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Die einzelnen News
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1.
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EuGH: Neues zum Schadensersatz von Unternehmen nach Art. 82 DSGVO bei Datenschutzverletzungen
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In einem neuen Urteil hat der EuGH seine Rechtsprechung zur Schadensersatz-Haftung von Unternehmen bei Datenschutzverletzungen (Art. 82 DSGVO) weiter ausdifferenziert (EuGH, Urt. v. 14.04.2024 - Az.: C-741/21). Dem EuGH war folgende Vorabentscheidung vom LG Saarbrücken vorgelegt worden: Der Kläger, ein Anwalt, wehrte sich gegen die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu Werbezwecken. Die Beklagte, die bekannte Juris GmbH, hatte trotz ausdrücklichem Verbot die Daten des Klägers weiterhin zum Direktmarketing benutzt. Sie verteidigte sich u.a. damit, dass ein Mitarbeiter weisungswidrig Handlungen vorgenommen habe. Daraufhin machte der Kläger entsprechende Schadensersatz-Ansprüche nach Art. 82 DSGVO geltend. Der EuGH entschied nun mehrere wichtige Punkt. 1. DSGVO-Verletzung führt nicht automatisch zu Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO: Zunächst stellt der EuGH klar, dass DSGVO-Verletzungen nicht automatisch zu einem Schadensersatz-Anspruch nach Art. 82 DSGVO führen: "Folglich reicht der Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO, die der betroffenen Person Rechte verleihen, für sich genommen nicht zur Begründung eines materiellen Anspruchs auf Schadenersatz nach dieser Verordnung aus, die verlangt, dass auch die beiden anderen in Rn. 34 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen dieses Anspruchs erfüllt sind. Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger des Ausgangsverfahrens auf der Grundlage der DSGVO Ersatz eines immateriellen Schadens, nämlich eines Verlusts der Kontrolle über seine trotz seines Widerspruchs verarbeiteten personenbezogenen Daten, ohne nachweisen zu müssen, dass dieser Schaden einen gewissen Schweregrad überschritten hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der 85. Erwägungsgrund der DSGVO ausdrücklich den „Verlust der Kontrolle“ zu den Schäden zählt, die durch eine Verletzung personenbezogener Daten verursacht werden können. Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass der – selbst kurzzeitige – Verlust der Kontrolle über solche Daten einen „immateriellen Schaden“ im Sinne von Art. 82 Abs. 1 dieser Verordnung darstellen kann, der einen Schadenersatzanspruch begründet, sofern die betroffene Person den Nachweis erbringt, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden – so geringfügig er auch sein mag – erlitten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2024, MediaMarktSaturn, C‑687/21, EU:C:2024:72, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung)."
2. Handlungen des eigenen Mitarbeiters sind Unternehmen zuzurechnen: Ein Unternehmen kann sich nicht damit exkulpieren, dass ein Mitarbeiter weisungswidrig gehandelt hat und dadurch die Datenschutzverletzungen eingetreten sind: "Für eine mögliche Befreiung des Verantwortlichen – nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO – von seiner Haftung kann es daher nicht ausreichen, dass er nachweist, dass er den ihm im Sinne von Art. 29 dieser Verordnung unterstellten Personen Weisungen erteilt hat und dass eine dieser Personen ihrer Verpflichtung, diese Weisungen zu befolgen, nicht nachgekommen ist und sie damit zum Eintritt des in Rede stehenden Schadens beigetragen hat. Könnte sich der Verantwortliche von seiner Haftung befreien, indem er sich lediglich auf das Fehlverhalten einer ihm unterstellten Person beruft, würde dies nämlich, wie das vorlegende Gericht im Wesentlichen ausgeführt hat, die praktische Wirksamkeit des in Art. 82 Abs. 1 DSGVO verankerten Anspruchs auf Schadenersatz beeinträchtigen, was nicht im Einklang mit dem Ziel dieser Verordnung stünde, ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 82 DSGVO dahin auszulegen ist, dass es für eine Befreiung des Verantwortlichen von seiner Haftung nach Art. 82 Abs. 3 dieser Verordnung nicht ausreicht, dass er geltend macht, dass der in Rede stehende Schaden durch ein Fehlverhalten einer ihm im Sinne von Art. 29 der Verordnung unterstellten Person verursacht wurde."
