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Die einzelnen News
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BGH: Bedeutung der Angabe von Zustandsnoten beim Online-Kauf eines Oldtimers
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Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass im Bereich des Kaufs von Oldtimern bei der Angabe einer Zustandsnote in dem Kaufvertrag im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers regelmäßig - auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer - von einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (nunmehr § 434 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) auszugehen ist, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands als Beschaffenheit des Fahrzeugs sprechen. Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Jahr 2020 im Rahmen eines Privatkaufs einen MG Typ B Roadster des Baujahrs 1973, der über eine H-Zulassung verfügte. Der Beklagte hatte für dieses Fahrzeug eine Verkaufsanzeige auf einer Onlineplattform geschaltet. Dort war als Zustandsnote "2-3" angegeben. Zudem wurde auf die zwölfjährige Besitzzeit des Beklagten, den technisch einwandfreien Zustand des Fahrzeugs und die fortlaufend durchgeführten Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen hingewiesen. In dem nachfolgenden Kaufvertrag zwischen den Parteien, in dem die Sachmängelgewährleistung unter anderem mit einer Ausnahme für die Haftung bei Beschaffenheitsvereinbarungen ausgeschlossen worden war, hieß es: "Der Verkäufer* erklärt Folgendes verbindlich zum Zustand des Fahrzeugs: - siehe Gutachten - Note 2-3". Bei Vertragsschluss lagen dem Kläger bezüglich des Fahrzeugs ein Gutachten aus dem Jahr 2011 und eines aus dem Jahr 2017 vor. Das erstgenannte Gutachten wies für das Fahrzeug eine Zustandsnote von "2,0" aus, das letztgenannte Gutachten eine solche von "3-". Anfang des Jahres 2022 stellte der Kläger das Fahrzeug bei dem TÜV zur Hauptuntersuchung vor. Dieser lehnte die Erteilung einer Prüfplakette wegen erheblicher Mängel ab, unter anderem wegen einer an verschiedenen Stellen korrosionsgeschwächten Bodengruppe, mehrfach durchgerosteten Schwellern und einem durchgerosteten Radhaus hinten links und rechts. Nach erfolgloser Aufforderung zur Mangelbeseitigung erklärte der Kläger den Rücktritt von dem Kaufvertrag. Mit seiner Klage verlangt er von dem Beklagten im Wesentlichen die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs sowie den Ersatz von Aufwendungen. Bisheriger Prozessverlauf: Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehe den geltend gemachten Ansprüchen der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Zwar gelte dieser nicht im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung. Die Parteien hätten jedoch eine Beschaffenheit des Fahrzeugs dahingehend, dass dieses einen der Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand aufweise, nicht vereinbart. Der Beklagte habe mit dem der Angabe "2-3" beigefügten Zusatz "siehe Gutachten" zum Ausdruck gebracht, woher er diese Angabe entnommen habe und dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handele. Angesichts dessen habe der Kläger nicht erwarten können, dass der Beklagte die Haftung für die Richtigkeit der Angabe habe übernehmen und für die Folgen des Fehlens der betreffenden Eigenschaft habe einstehen wollen. Die Vereinbarung einer Zustandsnote von "2-3" habe sich auf den Inhalt der in Bezug genommenen Gutachten aus den Jahren 2011 und 2017 beschränkt. Der Angabe der Zustandsnote in der Verkaufsanzeige komme deshalb keine eigenständige Bedeutung mehr zu, weil die Parteien diese in dem Kaufvertrag durch die Bezugnahme auf die Gutachten modifiziert hätten. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass hier eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF dahingehend vorlag, dass das Fahrzeug einen der Zustandsnote "2-3" entsprechenden Zustand, also einen im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten "2" und "3" liegenden Erhaltungszustand nach den üblichen Bewertungskriterien, aufweist. Ob im Einzelfall eine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben ist, ist eine Frage der - nach beiden Seiten hin interessengerechten - Vertragsauslegung. Im Bereich des Kaufs von Oldtimern ist bei dieser Auslegung die erhebliche rechtliche und praktische Bedeutung von Zustandsnoten zu berücksichtigen. Die Verwendung von Zustandsnoten für die Einstufung des Erhaltungszustands von Oldtimern in einem mehrstufigen Bewertungsmodell ist allgemein gebräuchlich und branchenüblich. Diese allgemein bekannten und anerkannten Zustandsnoten geben konkret Auskunft über den Erhaltungszustand eines Oldtimers. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf den Wert und damit auch den Kaufpreis des Fahrzeugs. Dementsprechend kommt der Angabe einer Zustandsnote durch den Verkäufer aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers grundsätzlich die Aussage zu, dass sich das Fahrzeug in einem dieser Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustand befindet und der Verkäufer für das Vorliegen dieses Zustands die Gewähr übernehmen will. Es ist deshalb regelmäßig - auch im Fall des Verkaufs eines Oldtimers durch einen privaten Verkäufer - von einer Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen, wenn in den Vertragsunterlagen im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erhaltungszustands des Oldtimers eine Zustandsnote angegeben ist, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände gegen die verbindliche Vereinbarung eines der Zustandsnote entsprechenden Erhaltungszustands sprechen. Derartige