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Newsletter vom 18.05.2022 |
Betreff: Rechts-Newsletter 19. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr |
2. EuGH: Deckelung von urheberrechtlichen Abmahnkosten mit EU-Recht vereinbar 9. LG Koblenz: Irreführung Werbung mit Telefon-Flatrate, wenn Servicerufnummern ausgenommen sind 10. LG München I: Unterlassungserklärung darf nicht Cache von Suchmaschinen ausschließen |
Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. Seminar mit RA Dr. Bahr "Werbeeinwilligungen 2022 aus rechtlicher und praktischer Sicht (DSGVO und UWG) " am 28.06.2022
Am 28.06.2022 gibt es ein Seminar mit RA Dr. Bahr zum Thema: "Werbeeinwilligungen 2022 aus rechtlicher und praktischer Sicht (DSGVO und UWG) Ausführliche Infos zum Seminar gibt es hier zum Download. Zur Seminar-Anmeldung geht es hier. zurück zur Übersicht
2. EuGH: Deckelung von urheberrechtlichen Abmahnkosten mit EU-Recht vereinbar
Die in § 97a Abs.3 UrhG vorgeschriebene Deckelung von urheberrechtlichen Abmahnkosten auf einen Streitwert von 1.000,- EUR ist mit EU-Recht vereinbar (EuGH, Urt. 28.04.2022 - Az.: C-559/20).
§ 97a Abs.3 UrhG schreibt vor, dass gegenüber Verbrauchern beim erstmaligen Urheberrechtsverstoß die Abmahnkosten auf einen Streitwert von 1.000,- EUR gedeckelt sind:
"Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1 000 Euro, wenn der Abgemahnte Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung diese Beschränkung als mit dem EU-Recht vereinbar bewertet. "Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, nämlich § 97a UrhG, sieht vor, dass die erstattungsfähigen Kosten dadurch reduziert werden, dass ein Gegenstandswert von höchstens 1 000 Euro angesetzt wird, wenn es sich bei dem Abgemahnten um eine natürliche Person handelt, die geschützte Werke oder andere Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet. § 97a Abs. 3 Satz 4 sieht jedoch eine Ausnahme für den Fall vor, dass dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist. zurück zur Übersicht
3. BGH: Anspruch des Online-Käufers auf Transportkosten-Vorschuss bei weit entferntem Nacherfüllungsort
Der BGH hat entschieden, unter welchen Umständen ein Verbraucher einen Anspruch auf einen Transportkosten-Vorschuss hat, wenn der Nacherfüllungsort weit entfernt ist (BGH, Urt. v. 30.03.2022 - Az.: VIII ZR 109/20):
1. Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt die Zurverfügungstellung der Kaufsache am Erfüllungsort der Nacherfüllung voraus (im Anschluss an Senatsurteile vom 13. April 2011 - VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 Rn. 13 ff.; vom 19. Juli 2017 - VIII ZR 278/16, NJW 2017, 2758 Rn. 21, 27 und vom 30. Oktober 2019 - VIII ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 37). zurück zur Übersicht
4. BGH: Legal-Tech-Plattform darf "Mietpreisbremse" für Mieter durchsetzen und Rückforderungen geltend machen
Der BGH hat entschieden, dass eine Legal-Tech-Plattform die sogenannte "Mietpreisbremse" für Mieter durchsetzen und Rückforderungen wegen überhöhter Mietzahlung geltend machen darf (BGH, Urt. v. 30.03.2022 - Az.: VIII ZR 121/21):
"Zur Wirksamkeit der Abtretung des Anspruchs eines Wohnungsmieters an einen Inkassodienstleister auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Begrenzung der Miethöhe (§§ 556dff. BGB), verbunden mit der Aufforderung an den Vermieter, künftig von dem Mieter nicht mehr die als überhöht gerügte Miete zu verlangen und diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen (hier: Abgrenzung der einem registrierten Inkassodienstleister nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF gestatteten Forderungseinziehung von unzulässigen Maßnahmen der Anspruchsabwehr)." Die Inkassotätigkeit des Anbieters decke die Handlungen des Anbieters noch ab: "Entgegen der vom Berufungsgericht nach wie vor vertretenen Auffassung sind die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 134 BGB in Verbindung mit den Bestimmungen des § 3 RDG (...) nicht gegeben. Es sei auch ein wirksamer Vertrag zwischen Legal-Tech und dem Kunden zustande