Der EuGH trifft bedauerlicherweise keinerlei Aussagen, was der Unternehmen hätte machen müssen, damit die Mitverantwortlichkeit nicht eintritt. 3. Keine analoge Anwendung von Art. 83 DSGVO zur Bestimmung der Schadensersatzhöhe: In Art. 83 DSGVO stellt das Gesetz für die Verhängung von Geldbußen bestimmte Kriterien auf. Hier stellte sich nun die Frage, ob diese Kriterien möglicherweise analog auch bei der Ermittlung der Schadensersatz-Höhe herangezogen werden könnten. Dem hat der EuGH eine klare Absage erteilt: "Angesichts der Unterschiede im Wortlaut und in der Zielsetzung, die zwischen Art. 82 DSGVO im Licht des 146. Erwägungsgrundes dieser Verordnung und ihrem Art. 83 im Licht ihres 148. Erwägungsgrundes bestehen, kann daher (…) nicht davon ausgegangen werden, dass die in Art. 83 DSGVO speziell angegebenen Bemessungskriterien im Rahmen von Art. 82 DSGVO entsprechend anwendbar sind. (…) Angesichts dessen, dass Art. 82 DSGVO keine Straf‑, sondern eine Ausgleichsfunktion hat (…), kann sodann der Umstand, dass der Verantwortliche mehrere Verstöße gegenüber derselben betroffenen Person begangen hat, nicht als ein relevantes Kriterium für die Bemessung des dieser Person gemäß Art. 82 dieser Verordnung zu gewährenden Schadenersatzes herangezogen werden. Um den Betrag der als Ausgleich geschuldeten finanziellen Entschädigung festzulegen, ist nämlich allein der von dieser Person konkret erlittene Schaden zu berücksichtigen. Folglich ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO dahin auszulegen ist, dass zur Bemessung des Betrags des auf diese Bestimmung gestützten Anspruchs auf Schadenersatz zum einen die in Art. 83 dieser Verordnung vorgesehenen Kriterien für die Festsetzung des Betrags von Geldbußen nicht entsprechend anzuwenden sind und zum anderen nicht zu berücksichtigen ist, dass die Person, die Schadenersatz verlangt, von mehreren Verstößen gegen die Verordnung betroffen ist, die sich auf denselben Verarbeitungsvorgang beziehen."
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2.
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BGH: Spieler von ausländischen Internet-Sportwetten-Angeboten kann Einsätze zurückfordern
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In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH sich zu der umstrittenen Frage klar positioniert und bestätigt, dass Spieler von ausländischen Internet-Sportwetten-Angeboten, die in Deutschland nicht zugelassen sind, ihre verlorenen Spiel-Einsätze zurückfordern können (BGH, Beschl. v. 22.03.2024 - Az.: I ZR 88/23). Der Kläger hatte bei einem österreichischen Anbieter bei Internet-Sportwetten teilgenommen und verlangte nun die Erstattung seiner Einsätze zurück. Zu Recht, wie der BGH nun in einem Hinweisbeschluss klärt. Der Verstoß gegen den Glücksspiel-Staatsvertrag (GlüStV) führe zur Unwirksamkeit des gesamten Spielvertrages, sodass etwaige Leistungen zurückzugewähren seien: "Dem Kläger dürfte im vom Berufungsgericht zuerkannten Umfang ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zustehen. Wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zur Herausgabe verpflichtet. Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Die Beklagte hat die Beträge, die der Kläger als Spieleinsätze an sie gezahlt hat, durch dessen Leistung erlangt. Die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge dürften hierfür keinen rechtlichen Grund darstellen. Die Beklagte hat durch das öffentliche Angebot von Sportwetten gegen die Regelungen in § 4 Abs. 1, 4 und 5 , § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verstoßen, die ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB darstellen (…). Aus diesem Verstoß dürfte im Streitfall die Nichtigkeit der Sportwettenverträge folgen (…)."
1. GlüStV ist Verbotsgesetz: Bei den Regelungen des GlüStV handle es sich auch um ein Verbotsgesetz: "Die Vorschrift des § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 stellt ein gesetzliches Verbot im Sinn des § 134 BGB da (...) Bei § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 handelt es sich schon nach dem Wortlaut der Regelungen ("sind verboten" beziehungsweise "ist verboten") um gesetzliche Verbote im Sinn des § 134 BGB. Entgegen der Ansicht der Revision (mit Verweis auf BGH, Urteil vom 14. Dezember 1999 - X ZR 34/98, BGHZ 143, 283 [juris Rn. 20] zu einer tarifvertraglichen Regelung) folgt aus dem in § 4 Abs. 5, § 4a Abs. 1 GlüStV 2012 geregelten Erlaubnisvorbehalt nicht, dass es sich um ein dispositives und damit nicht um ein gesetzliches Verbot handelt. In diesem Sinn dispositiv sind lediglich Normen des Privatrechts, von denen im Rahmen der Privatautonomie abgewichen werden kann. Öffentlich-rechtliche Vorschriften stehen dagegen nicht zur Disposition des Normadressaten. Ein Erlaubnisvorbehalt stellt die Einhaltung des gesetzlichen Verbots nicht frei, sondern zwingt den Verbotsadressaten, das hierfür vorgesehene Erlaubnisverfahren zu durchlaufen und die in diesem Rahmen geltenden Anforderungen zu erfüllen."
Und weiter: "Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verstoßen, indem sie öffentlich im Internet Sportwetten angeboten hat, ohne im für den Streitfall relevanten Zeitraum über die hierfür erforderliche Erlaubnis zu verfügen. (...)"
