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Die Hohe Domkirche zu Köln wollte den Begriff “Kölner Dom” als Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt registrieren.
Eingetragen werden sollte der Begriff für folgende Waren und Dienstleistungen:
Klasse 14: Juwelierwaren; Schmuckwaren; Uhren und Zeitmessinstrumente, deren Be- standteile und Zubehör, soweit in Klasse 14 enthalten; Büsten aus Edelmetall; Dosen aus Edelmetall; Kästen aus Edelmetall; Figuren [Statuetten] aus Edelme- tall; Hutverzierungen aus Edelmetallen; Kunstgegenstände aus Edelmetallen; Medaillen; Manschettenknöpfe; Münzen; Krawattennadeln; Schlüsselanhänger [Fantasie- und Schmuckwaren]; Schmuckkästchen; Schuhverzierungen aus Edelmetall; Klasse 16: Fotografien; Schreibwaren; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Papeteriewaren; Druckereierzeugnisse; Kalender; Aufkleber; Abziehbilder; Alben; Bilder; Bücher; Babywindeln aus Papier oder Zellstoff; Behälter für Papier- und Schreibwaren; Briefbeschwerer; Beutel, Hüllen und Taschen aus Papier oder Kunststoff; Brief- marken; Broschüren; Bucheinbände; Buchstützen; Fahnen, Wimpel aus Papier; Schreibgeräte; Figuren [Statuetten] aus Papier; Gesangbücher; Anzeigekarten; Glückwunschkarten; Stempel; Büroartikel; Lesezeichen; Blumentopfmanschetten; Notizbücher; Plakate; Prospekte; Radierartikel; Schreibunterlagen; Papierservietten; Platzdeckchen aus Papier; Tischdecken aus Papier; Untersetzer aus Papier; Wimpel, Fahnen aus Papier; Zeichenbedarfsartikel; Zeitungen; Zeitschriften; Klasse 25: Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen; Einstecktücher; Fußballschuhe; Sport- schuhe; Wanderschuhe; Stollen für Fußballschuhe; Fußsäcke [nicht elektrisch beheizt]; Hausschuhe; Holzschuhe; Hosenträger; Hosengürtel; Lätzchen nicht aus Papier; Krawatten; Krawattentücher; Manipel; Schlafmasken; Mitren; Mor- genmäntel; Muffe; Sandalen; Schlappen; Schürzen; Socken; Stoffschuhe; Klei- dertaschen; Babywindeln aus textilem Material; Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen (für eine Vielzahl an Waren, u. a. von Kosmetika über Metallwaren, Musikinstrumente, Elektrogeräte, Schreib-, Haushaltswaren bis zu Lebensmitteln, Getränken und Raucherwaren) sowie Großhandelsdienstleistungen für Spieldosen, Stimmgabeln, Takt- und Trommel- stöcke, Kästen und Taschen für Musikinstrumente, Plektren, Schreibwaren, Künstlerbedarfsartikel, Papeteriewaren, Drucklettern.
Das Markenamt lehnte die Anmeldung jedoch mangels Unterscheidungskraft ab.
Zu Recht wie der BGH nun entschied. Und zwar fehle den Worten für alle Bereich die notwendige Differenzierung:
Die amtlichen Leitsätze lauten:
"a) Das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG steht der Eintragung einer Marke für mit einem weiten Warenober- begriff bezeichnete Waren und Dienstleistungen schon dann entgegen, wenn es hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren und Dienstleistungen vorliegt.
b) Fasst der Verkehr das aus dem Namen einer Sehenswürdigkeit - bestehend aus einer adjektivierten Ortsangabe und einer Bauwerksbezeichnung (hier: Kölner Dom) - gebildete Zeichen im Zusammenhang mit Waren, die als Reiseandenken oder -bedarf in Betracht kommen, nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Waren auf, fehlt dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Festhaltung BGH, Beschluss vom 8. März 2012 - I ZB 13/11, BGHZ 193, 21 - Neuschwan- stein; Abgrenzung zu EuGH, Urteil vom 6. September 2018 - C-488/16, GRUR 2018, 1146 - Bundesverband Souvenir - Geschenke - Ehrenpreise/EUIPO [Neuschwanstein])."
OLG Celle: Internet-Werbung "Zentrum fürs Hören und Sehen" wettbewerbsrechtlich zulässig
Die Online-Werbung mit der Aussage “Zentrum fürs Hören und Sehen” ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden (OLG Celle, Urt. v. 19.12.2023 - Az.: 13 U 26/23).
Die Beklagte, die Leistungen als Augenoptiker und Hörgeräteakustiker anbot, warb im Internet für ihre Aussagen wie folgt:
“Zentrum fürs Hören und Sehen”
und
“Hörgeräte (…) Brillen * Zentrum”
Die Klägerin sah in der Verwendung “Zentrum” eine irreführende Täuschung der Verbraucher, da hierdurch falsche Erwartungen beim Verbraucher erweckt würden.
Das OLG Celle teilte diese Ansicht, sondern bewertete die Reklame für rechtlich zulässig.
