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Gehört der Adressat der Geldbuße zu einem Konzern, bemisst sich die Geldbuße nach dem Jahresumsatz des Konzerns Der Gerichtshof präzisiert die Voraussetzungen, unter denen die nationalen Aufsichtsbehörden eine Geldbuße gegen einen oder mehrere für die Datenverarbeitung Verantwortliche wegen Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verhängen können. Insbesondere stellt er fest, dass die Verhängung einer solchen Geldbuße ein schuldhaftes Verhalten voraussetzt, der Verstoß also vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein muss. Gehört der Adressat der Geldbuße zu einem Konzern, ist bei der Berechnung der Geldbuße auf den Umsatz des Konzerns abzustellen. Ein litauisches und ein deutsches Gericht haben den Gerichtshof ersucht, die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auszulegen, und zwar im Hinblick auf die Möglichkeit nationaler Aufsichtsbehörden, Verstöße gegen diese Verordnung durch Verhängung einer Geldbuße gegen den für die Datenverarbeitung Verantwortlichen zu ahnden. Im litauischen Fall wendet sich das Nationale Zentrum für öffentliche Gesundheit beim Gesundheitsministerium gegen eine Geldbuße in Höhe von 12 000 Euro, die ihm im Zusammenhang mit der Entwicklung (mit Unterstützung durch ein privates Unternehmen) einer mobilen Anwendung auferlegt wurde, die der Erfassung und Überwachung der Daten der dem Covid-19-Virus ausgesetzten Personen dienen sollte. Im deutschen Fall wendet sich das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen, das mittelbar rund 163 000 Wohneinheiten und 3 000 Gewerbeeinheiten hält, u. a. gegen eine Geldbuße von über 14 Mio. Euro, die ihm auferlegt wurde, weil es personenbezogene Daten von Mietern länger als erforderlich speicherte. Der Gerichtshof entscheidet, dass gegen einen für die Datenverarbeitung Verantwortlichen nur dann eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen die DSGVO verhängt werden kann, wenn dieser Verstoß schuldhaft – also vorsätzlich oder fahrlässig – begangen wurde. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Verantwortliche über die Handelt es sich bei dem Verantwortlichen um eine juristische Person, ist es nicht erforderlich, dass der Verstoß von ihrem Leitungsorgan begangen wurde oder dieses Organ Kenntnis davon hatte. Vielmehr haftet eine juristische Person sowohl für Verstöße, die von ihren Vertretern, Leitungspersonen oder Geschäftsführern begangen werden, als auch für Verstöße, die von jeder sonstigen Person begangen werden, die im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit in ihrem Namen handelt. Die Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person als Verantwortliche darf nicht der Voraussetzung unterliegen, dass zuvor festgestellt wurde, dass der Verstoß von einer identifizierten natürlichen Person begangen wurde. Außerdem kann gegen einen Verantwortlichen eine Geldbuße auch für Verarbeitungsvorgänge verhängt werden, die von einem Auftragsverarbeiter durchgeführt wurden, sofern diese Vorgänge dem Verantwortlichen zugerechnet werden können. Zur gemeinsamen Verantwortlichkeit von zwei oder mehr Einrichtungen führt der Gerichtshof aus, dass diese sich allein daraus ergibt, dass die Einrichtungen an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung mitgewirkt haben. Die Einstufung als „gemeinsam Verantwortliche“ setzt keine förmliche Vereinbarung zwischen den betreffenden Einrichtungen voraus. Eine gemeinsame Entscheidung oder übereinstimmende Entscheidungen reichen aus. Handelt es sich jedoch tatsächlich um gemeinsam Verantwortliche, müssen diese in einer Vereinbarung ihre jeweiligen Pflichten festlegen. Schließlich muss sich die Aufsichtsbehörde bei der Bemessung der Geldbuße, wenn der Adressat ein Unternehmen ist oder zu einem Unternehmen gehört, auf den wettbewerbsrechtlichen Begriff „Unternehmen“2 stützen. Der Höchstbetrag der Geldbuße ist daher auf der Grundlage eines Prozentsatzes des gesamten Jahresumsatzes zu berechnen, den das betreffende Unternehmen als Ganzes im vorangegangenen Geschäftsjahr weltweit erzielt hat. Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen C-683/21 | Nacionalinis visuomenes sveikatos centras und C-807/21 | Deutsche Wohnen Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 05.12.2023
Mehrere Bürger fochten vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden Bescheide des zuständigen Datenschutzbeauftragten an, mit denen er sich weigerte, gegen bestimmte Tätigkeiten der SCHUFA, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, vorzugehen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das „Scoring“ sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung. 1. Scoring: Der Gerichtshof entscheidet, dass das „Scoring“ als eine von der DSGVO grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen ist, sofern die Kunden der SCHUFA, wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wiesbaden ist dies der Fall. Es obliegt diesem Gericht zu beurteilen, ob das deutsche Bundesdatenschutzgesetz im Einklang mit der DSGVO eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält. Trifft dies zu, wird das Gericht außerdem zu prüfen haben, ob die in der DSGVO vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung erfüllt sind. 2. Restschuldbefreiung: Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen. Was die parallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die in Rede stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, um die Schließlich betont der Gerichtshof, dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen. Urteile des Gerichtshofs in der Rechtssache C-634/21|SCHUFA Holding (Scoring) und in den verbundenen Rechtssachen C-26/22 und C-64/22| SCHUFA Holding (Restschuldbefreiung) Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 07.12.2023