2. Aber: Wirksamkeit des Spielvertrages in Ausnahmefällen Der BGH weist darauf hin, dass in bestimmten Konstellationen ausnahmsweise doch von keiner Nichtigkeit des Gesamtspielvertrages auszugehen sei. Nämlich dann, wenn der jeweilige Anbieter sich bemüht habe, eine Lizenz zu erhalten, diese ihm aber rechtswidrig verweigert wurde von den deutschen Behörden: “Der Senat muss im Streitfall nicht entscheiden, ob die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB ausnahmsweise nicht erforderlich ist, wenn ein Anbieter im maßgeblichen Zeitraum bereits eine Konzession für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt hat, das für diesen Antrag geltende Konzessionserteilungsverfahren aber - wofür im Streitfall einiges spricht - unionsrechtswidrig war, und das Sportwettenangebot dieses Anbieters daher weder strafrechtlich sanktioniert noch verwaltungsrechtlich untersagt werden konnte.”
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3.
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BGH: Wer darf eine wettbewerbswidrige Anschwärzung eines Mitbewerbers gerichtlich verfolgen?
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Der BGH hat klargestellt, dass bei einer wettbewerbswidrige Anschwärzung eines Konkurrenten grundsätzlich nur das betroffene Unternehmen befugt ist, diese Rechtsverstöße gerichtlich zu verfolgen. Wirtschaftsverbände sind hingegen nur dann zur Verfolgung berechtigt, wenn die Herabsetzung sich nicht lediglich eine einzelne Firma, sondern gegen eine Mehrheit von Mitbewerbern richtet (BGH, Urt. v. 23.01.2024 - Az.: I ZR 147/22). Das verklagte Unternehmen tätigte in seinen Videos mehrere herabsetzende Äußerungen über andere Hersteller von Zigaretten-Eindrehpapiere. Die Erklärungen betrafen nicht nur einen Produzenten, sondern mehrere. Ein Wirtschaftsverband klagte daraufhin auf Unterlassung. Den Richtern stellte sich dabei die Frage, ob derartige Verstöße möglicherweise nicht nur durch die betroffenen Firmen selbst verfolgt werden könnten. Der BGH entschied, dass für den Fall, dass nur ein Unternehmen angeschwärzt werden würde, auch nur dieses zur Verfolgung berechtigt sei. Anders liege der Fall, wenn die Beleidigungen gleich mehrere Personen beträfe. In einem solchen Fall könne auch ein Wirtschaftsverband - wie im vorliegenden Fall - die Rechtsverletzungen verfolgen: "Entsprechendes gilt für den Anschwärzungstatbestand nach § 4 Nr. 2 UWG. Auch im Fall der (möglichen) Behauptung oder Verbreitung nicht erweislich wahrer Tatsachen, die geeignet sind, den Betrieb eines Unternehmens oder den Kredit eines Unternehmers zu schädigen, muss es dem Betroffenen überlassen bleiben, ob er dies hinnehmen will oder nicht (…). Dafür spricht auch, dass die prozessuale und damit öffentliche Verfolgung der Abwehransprüche die schädigende Wirkung eines solchen Eingriffs noch verstärken kann (…)."
Und weiter: "Richtet sich die (mögliche) Anschwärzung allerdings nicht lediglich gegen einen individualisierten Mitbewerber, sondern gegen eine Mehrheit von Mitbewerbern, liegt es nicht mehr in der Hand eines Einzelnen, ob er sie hinnimmt oder nicht. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, dass neben allen einzelnen betroffenen Mitbewerbern auch ein Verband, dem ein solcher Mitbewerber angehört, prozessual dagegen vorgehen kann. Eine teleologische Reduktion des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist insoweit nicht angezeigt (…). Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass der Tatbestand der Anschwärzung nach § 4 Nr. 2 UWG zwar vorrangig den betroffenen Mitbewerber vor unwahren geschäftsschädigenden Äußerungen bewahren soll, aber - zumindest mittelbar - auch das Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb schützt (…). Auch vor diesem Hintergrund stellt die Annahme der in § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG geregelten Verbandsklagebefugnis den Regelfall und deren teleologische Reduktion den Ausnahmefall dar. Sind mehrere Mitbewerber betroffen und ist zumindest einer der betroffenen Mitbewerber verbandsangehörig, setzt sich die auch im Allgemeininteresse liegende Verbandsklagebefugnis gegenüber der Dispositionsfreiheit der betroffenen Mitbewerber durch."
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4.