Umstände lagen hier nicht vor. Im Gegenteil bestätigen der weitere Inhalt des Kaufvertrags und die sonstigen Umstände seines Abschlusses das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung. Hiernach sollte die Angabe der Zustandsnote "2-3" verbindlich sein. Die Bezugnahme auf die Gutachten im Zusammenhang mit der Angabe der Zustandsnote "2-3" in dem Kaufvertrag war nicht dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte hiermit lediglich auf die Gutachten als fremde Quellen verweisen und damit zum Ausdruck bringen wollte, dass es sich bei der angegebenen Zustandsnote um fremdes Wissen handele, für das er nicht einstehen wollte. Denn zum einen entsprach die im Kaufvertrag angegebene Zustandsnote von "2-3" weder der Zustandsnote aus einem der Gutachten, noch ergab sie sich etwa aus der Bildung eines Mittelwerts der Bewertungen dieser Gutachten, sondern übertraf diesen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont konnte dies nur so verstanden werden, dass der Beklagte einen gegenüber dem letzten Gutachten verbesserten Zustand zusagen wollte. Zum anderen enthielt die Erklärung des Beklagten in dem Kaufvertrag nach objektivem Empfängerhorizont eine Angabe zum aktuellen Fahrzeugzustand, der für die Kaufentscheidung grundsätzlich ausschlaggebend ist. Die Gutachten bezogen sich jedoch auf weit zurückliegende Zeitpunkte. Die Erklärung des Beklagten zum Fahrzeugzustand ging demnach über den Inhalt der Gutachten hinaus und stellte damit keine reine Mitteilung fremden Wissens dar. Die bei der gebotenen Betrachtung der Gesamtumstände hier für die Auslegung des Kaufvertrages ebenfalls heranzuziehende Verkaufsanzeige stützt dieses Auslegungsergebnis. Denn dort hat der Beklagte aufgezeigt, dass er den Zustand des Fahrzeugs seit zwölf Jahren aus eigener Anschauung kannte und das Fahrzeug fortlaufend durch Restaurierungs- und Erhaltungsmaßnahmen in dem von ihm behaupteten guten Zustand erhalten hat. Vor diesem Hintergrund konnte die Aussage in dem Kaufvertrag, das Fahrzeug weise einen Zustand von "2-3" auf, erst recht nur so verstanden werden, dass der Beklagte damit den Ist-Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs beschreiben und hierfür auch die Gewähr übernehmen wollte. Da somit eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich eines Fahrzeugzustands von "2-3" vorlag, konnte sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen. Für die Entscheidung kommt es mithin darauf an, ob das Fahrzeug sich entsprechend der Beschaffenheitsvereinbarung in einem im mittleren Bereich zwischen den Zustandsnoten "2" und "3" entsprechenden Erhaltungszustand befand. Hierzu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat deshalb das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen. Urteil vom 23. Juli 2025 - VIII ZR 240/24 Vorinstanzen: LG Hamburg - 311 O 62/23 - Urteil vom 5. September 2023 OLG Hamburg - 5 U 102/23 - Urteil vom 18. Oktober 2024 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 24.07.2025
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2.
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OLG Dresden: SCHUFA-Speicherung: 3 Jahre trotz bezahlter Schulden erlaubt
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Wirtschaftsauskunfteien wie die SCHUFA dürfen beglichene Forderungen grundsätzlich bis zu drei Jahre lang speichern (OLG Dresden, Urt. v. 01.07.2025 - Az.: 4 U 177/25). In dem vorliegenden Fall verlangte eine Verbraucherin von der SCHUFA die Löschung von zwei Einträgen über bereits bezahlte Schulden. Diese Forderungen hatte sie viele Jahre nach Fälligkeit beglichen. Die Daten wurden jedoch weiterhin gespeichert und beeinflussten ihren Score-Wert, der Auskunft über ihre Kreditwürdigkeit gab. Die Klägerin war der Meinung, dass die dreijährige Speicherdauer der erledigten Forderungen gegen das Datenschutzrecht verstoße. Das OLG Dresden folgte dieser Ansicht nicht, sondern bejahte die Zulässigkeit der Speicherung. Die dreijährige Speicherdauer nach Tilgung der Schulden diene berechtigten wirtschaftlichen Interessen. Insbesondere würden damit Kreditgeber geschützt, die sich vor Vertragsabschluss über die Zahlungsmoral potenzieller Kunden informieren wollten. Die Klägerin habe ihre Schulden erst nach mehreren Jahren und mit Hilfe einer Schuldnerberatung beglichen. Daher dürfe auch weiterhin für eine gewisse Zeit dokumentiert bleiben, dass es in der Vergangenheit zu Zahlungsschwierigkeiten gekommen sei. Ein überwiegendes Interesse der Klägerin an einer früheren Löschung sei nicht erkennbar, zumal die Einträge inzwischen mit dem Hinweis versehen seien, dass die Forderungen beglichen seien. Die von der Klägerin angeführten Vorschriften über Restschuldbefreiung und das Schuldnerverzeichnis seien nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da es sich nicht um öffentlich einsehbare Register handle: “Vor diesem Hintergrund können die Interessen der Beklagten an einer hinreichend aussagefähigen Speicherfrist das Interesse der Betroffenen an einer möglichst schnellen ungehinderten Teilnahme am Wirtschaftsleben in der Weise überwiegen, dass eine Speicherfrist auch von drei Jahren - noch - als erforderlich angesehen werden kann.”
Und weiter: "Insgesamt ist daher von der Rechtmäßigkeit einer grundsätzlichen Speicherdauer von drei Jahren auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass die Relevanz eingemeldeter Daten für die Bewertung der Kreditwürdigkeit einer Person im Zeitverlauf abnimmt und nach längerer Zeit nur noch von einer verringerten „Rückfallgefahr“ auszugehen ist (…).
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3.