Im Dezember 2020 trat das neue Wettbewerbsrecht in Kraft. Unter anderem wurde dabei § 14 Abs.2 UWG überarbeitet, wonach für Streitigkeiten im E-Commerce oder bei Telemedien der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt bzw. abgeschafft werden sollte. In der Rechtsprechung ist seitdem der Anwendungsbereich der Norm außerordentlich umstritten. Nun hat sich das OLG Hamburg im Rahmen eines Wettbewerbsprozesses zu der Frage geäußert. Nach Ansicht der Richter kommt nur dann eine Beschränkung des fliegenden Gerichtsstandes durch diese Norm in Frage, wenn das Risiko eines Rechtsmissbrauch bestehe: Dem genannten gesetzgeberischen Willen würde es entgegenstehen, den fliegenden Gerichtsstand für alle im Internet begangenen Verstöße auszuschließen. Angesichts des Umstands, dass mittlerweile ein Großteil des geschäftlichen Verkehrs im Internet stattfindet, würde dies einer weitgehenden Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands nahekommen, was durch die seitens des Ausschusses vorgenommene Änderung gerade verhindert werden sollte. Da es dem Ausschuss darum ging, eine Beschränkung „auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße […], die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden“ vorzunehmen, sind jedenfalls diejenigen Fälle nicht erfasst, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist. (...) Im Ergebnis sind damit von der Beschränkung des Wahlrechts in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG im elektronischen Geschäftsverkehr und in Telemedien jedenfalls diejenigen Fälle ausgenommen, in denen nicht von einer besonderen Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens auszugehen ist. Ob damit von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nur Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten erfasst sind – wofür spricht, dass der Gesetzgeber ausweislich § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in diesen Fällen von einem besonderen Missbrauchspotential ausgeht –, kann vorliegend offenbleiben." Bei derartigen Rechtsfällen, so die Richter, würde nicht ein solches Missbrauchs-Risiko bestehen: Ob es sich bei Äußerungen um Tatsachenbehauptungen i.S.d. § 4 Nr. 2 UWG handelt, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, bedarf einer Bewertung und u.U. auch Abwägung im Einzelfall, sodass sich diese Fälle nicht für ein massenhaftes Vorgehen gegen Rechtsverstöße eignen. Auch das Vorliegen einer gezielten Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG bedarf – jedenfalls in der vorliegend klägerseitig geltend gemachten Variante der Herabsetzung eines Mitbewerbers und seiner Dienstleistungen – einer Abwägung im Einzelfall.” Beklagte war die Deutsche Telekom, die in der Vergangenheit bei einem Webseiten-Aufruf personenbezogene Daten an die Google LLC aus den USA übertragen hatte, vgl. dazu unsere Kanzlei-News v. 11.05.2023. Nun hatte sich das OLG Köln im Rahmen des Berufungsverfahrens mit dem Sachverhalt zu beschäftigen und nutzte auch gleich die Gelegenheit, sich zur Wirksamkeit des EU-Angemessenheitsbeschluss zu äußern. Die EU-Kommission hatte vor kurzem einen entsprechenden Angemessenheitsbeschluss für den Datenverkehr mit den USA beschlossen, vgl. unsere Kanzlei-News v. 11.07.2023. 1. Vor dem Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission vom 11.07.2023: Vor dem Inkrafttreten des Angemessenheitsbeschlusses für den US-Datentransfer durch die Europäische Kommission bewertete das OLG Köln das Handeln als klar datenschutzwidrig: Dann äußert sich das OLG Köln zur aktuellen Rechtslage, also nach Inkrafttreten des Angemessenheitsbeschlusses. Rein abstrakt sehen die Richter dies als ausreichende Rechtsgrundlage an: Auf der Grundlage des neuen Angemessenheitsbeschlusses können personenbezogene Daten aus der EU an solche US-Unternehmen übermittelt werden, die an dem DPF teilnehmen (DPF Rn. 8: „This Decision has the effect that personal data transfers from controllers and processors in the Union to certified organisations in the United States may take place without the need to obtain any further authorisation.