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BGH: Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses
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Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute mit der Frage befasst, ob sich der Verkäufer eines fast 40 Jahre alten Fahrzeugs mit Erfolg auf einen vertraglich vereinbarten allgemeinen Gewährleistungsausschluss berufen kann, wenn er mit dem Käufer zugleich vereinbart hat, dass die in dem Fahrzeug befindliche Klimaanlage einwandfrei funktioniere, und der Käufer nunmehr Mängelrechte wegen eines Defekts der Klimaanlage geltend macht. Sachverhalt: Der Kläger erwarb im März 2021 im Rahmen eines Privatverkaufs von dem Beklagten zu einem Kaufpreis von 25.000 € einen erstmals im Juli 1981 zugelassenen Mercedes-Benz 380 SL mit einer Laufleistung von rund 150.000 km. In der Verkaufsanzeige des Beklagten auf einer Onlineplattform hieß es unter anderem: "Klimaanlage funktioniert einwandfrei. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung". Im Mai 2021 beanstandete der Kläger, dass die Klimaanlage defekt sei. Nachdem der Beklagte etwaige Ansprüche des Klägers zurückgewiesen hatte, ließ dieser die Klimaanlage - im Wesentlichen durch eine Erneuerung des Klimakompressors - instandsetzen. Mit der Klage verlangt er von dem Beklagten den Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von rund 1.750 €. Bisheriger Prozessverlauf: Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehe dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch der zwischen den Parteien vereinbarte Gewährleistungsausschluss entgegen. Dieser erstrecke sich auch auf einen etwaigen Mangel an der Klimaanlage. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. November 2006 - VIII ZR 92/06) eine gleichzeitige Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit der Kaufsache einerseits und eines umfassenden Ausschlusses der Gewährleistung andererseits regelmäßig dahin auszulegen, dass der Gewährleistungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten solle. Jedoch müsse bei einem rund 40 Jahre alten Fahrzeug auch im Falle einer - hier hinsichtlich der Klimaanlage getroffenen - Beschaffenheitsvereinbarung angesichts der unvermeidlichen und teils gebrauchsunabhängigen Alterung einzelner Bauteile selbst dann, wenn es sich um einen hochwertigen und gepflegten Pkw handele, stets mit dem Auftreten von Instandsetzungsbedarf gerechnet werden. Demgemäß habe der Kläger in Anbetracht des Gewährleistungsausschlusses nicht erwarten dürfen, dass die schon lange Zeit über ihre technische Lebensdauer hinaus betriebene Klimaanlage auch weiterhin funktionieren werde. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Beklagte sich gegenüber dem hier im Streit stehenden Schadensersatzanspruch des Klägers nicht mit Erfolg auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen kann. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist in den Fällen einer (ausdrücklich oder stillschweigend) vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB aF (nunmehr § 434 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) ein daneben vereinbarter allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für sonstige Mängel, nämlich solche im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB aF, gelten soll. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - das zwar rechtsfehlerfrei von einer hinsichtlich der einwandfreien Funktionsfähigkeit der Klimaanlage getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen ist - kommt eine von diesem Grundsatz abweichende Auslegung des Gewährleistungsausschlusses nicht in Betracht. Der Umstand, dass der Beklagte nicht erst im schriftlichen Kaufvertrag, sondern bereits in seiner Internetanzeige - unmittelbar im Anschluss an die Angabe "Klimaanlage funktioniert einwandfrei" - erklärt hat, dass der Verkauf "unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung" erfolge, erlaubt es nicht, den vereinbarten Gewährleistungsausschluss dahingehend zu verstehen, dass er sich auf die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung über die (einwandfreie) Funktionsfähigkeit der Klimaanlage erstreckt. Denn gerade das - aus Sicht eines verständigen Käufers - gleichrangige Nebeneinanderstehen einer Beschaffenheitsvereinbarung einerseits und eines Ausschlusses der Sachmängelhaftung andererseits gebietet es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, den Gewährleistungsausschluss als beschränkt auf etwaige, hier nicht in Rede stehende Sachmängel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB aF aufzufassen, da die Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer andernfalls - außer im (hier nicht gegebenen) Fall der Arglist des Verkäufers (§ 444 Alt. 1 BGB) - ohne Sinn und Wert wäre. Insbesondere aber rechtfertigen in einem Fall, in dem - wie hier - die Funktionsfähigkeit eines bestimmten Fahrzeugbauteils den Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung bildet, weder das (hohe) Alter des Fahrzeugs beziehungsweise des betreffenden Bauteils, noch der Umstand, dass dieses Bauteil typischerweise dem Verschleiß unterliegt, die Annahme, dass ein zugleich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss auch für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten soll. Diese Umstände (Alter des Fahrzeugs, Verschleißanfälligkeit eines Bauteils) können zwar für die übliche Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens von Bedeutung sein. Sie spielen jedoch weder für die Frage einer konkret vereinbarten Beschaffenheit noch für die hier maßgebliche Frage eine Rolle, welche Reichweite ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss im Fall einer vereinbarten Beschaffenheit hat. Vielmehr findet der Grundsatz, dass ein vertraglich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss die Haftung des Verkäufers für einen auf dem Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit beruhenden Sachmangel unberührt lässt, auch dann uneingeschränkt Anwendung, wenn der Verkäufer die Funktionsfähigkeit eines Verschleißteils eines Gebrauchtwagens zugesagt hat. Nach alledem hat der Senat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen. Vorinstanzen: AG Wetzlar - 30 C 269/22 - Urteil vom 4. Oktober 2022 LG Limburg a. d. Lahn - 3 S 124/22 - Urteil vom 30. Juni 2023, veröffentlicht in juris Urteil vom 10. April 2024 – VIII ZR 161/23 Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 10.04.2024 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 434 BGB Sachmangel (in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung) (1) 1Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. 2Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, 1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst 2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. […] § 437 BGB Rechte des Käufers bei Mängeln Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist, […] 3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
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BFH: Schätzung von Einnahmen durch das Finanzamt: Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes
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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 28.11.2023 – X R 3/22 seine Rechtsprechung zur Anwendung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes bei Schätzungen fortgeführt. Im zugrunde liegenden Fall verwendete ein Restaurantbetreiber, der einen großen Teil seiner Einnahmen in Form von Bargeld erzielte, in den Jahren 2011 bis 2014 eine elektronische Registrierkasse sehr einfacher Bauart, die bereits in den 1980er Jahren entwickelt worden war. Das Finanzamt (FA) sah die Aufzeichnungen des Klägers nicht als ordnungsgemäß an und nahm eine Vollschätzung der Erlöse vor. Dies führte zu einer Vervierfachung der erklärten Umsätze. Das Finanzgericht (FG) beauftragte einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Registrierkasse. Dieser kam zu dem Ergebnis, ein bestimmter interner Zähler der Kasse, der die Lückenlosigkeit der Tagesausdrucke sicherstellen solle (Z1-Zähler), könne durch Eingabe entsprechender Codes verändert werden. Eine solche Änderung könne allerdings im Zuge von Reparaturen der Kasse erforderlich werden. Daraufhin sah das FG die Kasse als objektiv manipulierbar –und damit ungeeignet für steuerliche Zwecke– an und bestätigte die Vollschätzung des FA im Wesentlichen. Eine tatsächliche Manipulation der Kasse hat das FG nicht feststellen können. Diese Entscheidung hat der BFH aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an das FG zurückverwiesen. Zwar sei die vom Kläger verwendete Registrierkasse objektiv manipulierbar gewesen. Dies stelle grundsätzlich einen formellen Mangel von hohem Gewicht dar, der dem FA eine Schätzungsbefugnis gebe. Allerdings sei das Wissen um die Manipulierbarkeit derart alter Kassenmodelle erst im Laufe der Zeit gewachsen. Daher sei den Steuerpflichtigen in Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unter bestimmten –im Urteil näher ausgeführten– Voraussetzungen Vertrauensschutz zu gewähren. Das Gewicht des in der objektiven Manipulierbarkeit liegenden Mangels sei dann nicht so hoch wie im Regelfall und könne bei Führung zusätzlicher Nachweise sogar ganz entfallen. 11. April 2024 - Nummer 021/24 - Urteil vom 28.11.2023 - X R 3/22 Quelle: Pressemitteilung des BFH v. 11.04.2024
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OLG Frankfurt a.M.: Werbeaussage "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" irreführend
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Die Werbeaussage "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel" ist irreführend, da hierdurch beim Verbraucher der falsche Eindruck erweckt wird, die Spitzenstellung beziehe sich auf Erkältungsmittel und nicht auf den Bereich der sogenannten Kombinationspräparate (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 14.12.2023 - Az.: 6 U 197/22). Die Beklagte vertrieb das Produkt “WICK DayNait” und bewarb es wie folgt: "Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel"
Dies stufte das OLG Frankfurt a.M. als irreführend und somit als Wettbewerbsverstoß ein. Denn das besagte Produkt der Beklagten sei im Bereich der Erkältungsmittel gar nicht die Nr.1, sondern lediglich bei den sog. Kombi-Präparaten. Durch den Werbetext werde als eine falsche Vorstellung beim Verbraucher hervorgerufen: "Der Werbeslogan ist auch irreführend. (...) Eine für die breite Öffentlichkeit bestimmte Werbung, die nach ihrem Wortsinn eine Allein- oder Spitzenstellung beansprucht, wird für gewöhnlich von einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise gemäß diesem Wortsinn verstanden (...). Der Wortsinn der streitgegenständlichen Werbeangabe („Deutschlands Nr. 1 Tag & Nacht Erkältungsmittel“) legt das beschränkte Vergleichsmarktverständnis der Beklagten nicht nahe. Vielmehr spricht er dafür, dass Vergleichsmaßstab Erkältungsmittel für den Tag und/oder für die Nacht sind, ohne dass der Angabe die Behauptung einer unterschiedlichen Zusammensetzung (bzw. Dosierung) oder Wirkung bei einer Anwendung am Tag und in der Nacht entnommen werden könnte. (...) Der bei der Auslegung mit zu berücksichtigende Kontext - der Inhalt des Werbefilms - spricht ebenfalls nicht dafür, dass der verständige Durchschnittsverbraucher die Spitzenstellungsbehauptung allein auf Erkältungsmittel bezieht, die am Tag und in der Nacht wegen unterschiedlicher Wirkstoffe eine andere Wirkung haben."
Und weiter: “Jedenfalls ein erheblicher Teil der Verbraucher (..) wird davon ausgehen, dass „W Day Nait die Nummer 1 unter den Erkältungsmitteln“ sowohl für den Tag als auch für die Nacht sei, ohne die Werbeangabe beschränkt auf Kombinationspräparate mit unterschiedlicher Zusammensetzung bzw. Wirkung für den Tag und für die Nacht zu verstehen.”