"Die Verwendung der Bezeichnung „Zentrum“ in den von dem Verfügungsbeklagten gebrauchten Wortfolgen stellt keine Irreführung der angesprochenen Verbraucher im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG dar.(…)
Zwar wird der Begriff „Zentrum“ nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2012 im Grundsatz noch als Charakterisierung für ein Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden oder jedenfalls vom Verkehr auf einen entsprechenden Tatsachenkern zurückgeführt (BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 – I ZR 104/10 – Neurologisch/Vaskuläres Zentrum, Rn. 17, juris).
Bei der Bewertung ist jedoch auf die jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen (aaO). Maßgeblich ist der Gesamteindruck, den die werbliche Darstellung vermittelt (aaO, Rn. 16). Der Kontext kann den Begriff des Zentrums relativieren (…)."
Und weiter:
"Im Streitfall erhält die Verwendung des Begriffs „Zentrum“ in den maßgeblichen konkreten Verletzungsformen ihr spezielles Gepräge durch den hergestellten Bezug zu den beiden Leistungsbereichen eines Augenoptikers und eines Hörakustikers („Zentrum fürs Hören und Sehen“, „Hörgeräte I Brillen * Zentrum * […]“).
Die Bezeichnung „Zentrum“ steht unter anderem auch für eine Zusammenfassung einzelner Teileinheiten (https://de.wikipedia.org/wiki/Zentrum). Deshalb ist es aus Sicht der angesprochenen Verbraucher naheliegend, dass die Verwendung des Wortes „Zentrum“ in dem konkreten Kontext darauf abstellt, dass in dem Geschäft des Beklagten Leistungen der beiden selbständigen Bereiche „Brillen“ und „Hörgeräte“ angeboten werden.
Für dieses Verständnis spricht auch, dass die angesprochenen Verbraucher von vornherein nicht erwarten, dass die Geschäfte von Optikern und Hörakustikern - zumal in einer kleineren Stadt wie (…). - besondere Größenunterschiede aufweisen.
Hierin unterscheiden sich Optiker und Hörakustiker deutlich von anderen Geschäftsbereichen, bei denen - wie etwa bei Buchhändlern oder Bekleidungsgeschäften - Geschäfte ganz unterschiedlicher Größen - bis hin zu Kaufhäusern - existieren.
Im Ergebnis ist es daher aus Sicht der angesprochenen Verbraucher fernliegend, dass hier mit der Verwendung des Wortes „Zentrum“ irgendeine Spitzenstellung beansprucht werden soll. Vielmehr drängt sich das Verständnis auf, dass das Wort verwendet wird, weil es sich um die Zusammenfassung eines Augenoptiker- und eines Hörakustikergeschäfts handelt."
OLG Dresden: Scraping-Ereignisse begründen keinen DSGVO-Schadensersatz gegen Facebook
Auch das OLG Dresden ist der Ansicht, dass die Scraping-Ereignisse keinen DSGVO-Schadensersatz gegen Facebook begründen (OLG Dresden, Urt. v. 05.12.2023 - Az.: 4 U 709/23).
Nach dem OLG Hamm, dem OLG Köln und dem OLG Stuttgart hat nun auch das OLG Dresden entsprechende Schadensersatzforderungen der Betroffenen abgelehnt.
Es lägen zwar Verstöße gegen die DSGVO vor, diese führten aber nicht zu einem Schadensersatz, so die Dresdner Robenträger.
1. Kontrollverlust alleine für Geltendmachung eines Schadens nicht ausreichend:
Um einen Schadensersatz zu erhalten, genüge nicht der bloße Kontrollverlust über die Daten:
"Der Kontrollverlust über die Daten (z. B. Handynummer) stellt keinen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO dar (…).
Dem Einzelnen die Kontrolle über seine Daten möglichst umfassend zu belassen bzw. dies zu gewährleisten, ist hierfür von grundlegender Bedeutung. Realisiert sich das generelle Risiko, dessen Eintritt verhindert werden soll, kommt es zwangsläufig zum Kontrollverlust. Daraus allein resultiert aber deshalb noch kein tatsächlicher Schaden im konkreten Einzelfall, wenn bzw. - hier eben - weil dieser automatisch bei jedem vom festgestellten Verstoß gegen die DSGVO Betroffenen in Form der Offenlegung / Zugänglichmachung von Daten eintritt (…).
Daraus folgt, dass es über den Kontrollverlust als Realisierung des generellen Risikos hinaus eines tatsächlichen materiellen oder immateriellen Schadens im konkreten Einzelfall bedarf (…)."
2. Darlegung konkreter Beeinträchtigungen:
Vielmehr bedürfe es konkreter Beeinträchtigungen:
"Kann daher allein der Kontrollverlust über die gescrapten Daten keinen immateriellen Schaden begründen (…) muss die Klagepartei darlegen und beweisen, dass es aus diesem Grund zu einer Rufschädigung, Diskriminierung oder zu persönlichen oder psychologischen Beeinträchtigungen gekommen ist (…).