“). Eine solche Teilnahme als „certified organisation“, die eine Selbstverpflichtung sowie die Übermittlung verschiedener weiterer Informationen an das USamerikanische Handelsministerium (US Department of Commerce) voraussetzt (vgl. Klein K& R 2023, 553, 554), ist auch für die G. L.festzustellen, wie aus dem Ausdruck der vom Department of Commerce betriebenen Webseite www.dataprivacyframework.gov“ (Anlage B16, dort S. 3, Bl. 1399 eA) hervorgeht, dem der Kläger inhaltlich nicht entgegengetreten ist." In der Praxis scheitere es bei Google LLC jedoch daran, dass es keine ausreichenden Rechtsschutzmöglichkeiten gebe, so die Richter: Dies wird durch die vorgelegten Unterlagen nicht erreicht. G. verpflichtet sich zwar in seinen „G. Ads IDTI“ (…), den Datenexporteur (hier also die Beklagte) über entsprechende Anforderungen von US-Behörden zur Offenlegung personenbezogener Daten zu informieren, stellt dies aber bereits unter den Vorbehalt, dass dies nach US-Recht zulässig ist (…). Entsprechendes gilt für die Benachrichtigung der betroffenen Person. Auch ist ein direkter Zugriff auf personenbezogene Daten nach wie vor nicht ausgeschlossen, wie sich ebenfalls aus diesem Dokument ergibt, weil G. sich auch für diesen Fall (nur) zu einer nachträglichen Information verpflichtet, wenn es von einem solchen Zugriff erfährt. Zwar wird dies später insofern relativiert (…), als G. der Auffassung ist, dass keine staatliche Stelle in den USA direkten Zugriff auf die Information der G.-Nutzer oder auf Kundendaten habe. Dies schließt es aber gerade nicht aus, dass US-Behörden auf anderem Wege an diese Informationen gelangen, ohne dass G. hiervon zwingend erfährt. Dass G. die Rechtmäßigkeit von Anfragen überprüfen will (…) und gegebenenfalls von ihm als rechtswidrig erkannte Maßnahmen anfechten will (…), vermag die grundsätzlichen vom EuGH festgestellten Defizite im Rechtsschutzsystem der USA betreffend die in Rede stehenden Überwachungsprogramme nicht zu beseitigen, weil diese zusätzlichen Maßnahmen von G. nur innerhalb des durch die aufgeführten Regelungen begründeten Systems der Überwachungsmechanismen wirken können. Dieses System ist aber in sich bereits, wie der EuGH entschieden hat, in den gebotenen Rechtsschutzmöglichkeiten defizitär, was durch ein Engagement von G. grundsätzlich nicht kompensiert werden kann." Auch die Einwilligung als Rechtsgrundlage scheide aus, weil es an einer ausreichend transparenten und vor allem widerspruchsfreien Information fehle: "Auch auf eine Einwilligung der von der Datenübertragung betroffenen Personen kann sich die Beklagte nicht stützen. Zwar ist eine Einwilligung grundsätzlich möglich, wenn – wie im Streitfall – weder Angemessenheitsbeschluss (Art. 45 DSGVO) noch geeignete Garantien (Art. 46 DSGVO) für das betroffene Drittland gegeben sind, vgl. Art. 49 Abs. 1 S. 1 DSGVO. Es kann offenbleiben, ob eine solche Einwilligung schon deshalb ausscheidet, weil die beabsichtigte Datenübertragung nicht nur gelegentlich, sondern routinemäßig stattfinden soll, wie die DSK (Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder) in ihrer „Orientierungshilfe der Aufsichtsbehörden für Anbieter:innen von Telemedien ab dem 1. Dezember 2021“ (…) angenommen hat (…). Denn jedenfalls wäre eine etwaige Einwilligung, die nach Auffassung der Beklagten dadurch erfolgt, dass auf ihrem Cookie-Banner zwingend die Schaltfläche „Alles akzeptieren“ angeklickt werden muss, bevor die streitgegenständliche Übertragung erfolgt (…), unwirksam. Die Vorschrift des Art. 49 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO setzt nämlich voraus, dass der Einwilligende über die bestehenden möglichen Risiken ohne Vorliegen eines Angemessenheitsbeschlusses und ohne geeignete Garantien unterrichtet wurde. Hieran fehlt es, und zwar auch dann, wenn man die gegenüber dem ursprünglichen Cookie-Banner (…) leicht erweiterte Gestaltung (…) zugrunde legt. Dort heißt es in Bezug auf Drittlandtransfers von personenbezogenen Daten: „[Die Beklagte] kann unter Umständen nicht in allen Fällen sicherstellen, dass das europäische Datenschutzniveau eingehalten wird“ (diese Passage fehlte zuvor) und verweist wegen Details auf den Datenschutzhinweis (insoweit unverändert gegenüber Anlage K1, Bl. 49 ff. GA). In diesem findet sich zwar einerseits der Hinweis (…), dass im Falle einer Einwilligung im Sinne von Art. 49 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO das Datenschutzniveau in den meisten Ländern außerhalb der EU nicht den EU-Standards entspreche, was insbesondere umfassende Überwachungs- und Kontrollrechte staatlicher Behörden, z.B. in den USA, die in den Datenschutz der europäischen Bürgerinnen und Bürger unverhältnismäßig eingreifen, betreffe. Andererseits ist aber spezifisch für G. Ads ausgeführt, dass insoweit nach Auskunft von G. keine Übermittlung personenbezogener Daten stattfinde (…). Bereits diese widersprüchliche Aussage in Bezug auf die konkrete Datenübertragung steht dem Ziel einer informierten Einwilligung entgegen, weil der angesprochene Verkehr davon ausgehen wird, dass er in die Nutzung u.a. von Marketing-Cookies einwilligen könne, ohne Risiko zu laufen, dass seine hierbei erhobenen Daten in ein Drittland transferiert werden. Dies ist bereits nach Art. 49 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO unzulässig, weil hierdurch die nach der Vorschrift gebotene Risikoaufklärung konterkariert wird, weshalb es auf eine Prüfung am Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (Transparenzgebot) nicht mehr ankommt. Insofern kann auch offenbleiben, ob die von der Beklagten erteilten Informationen für sich genommen ausreichend wären oder ob noch spezifischere Ausführungen erforderlich gewesen wären, wie der Kläger (…) meint." Anmerkung von RA Dr. Bahr: Die europäische Wirtschaft konnte nach dem Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission nur wenige Monate aufatmen. Nun steht die Frage nach der Zulässigkeit des Datentransfers erneut wieder auf der Tagesordnung.