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OLG Frankfurt a.M.: Kennenlernen über Dating-Plattform begründet keine erheblichen Zweifel an Vaterschaft
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Ein Kennenlernen über eine Dating-Plattform allein begründet keine schwerwiegenden Zweifel gegen die gesetzliche Vaterschaftsvermutung wegen Verdachts des Mehrverkehrs. Bei der Feststellung, ob schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft vorliegen, reicht ein nur möglicher, aber weder wahrscheinlicher noch bewiesener Mehrverkehr nicht aus. Insbesondere aus der Tatsache, dass sich die Mutter des Kindes und der Putativvater über ein Internetportal kennengelernt haben, drängt sich nicht auf, dass die Mutter in der Empfängniszeit mit Anderen geschlechtlich verkehrt hat. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichte Entscheidung die Beschwerde des (Putativ)Vaters gegen den seine Vaterschaft feststellenden Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen.
Die Antragstellerin begehrte vor dem Amtsgericht die Feststellung, dass der nunmehrige Beschwerdeführer ihr Vater ist. Dies stellte das Amtsgericht antragsgemäß fest. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Vaters hatte vor dem OLG nach durchgeführter Beweisaufnahme und Einholung eines Abstammungsgutachtens keinen Erfolg. „Die Übereinstimmung sämtlicher untersuchter genetischer Merkmale von Mutter, Kind und dem Vater als festzustellenden Beschwerdeführer zusammen mit den im Verfahren im Wege der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnissen im Hinblick auf die Beiwohnung der Mutter seitens des Beschwerdeführers im fraglichen Zeitraum (führen) zu einer so hohen Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft, dass sich daraus für den Senat ein Grad an Gewissheit ergibt, der Zweifeln an der Vaterschaft Schweigen gebietet“, begründete OLG seine Entscheidung. Die Mutter habe glaubhaft bekundet, dass der Beschwerdeführer ihr „während der gesetzlichen Empfängniszeit ... beigewohnt hat“, führte er weiter aus. Damit bestehe bereits eine gesetzliche Vermutung für die Vaterschaft (§ 1600 d Abs. 2 BGB). Der Vortrag des Beschwerdeführers führe zu keinen schwerwiegenden Zweifeln an seiner Vaterschaft. Für derartige schwerwiegende Zweifel reiche ein nur möglicher, aber weder wahrscheinlicher noch bewiesener Mehrverkehr nicht aus. Insbesondere aus der Tatsache, dass sich die Mutter der Antragstellerin und der Beschwerdeführer über ein Internetportal kennengelernt hätten, dränge sich nicht auf, dass die Mutter in der Empfängniszeit noch mit Anderen geschlechtlich verkehrt habe. Genauere Angaben des Vaters dazu, mit welchen Personen, wann und wo die Mutter der Antragstellerin Geschlechtsverkehr gehabt haben soll, fehlten. Aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten errechne sich zudem eine Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft des Beschwerdeführers von über 99,99 %. An der Zuverlässigkeit und Verwertbarkeit des Gutachtens bestünden entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers keine Zweifel. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 1.2.2024, Az. 1 UF 75/22 Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 09.04.2024 Erläuterungen: § 1600d BGB Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft (1) Besteht keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593, so ist die Vaterschaft gerichtlich festzustellen. (2) 1Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. 2Die Vermutung gilt nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen. (3) 1Als Empfängniszeit gilt die Zeit von dem 300. bis zu dem 181. Tage vor der Geburt des Kindes, mit Einschluss sowohl des 300. als auch des 181. Tages. 2Steht fest, dass das Kind außerhalb des Zeitraums des Satzes 1 empfangen worden ist, so gilt dieser abweichende Zeitraum als Empfängniszeit.
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LG Köln: "Lehrvideo" auf YouTube verletzt Rechte an Kurzgeschichte von Heinrich Böll / Schranke des Pastiche greift nicht
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Eine Urheberrechtsverletzung kann auch vorliegen, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk in eine andere Form übertragen wird (hier: Buch und YouTube-Video). Die Schranke des Pastiche (§ 51a UrhG) greift dann nicht ein, wenn das lediglich das ursprüngliche Werk ohne eigene Zusätze wiedergegeben wird (LG Köln, Urt. v. 28.03.2024 - Az.: 14 O 181/22). Der Beklagte war Lehrer an einer Schule. Klägerin war ein Verlag, der die Rechte an einer Kurzgeschichte von Heinrich Böll besaß. Um seinen Schülern den Stoff der Geschichte näherzubringen, erstellte der Beklagte ein Video aus Cartoons und erzählte die Story aus der Kurzgeschichte in wesentlichen Zügen mit eigenen Worten wieder. Das Video lud er bei YouTube hoch, sodass es für die Allgemeinheit zugänglich war. Darin sah der Verlag eine Urheberrechtsverletzung und klagte. Im Ergebnis bejahte das LG Köln den Anspruch. 