Damit deckt sich, dass der völlige Kontrollverlust als solcher nicht per se ein immaterieller Schaden ist; denn stellt ein unkontrollierter Datenverlust im konkreten Einzelfall wegen des Werts der Daten eine in Geld messbare Einbuße dar, so ist dies unzweifelhaft ein Vermögensschaden (…)."
Allgemeine Ängste oder Befürchtungen reichten nicht aus:
"Die Behauptung der Klagepartei, sie sei in einen Zustand großen Unwohlseins und Sorge über einen möglichen Missbrauch geraten, genügt diesen Darlegungsanforderungen nicht.
Allgemeine Sorgen, Ängste und Unwohlsein, die alltägliche Empfindungen sind, werden im Erwägungsgrund Nr. 75 nicht erwähnt. Vielmehr zeigt die Aufzählung der Beispiele wie Rufschädigung, Diskriminierung, Identitätsdiebstahl und Verlust der Vertraulichkeit von dem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten, dass allein negative Gefühle nicht ausreichen.
Erforderlich ist vielmehr der konkrete Nachweis eines realen und sicheren emotionalen Schadens (…)."
Dieser Beweislast sei nicht konkret nachgekommen, sondern vielmehr lediglich allgemein und pauschal vorgetragen worden:
"Im vorliegenden Fall hat die Klagepartei lediglich pauschal Sorgen um den Verlust ihrer Daten behauptet, ohne indes einen emotionalen Schaden glaubhaft gemacht zu haben.
Diese Sorgen und Ängste haben jedenfalls nicht ein Ausmaß erreicht, das die Klagepartei veranlasst hätte, den Scraping-Vorfall zum Anlass zu nehmen, ihre Handynummer unverzüglich nach Kenntniserlangung zu ändern, um einen etwaig befürchteten Missbrauch vorzubeugen. Es ist auch im Übrigen kein konkreter emotionaler Schaden ersichtlich, auch wenn man mit dem Landgericht diese Sorge für glaubhaft hält.
Unabhängig davon bestünde auch kein Kausalzusammenhang. Soweit die Klagepartei Sorgen, Unwohlsein und Ängste wegen der Anrufe von unbekannten Nummern oder infolge von spam sms oder spam e-mails erlitten haben will, hat sie lediglich angegeben, vermehrt spam sms (z. B. falsche Sendungsbenachrichtigungen) und Anrufe von unbekannten Nummern seit 2022 erhalten zu haben.
Inwiefern eine Verbindung zu dem zwei bis drei Jahre zuvor stattgefundenen Scraping-Vorfall bestehen soll ist weder dem Vorbringen der Klagepartei zu entnehmen, noch anderweitig ersichtlich, schon weil gerichtsbekannt nicht nur (…) Nutzer, deren Daten gescrapt wurden, sondern auch Personen, die überhaupt keine sozialen Medien benutzen, von derartigen Belästigungen betroffen sind."
OLG Düsseldorf: Geldbußen wegen Kartellverstoß von Bahlsen, de Beukelaer & Co.
Der 6. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat heute die Bahlsen GmbH & Co. KG, Hannover, die CFP Brands Süßwarenhandels GmbH & Co. KG, Düsseldorf, und die Griesson de Beukelaer GmbH & Co. KG, Polch, wegen eines kartellrechtswidrigen Informationsaustausches zu Geldbußen verurteilt. Nach den Feststellungen des Senats erfolgte der Informationsaustausch in den gemeinsamen Sitzungen des Vorstandes und des Verkaufsleiterausschusses des Arbeitskreises Konditionenvereinigung e.V. des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie e.V.
Die Tatvorwürfe sind im Rahmen einer Verständigung auf den Vorwurf beschränkt worden, dass die drei Unternehmen in kartellrechtswidriger Weise Informationen über den Stand von Konditionenverhandlungen bei Jahresgesprächen und Sonderforderungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel bzgl. Markenprodukten ausgetauscht haben.
Außerdem ist hinsichtlich der Nebenbetroffenen Bahlsen GmbH & Co. KG und Griesson de Beukelaer GmbH & Co. KG der Tatvorwurf auf den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 23.01.2008 beschränkt worden. Bei der Nebenbetroffenen CFP Brands Süßwarenhandels GmbH & Co. KG erstreckte sich der Tatvorwurf von vornherein nur auf den Zeitraum vom 12.09.2006 bis zum 23.01.2008. Nach der Beschränkung auf diese Tatvorwürfe und Einstellung des Verfahrens im Übrigen haben die drei Unternehmen ihre jeweiligen Einsprüche auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
Bei der Bußgeldzumessung hat der Senat den Gesamtumsatz der Unternehmen und die Höhe der tatbezogenen Umsätze berücksichtigt. Der Informationsaustausch habe den deutschlandweiten Süßwarenmarkt betroffen. Erheblich bußgeldmildernd falle nach den Ausführungen des Senats ins Gewicht, dass der vorgeworfene Verstoß von geringerer kartellrechtswidriger Bedeutung gewesen sei und der Lebensmitteleinzelhandel gegenüber den Herstellern über eine starke Marktmacht verfügt habe.