gekommen. Denn der auf der Internetseite platzierte Button "Mietsenkung beauftragen" genüge den gesetzlichen Anforderungen des § 312j Abs.3 BGB, da die Norm im vorliegenden Fall gar nicht greife: "Nach einer am Schutzzweck des § 312j Abs. 3, 4 BGB orientierten Würdigung der hier maßgeblichen Umstände unterfallen die hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen der Klägerin und des Mieters jedoch nicht dem Anwendungsbereich der vorgenannten Bestimmung (...). Und weiter: "Ein Button mit der Aufschrift "kostenpflichtig bestellen" ist zudem zur Unterrichtung über das - offenkundig nicht mit einer versteckten Kostenfalle verbundene - "Geschäftsmodell" der Klägerin und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten weder notwendig noch hilfreich. zurück zur Übersicht
5. OLG Düsseldorf: Werbeaussage "Schutz vor doppelten Kosten" eines TK-Unternehmens nicht irreführend
Die Werbeaussage eines Telekommunikations-Unternehmens "Schutz vor doppelten Kosten" ist nicht irreführend, da der Kunde den Satz nur auf den monatlichen Grundpreis bezieht und nicht auf etwaige einmalige Kosten bei einem Vertragswechsel (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.02.2022 - Az.: 20 U 93/21). Beide Parteien boten Telekommunikations-Dienstleistungen an.
Die Beklagte bot einen besonderen "Wechselservice" für Festnetzkunden an: Sie erließ Neukunden bei einem Wechsel bis zum Ende der Laufzeit ihres Altvertrages (längstens 12 Monate) den monatlichen Grundpreis. Dies bewarb sie mit den Aussagen
"Schutz vor doppelten Kosten"und "ohne Risiko und doppelte Kosten". Die Klägerin sah darin eine Irreführung. Denn zum einen sei der Schutz auf maximal 12 Monate begrenzt. Zum anderen würden andere Kosten (z.B. einmaliger Anschlusskosten) von der Beklagten durchaus in Rechnung gestellt.
Das OLG Düsseldorf teilte diese Ansicht nicht, sondern bewertete die Äußerungen als rechtmäßig:
"Die Berufung hat jedoch in der Sache Erfolg. Die angegriffenen Äußerungen sind nicht irreführend. Und weiter: "Dass der "Schutz" von der Antragsgegnerin auf 12 Monate begrenzt wird, stellt eine Einzelheit dar, die auch erst im "Kleingedruckten" gebracht werden musste. Diese Einschränkung betraf nur eine Minderzahl der Fälle. In der Anlage K 3 wird durch eine Fußnote darauf hingewiesen. In der Anlage K 4 erfolgt ein Hinweis bei dem Punkt, bei dem der Wechselschutz angesprochen wird." zurück zur Übersicht
6. OLG Frankfurt a.M.: Bezeichnung "Presseschau" irreführend, wenn lediglich Vorwürfe eines Mitbewerbers
Die Bezeichnung "Presseschau" irreführend, wenn in der Rubrik lediglich Vorwürfe eines Mitbewerbers publiziert werden, denn der Leser erwartet die Berichte unabhängigen Presseorgane (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 04.04.2022 - Az.: 6 W 8/22). Der Beklagte hatte auf seiner Webseite unter dem Schlagwort "Presseschau" eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der er die Tätigkeiten des klägerischen Unternehmens kritisierte. Dies stufte das OLG Frankfurt a.M. als irreführend ein.
Denn das Wort "Presseschau" impliziere, dass es sich um Berichte unabhängiger Presseorgane handle und nicht um eine eigene Pressemitteilung:
"Der Antragstellerin steht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 UWG ein Unterlassungsanspruch zu, da der Antragsgegner mit der streitgegenständlichen Intemetseite den irreführenden Eindruck erweckt hat, es gebe eine von ihm unabhängige Veröffentlichung in der Presse, in der „schwere Vorwürfe“ gegen die Antragstellerin erhoben worden seien. Und weiter: "Diese Verkehrsauffassung teilt der Senat. Der Verkehr erwartet in einer „Presseschau eine Zusammenstellung von Berichten von Presseorganen, nicht hingegen solche des Antragsgegners selbst. zurück zur Übersicht
7. OLG Köln: Äußerung "paranoid veranlagt" bzw. "gezeigte paranoide Verhaltensweisen" über Anwältin ist ehrverletzend und rechtswidrig
Die Äußerung "paranoid veranlagt" bzw. "gezeigte paranoide Verhaltensweisen" über Anwältin ist eine ehrverletzende Äußerung (OLG Köln, Urt. v. 13.04.2022 - Az.: 6 U 198/21).