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OLG Frankfurt a.M.: Schweigen eines Kunden zu AGB-Änderungen kann Zustimmung sein, wenn nicht Kernbereich des Vertrages betroffen
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Das Schweigen des Bausparers zur Änderung Allgemeiner Geschäftsbedingungen von Bausparverträgen kann als Zustimmung zur Änderung gewertet werden, wenn nicht der Kernbereich des Vertrags betroffen ist. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von geförderten Riester-Bausparverträgen dürfen die Erhebung eines Jahresentgelts in der Ansparphase vorsehen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichten Entscheidungen in zwei Urteilen die Wirksamkeit der angegriffenen Klauseln bestätigt. Im ersten Fall wandte sich der Kläger gegen eine Klausel, mit welcher die Bausparkasse bei einem als Altersvorsorgevertrag zertifizierten Bausparvertrag den Bausparern jährlich ein Verwaltungsentgelt in Höhe von 15 € für Verwaltungstätigkeiten während der Ansparphase berechnete und berechtigt war, das Entgelt bei wesentlichen Veränderungen nach billigem Ermessen zu verändern. Die Klausel sei wirksam, entschied der Senat. Zwar entziehe weder die Genehmigung des Tarifwerks durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (i.F.: BaFin) noch die Zertifizierung als Altersvorsorgevertrag durch das Bundeszentralamt für Steuern die Klausel einer gerichtlichen Kontrolle. Aufsicht und Genehmigung bezweckten hier keine abschließende und verbindliche Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Bausparkasse und Bausparer. Die Klausel halte einer Inhaltskontrolle nach dem BGB stand. Sie weiche nicht von wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung ab. Zwar dürfe der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen Kosten für die Tätigkeiten, zu denen er verpflichtet sei oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringe, grundsätzlich nicht auf den Kunden abwälzen. Ein Anspruch hierauf bestehe nur, wenn dies das Gesetz ausnahmsweise vorsehe. Dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) könnte in diesem Sinne eine Leitlinie für die Gestaltung von Altersvorsorgeprodukten entnommen werden. Die Regelung in § 2a Abs. 1 AltZertG bestimme ausdrücklich, dass ein Altersvorsorgevertrag Verwaltungskosten vorsehen „darf“. Dem sei inhaltlich die Bedeutung beizumessen, dass die Vorschrift jedenfalls eine Befugnis zur Vereinbarung der dort näher definierten Entgelte enthalte. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum BGH zugelassen. Im zweiten Fall wandte sich der Kläger u.a. gegen eine Klausel, nach welcher die Zustimmung des Bausparers zu bestimmten Änderungen als erteilt gilt, wenn der Sparer nicht fristgerecht widerspricht und auf diese Rechtsfolge vorher hingewiesen wurde. Auch diese Klausel sei wirksam, urteilte der Senat. Die Klausel weiche zwar von wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken ab, da sie das Schweigen des Bausparers als Annahme zu einer Vertragsänderung qualifiziere. Die vom Gesetz in solchen Fällen vermutete unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners sei hier indes widerlegt. Die Änderungsfiktion beschränkte sich auf konkret benannte thematische Punkte. Diese bezögen sich nicht auf die Hauptleistungspflichten, sondern allein untergeordnete Vertragsgestaltungen. Die erfassten Regelungsbereiche unterlägen weder der Zustimmungspflicht der BaFin noch werde in Kernrechte des Bausparers eingegriffen. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteile vom 23.7.2025, Az. 17 U 190/23 und 17 U 188/23 (vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.10.2023, Az. 2-27 O 307/22 und Urteil vom 5.10.2023, Az. 2-28 O 93/23) Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 31.07.2025
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OVG Koblenz: Pornografische Internetseiten bleiben gesperrt
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Eine auf der Grundlage des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags durch die Medienanstalt Rheinland-Pfalz angeordnete Sperrung zweier pornografischer Internetseiten ist sofort vollziehbar. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilrechtsschutzverfahren. Die Antragstellerin mit Sitz in der Republik Zypern ist Betreiberin mehrerer Internetseiten mit pornografischen Inhalten. Im Jahr 2020 stellte die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen per Bescheid (im Folgenden: Grundverfügung) fest, dass das Telemedienangebot der Antragstellerin in Bezug auf zwei Internetseiten gegen die Jugendschutzvorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags verstoße. Sie untersagte ihr deshalb die Verbreitung des Angebots in dieser Form für die Zukunft. Die Antragstellerin erfülle ihre Verpflichtung, wenn sie die pornografischen Inhalte von ihrem Angebot entferne oder eine geschlossene Benutzergruppe einrichte, durch die sichergestellt werde, dass nur Erwachsene Zugang zu den pornografischen Inhalten erhielten. Die Antragstellerin ging hiergegen erfolglos im Wege des Eilrechtsschutzes vor. Sowohl das Verwaltungsgericht Düsseldorf als auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigten die sofortige Vollziehbarkeit der Grundverfügung. Die von der Antragstellerin in der Hauptsache erhobene Klage ist gegenwärtig beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen anhängig. Obwohl die Grundverfügung sofort vollziehbar ist und der hiergegen gerichtete Eilrechtsschutz erfolglos blieb, kommt die Antragstellerin ihr bis heute nicht nach. Hieran änderte auch die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgelds nichts. Infolgedessen erließen verschiedene Medienanstalten im Rahmen eines koordinierten Vorgehens im Jahr 2024 Sperrverfügungen gegen mehrere in Deutschland ansässige Netzanbieter, derer sich die Antragstellerin zur Verbreitung ihres Angebots bedient. Unter diesen Medienanstalten befand sich auch die Medienanstalt