache (BT 11/7414) nennt auf S.4 exemplarisch folgende Fälle, bei denen eine Veröffentlichung ausnahmsweise erlaubt ist: - bei der Bildung einer terroristischer Vereinigung (§ 129 a StGB) - bei Angriffskriegen, Mord, Totschlag oder andere in § 138 Abs.1 StGB genannte Straftaten - schwerwiegende Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (z.B. illegale Lieferung von C-Waffen) Bloße einfache Verfehlungen reichen hingegen nicht aus. Spätestens an dieser Stelle kommt der alte Satz "zwei Juristen, drei unterschiedliche Meinungen" zum Tragen. Es lassen sich nämlich sowohl Pro- als auch Contra-Argumente für die Annahme eines überragenden Interesses finden. Pro: Immerhin geht es um den Bundespräsidenten, also das tragende Staatsorgan in der Bundesrepublik, und u.a. um die Frage, ob er im ARD-/ZDF-Fernsehinterview die Wahrheit gesagt hat. Contra: Auch der Bundespräsident hat ein Recht auf Privatsphäre. Zu welchem Ergebnis ein angerufenes Gericht in diesem Fall käme, lässt sich nur schwer vorhersagen, da die Interessengüterabwägung stets einen erheblichen Schuss an Subjektivität hat. In jedem Fall würden sich die BILD-Mitarbeiter einem nicht unerheblichen strafrechtlichen Risiko aussetzen, wenn sie die Geschichte tatsächlich im Wortlaut abdrucken. 2. Zivilrechtlich: Die zivilrechtliche Beurteilung hingegen ist eindeutiger. So hat das BVerfG Anfang 2010 (Beschl. v. 18.02.2010 - Az.: 1 BvR 2477/08) entschieden, dass wörtliche Wiedergaben aus E-Mails nicht grundsätzlich rechtswidrig sind. Vielmehr ist im Rahmen einer umfassenden Abwägung der betroffenen Rechtsgüter die Handlung zu beurteilen. So kann bei Vorliegen eines sachlichen Grundes die Publikation durchaus gerechtfertigt sein (OLG Stuttgart, Urt. v. 10.11.2010 - Az.: 4 U 96/10). Fehlt er hingegen, ist die Veröffentlichung rechtswidrig. So hatte Axel Springer erst vor kurzem Mails des damaligen brandenburgischen Innenministers wiedergegeben (KG Berlin, Urt. v. 18.04.2010 - Az.: 10 U 149/10). Häufig werden in diesem Zusammenhang auch noch zwei ältere Entscheidungen des LG Köln (Urt. v. 28.05.2008 - Az.: 28 O 157/08; Urt. v. 06.09.2006 - Az.: 28 O 178/06) erwähnt. Diese Urteile, die inhaltlich ohnehin sehr kritikbedürftig waren, haben durch die o.g. BVerfG-Entscheidung ihre Bedeutung verloren. Für die zivilrechtliche Zulässigkeit reicht es somit aus, wenn die Interessen an der öffentlichen Berichterstattung überwiegen. Es bedarf hier - anders als im Strafrecht - keiner "überragenden" Interessen. Zivilrechtlich spricht somit vieles dafür, dass eine Wiedergabe des Wortlautes zulässig ist. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 15. Law-Podcasting: Online-Payment-Systeme benötigen eine BaFin-Lizenz _____________________________________________________________ Auf Law-Podcasting.de, dem 1. deutschen Anwalts-Audio-Blog, gibt es heute einen Podcast zum Thema "Online-Payment-Systeme benötigen eine BaFin-Lizenz". Inhalt: Das Landgericht Köln hat im September 2011 eine wegweisende Entscheidung für Online-Payment-Systeme getroffen. Gegenstand des heutigen Podcasts ist dieses Urteil und welche praktischen Konsequenzen sich hieraus ergeben. Bei den Parteien handelte es sich um die Online-Essens-Lieferdienste "pizza.de" und "lieferheld.de". Wie viele andere Webseiten bot „lieferheld.de“ für die Begleichung der angefallenen Bestell-Entgelte u.a. die Zahlungsmöglichkeit PayPal, Sofortüberweisung.de und Kreditkarte an. Das über PayPal vereinnahmte Geld rechnete „lieferheld.de“ monatlich mit den jeweiligen Lieferanten ab, wobei das Portal die ihm für die Inanspruchnahme von PayPal entstehenden Gebühren anteilig an die Lieferanten weiter gab. „Pizza.de“ monierte nun, dass „lieferheld.de“ die Bezahloption „PayPal“ anbot und das Geld monatlich mit den Lieferanten abrechnete. Der Kläger war der Ansicht, dass „lieferheld.de“ sich wettbewerbswidrig verhalte, weil es nicht über die Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - kurz BaFin - verfüge. Das Zahlungsdienste-Aufsichtsgesetz verlange in solchen Fällen ausdrücklich eine BaFin-Genehmigung. zurück zur Übersicht |