Die Klägerin bot online Business-Coaching an. Die Beklagte betrieb eine Werbeagentur. Geschlossen wurde ein Coaching-Vertrag mit einer Laufzeit von 12 Monaten. Beratungsgegenstand waren unterschiedliche Module (u.a. Administration und Organisation, Marketing, Vertriebsprozess ua.). Zudem wurde der Zugang zu einer privaten WhatsApp-Gruppe mit Mitarbeitern der Klägerin zu den jeweiligen Themenfeldern vereinbart. Außerdem sollte es pro Woche 16 Zoom-Calls bzw. Live Calls - die auch aufgezeichnet werden sollten, um jederzeit abgerufen werden zu können - und in der gesamten Laufzeit fünf Seminartage (Coaching Consulting Days) geben. Nach Vertragsschluss wollte die Beklagte sich von dem Vertragsschluss lösen und berief sich darauf, dass dem Coaching die notwendige Genehmigung nach dem FernUSG fehle und der Kontrakt somit nichtig sei. Das OLG Köln ist dieser Ansicht nicht gefolgt. Der hier geschlossene Vertrag unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des FernUSG, da keine wirkliche Lernkontrolle vereinbart worden sei: Der streitgegenständliche Vertrag hat zwar zumindest auch die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zum Gegenstand. (…) In jedem Fall fehlt es aber an einer vertraglich vereinbarten Überwachung des Lernerfolges. Dieses Tatbestandsmerkmal ist zwar - nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - weit auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2009, III ZR 310/08, NJW 2010, 608). Begründet hat der Bundesgerichtshof diese Auslegung damit, dass der Gesetzgeber wegen eines gestiegenen Interesses an Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich habe stärken wollen.(…) Insgesamt sei eine Überwachung des Lernerfolges nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch habe, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlangten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolges durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten." Soweit der Bundesgerichtshof (a.a.O.) insoweit darauf abgestellt hat, dass durch Begriffe wie „Studium“ oder „Lehrgang“ oder auch „Absolvent“ und „Zertifikat“ deutlich werde, dass eine Wissensvermittlung stattfinde, die den Teilnehmer weiter qualifiziert und dass ein Studium oder ein Lehrgang untrennbar mit Lernkontrollen verbunden seien, fehlt es dem streitgegenständlichen Vertrag an entsprechenden Formulierungen. Das vorliegende Online-Coaching ist weder als Lehrgang oder Studium oder eine ähnliche Ausbildung bezeichnet worden noch sollte irgendein Abschluss erworben werden. Sofern die Beklagte darauf verweist, aus der Rechtsprechung werde deutlich, dass auch Fragen zum eigenen Verständnis des bisher Erlernten an den jeweiligen Dozenten ausreichen können, um eine persönliche Lernkontrolle durchzuführen, ob nämlich das bisher Erlernte richtig verstanden worden sei, verkennt sie, dass die Kontrolle des Lernerfolges, gleichgültig ob mündlich oder schriftlich nicht als Selbstkontrolle zu verstehen ist, sondern nicht zuletzt nach dem Gesetzeswortlaut als Kontrolle durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten." Das Oberlandesgericht Celle hat die Kontrolle des Lernerfolges in dem von ihm konkret zu entscheidenden Fall zwar auch bei einer mündlichen Kontrolle bejaht. In diesem Fall sind aber in der Auftragsbestätigung nicht nur ein WhatsApp- Support, in dem Fragen gestellt werden konnten, bzw. Videos und Dokumente erwähnt, sondern auch Check-listen und Prüfungen, woraufhin eine Überwachung des Lernerfolges bejaht wurde. Soweit bei den vorliegenden Vertragsverhandlungen davon die Rede war, in der WhatsApp Gruppe bestünde eine „absolute Fragenflatrate“, sollte dies ausdrücklich nicht der Kontrolle eines Lernerfolges oder der Kontrolle von erworbenem Wissen dienen, sondern der Lösung einzelner Problemstellungen, die sich im Vertrieb hätten ergeben können. Insoweit ist der Beklagten angeboten worden, dass die Mitarbeiter der Klägerin für Fragen zur Lösung von Alltagsproblemen zur Verfügung stünden. Ferner hat der Mitarbeiter der Klägerin in dem Vertragsgespräch zu den Live-Calls zwar hervorgehoben, dass die Mitarbeiter der Beklagten Fragen stellen könnten, allerdings unter Hinweis darauf, dass die Teilnehmer normalerweise durch das Zuhören „lernen“ würden - was sicher auch nicht auf eine Kontrolle hinweist. Dementsprechend sollten auch im Rahmen der Facebook- Gruppe lediglich ein Austausch und das Bilden von Netzwerken erfolgen. Im Ergebnis ging es der Beklagten ausweislich der Vertragsverhandlungen nicht darum, für ihre Mitarbeiter besondere Oualifikationen zu erwerben, sondern vielmehr diese zu befähigen, den (rückläufigen) Umsatz zu steigern. Insofern hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung auch nicht mangelnde Lernerfolge geltend gemacht, sondern dass es an einer individuellen Unternehmensberatung gefehlt habe." Der Rechtsstreit ging um die Rückforderung von gezahlten Entgelten für einen Online-Coaching-Vertrag. Die Klägerin, die den entsprechenden Vertrag abgeschlossen hatte, war eine GmbH. In der Rechtsprechung ist außerordentlich umstritten, ob das FernUSG auch im B2B-Bereich Anwendung findet. Das OLG Celle und das LG Hamburg haben diese Frage bejaht, das OLG Köln hingegen verneint. Nun schließen sich die Frankfurter Richter der Meinung des OLG Köln und verneinen die Anwendbarkeit des FernUSG in diesen Fällen: Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob tatsächlich das Angebot der Beklagten tatsächlich eine Form des zulassungsbedürftigen Fernunterrichts darstellt (so OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023 -3 U 85/22, BeckRS 2023, 2794, Rn. 35 ff.). Denn das FernUSG findet auf Verträge zwischen Verbrauchern keine Anwendung. Nach dem Verständnis des Gesetzgebers soll das FernUSG die Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichts- punkt des Verbraucherschutzes sichern und sich in die übrigen Bemühungen zum Schutz der Verbraucher einreihen (BT-Drs. 7/4245, S. 13, 32). Hierfür spricht auch § 4 FernUSG, da dort auf § 355 BGB verwiesen wird, der den Verbraucherwiderruf nor- miert. Auch im § 7 FernUSG selbst wird mehrfach das Widerrufsrecht angesprochen. Angesichts des