Rheinland-Pfalz, die gegenüber einem in Rheinland-Pfalz ansässigen Netzanbieter die Sperrung des Telemedienangebots der Antragstellerin für den Abruf aus Deutschland anordnete (im Folgenden: Sperrverfügung). Hiergegen erhoben sowohl der Netzanbieter als auch die Antragstellerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße. Die Antragstellerin stellte zudem einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin wies das Oberverwaltungsgericht zurück. Zur Begründung führte es aus, der Antragstellerin fehle für die Verfolgung ihres Begehrens das Rechtsschutzbedürfnis. Dies folge bereits daraus, dass ihr mit dem gegenständlichen Verfahren ersichtlich verfolgtes Ziel, die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Sperrverfügung zu erreichen, um auch weiterhin der Regelungswirkung der ihr gegenüber ergangenen Grundverfügung entgehen zu können, nicht schutzwürdig sei. Sie habe im Beschwerdeverfahren unmissverständlich zu verstehen gegeben, sich trotz gerichtlicher Bestätigung der sofortigen Vollziehbarkeit der Grundverfügung sowie Androhung und Festsetzung eines Zwangsgelds auch künftig nicht an die Grundverfügung halten zu wollen. Soweit sie sich zur Begründung ihres Verhaltens auf ein vermeintlich höherwertiges Ziel der „Herbeiführung materieller Gerechtigkeit“ berufe, das es erlaube, sich über die „bestehende formelle Lage“ hinwegzusetzen, lasse sie ein fragwürdiges und jedenfalls mit dem Verwaltungsprozessrecht nicht in Einklang zu bringendes Verständnis von der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen erkennen. Ohne dass es hierauf nach dem Vorstehenden noch ankomme, fehle der Antragstellerin auch deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die von ihr begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Sperrverfügung ihre rechtliche und tatsächliche Position offensichtlich nicht zu verbessern vermöge. Mit Blick auf die Besonderheiten des Einzelfalls seien die Grundverfügung einerseits und die Sperrverfügung andererseits in ihren Auswirkungen für die Antragstellerin deckungsgleich. Zwar unterscheide sich die Sperrverfügung von der Grundverfügung dadurch, dass sie eine unterschiedslose Anordnung der Sperrung des betreffenden Telemedienangebots enthalte. Demgegenüber werde mit der Grundverfügung lediglich eine Verbreitung des Angebots „in dieser Form“ untersagt. Allerdings habe schon das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Antragstellerin die Einrichtung einer geschlossenen Benutzergruppe – und offenbar auch die Entfernung sämtlicher pornografischen Inhalte – für sich vollständig ausschließe, weshalb es sich nur um eine theoretische Möglichkeit handele, die sich auf das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses nicht auswirke. Diese Annahme habe die Antragstellerin, so das Oberverwaltungsgericht, mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht entkräften können. Ein tatsächlicher Vorteil ergebe sich für die Antragstellerin ferner auch nicht daraus, dass die sofort vollziehbare Grundverfügung noch nicht bestandskräftig sei. Solange diese nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder erledigt sei, bleibe sie wirksam und sei von der Antragstellerin zu befolgen. Schließlich fehle der Antragstellerin auch deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie ihr mit dem gegenständlichen Antrag verfolgtes Ziel – die Außervollzugsetzung der Sperrverfügung – schneller und einfacher erreichen könnte, indem sie die Grundverfügung befolge. Die Medienanstalt Rheinland-Pfalz habe nämlich mehrfach erklärt, dass die Sperrverfügung obsolet werde, sobald sich die Antragstellerin an die sofort vollziehbare Grundverfügung halte. Beschlüsse vom 30. Juli 2025, Aktenzeichen: 2 B 10575/25.OVG und 2 B 10576/25.OVG Quelle: Pressemitteilung des OVG Koblenz v. 31.07.2025
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OLG Koblenz: Online-Werbung "das einfachste und effizienteste System" ist unzulässige Spitzenstellung
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Die Online-Werbung "das einfachste und effizienteste Lernmanagementsystem" ist eine unzulässige Spitzenstellung, da die Aussagen messbare Eigenschaften wie Bedienbarkeit oder Leistungsfähigkeit und nicht bloß auf subjektive Eindrücke bezieht (OLG Koblenz, Urt. v. 08.07.2025 - Az.: 9 U 443/25). Zwei Unternehmen boten digitale Lernmanagementsysteme (LMS) für die betriebliche Weiterbildung an. Die Beklagte warb online mit den Slogans “das einfachste und effizienteste Lernmanagementsystem”
und “die einfachste & effizienteste LMS-Lösung”.
Die Klägerin sah darin eine unzulässige Spitzenstellungsbehauptung, da die Beklagte diese Position nachweislich nicht innehatte. Das OLG Koblenz gab der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung. Die Sätze enthielten objektiv nachprüfbare Behauptungen. Sowohl “einfachste” als auch “effizienteste” würden sich auf messbare Eigenschaften wie Bedienbarkeit oder Leistungsfähigkeit beziehen und nicht nur auf subjektive Eindrücke. Da die Beklagte diese Spitzenstellung unstreitig nicht innehabe, seien die Aussagen irreführend und damit unlauter. "Bei den streitgegenständlichen Werbeaussagen handelt es sich auch um Angaben im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG. Sowohl „die einfachste & effizienteste LMS-Lösung“ als auch „das einfachste und effizienteste Lernmanagementsystem“ sind als sogenannte Spitzenstellungsangaben zu qualifizieren. (…) Auch wenn die Bewertung einer Software als die effizienteste und einfachste von subjektiven Wertungen mitgeprägt sein mag, verfügen die hier in Rede stehenden Werbeaussagen doch über einen dem gegenüber im Vordergrund stehenden objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern. Sowohl für die Effizienz einer Software als auch für ihre Einfachheit bestehen - unstreitig - objektive Wertungskriterien. Hinsichtlich der Effizienz bestehen sogar unstreitig einschlägige ISO-Normen."
