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Newsletter vom 19.10.2016 |
Betreff: Rechts-Newsletter 42. KW / 2016: Kanzlei Dr. Bahr |
Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html 1. BGH: Ehrverletzende Äußerungen auf Facebook 3. BGH: Wertersatz, wenn Verbraucher bei Online-Kauf Ware übermäßig benutzt 4. BGH: Beweislast-Umkehr zugunsten des Verbrauchers bei Auto-Kauf 7. OLG Frankfurt a.M.: Keine Rückrufpflicht des Unterlassungsschuldners 8. OLG Hamm: EnEV-Informationspflichten gelten (mittelbar) auch für Makler 10. LG Heidelberg: Werbung mit Netto-Preisen ggü. Verbraucher = Wettbewerbsverstoß |
Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Ehrverletzende Äußerungen auf Facebook
Der BGH hat zum Verletzungsumfang bei ehverletzenden Äußerungen auf Facebook Stellung genommen (BGH, Beschl. v. 16.08.2016 - Az.: VI ZB 17/16). Der Kläger nahm die Beklagte auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen auf ihrem Facebook-Profil in Anspruch. Die Beklagte, Mutter eines zehnjährigen Mädchens, das Mitschülerin des zehnjährigen Klägers war, veröffentlichte auf Facebook einen Beitrag, in welchem sie schrieb, dass ihre Tochter von einem "asozialen Abschaum", an anderer Stelle des Beitrags als "Abschaum Blag" bezeichnet, in der Schule "vermöbelt" worden sei. Gegen diesen Eintrag ging der Kläger vor. Das angerufene Amtsgericht wies den Anspruch ab und setzte den Streitwert auf unter 600,- EUR fest, so dass eine Berufung nicht möglich war. Dies stufte der BGH als unzutreffend ein. Der Streitwert für das Verfahren sei deutlich höher anzusetzen. Die Bedeutung der Sache für den Kläger richte sich nicht allein nach der Breitenwirkung des Facebookeintrags, sondern auch dem (unzutreffenden( Vorwurf einer Gewalttat ("Vermöbeln") und beleidigender Äußerungen ("asozialer Abschaum" etc.). Ein minderjähriges Kindes wie der Kläger habe das Recht auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit und ungestörte kindgemäße Entwicklung. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass ein angeblich harmloser Streit zwischen Kindern zu den unangemessenen und unverhältnismäßigen Äußerungen der Beklagten geführt habe. Aufgrund dieser Umstände sei von einem Streitwert deutlich höher als 600,- EUR auszugehen. zurück zur Übersicht
2. BGH: Notarielle Unterwerfungserklärung nicht ausreichend, um zukünftige Wettbewerbsverstöße zu vermeiden
Die Abgabe einer notariellen Unterwerfungserklärung anstatt der herkömmlichen strafbewehrten Unterlassungserklärung ist nicht ausreichend, um zukünftigte Wettbewerbsverstoß auszuschließen (BGH, Urt. v. 21.04.2016 - Az.: I ZR 100/15). Die gesamte Diskussion, ob notarielle Unterwerfungserklärungen die (wettbewerbsrechtliche) Wiederholungsgefahr ausschließen können, ist noch relativ jung in der Rechtswissenschaft. Bis dato kannte man nur zwei Instrumentarien: Das gerichtliche Verbot (einstweilige Verfügung/Hauptsacheverfahren) oder die außergerichtliche Unterlassungserklärung. Seit ca. zwei Jahren wurde nun auch die notarielle Unterwerfungserklärung in der Praxis ins Spiel gebracht. Siehe dazu auch unsere Anmerkung zum Urteil des LG Köln, Urt. v.23.09.2014 - Az.: 33 O 29/14. Seitdem entschieden die Instanzgerichte recht unterschiedlich und vor allem inhaltlich gegenteilig. Der BGH hat dieser Praxis nun einen Riegel vorgeschoben: Der Gläubiger muss sich auf die notarielle Unterwerfungserklärung nicht einlassen, weil damit viele Rechtsunsicherheiten zu Lasten des Gläubigers verbunden sind (u.a. die gerichtliche Zuständigkeit). Lässt sich der Gläubiger gleichwohl auf eine solche Erklärung, wird die Wiederholungsgefahr erst mit Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses ausgeschlossen und nicht zeitlich vorher.