1. Auch dann Urheberrechtsverletzung, wenn geschütztes Werk in andere Form übertragen wird: Zunächst stellen die Richter klar, dass auch dann eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk in eine andere Form (hier: ursprünglich Kurzgeschichte, nunmehr Cartoon-Video) übertragen werde: "In Anwendung dieser Grundsätze hat der Beklagte eine Urheberrechtsverletzung zulasten der Klägerin begangen. (1) Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Beklagte das Sprachwerk von Heinrich Böll, das hier in der Form eines Schriftwerkes vorliegt, in ein anderes Medium, nämlich in einen Film, eingebunden hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten trifft es – jedenfalls in dieser generellen Form – nicht zu, dass allein die Übertragung in eine andere Kunstform einen Eingriff in den Schutzbereich des älteren Werkes ausscheiden lässt. Dies ergibt sich so schon auch nicht aus der von dem Beklagten dazu angeführten Fundstelle im Kommentar zum Urheberrecht von Wandtke/Bullinger. Maßgeblich ist auch nach der dort genannten Auffassung, ob und inwieweit die den Urheberrechtsschutz auslösenden Gestaltungsmerkmale des älteren Werkes übernommen worden sind. Nur dann, wenn die neu geschaffene Gestaltung (im dortigen Beispiel die Vertonung eine Sprachwerkes) keine urheberrechtlich geschützten Bestandteile des älteren Werkes, das der anderen Werkgattung angehört, aufweist, liegt ein aus urheberrechtlicher Sicht irrelevanter Fall der Inspiration durch das Werk einer anderen Gattung für ein eigenes Werk vor (…). Werden hingegen die den Urheberrechtsschutz auslösenden Gestaltungsmerkmale übernommen, etwa im Falle der bildhaften Wiedergabe von körperlichen Kunstwerken, liegt eine Vervielfältigung im Sinne von § 16 UrhG vor (…). Denn grundsätzlich stellt jede körperliche Festlegung eines Werkes, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen, eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 Abs. 1 UrhG dar (…). Dies ergibt sich nicht zuletzt auch schon daraus, dass das Gesetz in § 23 Abs. 2 UrhG ausdrücklich die Übertragung in ein anderes Medium als Bearbeitung oder andere Umgestaltung des ursprünglichen Werkes einordnet, insbesondere die Verfilmung eines Werkes gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1 UrhG, worauf die Klägerin zurecht hinweist."
2. Pastiche-Schranke nicht anwendbar: Dann stellte sich dem Gericht die Frage, ob das Handeln des Beklagten möglicherweise durch die Schranke des Pastiches (§ 51a UrhG) gerechtfertigt war. Die Pastiche-Regelung ist erst 2021 ins Gesetz gekommen, sodass dazu kaum Rechtsprechung existiert. "Schließlich liegt auch kein Pastiche im Sinne von § 51a UrhG war. Dies gilt obwohl der Begriff des Pastiches gemeinschaftsrechtlich noch nicht abschließend geklärt ist (…). Denn unabhängig davon, ob die Schrankenregelung der Nutzung zum Zwecke von Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ein Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand einschließlich des Sampling ist und ob für den Begriff des Pastiche einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten (BGH, EuGH-Vorlage vom 14. September 2023 – I ZR 74/22 – Metall auf Metall V, Rn. 23, juris), und wann eine Nutzung im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG "zum Zwecke" eines Pastiche erfolgt (BGH, EuGH-Vorlage vom 14. September 2023 – I ZR 74/22 –, Rn. 41, juris), sind vorliegend die Voraussetzungen für ein Pastiche nicht erfüllt. Denn § 51a UrhG, der der Umsetzung von des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG dient, schränkt die Rechte des Urhebers zur Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches ein."
Und weiter: "Die Schranke (auch) des Pastiches unterliegt jedoch jedenfalls der Bindung an diesen Zweck, die hier überschritten ist: Selbst wenn die Zweckbindung es erlauben mag, Teile des Werks – ggf. künstlerisch abgewandelt – wiederzugeben, ist eine alleinige Nutzung des fremden Werkes ausgeschlossen (in diesem Sinne auch LG Berlin Urt. v. 19.10.2021 – 15 O 361/20, GRUR-RS 2021, 45895 Rn. 27, beck-online). Eine solche Nutzung ist vorliegend gegeben, weil das Video des Klägers die Fabel von Heinrich Bölls Anekdote vollständig wiedergibt; und zwar nur diese, ohne dass eigene Zusätze des Beklagten erfolgen würden. Lediglich die äußere Darstellung als Video hat der Beklagte gewählt, gibt die von Heinrich Böll geschaffene Fabel wie aufgezeigt jedoch unverändert wieder, ohne darüber hinauszugehen."
Im Ergebnis verneinte das Gericht ein Pastiche also maßgeblich deshalb, weil der Beklagte nur das Werk von Heinrich Böll wiedergab, ohne wirklich eigene, neue Akzente zu setzen.
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9.
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LG Paderborn: Versteckter Hinweis in Datenschutzerklärung reicht für erlaubte E-Mail-Sendung nach § 7 Abs.3 UWG nicht aus
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Ein versteckter Hinweis in der Datenschutzerklärung reicht nicht aus, um die nach § 7 Abs.3 UWG bestehende Werbeerlaubnis für E-Mails zu begründen (LG Paderborn, Urt. v. 12.03.2024 - Az.: 2 O 325/23). Nach § 7 Abs.3 UWG ist es erlaubt, für ähnlich Waren und Dienstleistungen auch ohne Opt-In elektronische Werbenachrichten zu versenden, wenn der Verkäufer dem Käufer zuvor hierüber informiert hat. Die Norm lautet. "§ 7 UWG: Unzumutbare Belästigungen (…) (3) Abweichend von Absatz 2 Nummer 2 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn 1. ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, 2. der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, 3. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und 4. der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen."