Und weiter: "Aber auch eine einfache Bedienung - hierauf zielt die Behauptung „einfachste“ zweifelsfrei ab - ist nicht (nur) vom subjektiven Empfinden des jeweiligen Nutzers abhängig, sondern - zumindest im Kern - „messbar“ und damit zu objektivieren. Nur beispielhaft ist insoweit auf eine intuitive Bedienbarkeit, die Zahl der vorzunehmenden Klicks und der zu durchlaufenden Menüebenen, die Erfolgsquote der Anwender und die sogenannte „Time on Task“ zu verweisen. Dass die Kategorie der Effizienz in mehrere Teilbereiche gegliedert werden kann (z.B. Energieeffizienz, Kosteneffizienz, Zeiteffizienz, Effizienz in Bezug auf die Hardwareressourcen etc.), ändert an alledem nichts. In Anbetracht dessen ist die hier in Rede stehende Behauptung, es handele sich um die effizienteste LMS-Lösung/das effizienteste LMS aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise vielmehr in einem umfassenden - also alle Teilbereiche der Effizienz abdeckenden - Sinne zu verstehen. Aus Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Marktteilnehmers, der den hier streitgegenständlichen Werbungen die der jeweiligen Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (…) wollte die Verfügungsbeklagte mit den hier in Rede stehenden Aussagen nach alledem eine nachprüfbare besondere Güte ihrer Lernmanagement-Systeme zum Ausdruck bringen."
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OLG Nürnberg: Wer bei Lebensmitteln mit Preisreduzierungen wirbt, muss auch den Rabatt-Grund angeben
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Bei Preisreduzierungen für verderbliche Lebensmittel muss auch der Grund für die Reduzierung angegeben werden. Es reicht nicht aus, nur die Reduzierungshöhe anzugeben. (OLG Nürnberg, Urt. v. 05.08.2025 - Az.: 3 U 2376/24 UWG). Ein Verbraucherverband hat gegen einen großen Lebensmitteldiscounter geklagt. Gegenstand der Klage war die Preiswerbung für Käse kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD). Die reduzierte Ware trug lediglich den roten Aufkleber “-30 %”, ohne dass der Grund der Reduzierung (MHD-Ablauf) angegeben wurde. Das OLG Nürnberg gab den Verbraucherschützern Recht. Die Ausnahmen zur Preisangabenverordnung (hier: §§ 9 Abs1 Nr.3, 11 Abs.4 Nr. 2 PAngVO) würden nur dann greifen, wenn der Verbraucher klar über den Grund der Preisreduzierung informiert werde. Ein bloßer Prozentsatz genüge nicht, weil es viele mögliche Gründe für eine Preisreduktion gebe, z. B. Sortimentswechsel oder Marketingaktionen. Die bloße Angabe des MHD auf der Umverpackung reiche nicht, da die nicht sofort ins Auge falle. Vielmehr bedürfe es eines explizites Hinweis auf das bald drohende MHD-Datum: "Nach der – soweit ersichtlich einhelligen – Meinung in der Literatur meint „dies“ i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 PAngV den Grund für die Preisermäßigung, also gerade der kurz bevorstehende Verderb bzw. Ablauf der Haltbarkeit (…). Die Preisermäßigung muss daher auf den Grund für die Reduzierung hinweisen, etwa „wegen baldigen Ablaufs der Mindesthaltbarkeit“ oder „wegen bevorstehenden Verderbs“ (…), wobei sonstige Methoden der geeigneten Kenntlichmachung denkbar und vom offenen Wortlaut potentiell gedeckt sind (…). Damit sind die üblichen farbigen Aufkleber („20%“), die beispielsweise in Supermärkten auf ablaufende Lebensmittel geklebt werden, so nicht mehr zulässig; erforderlich dürfte vielmehr sein, dass auf dem jeweiligen Aufkleber zusätzlich auf das baldige Ende der Haltbarkeit bzw. den drohenden Verderb hingewiesen wird (…), wenn sich dies nicht aus anderweitigen Hinweisen diesen Inhalts z.B. am Warenkorb oder Regal ergibt. Nur wenn der Händler den Verbraucher hinreichend klar auch auf die Gründe der Preisreduktion (beispielsweise durch die Angabe „Reduziert wegen kurzer Haltbarkeit“) hinweist, ist er von der Verpflichtung der Angabe eines neuen Gesamt- und Grundpreises befreit (…)."