Darüber hinaus wirke sich erheblich mildernd aus, dass die Nebenbetroffenen mit ihrer im Rahmen der Verständigung erfolgten Beschränkung der Einsprüche auf den Rechtsfolgenausspruch sowie den Angaben zu ihren Unternehmensverhältnissen zu einer wesentlichen Verkürzung des Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens beigetragen hätten. Überdies hätten sie in den vergangenen Jahren maßgebliche Compliancemaßnahmen ergriffen, um zukünftige Kartellverstöße zu verhindern.
Der Senat hat schließlich eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung angenommen, u.a. bedingt durch die nachträgliche Vervollständigung der Ermittlungsakten durch das Bundeskartellamt, durch die Coronapandemie und andere anhängige Kartellverfahren. Diese sei im Rahmen der sogenannten Vollstreckungslösung zu kompensieren mit der Folge, dass jeweils ein Betrag in Höhe von jeweils 25% der verhängten Geldbuße als vollstreckt anzusehen sei.
Im Einzelnen wurden folgende Geldbußen verhängt bzw. sind – unter Berücksichtigung der Vollstreckungslösung - noch folgende Zahlungen von den Nebenbetroffenen zu leisten:
Geldbuße
sich ergebender “Zahlbetrag”
Bahlsen GmbH & Co. KG
4.750.000 EUR
3.562.500 EUR
Griesson de Beukelaer GmbH & Co. KG
3.000.000 EUR
2.250.000 EUR
CFP Brands Süßwarenhandels GmbH & Co. KG
600.000 EUR
450.000 EUR
Aktenzeichen: V-6 Kart 9/19 OWi
Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf v. 19.12.2023
OLG Hamm: Auch nach EuGH-Urteil: Weiterhin kein DSGVO-Schadensersatz bei Facebook-Scraping-Fällen
Auch nach den EuGH-Entscheidungen aus Dezember 2023 bleibt das OLG Hamm bei seiner Ansicht: Scraping-Vorfälle bei Facebook begründen grundsätzlich keinen DSGVO-Schadensersatz (OLG Hamm, Beschl. v. 21.12.2023 - Az.: 7 U 137/23).
Der EuGH hatte Mitte Dezember 2023 klargestellt, dass bereits die Befürchtung eines möglichen Missbrauchs personenbezogener Daten für sich genommen einen immateriellen Schaden darstellen kann, vgl. unsere Kanzlei-News v. 15.12.2023.
Auch nach diesem Urteil bleibt das OLG Hamm klar bei seiner bisherigen Linie, dass Scraping-Vorfälle bei Facebook grundsätzlich keinen Schadensersatz rechtfertigen würden. Vielmehr müsse der Kläger in jedem Einzelfall den konkreten Schaden nachweisen:
"Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit Blick auf den vorliegend fehlenden kausalen immateriellen Schaden folgen die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats der Rechtsprechung des EuGH (…).
Danach hat der Kläger als Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, nachzuweisen, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstellen.
Dem folgend sieht der Senat somit den Kläger zutreffend in der Pflicht, den Indizienbeweis zum Eintritt eines kausalen immateriellen Schadens zu führen.
Indem der Senat sich mit den vom Kläger dargelegten Indizien befasst und diese (hier als nicht den Eintritt eines kausalen immateriellen Schadens tragend) würdigt, setzt der Senat schlicht die weitere Vorgabe des EuGH um; denn danach ist das angerufene nationale Gericht, wenn sich eine Person auf die Befürchtung beruft, dass ihre personenbezogenen Daten in Zukunft aufgrund eines solchen Verstoßes missbräuchlich verwendet werden, gehalten zu prüfen, ob diese Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann."
Und weiter:
"Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des BGH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO); denn die im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des EuGH und des BGH hinreichend geklärt und im Übrigen solche des Einzelfalls.
a) Mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal „Eintritt eines kausalen immateriellen Schadens“ im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DSGVO bietet der vorliegende Einzelfall keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer weiteren klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfrage; vielmehr ist die streitgegenständliche Rechtsfrage zur fehlenden Qualität der negativen Folge eines bloßen Kontrollverlusts als immaterieller Schaden durch die aufgezeigten aktuellen Entscheidungen des EuGH geklärt."
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Frage, ob die EuGH-Entscheidungen die Rechtsprechung verändern, hat das OLG Hamm mit diesem aktuellen Beschluss klipp und klar beantwortet: Nein, es gibt keine Veränderungen.
Pauschale Ausführungen zum eingetretenen Nachteil reichen nicht, um einen DSGVO-Schadensersatz zu begründen.