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Kaum ein Gläubiger wird sich zukünftig auf eine solche Konstellation einlassen, sondern wird stets immer die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangen. zurück zur Übersicht
3. BGH: Wertersatz, wenn Verbraucher bei Online-Kauf Ware übermäßig benutzt
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Verbraucher, der einen im Onlinehandel erworbenen Katalysator in sein Fahrzeug einbaut und anschließend eine Probefahrt unternimmt, nach dem daraufhin erfolgten Widerruf seiner Kauferklärung verpflichtet ist, dem Verkäufer Wertersatz für die bei der zurückgegebenen Sache eingetretene Verschlechterung zu leisten. Der Sachverhalt: Nach Erhalt ließ er den Katalysator von einer Fachwerkstatt in sein Kraftfahrzeug einbauen. Als er nach einer kurzen Probefahrt feststellte, dass der Pkw nicht mehr die vorherige Leistung erbrachte, widerrief er fristgerecht seine auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung und sandte den Katalysator, der nunmehr deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren aufwies, an die Beklagte zurück. Diese teilte ihm daraufhin mit, der Katalysator sei durch die Ingebrauchnahme wertlos geworden, weswegen sie mit einem entsprechenden Wertersatzanspruch aufrechne und den Kaufpreis nicht zurückerstatten werde.
Prozessverlauf: Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises, während die Beklagte mit ihrer Anschlussrevision einen noch höheren Wertverlust des Katalysators berücksichtigt wissen will.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Zwar entspricht es der erklärten Zielsetzung des nationalen und europäischen Gesetzgebers, dass der Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften die Kaufsache vor Entscheidung über die Ausübung seines Widerrufsrechts nicht nur in Augenschein nehmen darf, sondern diese darüber hinaus auch einer Prüfung auf ihre Eigenschaften und ihre Funktionsweise unterziehen kann, ohne eine Inanspruchnahme für einen hieraus resultierenden Wertverlust befürchten zu müssen (§ 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB aF*). Dies dient der Kompensation von Nachteilen aufgrund der dem Verbraucher im Fernabsatz entgehenden Prüfungs- und sonstigen Erkenntnismöglichkeiten, die im stationären Handel gegeben wären. Auch wenn der Kunde im Ladengeschäft die Ware häufig nicht auspacken, aufbauen und ausprobieren kann, stehen ihm dort doch typischerweise Musterstücke sowie Vorführ- und Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich einen unmittelbaren Eindruck von der Ware und ihren Eigenschaften zu verschaffen. Jedoch ist eine Ware, die - wie vorliegend der Katalysator - bestimmungsgemäß in einen anderen Gegenstand eingebaut werden soll, für den Käufer auch im Ladengeschäft regelmäßig nicht auf ihre Funktion im Rahmen der Gesamtsache überprüfbar. Den streitgegenständlichen Katalysator hätte der Kläger im stationären Handel nicht – auch nicht in Gestalt eines damit ausgestatteten Musterfahrzeugs - dergestalt ausprobieren können, dass er dessen Wirkungsweise auf sein oder ein vergleichbares Kraftfahrzeug nach Einbau hätte testen können. Vielmehr wäre der Kläger bei einem Kauf im stationären Handel darauf beschränkt gewesen, das ausgewählte Katalysatormodell oder ein entsprechendes Musterstück eingehend in Augenschein zu nehmen und den Katalysator mit Alternativmodellen oder dem bisher verwendeten Teil zu vergleichen. Darüber hinaus hätte er sich beim Verkaufspersonal gegebenenfalls über die technische Daten des ausgewählten Modells erkundigen und sich über dessen Vorzüge oder Nachteile gegenüber anderen Modellen fachkundig beraten lassen können. Die vom Kläger ergriffenen Maßnahmen gehen über die Kompensation solcher ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im Ladengeschäft hinaus. Sie stellen sich vielmehr als eine – wenn auch nur vorübergehende - Ingebrauchnahme des Katalysators dar, die ihm eine im stationären Handel unter keinen Umständen eröffnete Überprüfung