Ein Rechtsanwalt hatte sich per Schreiben an seine örtliche Anwaltskammer gewendet. In diesem Brief hatte er sich über eine Advokaten-Kollegin wie folgt geäußert:
"paranoid veranlagte Kollegin" und "gezeigte paranoide Verhaltensweisen der Kollegin". Dies stufte das OLG Köln als rechtswidrig ein. "Auch unter Berücksichtigung der weiteren vielfältigen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien wie die Frage der Entfernung des Profils der Antragsgegnerin von der Internetseite, der Nichtzahlung der Rechnung des IT-Unternehmens, Differenzen bzgl. der Einhaltung von Absprachen zum Weihnachtsgeld und der Beteiligung an einem Geldbeitrag zum Geburtstag einer Mitarbeiterin, geht die Abwägung der beiderseitigen Interessen zu Lasten des Antragsgegners aus. Auch wenn sich der Antragsgegner unrechtmäßig verfolgt und belästigt fühlte, bestand keine sachbezogene Veranlassung, sich gegenüber dem Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer im Zusammenhang mit der Überprüfung des Briefkopfs in der abwertenden Weise über die Antragstellerin zu äußern. Dies gelte auch für den Fall, wenn die Anwältin zuvor außergerichtlich selbst provozierend unterwegs gewesen sei: "Das Vorverhalten der Antragstellerin mag, den Vortrag des Antragsgegners als wahr unterstellt, schwierig gewesen sein und zur Eskalation im Rahmen der Abwicklung der Bürogemeinschaft beigetragen haben. zurück zur Übersicht
8. LG Berlin: Online-Dating-Portal muss deutlich auf Fake-Profile hinweisen, Erwähnung in den AGB nicht ausreichend
Der Betreiber eines Online-Dating-Portal muss deutlich auf von ihm künstliche erzeugte Profile hinweisen. Es reicht nicht aus, diesen Umstand lediglich in den AGB zu erwähnen (LG Berlin, Urt. v. 17.02.2022 - Az.: 16 O 62/21).
Die Beklagte betrieb ein Online-Dating-Portal. Auf der Webseite hieß es u.a.:
"Jetzt online neue Bekanntschaften schließen" und "„Hohe Flirtchancen - Im Match-Game entscheidest du mit einer simplen Swipe, wen Du kennenlernen möchtest." und "Täglich neue Singles - bei uns registrieren sich täglich über 5000 neue Mitglieder, die auf der Suche nach ihrem Glück sind." Hinter den Profilen der User steckten jedoch nicht nur echte Kunden, sondern auch vom Betreiber künstliche erzeugte Profile (sog. Fake-Profile). Hiervon erfuhr der User grundsätzlich nichts. Nur in den AGB hieß es dazu: "Die Datenbank beinhaltet reale Profile, aber auch seitens der Anbieterin erstellte und betriebene Profile (nachfolgend: „iNutzer“). Die iNutzer sind ausschließlich zur Ausübung von virtuellen Fantasien gedacht und es sind keine realen Treffen möglich. Die Klägerin sah darin eine wettbewerbswidrige Irreführung. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass der Anteil dieser Profile lediglich bei rund 1,4 % liege, d.h. 8.200 Fake-Profilen stünden 600.000 echten Profilen gegenüber. Das LG Berlin stufte das Handeln der Beklagten als wettbewerbswidrige Irreführung ein.