Eine Kundin hatte bei der Beklagten einen Mobilfunkanschluss und kündigte die Vereinbarung. In der Kündigung schrieb sie:
"Bitte unterlassen Sie jegliche Form einer Kontaktaufnahme die in Bezug von (Rück-) Werbung steht. Darüber hinaus widerspreche ich jeder sonstigen Verarbeitung meiner personenbezogenen Daten (…). Meine Rufnummer möchte ich gerne zu meinem neuen Anbieter mitnehmen. Bitte bestätigen Sie mir die Kündigung schriftlich.“
In dem Bestätigungsschreiben von Freenet an die Kundin hieß es:
"Zu Ihrer Vertragsbeendigung haben wir noch ausstehende Fragen. Rufen Sie uns bitte einfach an: (…) Bitte nennen Sie uns zu Beginn des Gesprächs Ihre persönliche Bearbeitungsnummer: 7813.“
Die Klägerin sah darin einen Wettbewerbsverstoß, weil hier unter einem Vorwand der Ex-Kunde animiert werde, sich zu melden und so versucht werde, ihn zurück zu werben.
Freenet erwiderte, dass es durchaus häufiger Gründe für solche Rückfragen gebe. Aufgrund des Massengeschäfts sei es unverhältnismäßig, die konkret zu klärenden Probleme auch einzeln in den Briefen aufzuzählen.
Darüber hinaus verbiete die DSGVO, die zu sprechenden Fragen gegenüber Dritten offenzulegen.
Das OLG Schleswig verurteilte Freenet zur Unterlassung.
Es handle sich um einen Fall der unzumutbaren Belästigung in Form unerwünschter Werbung nach § 7 Abs.1 S.2 UWG.
"Das Schreiben selbst stellt (…) eine unzumutbare Belästigung (…) dar. Auf der Grundlage des Vortrags der Parteien steht fest, dass es allein dazu diente, der Kundin eine Werbung aufzudrängen, die sie ausdrücklich nicht wünschte.
Im zuvor genannten Urteil bestätigt der BGH „Mondpreise“ (…), dass dem Unterlassungsgläubiger Darlegungs- und Beweiserleichterungen in Bezug auf solche Tatsachen zukommen, die in den Verantwortungsbereich des Gegners fallen und zu denen nur er sich erklären kann (…). Genügt der Anspruchsgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Unterlassungsgläubigers nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (…)."
Freenet sei seiner Beweislast nicht nachgekommen, so das Gericht:
"So ist es hier.
Der Kläger hat alles vorgetragen, was er zur Behauptung des Werbecharakters des Schreibens vortragen kann. Er hat das Kündigungsschreiben der Kundin vorgelegt, das klare Angaben enthielt. Die Kundin nannte den beabsichtigten Zeitpunkt des Vertragsendes und äußerte den Wunsch nach Mitnahme der Telefonnummer. Ihre zur Abwicklung des Vertrages notwendigen Daten müssen aufgrund der bisherigen Vertragsbeziehung bekannt gewesen sein. Dafür, dass der Beklagten alle notwendigen Tatsachen bekannt waren, spricht zudem, dass das Vertragsverhältnis in der Folge des Kündigungsschreibens unstreitig beendet werden konnte, ohne dass es noch eines Telefonats mit der Kundin bedurfte.
Bei dieser Sachlage fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, welche offenen Fragen bestanden haben könnten. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Kundin mit dem Schreiben zu einem Anruf bewegt werden sollte, der zu ihrer Rückgewinnung als Kundin genutzt werden konnte. Selbst wenn das Telefonat nur einer Zufriedenheitsbefragung hätte dienen sollen, läge darin Werbung (…).
Die Beklagte hätte den gegen sie sprechenden Anschein nur durch substantiierten Vortrag im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast widerlegen können. Ihre sekundäre Darlegungslast ergibt sich zwingend daraus, dass nur sie wissen kann, welche Fragen noch offengestanden haben sollen."
Auch aus Datenschutzgründen sei das TK-Unternehmen nicht gehindert gewesen, hierüber im Prozess Auskunft zu geben:
"An näherem Vortrag war die Beklagte nicht aus datenschutzrechtlichen Gründe gehindert.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie Gefahr laufe, unter Verstoß gegen die Voraussetzungen rechtmäßiger Datenverarbeitung nach Art. 6 DSGVO Einzelheiten zum Vertragsverhältnis offenzulegen (…).
Es erschließt sich schon nicht, weshalb die Beklagte nicht zumindest hätte darlegen können, welche Umstände noch klärungsbedürftig gewesen seien. Für solchen Vortrag müssen keine personenbezogenen Daten der Kundin preisgegeben werden."
Und dann werden die Richter noch deutlicher:
"Vor allem aber greift der Einwand nicht durch, weil nach dem unstreitigen Sachverhalt feststeht, dass nicht etwa datenschutzrechtliche Gründe die Beklagten an einer Darlegung der angeblich offenen Fragen hinderten, sondern der Umstand, dass es solche Fragen nicht gab.
Davon ist der Senat gerade auch nach den ausführlichen Darlegungen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugt.
Schriftsätzlich hatte die Beklagte vorgetragen, dass der Rückruf „von der Kündigung abgekoppelt“ sei und die Kündigung auch dann bearbeitet werde, wenn die Kundin nicht anrufe (…).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte klargestellt, dass dies nicht in dem Sinne zu verstehen sei, dass die Kündigung in jedem Fall durchgeführt wird. Vielmehr könne das Ergebnis der Bearbeitung auch die Zurückweisung der Kündigung sein. Dies war hier jedoch unstreitig nicht der Fall. Die Kündigung wurde durchgeführt. Rückfragen waren nicht vonnöten.