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin eine Reise bei der Beklagten gebucht und im Anschluss Werbe-Mails erhalten. Als die Klägerin dagegen vorging, wies die Beklagte auf ihre Regelungen in ihrer Datenschutzerklärung in. Dort stand: "Marketingaktivitäten Unter bestimmten, im Folgenden beschriebenen Umständen können wir Ihre personenbezogenen Daten für Marketingzwecke nutzen. Um innen regelmäßig Informationen über reisebezogene Produkte und Dienstleistungen zukommen zu lassen. Sie können sich jederzeit und ganz einfach von der E-Mail-Marketingkommunikation abmelden. indem Sie auf den ‚Abmeldelink klicken, der in dem jeweiligen Newsletter oder der jeweiligen anderen Kommunikation enthalten ist."
Die Erklärung umfasste ingesamt 26 DIN-A4-Seiten, wobei auf Seite 8 der Hinweis auf die Marketingaktivitäten auftauchte. Weiter wird auf Seite 23 bis 24 der Datenschutzhinweise über das Widerspruchsrecht des Nutzers unterrichtet. Das LG Paderborn verurteilte die Beklagte zur Unterlassung, da für die Zusendung kein ausreichender Rechtsgrund vorlag. Insbesondere komme § 7 Abs.3 UWG nicht zum Zuge, da es an der notwendigen Transparenz fehle: "Gemäß § 7 Abs. 3 UWG ist (…) eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn, ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. Im Streitfall fehlt es jedenfalls an den beiden letztgenannten Voraussetzungen. Die bloße Verlinkung der Datenschutzhinweise, die wiederrum einen Verweis auf die Marketingaktivitäten der Beklagten nebst eines Hinweises auf einen Abmeldelink enthält, erfüllt nicht die Anforderungen an einen klaren und deutlichen Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei Erhebung der Adresse. Es genügt nicht, dass die Beklagte in ihrer Datenschutzerklärung ausführt, dass die Kundendaten für Werbezwecke genutzt werden und sich der Empfänger von der E-Mail-Marketingkommunikation abmelden kann, insbesondere wenn dieser Hinweis - ohne textliche Hervorhebung - im Rahmen eines 26 Seiten umfassenden Schriftstücks enthalten ist (vgl. LG Berlin Urteil vom 16.11.2017 – 16 O 225/17, BeckRS 2017, 143465)."
Und weiter: "Im Mindestfall hätte die Beklagte ein anklickbares bzw. ankreuzbares Kästchens („Ich widerspreche der Verwendung meiner persönlichen Daten zu Werbezwecken“) bereitstellen müssen. Erforderlich ist darüber hinaus auf jeden Fall aber auch die Benennung einer Kontaktadresse, an die ein zeitlich nach dem Vertragsschluss ausgesprochener Widerspruch zu senden ist (Postadresse, Telefon- oder Telefaxnummer, E-Mail-Adresse). Daran fehlt es jeweils. Für den gesetzlich vorgeschriebenen Hinweis auf das Widerspruchsrecht war es auch nicht ausreichend, dass die Klägerin in jeder E-Mail, also bei Verwendung der klägerischen E-Mail-Adresse, auf die Abmeldung durch anklickbare Links verwiesen hat. Zwar hat die Beklagte dadurch eine problemlose Möglichkeit, um die Nutzung der E-Mail-Adresse für Werbezwecke abzulehnen, eingerichtet. Es fehlt jedoch wiederum an einem konkreten Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit an sich. Dass die Klägerin letztlich selbst über einen Abmeldelink tätig geworden ist, ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen nicht vorlagen."
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Podcast mit RA Dr. Bahr: Ist Glücksspielwerbung per E-Mail legal?
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Im aktuellen Podcast von Interactive One spricht RA Dr. Bahr zum Thema, ob Glücksspielwerbung per E-Mail in Deutschland legal? Inhaltsangabe: Ist Glücksspielwerbung per E-Mail überhaupt legal? – dieser spannenden und wichtigen Frage gehen wir in der heutigen Folge nach. Dafür haben Corc und Sabrina den Experten und Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr eingeladen. Die Drei sprechen über die gesetzlichen Grundlagen (Glücksspielstaatsvertrag, CSA-Richtlinien, DSGVO, AGB) in Deutschland bezüglich Gewinnspiele versenden per E-Mail und klären, welche Kriterien erfüllt werden müssen, um rechtmäßig zu agieren. Außerdem erklärt Martin was es mit der White List und Spielersperrdatei auf sich hat und zeigt auf, was bei Verstößen gegen die Gesetzmäßigkeiten passieren kann. Zum Schluss teilt der Experte seine persönliche Zukunftsprognose für Glücksspielwerbung im E-Mail-Marketing. Links: - Podcast-Webseite der Interactive One - Die aktuelle Folge bei Spotify - Die aktuelle Folge bei Apple
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