eindeutigen Willens des Gesetzgebers und der daraus folgenden Umsetzung im FernUSG muss davon ausgegangen werden, dass das FernUSG nur Anwendung findet im Falle eines Vertragsschlusses zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer (…)." Inhaltlich ging es um eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen einem Unternehmen und seinem Betriebsrat. Der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin hatte seinen Sitz in der Schweiz und nahm an der Gerichtsverhandlung per Video-Konferenz teil. Dem Gericht stellte sich nun die Frage, ob damit möglicherweise die staatliche Souveränität der Schweiz verletzt würde. Denn grundsätzlich dürfe ein Staat nur auf seinem eigenen Hoheitsgebiet tätig werden. Im Ergebnis hat das LAG die Teilnahme für zulässig erachtet, da es sich um keinen staatlichen Akt handelt: a) Zwar wird – wohl überwiegend – die Auffassung vertreten, dass zur Wahrung territorialer Souveränität Videokonferenzen mit dem Ausland in Ausübung von Staatsgewalt (hier der Judikative) grundsätzlich nur im Wege der Rechtshilfe oder aufgrund supranationalen Rechts möglich seien (…). Indem dem Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin auf seinen Antrag gestattet wird, an der in der Bundesrepublik Deutschland stattfindenden mündlichen Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen, übt das Gericht aber keine Hoheitsgewalt in der Schweiz aus. Durch die Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin im Wege der Bild- und Tonübertragung ändert sich am Ort der Gerichtsverhandlung nichts. Es wird lediglich die persönliche Anwesenheit im Gerichtssaal durch die Bild- und Tonübertragung in den Gerichtssaal ersetzt. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass von der Bild- und Tonübertragung (mittelbar) hoheitliche Wirkungen in der Schweiz ausgingen. Davon ist jedenfalls deshalb auszugehen, weil dem Verfahrensbevollmächtigten lediglich ermöglicht wird, (freiwillig) Äußerungen in der mündlichen Verhandlung abzugeben, ohne dass eine Beweisaufnahme stattfindet (…)." Gemäß § 128a Abs. 1 ZPO kann das Prozessgericht den Parteien und ihren Prozessbevollmächtigten auch gestatten, aus dem Ausland an einer Verhandlung eines deutschen Gerichts im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. Soweit nicht die Parteien oder Beteiligten persönlich angehört werden sollen, ist damit keine unzulässige Beeinträchtigung der territorialen Integrität des Aufenthaltsstaats verbunden (…). b) Überdies spricht gegen die Ausübung von Hoheitsgewalt in einem anderen Land durch schlichte Gestattung einer Zuschaltung des Verfahrensbevollmächtigten auch, dass das Gericht nicht angeordnet hat, dass der Verfahrensbevollmächtigte von einem Ort aus dem Ausland heraus teilzunehmen hätte. Wenn das Gericht aber keinen „anderen Ort“ iSd. § 128a ZPO festlegt – und auch nicht befugt ist, den anderen Ort positiv festzulegen (…) – steht es letztlich im Belieben des Bevollmächtigten, von welchem Ort aus er – freiwillig – an einer Verhandlung teilnimmt." Die Klägerin betreibt Telemarketing. Wegen des Verdachts unerlaubter Telefonwerbung leitete die Bundesnetzagentur ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Klägerin ein und erließ Ende 2020 einen Bußgeldbescheid. Der Bußgeldbescheid ist noch nicht rechtskräftig. Kurze Zeit später veröffentlichte die Bundesnetzagentur eine Pressemitteilung, in der sie über die verhängte Geldbuße und die vorgeworfenen Rechtsverstöße berichtete. Die Klägerin wurde in der Pressemitteilung mehrfach namentlich genannt. Hiergegen beantragte die Klägerin zunächst einstweiligen Rechtsschutz. Im Eilverfahren untersagte das Oberverwaltungsgericht NRW der Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 17. Mai 2021 (Az.: 13 B 331/21) vorläufig, die Pressemitteilung zu verbreiten. Mit der vorliegenden Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren zwecks endgültiger Klärung weiter. Das Verwaltungsgericht Köln hat der Klage stattgegeben und der Bundesnetzagentur die Verbreitung einer derartigen Pressemitteilung untersagt. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Pressemitteilung greift in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte Berufsfreiheit der Klägerin ein. Dieser Eingriff ist rechtswidrig, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für ein solches Vorgehen fehlt. Die Bundesnetzagentur kann sich nicht darauf stützen, im Zusammenhang mit den ihr zugewiesenen Aufgaben allgemein Presse-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit betreiben zu dürfen. Die hier streitige Pressemitteilung dient nicht bloß der Information über die Tätigkeit der Bundesnetzagentur, sondern hat aufgrund ihrer konkreten Gestaltung eine anprangernde Wirkung, die den Sanktionscharakter des Bußgeldes verstärkt, wenn nicht übertrifft. Soweit die Bundesnetzagentur geltend macht, die Pressemitteilung diene der Warnung der Verbraucher vor unerlaubten Werbeanrufen, kommt dem im Text der Pressemitteilung und ausweislich eines behördeninternen Aktenvermerks nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Bundesnetzagentur kann sich auch nicht auf die Informationspraxis der Kartellbehörden stützen. Diese sind durch Gesetz zur Veröffentlichung ihrer Bußgeldentscheidung unter namentlicher Nennung der sanktionierten Unternehmen ermächtigt. Für eine entsprechende Anwendung dieser Rechtsgrundlage auf die Bundesnetzagentur fehlt es an einer Vergleichbarkeit der jeweils wahrzunehmenden Aufgaben. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache für die Behördenpraxis der Bundesnetzagentur hat das Gericht die Berufung und die Sprungrevision zugelassen. Über die Berufung würde das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden, über die Sprungrevision das Bundesverwaltungsgericht. Az.: 1 K 3664/21 Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 07.12.2023