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OLG Oldenburg: Keine Haftung der Bank nach einem Phishing-Vorfall
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Vorsicht vor sogenannten Phishing E-Mails! Dies hat wiederum ein Fall gezeigt, den der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg in zweiter Instanz zu entscheiden hatte. Geklagt hatte ein Ehepaar aus dem Ammerland, von dessen Konto ein mittlerer fünfstelliger Betrag verschwunden war. Diesen Betrag verlangten die Klägerin und der Kläger von der kontoführenden Bank mit der Begründung zurück, dass die entsprechenden Zahlungsvorgänge von ihnen nicht autorisiert worden seien. Bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen sieht § 675u Satz 2 BGB grundsätzlich eine Erstattungspflicht des Zahlungsdienstleisters – hier also der Bank – vor. Passiert war nach den gerichtlichen Feststellungen Folgendes: Die Ehefrau, die spätere Klägerin, hatte eines Tages im Jahr 2021 eine E-Mail erhalten, die scheinbar von dem Bankinstitut stammte, bei dem die Eheleute ihr gemeinsames Konto hatten. In dieser E-Mail wurde sie aufgefordert, binnen zwei Tagen ihre PushTAN-Registrierung zu aktualisieren, da anderenfalls eine Neuregistrierung erforderlich sein würde. Die Klägerin klickte auf den in der E-Mail angegebenen Link, der sie zu einer – wie sich später herausstellte – gefälschten Website führte. Dort gab sie zumindest ihr Geburtsdatum und die Nummer ihrer EC-Karte ein. Im Anschluss erhielt sie per SMS einen Registrierungslink für die Neuregistrierung zum PushTAN-Verfahren auf ihr Mobiltelefon. Am nächsten Tag bemerkte die Klägerin, dass durch zwei Echtzeit-Überweisungen insgesamt knapp 41.000 Euro von ihrem Gemeinschaftskonto auf ein Konto in Estland transferiert worden waren. Das in erster Instanz zuständige Landgericht Oldenburg wies die Zahlungsklage der Eheleute gegen die Bank im Jahr 2023 ab. Zwar war das Landgericht davon überzeugt, dass die Eheleute die Zahlungsvorgänge in der Tat nicht autorisiert hatten; vielmehr seien die Überweisungen und auch die im Vorfeld erfolgte Erhöhung des Tageslimits durch unbekannte Täter ohne Wissen und Wollen der Kläger ausgelöst worden. Allerdings bestehe im Ergebnis dennoch kein Anspruch der Eheleute auf Erstattung der Zahlungsbeträge gemäß § 675u Satz 2 BGB gegen die Bank, weil diese den Eheleuten wiederum einen Schadensersatzanspruch entgegenhalten könne; denn die Ehefrau habe grob fahrlässig im Sinne von § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB gehandelt, was sich der Ehemann gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsse. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei, so das Landgericht, nämlich davon auszugehen, dass die Klägerin auf der gefälschten Website nicht nur ihr Geburtsdatum und ihre EC-Karten-Nummer, sondern auch ihren Anmeldenamen und ihre PIN eingegeben habe. Laut dem gerichtlich bestellten Sachverständigen sei es weder technisch möglich noch plausibel, dass die unbekannten Täter ohne diese Angaben die Überweisungen hätten vornehmen können. Damit aber habe die Klägerin die Sorgfaltspflichten aus dem Vertrag mit der Bank grob verletzt, nach denen sie die zur Authentifizierung bereitgestellten personalisierten Merkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen hatte. Auf die Berufung der Eheleute hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts die Entscheidung des Landgerichts bestätigt. Die Klägerin hatte in ihren Anhörungen vor dem Oberlandesgericht wiederum nicht zu 100 Prozent ausschließen können, dass sie neben ihrem Geburtsdatum und ihrer EC-Karten-Nummer noch weitere Daten auf der gefälschten Website eingegeben hatte. Auch aufgrund der Ausführungen des in zweiter Instanz erneut angehörten Sachverständigen erachtete das Oberlandesgericht die Folgerung des Landgerichts, die Klägerin habe auf der gefälschten Website auch ihren Anmeldenamen und ihre PIN eingegeben, als in jeder Hinsicht plausibel. Der Senat stellte darüber hinaus eine weitere Sorgfaltspflichtverletzung der Ehefrau fest, weil diese nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme auch den ihr per SMS zugeschickten Registrierungs-Link beziehungsweise den entsprechenden Registrierungs-Code für die Neuregistrierung zum PushTAN-Verfahren entweder weitergeleitet oder auf sonstige Weise an die Täter weitergegeben hatte. Zumindest dies sei als grob fahrlässig zu bewerten. Darüber hinaus hätten sich der Klägerin aus mehreren Gründen Zweifel an der Seriosität der E-Mail aufdrängen müssen; unter anderem wurden die Kläger hierin nicht namentlich adressiert, sondern mit „Sehr geehrter Kunde“ angesprochen. Außerdem enthielt die E-Mail mehrere Rechtschreibfehler. Schließlich müsse sich die Bank auch kein Mitverschulden zurechnen lassen; insbesondere sei es zum damaligen Zeitpunkt nicht geboten gewesen, in die Registrierungs-SMS einen – inzwischen von der Beklagten verwendeten – Warnhinweis aufzunehmen, wonach die SMS nicht an dritte Personen weitergeleitet werden darf. Mithin erhalten die Kläger ihre verlorenen Gelder nicht von ihrer Bank zurück. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist rechtskräftig. Oberlandesgericht Oldenburg, 24.04.2025 – 8 U 103/23 Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg v. 08.08.2025
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LG Frankenthal: Autobesitzer scheitert mit Widerruf von Tesla-Online-Kauf
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Neufahrzeuge werden heute häufig online gekauft. Verbrauchern steht dabei grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu, das sie nicht begründen müssen und über das der Verkäufer ordnungsgemäß belehren muss. Damit hat sich die 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal in einer aktuellen Entscheidung befasst und die Klage eines Ludwigshafener Tesla-Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs abgewiesen. Der Käufer hatte geltend gemacht, dass er nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei, weshalb dieses erst 12 Monate später als vorgesehen erloschen sei. Im konkreten Fall hatte der Ludwigshafener über eine Online-Plattform einen neuen PKW Tesla, Model Y, für mehr als 65.000 Euro gekauft. Tesla hatte dem Bestellformular eine selbst entworfene Widerrufsbelehrung beigefügt. Ende Dezember 2022 wurde das Fahrzeug ausgeliefert. Der Käufer nutzte es ein knappes Jahr, wollte es dann aber wieder loswerden und berief sich auf zahlreiche Mängel, die seitens Tesla sämtlich bestritten wurden. Ende November 2023 widerrief der Ludwigshafener schließlich den Vertrag unter Hinweis auf sein gesetzliches Widerrufsrecht als Online-Käufer. Er sei nicht ordnungsgemäß belehrt worden, weil Tesla nicht die gesetzliche Musterbelehrung verwendet habe. Das stattdessen genutzte Formular sei dagegen nicht hinreichend klar abgefasst, die Telefonnummer der Firma sei nicht angegeben und über die Höhe der Rücksendekosten des Fahrzeugs sei nicht aufgeklärt. Der Widerruf sei daher trotz des Zeitablaufs wirksam und er schulde aufgrund der fehlerhaften Belehrung auch keinen Ersatz für die Nutzung des Fahrzeugs. Die Kammer hat die Klage abgewiesen. Der Käufer habe nach mehr als einem Jahr kein Recht mehr, den Online-Vertrag zu widerrufen. Tesla habe von der gesetzlich vorgesehenen Musterbelehrung abweichen dürfen; diese sei lediglich ein Vorschlag für einen rechtssicheren Weg. Auch im hier verwendeten Text seien die Voraussetzungen des Widerrufsrechts deutlich und konkret genug benannt. So seien weder die Angabe der Telefonnummer noch Angaben zu den Kosten der Rücksendung des PKW gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Insgesamt sei der Online-Käufer ausreichend über sein Widerrufsrecht informiert gewesen. Auch die daneben geltend gemachten Mängel am Fahrzeug habe der Käufer sämtlich nicht nachgewiesen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es ist Berufung zum Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingelegt worden. Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 12.05.2025, Az. 4 O 114/24 Quelle: Pressemitteilung des LG Frankenthal v. 30.07.2025
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9.