Hierzu wiederum hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ausgeführt, dass es auch denkbar sei, dass nach Eingang einer Kündigung zunächst noch offene Fragen bestanden haben könnten, die sich bei ausbleibendem Rückruf des Kunden aber doch noch durch interne Nachforschungen klären ließen. Dies ist nichts anderes als eine Umschreibung der Tatsache, dass es letztendlich keine offenen Fragen gab."
LG Hannover: Online-Händler muss auch Nebenkosten in Gesamtpreis einrechnen
Ein Online-Händler muss auch Nebenkosten (hier: Bearbeitungspauschale bei niedrigem Kaufpreis) in den Endpreis mit einberechnen. Geschieht dies nicht, handelt es sich um einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung (PAngVO) und damit eine Wettbewerbsverletzung (LG Hannover, Urt. v. 10.07.2023 - Az.: 13 O 164/22).
Der Beklagte bot einen Online-Shop für Staubsauger und Zubehör an.
Auf einer Unterseite für Filtertüten für einen Vorwerk-Staubsauger gab der Beklagte einen Endpreis von 14,90 EUR an. Rechts neben der Preisangabe war ein Sternchenhinweis angebracht. Darunter befand sich eine Schaltfläche mit der Aufschrift “In den Warenkorb”. Rechts neben dieser Schaltfläche war eine weiße Schaltfläche zu sehen, auf der in schwarzer Schrift „Mehr Info“ stand.
Sobald die Maus über diesen Sternchenhinweis bewegt wurde, erschien ein Text, nämlich
“in kl. MwSt. zzgl. Nebenkosten”.
Die Preisangabe iHv. 14,90 EUR als solche blieb unverändert.
Durch Anklicken des Sternchenhinweises wurden Verbraucher auf eine allgemeine Infoseite geführt, wo zu lesen war:
"Nebenkosten Wir berechnen keine Gebühren für die Nutzung der Zahlarten Rechnung, PayPal, Lastschrift und Kreditkarte. Vom Warenwert abhängig (ab 50,-€) wird bei Nutzung der Zahlart Vorausüberweisung ein Skontoabzug von 2% gewährt. Vom Warenwert abhängig kann eine nicht erstattungsfähige Bearbeitungspauschale zwischen 3,95 € (ab 11,-€ Warenwert) und 9,-€ (unter 11,-€ Warenwert) anfallen. Ab einem Warenwert von 29,-€ entfällt diese Bearbeitungspauschale Zuschlag generell.“
Im Warenkorb waren schließlich zwei Positionen aufgeführt. Einmal das Produkt zu einem Preis von 14,90 EUR. Zusätzlich tauchte dann ein Betrag iHv. 3,95 EUR mit nachfolgendem Vermerk auf:
"Auf-/Abschlag Kleinstmengenaufschlag (entfällt ab 29,-€ Einkaufswert)"
Der tatsächliche Kaufpreis lag somit bei 18,85 EUR.
Das LG Hannover stufte dies als klaren Verstoß gegen die PAngVO ein. Denn der Unternehmen habe gegenüber Verbrauchern den Endpreis inklusive aller Nebenkosten anzugeben:
"Der Beklagte hat bei der Bewerbung seiner Artikel im Internet gegen § 3 Abs. 1 PAngV verstoßen, weil bei dem streitgegenständlichen Artikel „Filtertüten FP200" passend für das Vorwerk Kobold VK 200 nicht der Gesamtpreis in Höhe von 18,85 Euro angegeben worden ist.
Nach § 2 Nr. 3 PAngV bedeutet „Gesamtpreis" den Preis, der einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile für eine Ware oder eine Leistung zu zahlen ist und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb eines Produkts darstellt.
Es handelt sich also um das tatsächlich zu zahlende Gesamtentgelt (…). Die „sonstigen Preisbestandteile" sind in den anzugebenden „Gesamtpreis“ mit einzubeziehen, (…). Dabei sind „sonstige Preisbestandteile“ alle unvermeidbaren, vorhersehbaren obligatorisch vom Verbraucher zu tragenden Preisbestandteile, welche eine Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilden (…).
Die beim Erwerb des streitgegenständlichen Artikels „Filtertüten FP200" zu einem Preis in Höhe von 14,90,-EUR seitens des Beklagten erhobene Bearbeitungspauschale über einen Betrag in Höhe von 3,95 EUR stellt nach diesen Grundsätzen einen unvermeidbaren, vorhersehbaren und zwingend zu zahlenden Preisbestandteil dar und ist somit in den Gesamtpreis mit einzubeziehen."
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kleinstmengenaufschlag entfalle, wenn der Kunde mehrere kleinere Produkte bestelle und den Einkaufswert von 50,- EUR überschreite:
"Dass diese Pauschale bei dem Erwerb mehrerer (auch verschiedener) Artikel wieder entfällt, stellt aus Sicht der Kammer keine „Wahlmöglichkeit“ des Verbrauchers im Sinne der o.g. Rechtsprechung dar, sondern bezeichnet vielmehr eine Art „Mengenrabatt".