1. Herkunftstäuschung: Die Beklagte hatte argumentiert, dass die Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ für sich nicht irreführend sei. Zudem habe sie ihren Verwaltungssitz an der angegebenen Münchner Adresse und es sei gesetzlich vorgeschrieben, die Adresse auf der Flasche abzudrucken. Dem folgte das Landgericht München I nicht. Die für sich gesehen nicht eindeutige Bezeichnung „WUNDERBRAEU“ sei jedenfalls mit der auf dem rückwärtigen Etikett enthaltenen Adresse einer für Brauereien bekannten Straße in München irreführend. Durch die fragliche Aufschrift werde ein Bezug des Produktes mit einer Anschrift in München hergestellt, obwohl dort unstreitig nicht die Produktionsstätte, sondern allein der Sitz des Handelsunternehmens sei. Zwar möge die Bezeichnung für sich gesehen auch für die Beklagte als Vertriebsunternehmen zulässig sein und die Angabe auch insgesamt den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Das ändere aber nichts daran, dass die Aufschrift im Zusammenhang den Eindruck erwecke, die angegebene Anschrift bezeichne den Herkunftsort des Produktes selbst. Dies sei unzulässig. Eine Täuschung über die Herkunft des Bieres sei auch geeignet, die Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu beeinflussen. 2. Werbung mit “klimaneutrale Herstellung”: Die weiteren, von dem klagenden Verband beanstandeten Angaben Die Beklagtenseite hatte angeführt, dass ein QR-Code auf der Flasche zu den gewünschten Informationen über die Bedeutung der beanstandeten Angaben zur Klimabilanz führe. Dies reichte der Kammer nicht aus. Gerade in der heutigen Zeit, in der Unternehmen in den Verdacht des sogenannten „Greenwashing“ kämen und in dem Ausgleichsmaßnahmen kontrovers diskutiert würden, sei es wichtig, die Verbraucher über die Grundlagen der jeweiligen werbenden Behauptung aufzuklären. Verbraucher hätten daher ein maßgebliches Interesse daran, inwieweit behauptete Klimaneutralität durch Einsparungen oder durch Ausgleichsmaßnahmen und wenn ja durch welche Ausgleichsmaßnahmen erreicht würden. Daher müssten den Verbrauchern die Bewertungsmaßstäbe für die werbenden Angaben „CO2 positiv“ und „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche offengelegt werden: Die 37. Zivilkammer führte hierzu aus: „Im vorliegenden Fall enthält die entsprechende Werbung zur Klimaneutralität und CO2 positiven Bilanz jedoch schon keinen Hinweis darauf, dass weitere Informationen auf der Homepage verfügbar sind. Der abgedruckte QR-Code ist auch nicht in so engem räumlichen Zusammenhang zu der umweltbezogenen Werbung aufgedruckt, dass es sich dem Kunden ohne weiteres erschließen würde, dass die für ihn notwendigen Informationen auf diese Weise verfügbar wären.“ Für einen etwaig zulässigen sog. „Medienbruch“ sei eine Verweisung mit einem klaren und eindeutigen Link erforderlich. Zudem führe der fragliche QR-Code auch nicht direkt auf eine Seite zur Erläuterung der klimaschonenden Maßnahmen, sondern allgemein auf die Homepage der Beklagten, von wo aus die Verbraucherinnen und Verbraucher sich dann zu den gewünschten Informationen erst durchklicken müssten, so die Kammer. Letztendlich bestünden zudem erhebliche Zweifel daran, ob die auf der Homepage des beklagten Unternehmens aufgeführten Informationen ausreichend wären. Denn genaue Angaben zur berechneten Klimabilanz und Angaben darüber, in welchem Umfang die Klimaneutralität durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden sollen und in welchem Umfang durch Einsparung, fänden sich dort gerade nicht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 08.12.2023
Die Klägerin machte aus abgetretenem Recht die Rechteinhaberschaft für die Wiedergabe von Funksendungen und der öffentlichen Zugänglichmachung für das Repertoire mehrerer hundert Filmstudios geltend. Die Beklagte betreibt in München ein Krankenhaus mit mindestens 188 Betten. Die Patientenzimmer sind jeweils mit einem Fernsehgerät ausgestattet, über das die Patienten das lineare Fernsehprogramm empfangen konnten. Die Patienten hatten daher im Jahr 2021 die Möglichkeit, zahlreiche Fernsehfilme anzusehen, deren Rechte die Klägerin für sich reklamiert. Hierzu gehörten u.a. die Serien „Biene Maja“ und „Wickie und die starken Männer“ und die Filme „Toni Erdmann“, „The Da Vinci Code - Sakrileg“ oder „Hotel Transsilvanien“. Die Klägerin sah hierin eine öffentliche Wiedergabe durch die Beklagte. Allein die Ermöglichung des Zugangs über die zur Verfügung gestellten Fernsehgeräte sei hierfür ausreichend. Auf eine tatsächliche Betrachtung einer Fernsehsendung durch eine Vielzahl von Personen komme es nicht an. Die Beklagte war der Auffassung, dass es sich lediglich um eine Kabelweitersendung handeln würde und sie die hierfür notwendigen Rechte lizenziert habe. Das Gericht wies die Klage ab und begründete dies insbesondere wie folgt: § 22 UrhG setzt voraus, dass das gesendete Werk der Öffentlichkeit wahrnehmbar gemacht, d.h. unmittelbar für die menschlichen Sinne wiedergegeben wird. […] Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verlangt der Begriff der „öffentliche Wiedergabe“ […] zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werks und seine „öffentliche“ Wiedergabe […]. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es für das Vorliegen einer Wiedergabehandlung deshalb gerade nicht ausreichend, dass die Beklagte lediglich „die potentielle Möglichkeit des Zugangs“ über von ihr zur Verfügung gestellte Geräte ermöglicht. Es ist einhellige Rechtsprechung des BGH und EuGH, dass eine Wiedergabehandlung nur dann vorliegt, wenn die geschützten Werke tatsächlich öffentlich wiedergegeben werden […]. Erforderlich ist demnach, dass mindestens eines der Filmwerke, deren Rechte die Klägerin […] für sich in Anspruch nimmt, im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich auf einem Fernsehgerät in den Zimmern der Beklagten gezeigt wurde. Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass die Beklagte in eines ihrer durch das Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte eingegriffen hat […]. Sie hat demnach darzulegen, welche konkrete(n) Wiedergabehandlung(en) der Beklagten zuzurechnen sind. Dem ist sie nicht nachgekommen.“ Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 04.12.2023
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Newsletter
vom 13.12.2023
Betreff:
Rechts-Newsletter 50. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr
1. EuGH: Nur schuldhafte DSGVO-Verstöße können zur Verhängung einer Geldbuße führen