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SG München: Online-Werbung mit Aussage "Tschüss Wartezimmer. Hallo Online-Arzt." ist rechtswidrig
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Die Werbeaussage “Tschüss Wartezimmer. Hallo Online-Arzt" ist unzulässig und verstößt gegen das ärztliche Berufsrecht (SG München, Urt. v. 29.04.2025 - Az.: S 56 KA 325/22). Ein Unternehmen bot über eine digitale Plattform Videosprechstunden mit Ärzten an. Dabei warb es prominent mit folgenden Statements: "Tschüss Wartezimmer. Hallo Online-Arzt. Arztgespräch, Privatrezept und Krankschreibung in Minuten"
Die klägerische Kassenärztliche Vereinigung sah in dieser Werbung einen Verstoß gegen das ärztliche Berufsrecht sowie das Heilmittelwerberecht und klagte auf Unterlassung. Sie monierte, dass die Gefahr bestünde, dass Versicherte davon ausgingen, dass ein Besuch in der Arztpraxis überflüssig sei und die Fernbehandlung in jedem Fall ausreiche. Das SG München schloss dieser Meinung an. Die Werbung sei irreführend und somit rechtswidrig. Denn durch die Aussage werde der Eindruck erweckt, dass der persönliche Arztbesuch vollständig durch eine Videosprechstunde ersetzt werden könne. Dies sei jedoch medizinisch nicht haltbar und rechtlich nicht zulässig. Laut der ärztlichen Berufsordnung müsse in jedem Einzelfall entschieden werden, ob eine Fernbehandlung ausreiche oder ein persönlicher Kontakt notwendig sei. Auch nach § 9 HWG dürfe keine Werbung verwendet werden, die zu falschen Erwartungen über den Behandlungserfolg führe oder den persönlichen Arztkontakt pauschal als verzichtbar darstelle. Die von der Beklagten genutzte Formulierung suggeriere, der Online-Arzt sei immer und überall verfügbar und ein Praxisbesuch sei veraltet“ oder überflüssig. Damit werde der Eindruck erweckt, dass Fernbehandlungen gleichwertig oder sogar überlegen seien, ohne Rücksicht auf die medizinische Eignung im Einzelfall: "Mit der streitgegenständlichen Werbung bewirbt die Beklagte ein umfassendes, nicht auf bestimmte Krankheitsbilder eingeschränktes digitales Primärversorgungsmodell (…). Die Kombination "Tschüss Wartezimmer" und "Hallo Online Arzt" enthält die Aussage, dass die ärztliche Versorgung ohne einen "klassischen" Arztbesuch möglich ist. Diese Aussage wird durch den Zusatz "Arztgespräch, Privatrezept und Krankschreibung in Minuten" verstärkt. Denn letztlich handelt es sich bei diesen Leistungen um das, was ein erkrankter Versicherter erwartet, wenn er davon ausgeht, dass er so erkrankt ist, dass ein Arztbesuch erforderlich ist, weil er eine Medikation benötigt und er arbeitsunfähig ist."
Und weiter: "Entgegen der Ansicht der Beklagten wird mit der Werbung in der Kombination der zitierten Darstellungen nicht nur vermittelt, dass ein vereinfachter Zugang zu einem behandelnden Arzt ohne lange Wartezeit in vollen Wartezimmern besteht. Gegen dieses Verständnis spricht schon die Einleitung "Tschüss Wartezimmer. Hallo Online Arzt.", die durch die Verwendung von Verabschiedung und Begrüßung eine endgültige Abkehr vom klassischen Arztbesuch darstellt. Zudem führt auch die Auslegung im Sinne der Beklagten zu 1) nicht dazu, dass ein Verstoß gegen § 9 Satz 2 HWG nicht angenommen kann. Denn auch die Aussage, dass kurzfristige eine Behandlung ohne Wartezeit im Wartezimmer möglich ist, beinhaltet die Aussage, dass bei jeder Erkrankung ein klassischer Arztbesuch nicht erforderlich ist und bewirbt damit eine umfassende Versorgung."
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10.