Für den dargestellten Artikel aber stellt die Bearbeitungspauschale des Beklagten gerade ein zwingend zu zahlendes Entgelt als Gegenleistung für den Erwerb des jeweiligen Artikels dar.
Dies folgt auch aus der Bezeichnung „Kleinstmengenaufschlag“ im Warenkorb.
Der Zweck ist, Verbraucherinnen zu einem Einkauf von mehreren Artikeln zu bewegen, damit dieser Preisaufschlag wieder entfällt.
Für ein solches Verständnis spricht auch der bereits dargelegte Sinn und Zweck der Vorschrift, Verbraucherinnen besser zu informieren und ihnen einen Preisvergleich zu erleichtern (…).
Für einen anzustellenden Preisvergleich bzgl. dieses Artikels mit anderen vergleichbaren Artikeln anderer Anbieter ist letztlich der zu zahlende Gesamtpreis für diesen einen Artikel (mit Bearbeitungspauschale) relevant. Durch die Preisgestaltung und Angabe des Beklagten wird Verbraucherinnen letztlich ein Preisvergleich deutlich erschwert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durchschnittliche Verbraucherinnen bei einem Preisvergleich in der Regel den Preis eines einzelnen Produktes vergleichen und nicht den Preis einer Vielzahl von Produkten mit dem Preis einer Vielzahl von Produkten bei anderen Anbietern abgleichen."
LG Köln: Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts bei Online-Rechtsverletzungen auf ausländischer Domain
Deutsches Urheberrecht ist bei ausländischen Online-Rechtsverletzungen (hier: COM-Domain in italienischer Sprache) dann anwendbar, wenn sich die Webseite auch an den deutschen Rechtskreis wendet (LG Köln, Urt. v. 21.12.2023 - Az.: 14 O 292/22).
Die Klägerin machte die unerlaubte Veröffentlichung von Lichtbildern auf der COM-Domain der Beklagten geltend.
Bei der Beklagten handelte es sich um ein italienisches Unternehmen, das sich auf die Verarbeitung von Naturstein und Marmor spezialisiert hatte. Die Webseite war durchgehend in italienischer Sprache gehalten.
Die Klägerin berief sich bei ihren Ansprüchen auf die Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts.
Das LG Köln bejahte diese Rechtsansicht und verurteilte die Beklagte.
"Im vorliegenden Fall kommt ausschließlich deutsches Urheberrecht zur Anwendung, obwohl die Internetseite der Beklagten, auf der das streitbefangene Foto verwendet wurde, in italienischer Sprache abgefasst ist.
Nach dem Schutzlandprinzip ist stets das Urheberrecht des Staates entscheidend, für dessen Gebiet der Anspruchsteller Schutz in Anspruch nimmt (…). Die Klägerin hat ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland.
Mit ihren Anträgen macht sie, zumindest konkludent, urheberrechtlichen Schutz und Schadenersatzansprüche für die Rechtsverletzung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geltend. Die Verletzungshandlung, welche unterbunden werden und dem entstandenen Schaden zu Grunde liegen soll, wirkte sich nämlich in der Bundesrepublik Deutschland aus. In einem solchen Fall richten sich sowohl die Entstehung als auch Inhaberschaft und Übertragbarkeit des Urheberrechts bzw. entsprechender Nutzungsrechte nach dem deutschen UrhG. Daneben kann für andere Hoheitsgebiete ggf. noch das dort geltende Urheberrecht anwendbar sein, was hier jedoch keiner weiteren Erörterung bedarf."
Obgleich es sich um eine COM-Domain handle und der Text in italienischer Sprache abgefasst sei, sei deutsches Recht einschlägig. Aufgrund der konkreten Umstände sei nämlich ersichtlich, dass die Webseite sich auch an Personen in Deutschland richte:
"Maßgeblich für den grenzüberschreitenden Sachverhalt ist, dass die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist. (…)
Denn (…) ist der streitgegenständliche Internetauftritt des Beklagten jedenfalls auch auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet.
So ist in der Seite bereits unstreitig ein Übersetzungstool von Google vorgesehen, das die Inhalte auch auf Deutsch übersetzt. Allein dies zeigt eine grundsätzliche Öffnung der Webseite an einen internationalen Kundenkreis.
Hinzu kommt, dass über den Webshop nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin auch nach Deutschland bestellt werden kann. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Art des Geschäfts der Beklagten auch für deutsche Staatsbürger interessant sein können.
Auch sind im deutschen Bundesgebiet genügend Personen mit italienischen Wurzeln oder mit einem ausgeprägten Interesse für Land und Sprache beheimatet, die die Webseite auch in italienischer Sprache wahrnehmen können und Interesse an den Inhalten haben können.