der konkreten Auswirkungen des erworbenen Autoteils auf die Fahrweise seines Fahrzeugs in der Praxis verschaffen sollte. Eine solche Besserstellung des Verbrauchers im Onlinehandel ist weder vom nationalen noch vom europäischen Gesetzgeber beabsichtigt. Für die eingetretenen Verschlechterungen stünde der Beklagten deshalb ein Wertersatzanspruch gegen den Kläger zu, falls – was bislang noch nicht festgestellt ist – auch die Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF** erfüllt wären. Aus diesen Gründen hat der Senat hat das Berufungsurteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Grenzen des ihm wertersatzfrei zuzubilligenden Prüfungsrechts überschritten hat. Jedoch fehlen bislang Feststellungen dazu, ob der Kläger bereits bei Vertragsschluss - was das Gesetz in § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB aF** für einen Wertersatzanspruch des Verkäufers voraussetzte - spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf die Rechtsfolge einer möglichen Wertersatzverpflichtung hingewiesen worden war.
Vorinstanzen: Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 12.10.2016
(in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung) zurück zur Übersicht
4. BGH: Beweislast-Umkehr zugunsten des Verbrauchers bei Auto-Kauf
Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Reichweite der Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB* beim Verbrauchsgüterkauf beschäftigt.
Der Sachverhalt:
Prozessverlauf: Zwar seien die aufgetretenen Symptome nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen auf eine zwischenzeitlich eingetretene Schädigung des Freilaufs des hydrodynamischen Drehmomentwandlers zurückzuführen. Auch sei es grundsätzlich möglich, dass der Freilauf schon bei der Übergabe des Fahrzeugs mechanische Veränderungen aufgewiesen habe, die im weiteren Verlauf zu dem eingetretenen Schaden geführt haben könnten. Nachgewiesen sei dies jedoch nicht. Vielmehr komme als Ursache auch eine Überlastung des Freilaufs, mithin ein Bedienungsfehler des Klägers nach Übergabe in Betracht. Bei einer solchen Fallgestaltung könne sich der Kläger nicht auf die zugunsten eines Verbrauchers eingreifende Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB* berufen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründe diese Vorschrift lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dahin, dass ein innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang aufgetretener Sachmangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen habe. Sie gelte dagegen nicht für die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliege. Wenn daher - wie hier - bereits nicht aufklärbar sei, dass der eingetretene Schaden auf eine vertragswidrige Beschaffenheit des Kaufgegenstands zurückzuführen sei, gehe dies zu Lasten des Käufers. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die mit diesem Urteil durch den Gerichtshof erfolgte Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie**, der durch § 476 BGB* in nationales Recht umgesetzt wurde, gebietet es, im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB* den Anwendungsbereich dieser Beweislastumkehrregelung zugunsten des Verbrauchers in zweifacher Hinsicht zu erweitern. Dies betrifft zunächst die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Käufers hinsichtlich des - die Voraussetzung für das Einsetzen der Vermutungswirkung des § 476 BGB bildenden - Auftretens eines Sachmangels innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang. Anders als dies der bisherigen Senatsrechtsprechung zu § 476 BGB entspricht, muss der Käufer nach Auffassung des Gerichtshofs im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchgüterkaufrichtlinie** weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist. Vielmehr hat er lediglich darzulegen und nachzuweisen, dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte. In richtlinienkonformer Auslegung des § 476 BGB* lässt der Senat nunmehr die dort vorgesehene Vermutungswirkung bereits dann