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LG München I: Ehemaliger Bankvorstand haftet persönlich für risikoreiche Geschäfte der Bank
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Die 43. Zivilkammer des Landgerichts München I hat am 10.07.2025 ein ehemaliges Vorstandsmitglied einer in München ansässigen Bank zur Herausgabe/Zahlung von 1 Mio. € an den Kläger (hier: Insolvenzverwalter) verurteilt (Az. 43 O 18215/19). Außerdem hat das Gericht festgestellt, dass der Beklagte sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die der Bank aufgrund eines risikobehafteten Steuermodells im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen, durchgeführten Aktiengeschäften entstanden sind. Über das Vermögen der Bank wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Bank hatte als Depotbank im Zeitraum zwischen April 2016 und Februar 2017 Dividenden und Dividendenkompensationsleistungen ohne Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag an eine gemeinnützige Gesellschaft ausgezahlt. Die Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag hätten sich auf ca. 37,2 Mio. Euro belaufen. Die gemeinnützige Gesellschaft hatte (fremdfinanziert) über ihr bei der Bank geführtes Depot Aktien im Gesamtwert von ca. 3,8 Mrd. € erworben und jeweils für nur wenige Tage über den Dividendenstichtag gehalten. Insgesamt überwies die Bank ca. 141 Mio. € Dividenden und Dividendenkompensationsleistungen an die gemeinnützige Gesellschaft. Das Finanzamt nahm die Bank deswegen in Haftung. Das daraufhin eingeleitete finanzgerichtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Nach Erlass des Haftungsbescheides im März 2018 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bank eröffnet worden. Der klagende Insolvenzverwalter hatte geltend gemacht, die beiden ehemaligen Vorstandsmitglieder der Bank hätten sich über Bedenken der hauseigenen Compliance-Abteilung hinweggesetzt, das risikobehaftete Steuermodell durchgeführt und dadurch dem Vermögen der Bank geschadet. Der Beklagte habe dafür, dass er das Geschäft ermöglicht habe, über diverse ausländische Firmen eine Zahlung von 1 Mio. Euro erhalten, die die gemeinnützige Gesellschaft geleistet habe. Auch diese Zahlung müsse er an den Kläger herausgeben. Das beklagte ehemalige Vorstandsmitglied ist der Auffassung, die Bank sei nicht verpflichtet gewesen, die auf die Dividenden entfallende Kapitalertragsteuer einzubehalten. Eine Entscheidung des Bundefinanzhofs in einem ähnlich gelagerten Fall zeige indiziell, dass ihm ein Vorwurf nicht gemacht werden könne. Über steuerrechtliche Fragen hat das Landgericht München I nicht entschieden. Das Gericht hat sich jedoch mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Vorstand durch die Beteiligung der Bank an dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell seine Sorgfaltspflichten aus dem Aktiengesetz verletzt habe und dies bejaht. Das Gericht hat daher einen Schadenersatzanspruch der Bank gegen den eigenen Vorstand festgestellt. Zwar gebe es keine Pflicht des Vorstands, niemals existenzgefährdende Risiken einzugehen. In dem zu entscheidenden Fall sei die Insolvenz der Bank jedoch aus objektiver Sicht zu wahrscheinlich gewesen, als dass der Vorstand dieses Risiko hätte eingehen dürfen. Auch für den Fall einer im Nachhinein günstigen Entscheidung des Bundesfinanzhofs sei bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der Geschäfte absehbar gewesen, dass ein Haftungsbescheid des Finanzamts die Insolvenz der Bank herbeiführen würde. Auf das Ergebnis eines Rechtsgutachtens hätte sich der Vorstand insoweit nicht verlassen dürfen, da auch darin Restrisiken erkennbar waren. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Banken verpflichtet seien, bei bestehender Ungewissheit über die Rechtslage sicherheitshalber den Steuerabzug vorzunehmen. Darüber hinaus sei der Beklagte auch verpflichtet, die im Zusammenhang mit den Geschäften erhaltene Zahlung von 1 Mio. € an die Bank herauszugeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zum Hintergrund: 1. Das hier zu Grunde liegende Steuermodell ist aus sog. „cum/cum“-Geschäften entwickelt worden. Es sieht vor, dass eine gemeinnützige Gesellschaft Aktien über den Dividendenstichtag erwirbt. In diesem Fall, so die zugrunde liegende Annahme, darf die Depot führende Bank als auszahlende Stelle die Dividende ohne Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auszahlen. Um ein Steuermodell handelt es sich deshalb, weil die gemeinnützige Gesellschaft die Aktien jeweils nur für wenige Tage über den Dividendenstichtag erwirbt und danach sofort wieder veräußert. Während der Haltedauer sichert sie sich zudem gegen Kursrisiken durch Gegengeschäfte ab. 2. Das Finanzamt München und das Finanzgericht München sind der Auffassung, dass die Bank die auf die dividendenbezogenen Zahlungen entfallende Kapitalertragsteuer samt Solidaritätszuschlag im Umfang von etwa 37,2 Mio. € hätte abführen müssen und für die Verletzung dieser Pflicht hafte. Insbesondere sei für die Bank klar erkennbar gewesen, dass die gemeinnützige Gesellschaft die Aktientransaktionen nicht im Rahmen ihres Satzungszwecks durchgeführt und damit gemeinnützigkeitsschädlich gehandelt habe. 3. Das Hauptsacheverfahren gegen den Haftungsbescheid ist noch nicht abgeschlossen. Es steht daher weiterhin nicht fest, ob die Bank endgültig für die Beträge haften muss. Im Zuge eines Parallelverfahrens betreffend die Vorauszahlung von Körperschaftsteuer hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 04.03.2020 einer Beschwerde der dort involvierten gemeinnützigen Gesellschaft stattgegeben. Quelle: Pressemitteilung ds LG München I v. 07.08.2025
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