2. EuGH: SCHUFA-Scoring nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt / Auskunfteien dürfen Restschuldbefreiung nicht längerfristig speichern
3. OLG Hamburg: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in UWG-Fällen nur bei Missbrauchsgefahr
4. OLG Köln: US-Datentransfer an Google LLC auch nach neuem Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission datenschutzwidrig
5. OLG Köln: Nicht jeder Online-Coaching-Vertrag unterfällt der FernUSG-Pflicht
6. LG Frankfurt a.M.: Online-Coaching-Verträge im B2B-Bereich unterliegen nicht der FernUSG-Pflicht
7. LAG Hamburg: Gerichtliche Videokonferenz auch für Personen aus dem Ausland möglich
8. VG Köln: Bundesnetzagentur darf bei Bußgeldverfahren keine Unternehmensnamen in Pressemitteilung nennen
9. LG München I: Bierwerbung mit Aussage "klimaneutrale Herstellung" und "CO2 positiv" wettbewerbswidrig
10. AG München: Streit um Lizenzrechte für Fernsehprogramm im Krankenhaus
Die einzelnen News:
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1. EuGH: Nur schuldhafte DSGVO-Verstöße können zur Verhängung einer Geldbuße führen
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Nur ein schuldhafter Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung kann zur Verhängung einer Geldbuße führen
Rechtswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein konnte, gleichviel, ob ihm dabei bewusst war, dass es gegen die Bestimmungen der DSGVO verstößt.
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2. EuGH: SCHUFA-Scoring nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt / Auskunfteien dürfen Restschuldbefreiung nicht längerfristig speichern
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Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht zwei Datenverarbeitungspraktiken von Wirtschaftsauskunfteien entgegen. Während das „Scoring“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Widerspruch zur DSGVO.
Das „Scoring“ ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das es ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie etwa die Rückzahlung eines Kredits, vorauszusagen. Die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung werden im deutschen öffentlichen Insolvenzregister sechs Monate lang gespeichert, während Verhaltensregeln der deutschen Wirtschaftsauskunfteien für ihre eigenen Datenbanken eine Speicherdauer von drei Jahren vorsehen. Das Verwaltungsgericht ersucht den Gerichtshof, den Umfang des Schutzes der personenbezogenen Daten, wie er von der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorgesehen ist, näher zu erläutern.
In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung entscheidet der Gerichtshof, dass es im Widerspruch zur DSGVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen,sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen.
Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung während der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf deren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe nach.
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3. OLG Hamburg: Beschränkung des fliegenden Gerichtsstands in UWG-Fällen nur bei Missbrauchsgefahr
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Auch nach der UWG-Reform gilt bei Internet-Verletzungen weiterhin der fliegende Gerichtsstand, es sei denn, es besteht die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs (OLG Hamburg, Urt. v. 07.09.2023 - Az.: 5 U 65/22).
"Die Begründung des Ausschusses für die Änderung des § 14 Abs. 2 UWG macht deutlich, dass es darum ging, die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung „auf die in diesem Zusammenhang besonders missbrauchsanfälligen Verstöße […], die auf Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden“ zu begrenzen.
Im vorliegenden Verfahren ging es um den Mitbewerberschutz nach § 4 UWG, nämlich um unwahre Behauptungen und eine gezielte Behinderung.
“Die besondere Gefahr des Missbrauchs in Form eines massenhaften Vorgehens ist bei vermeintlichen Verstößen gegen § 4 Nr. 2, Nr. 4 UWG nicht gegeben.
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4. OLG Köln: US-Datentransfer an Google LLC auch nach neuem Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission datenschutzwidrig
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Auch nach dem jüngsten Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission ist ein US-Datentransfer an Google LLC datenschutzwidrig, da es an den erforderlichen Rechtsschutzmöglichkeiten fehlt (OLG Köln, Urt. v. 03.11.2023 - Az.: 6 U 58/23).
“Zum Zeitpunkt der Abmahnung bzw. der konkreten Verletzungsform fehlte es zunächst an einer entsprechenden Grundlage, nachdem der EuGH den zuvor geltenden Beschluss, der auf dem „Privacy Shield“ basierte (eine Übereinkunft der USA mit der EU betreffend die Gewährleistung eines bestimmten Datenschutzniveaus), in seinem Urteil „Schrems II“ (Urteil vom 16.07.2020, Rs. C-311/18 – F... I. u. Schrems, NJW 2020, 2613) für nichtig erklärt hatte, so dass sich Unternehmen wie die Beklagte hierauf allein nicht mehr berufen konnten (…).”
2. Nach dem Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission vom 11.07.2023:
"Der unter dem 10.07.2023 gefasste Beschluss der EU-Kommision mit dem Titel „EU US Data Privacy Framework“ (im Folgenden: DPF, (…) stellt nunmehr in den USA ein angemessenes Datenschutzniveau fest und entfaltet unmittelbare Wirkung, so dass Datenübermittlungen in das betreffende Land keiner besonderen aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen (…).
Ein USA-Datentransfer ist somit nach dieser neuen Rechtsgrundlage theoretisch möglich.
"Aus diesen Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs ist zu schließen, dass ein angemessenes Datenschutzniveau (…) im Verhältnis zu den USA nur dann herbeigeführt werden können, wenn sowohl das Fehlen von Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen gegen Überwachungsmaßnahmen auf Grundlage der vorgenannten amerikanischen Vorschriften als auch der Datenzugriffsmöglichkeiten allgemein durch zusätzliche Maßnahmen effektiv ausgeschlossen oder auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden können (…).