eingreifen, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine "Mangelerscheinung") gezeigt hat, der - unterstellt er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand - dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer fortan weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt. Außerdem ist im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB* die Reichweite der dort geregelten Vermutung um eine sachliche Komponente zu erweitern. Danach kommt dem Verbraucher die Vermutungswirkung des § 476 BGB* fortan auch dahin zugute, dass der binnen sechs Monate nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Damit wird der Käufer - anders als bisher von der Senatsrechtsprechung gefordert - des Nachweises enthoben, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat. Folge dieser geänderten Auslegung des § 476 BGB* ist eine im größeren Maß als bisher angenommene Verschiebung der Beweislast vom Käufer auf den Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf. Der Verkäufer hat den Nachweis zu erbringen, dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung, bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe - zumindest ein in der Entstehung begriffener - Sachmangel vorgelegen, nicht zutrifft. Er hat also darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war, weil sie ihren Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und ihm damit nicht zuzurechnen ist. Gelingt ihm diese Beweisführung - also der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen - nicht hinreichend, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB* auch dann ein, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist, also letztlich ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel vorlag. Daneben verbleibt dem Verkäufer die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB* ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen sei, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar sei (§ 476 BGB am Ende*). Auch kann der Käufer im Einzelfall gehalten sein, Vortrag zu seinem Umgang mit der Sache nach Gefahrübergang zu halten. Der Senat hat nach alledem das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Insbesondere wird dieses unter Anwendung der sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB* ergebenden neuen Grundsätze zur Beweislastverteilung zu prüfen haben, ob der Beklagten der Nachweis gelungen ist, dass der akut aufgetretene Schaden am Freilauf des Drehmomentwandlers zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auch nicht im Ansatz vorlag, sondern auf eine nachträgliche Ursache (Bedienungsfehler) zurückzuführen ist.
Vorinstanzen: Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 12.10.2016
** Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter Art. 5 Fristen zurück zur Übersicht
5. OVG Berlin-Brandenburg: Bundestag muss Journalisten Auskunft über Sachleistungskonsum von Bundestagsabgeordneten geben
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat heute in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren entschieden, dass der Deutsche Bundestag verpflichtet ist, einem Pressevertreter Auskunft über die Namen von sechs Abgeordneten des 16. Deutschen Bundestages zu geben, die im Jahr 2009 neun oder mehr Montblanc-Schreibgeräte über ihr Sachleistungskonto erworben haben. Damit hat es einen entsprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt. Die Bundestagsabgeordneten haben die Möglichkeit, für einen Betrag von bis zu 12.000 EUR pro Jahr Gegenstände für den Büro- und Geschäftsbedarf anzuschaffen. Zu diesem Zweck hat die Bundestagsverwaltung für alle Abgeordneten ein Sachleistungskonto eingerichtet. Dem Antragsteller, einem Journalisten, hatte die Bundestagsverwaltung auf dessen Anfrage hin eine anonymisierte Liste über Abgeordnete, die im Jahr 2009 jeweils neun oder mehr Montblanc-Schreibgeräte bestellt und abgerechnet haben, zur Verfügung gestellt, nicht jedoch die Namen der Abgeordneten mitgeteilt. Dem Auskunftsanspruch stehen nach Ansicht