Denn der Kunde erwarte angesichts der Darbietung echte Dating-Partner:
"Dabei rechnet er nicht damit, dass er auch auf Profile treffen kann, hinter denen keine echten Nutzer stehen, sondern die von der Beklagten erstellt sind und von Moderatoren bedient werden und mit denen ein Treffen und ein Kennenlernen gar nicht möglich ist. Der Hinweis in den AGB sei nicht ausreichend, um diesen Irrtum auszuschließen. "Zudem sind die Allgemeinen Geschäftsbedingen auch nicht der Ort, wo der Verbraucher wesentliche Informationen zu der ihm angebotenen Leistung erwartet. Insbesondere muss er nicht damit rechnen, dass ihm dort Informationen über den Inhalt der ihm angebotenen Leistung präsentiert werden, welche zu der Erwartungshaltung, die das Angebot objektiv hervorruft, im Widerspruch stehen. (...) zurück zur Übersicht
9. LG Koblenz: Irreführung Werbung mit Telefon-Flatrate, wenn Servicerufnummern ausgenommen sind
Es ist irreführend mit einer Telefon-Flatrate zu werben, wenn bei der Nutzung von Service-Rufnummern über geografische Festnetzrufnummern gesonderte Entgelte anfallen (LG Koblenz, Urt. v. 08.02.2022 - Az.: 3 HK O 43/20).
Die Beklagte, die 1&1 Telecom , warb für ihre Telefon-Angebote mit den Aussagen
"FLAT Telefonie in alle dt. Fest- und Mobilfunknetze" Ausgenommen von dem Flat-Tarif waren jedoch der Anruf von Service-Rufnummern, die über geografische Festnetznummern realisiert wurden. Hierfür fielen gesonderte Entgelte an. Dies stufte das LG Koblenz als irreführend ein.
Zwar erwarte der Verbraucher, dass bestimmte Vorwahlen wie 0180, 0137 oder 0900 von dem Pauschal-Tarif ausgenommen seien. Jedoch gehe er nicht davon aus, dass dies ausnahmslos für alle Service-Rufnummern gelte:
"Der Beklagten ist zuzustimmen, dass dem durchschnittlichen Verbraucher bekannt ist, dass es bestimmte Servicedienstleistungen gibt, die zusätzliche Kosten verursachen. Die Frage, ob es sich bei dem geführten Telefonat um ein außerhalb der Flatrate liegendes Telefonat mit besonderen Kosten handelt, wird der Verbraucher jedoch an der gewählten Rufnummer festmachen. Kostenpflichtige Dienstleistungen werden von den Verbrauchern erwartet bei besonderen Vorwahlen wie z. B. 0180, 0137 oder 0900, nicht jedoch bei der Wahl von geografischen Vorwahlnummern, wenn das Tarifangebot eine Flatrate für das deutsche Festnetz beinhaltet. Diese Irreführung sei auch dann relevant, wenn derartige Service-Rufnummern nicht häufig genutzt würden: "Soweit die Beklagte die Relevanz der Irreführung damit bestreiten will, dass der überwiegende Teil des umworbenen Verkehrs sich bei der Beauftragung eines Tarifes keine Gedanken darüber mache, ob etwaige Sonderrufnummern von der Flatrate umfasst sind, kann sie damit nicht durchdringen, denn damit legt sie nicht die richtige Verkehrserwartung zugrunde. zurück zur Übersicht
10. LG München I: Unterlassungserklärung darf nicht Cache von Suchmaschinen ausschließen
Eine Unterlassungserklärung ist nur dann wirksam und schließt die Wiederholungsgefahr aus, wenn sie auch den Cache von Suchmaschinen erfasst. Wird in der Erklärung dieser Bereich explizit ausgenommen, ist dies unzureichend (LG München I, Beschl. v. 02.12.2021 - Az.: 37 O 12256/21).
Der Kläger mahnte den Beklagten wegen eines Rechtsverstoßes ab. Der gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, schränkte die Pflicht jedoch ein:
"Die Abrufbarkeit oben wiedergegebener werblicher Aussagen bzgl. des (...) und die Abrufbarkeit oben wiedergegebener Website im Cache von Suchmaschinenbetreibern, z.B.(...) oder in sonstigen Internetarchiven, stellt ausdrücklich keinen solchen Verstoß dar." Das LG München I stufte dies als unzureichend ein. Durch einen solchen Hinweis werde die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt: "Auch nach Einleitung des Verfahrens durch die Antragstellerin zeigte der Antragsgegner durch sein Verhalten, dass der Antragsteller zu Recht Anlass zu einer gerichtlichen Verfolgung seiner Interessen gesehen hatte. |