Das OLG Köln hat die Revision zum BGH zugelassen.
Der Dauerbrenner USA-Datentransfer erhält mit dem Urteil des OLG Köln neuen Zündstoff.
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5. OLG Köln: Nicht jeder Online-Coaching-Vertrag unterfällt der FernUSG-Pflicht
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Nicht jeder Online-Coaching-Vertrag unterfällt der Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG)-Genehmigungspflicht (OLG Köln, Urt. v. 06.12.2023 - Az.: 2 U 24/23).
"Ausweislich § 1 Abs. 1 FernUSG ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit dieses Gesetzes, dass es sich um einen Vertrag handelt, der die entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zum Gegenstand hat, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Le-rende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.
Dieses Merkmal der Leistungskontrolle erfülle der vorliegende Kontrakt nicht, da lediglich eine Selbstkontrolle passiere:
"In dem streitgegenständlichen Vertrag wird eine Lernkontrolle nicht ausdrücklich erwähnt. Es ist nicht vereinbart worden, dass die Beklagte irgendwelche Prüfungsaufgaben erhalten sollte oder die Gelegenheit gehabt hätte, sich über ihren Lernerfolg bei der Klägerin rückzuversichern.
Und schließlich
"Nichts Anderes führt der Bundesgerichtshof in seiner oben aufgeführten Entscheidung oder auch das Oberlandesgericht Celle in seinem Urteil vom 01.03.2023 (3 U 85/22, BeckRS 2023, 2794) aus.
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6. LG Frankfurt a.M.: Online-Coaching-Verträge im B2B-Bereich unterliegen nicht der FernUSG-Pflicht
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Online-Coaching-Verträge im B2B-Bereich unterfallen nicht dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG), da das Gesetz im geschäftlichen Verkehr keine Anwendung findet (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 15.09.2023 - Az.: 2-21 O 323/21).
"Zwar verfügt die Beklagte unstreitig nicht über die gem. § 12 FernUSG erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge, das FernUSG ist jedoch (…) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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7. LAG Hamburg: Gerichtliche Videokonferenz auch für Personen aus dem Ausland möglich
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Die Teilnahme an einer gerichtlichen Videokonferenz kann durch Personen aus dem Ausland (hier: Schweiz) erfolgen. Damit wir nicht die staatliche Souveränität des ausländischen Staates verletzt (LAG Hamburg, Beschl. v. 14.06.2023 - Az.: 7 TaBV 1/23).
"Die Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin im Wege der Videokonferenz war nach § 128a ZPO zulässig.
Und weiter:
"Zwar ist grundsätzlich aus Gründen der territorialen Souveränität jedwede richterliche Tätigkeit auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, es sei denn, die Tätigkeit im Ausland ist durch besondere Normen ausdrücklich erlaubt. Hoheitliche Gewalt unter Verletzung der territorialen Souveränität wird indessen dann nicht ausgeübt, wenn den Parteien nur ihre Teilnahme aus dem Ausland gestattet wird, ohne dass eine Beweisaufnahme durchgeführt wird (…).
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8. VG Köln: Bundesnetzagentur darf bei Bußgeldverfahren keine Unternehmensnamen in Pressemitteilung nennen
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Die Bundesnetzagentur darf keine Pressemitteilung veröffentlichen, in der sie unter namentlicher Nennung des betroffenen Unternehmens über den Erlass eines Bußgeldbescheides unterrichtet. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 17. November 2023 entschieden, das den Beteiligten heute zugestellt wurde.
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9. LG München I: Bierwerbung mit Aussage "klimaneutrale Herstellung" und "CO2 positiv" wettbewerbswidrig
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Die für das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuständige 37. Zivilkammer hat heute ein Handelsunternehmen für Getränke dazu verurteilt, es zu unterlassen, das von ihm vertriebene Bier als WUNDERBRAEU zu bezeichnen, wenn dies in Zusammenhang mit einer auf der Bierflasche abgedruckten Münchner Adresse geschieht, an welcher das Bier jedoch nicht gebraut wird. Dies stelle eine Herkunftstäuschung dar. Zudem muss das beklagte Unternehmen in Zukunft die Bewerbung des Biers mit „CO2 positiv“ bzw. „klimaneutrale Herstellung“ auf der Bierflasche unterlassen (Az. 37 O 2041/23). Die Bewertungsmaßstäbe, aufgrund derer diese Äußerungen getroffen würden, seien auf den Etiketten der Flaschen nicht hinreichend transparent offengelegt.
„CO2 positiv“
und
„klimaneutrale Herstellung“
stellen laut Gericht ebenfalls eine unzulässige Irreführung dar und wurden dem beklagten Unternehmen deshalb, so wie es die Angaben verwendet hatte, verboten.
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10. AG München: Streit um Lizenzrechte für Fernsehprogramm im Krankenhaus
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Im Streit um die Wiedergabe des Fernsehprogramms in den Patientenzimmern eines Münchner Krankenhauses wies das Amtsgericht München am 28.07.2022 eine Klage auf Lizenzschadensersatz in Höhe von 1.130,52 EUR ab.
„Der Klägerin ist es nicht gelungen in ausreichender Weise darzulegen, dass die Beklagte in das durch sie in Anspruch genommene Recht der öffentlichen Wahrnehmbarmachung von Funksendungen i.S.d. § 22 S. 1 UrhG eingegriffen hat. Die Klägerin trägt nicht vor, ob und ggf. wann welche Werke, für die sie Schutz beansprucht, wiedergegeben wurden.
Urteil des Amtsgerichts München vom 28.07.2022
Aktenzeichen des AG München: 142 C 488/22
Das Urteil ist rechtskräftig.
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