Mit Blick auf den Sitz der Klägerin in Deutschland und dem Umstand, dass sie Lizenzen regelmäßig von hier aus vergibt und Lizenzeinnahmen in Deutschland versteuert, ist demnach in vielfältiger Hinsicht ein Inlandsbezug anzunehmen. Nicht zuletzt können auch über eine Internetsuchmaschine in Deutschland ausländische Webseite aufgefunden werden und somit dort verwendete Lichtbilder im hiesigen Inland bei der Internetnutzung bestimmungsgemäß aufgerufen werden. Auch dies ist angesichts der geografischen, kulturellen und wirtschaftlichen Nähe zwischen Italien und Deutschland weitaus mehr als nur eine „bloße technische Abrufbarkeit der Webseite“.
Nicht relevant sei auch, ob eine große Anzahl von Personen aus Deutschland die Webseite besuchen würden:
"Selbst wenn dann nur eine verhältnismäßig geringe Zahl deutscher Kunden die Webseite der Beklagten aufrufen sollte, steht dies der grundsätzlichen Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts nicht entgegen, mag sie sich auch bei der Bemessung des Schadensersatzes auswirken."
Der Kläger verlangte von seinem ehemaligen Arbeitgeber Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Das Unternehmen übersandte die Informationen mittels einer unverschlüsselten E-Mail.
Eine klare Datenschutzverletzung, so das Gericht.
"Ein Verstoß gegen Art. 5 DSGVO wegen des Versands der unverschlüsselten E-Mail liegt vor.
Dies wurde auch vom Thüringer Landesbeauftragen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit mit Bescheid vom 03.08.2023 bestätigt. Ob die Weiterleitung der Daten an den Betriebsrat und die monierte unvollständige Auskunftserteilung ebenfalls Verstöße gegen Regelungen der DSGVO darstellen, kann vorliegend dahinstehen."
Ein solcher Verstoß begründe jedoch nicht automatisch einen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO. Vielmehr müsse der Kläger den erlittenen Schaden nachweisen:
"Mit diesen Ausführungen wird nunmehr die Auffassung der Kammer bestätigt, dass für einen Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO neben einem Verstoß auch ein Schaden sowie ein Kausalzusammenhang zwischen Verstoß und Schaden erforderlich ist.
Der Kläger hat einen etwaigen immateriellen Schaden darzulegen und ggf. nachzuweisen.
Das Erfordernis des Nachweises eines tatsächlich erlittenen Schadens ist auch der Sache nach erforderlich, um ein vom Verordnungsgeber nicht gewolltes Ausufern von Schadensersatzforderungen in allen Fällen eines - tatsächlich für den Betroffenen folgenlosen - Datenschutzverstoßes zu vermeiden (OLG Frankfurt, Urteil vom 02.03.2022 – 13 U 206/20 -Rn. 73, juris).
Das Vorliegen eines konkreten immateriellen Schadens hat der Kläger nicht ausreichend dargetan. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger einen Kontrollverlust erlitten haben will. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger daran gehindert wurde, die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu kontrollieren. Darüber hinaus stellt nach Auffassung der Kammer ein bloßer, abstrakter Kontrollverlust auch keinen konkreten immateriellen Schaden dar."
AG Waldkirchen: Rechtsschutzversicherung muss Kosten für Klage gegen Facebook wegen Scraping-Vorfällen übernehmen
Eine Rechtsschutzversicherung ist verpflichtet, eine Deckungszusage für eine Klage gegen Facebook wegen der Scraping-Vorfälle zu erteilen (AG Waldkirchen, Urt. v. 30.11.2023 - Az.: 1 C 85/23).
Der Kläger war bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Er wollte Facebook wegen der Scraping-Vorfälle auf Unterlassung und Schadensersatz verklagten und bat daher um Deckungszusage. Assekuranz lehnte ab.
Daraufhin erhob Deckungsklage .
Das Gericht sprach dem Kläger den Anspruch zu:
"Gegen die Bezugsbeklagte ist vom Kläger eine Pflichtverletzung dahingehend behauptet worden, dass die vom Kläger in der Plattform hinterlegten Daten nicht genügend gesichert waren, so dass sich unbefugte Dritte in den Besitz dieser Daten bringen konnten und diese dann im Jahr 2021 veröffentlicht haben.
Der Kläger hat auch dargelegt, dass es ihm gegenüber zu einem Rechtsverstoß gekommen ist, denn seine Daten waren unter den über 5 Millionen Daten, die veröffentlicht wurden.
Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ergeben sich aus dem Pflichtverstoß der Bezugsbeklagten und dem dargestellten Verstoß dem Kläger gegenüber."
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung komme es auch nicht auf die Erfolgschancen der Klage gegen Facebook an, sondern entscheidend vielmehr allein die behauptete Pflichtverletzung:
"Für die Begründetheit der begehrten Deckungszusage kommt es nicht auf die konkreten Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage an, auch nicht der Höhe nach, sondern aufgrund der vom Kläger behaupteten Tatsachen besteht der Rechtsschutzfall, so dass Deckung dafür zu gewähren ist.
Der Versicherungsfall fällt auch in den versicherten Zeitraum, denn er ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Jahr 2021 eingetreten."
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