des 6. Senats die Interessen der sechs Abgeordneten am Schutz ihrer personenbezogenen Daten nicht entgegen, weil bei ihnen konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch bei der Abrechnung vorliegen, die die Bundestagsverwaltung nicht entkräftet hat. Einzelne Abgeordnete haben die Anschaffungen in zeitlicher Nähe zum Ablauf der Legislaturperiode getätigt, obwohl bereits feststand, dass sie aus dem Bundestag ausscheiden. Teilweise spricht auch die Anzahl der erworbenen Montblanc-Schreibgeräte innerhalb eines begrenzten Zeitraums für einen möglichen Missbrauch. Ob der/die Abgeordnete selbst oder ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin für die Bestellungen verantwortlich ist, ist für den presserechtlichen Auskunftsanspruch unerheblich. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der/die Abgeordnete irrtümlich davon ausgegangen ist, dass sich das Recht zu derartigen Bestellungen aus dem Sachleistungskonto auch auf die Ausstattung des jeweiligen Wahlkreisbüros erstreckt. Der Beschluss ist unanfechtbar. Beschluss vom 11. Oktober 2016 – OVG 6 S 23.16 - Quelle: Pressemitteilung des OVG Berlin-Brandenburg v. 11.10.2016 zurück zur Übersicht
6. OLG Frankfurt a.M.: Äußerungen im Rahmen einer Streitwertbeschwerde sind keine Wettbewerbshandlungen
Erklärungen, die im Rahmen einer gerichtlichen Streitwertbeschwerde gemacht werden, sind keine Wettbewerbshandlungen, da nur die Prozessbeteiligten Kenntnis vom Inhalt erhalten und somit kein Öffentlichkeitsbezug gegeben ist (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 22.09.2016 - Az.: 6 W 88/16). Es ging bei der Auseinandersetzung um schriftliche Erklärungen, die die Beklagte im Rahmen einer Streitwertbeschwerde bei einer anderen gerichtlichen Auseinandersetzung abgegeben hatte. Die Klägerin sah darin eine Herabsetzung ihres Unternehmens und begehrte Unterlassung. Das OLG Frankfurt a.M. verneinte eine Wettbewerbshandlung. Da von dem Schriftsatz lediglich das Gericht und die Parteien Kenntnis erhalten hätten, fehle es am erforderlichen Marktbezug. Ein Marktbezug liege immer dann vor, wenn die Handlung auf die Marktteilnehmer (z.B. Mitbewerber und Verbraucher) einwirken und damit das Marktgeschehen beeinflussen könne. Dies sei hier nicht der Fall, da die Öffentlichkeit über den Inhalt nicht informiert worden sei. zurück zur Übersicht
7. OLG Frankfurt a.M.: Keine Rückrufpflicht des Unterlassungsschuldners
Ein Unterlassungsschuldner, dem der Vertrieb bestimmter Waren verboten ist, ist nicht verpflichtet, diese Produkte von Händlern, die nicht in seine Vertriebsstruktur eingegliedert sind, zurückzurufen (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 19.09.2016 - Az.: 6 W 74/16). Dem Schuldner wurde gerichtlich der Vertrieb einer bestimmter Ware untersagt. Als die Produkte teilweise bei Händlern noch zum Verkauf standen, beantragte der Gläubiger die Verhängung eines Ordnungsmittels. Der Schuldner sei verpflichtet gewesen, so der Gläubiger, die bereits ausgelieferte Ware zurückzurufen. Da er dies unterlassen habe, liege eine Verletzung des gerichtlichen Verbots vor. Das OLG Frankfurt a.M. schloss sich dieser Meinung nicht an. Zwar müsse der Schuldner eines gerichtlichen Verbots alles unternehmen, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar sei, um künftige Verletzungen zu verhindern. Es sei zwischen den Oberlandesgerichten umstritten, ob ein Vertriebsverbot im Regelfall auch die Obliegenheit umfasse, bereits ausgelieferte Ware vom Großhandel zurückzurufen. Die Frankfurter Richter verneinen eine solche Pflicht. Der Großhandel, der nicht in die Vertriebsstruktur der Schuldnerin eingebunden sei, sei ein unbeteiligter Dritter. Für das Handeln eines Dritten habe der Schuldner aber grundsätzlich nicht einzustehen, so dass ihn auch keine Pflicht zum Rückruf treffe. zurück zur Übersicht
8. OLG Hamm: EnEV-Informationspflichten gelten (mittelbar) auch für Makler
Wichtig für alle Geschäftsleute, die Immobilienanzeigen veröffentlichen: Wettbewerbswidrig handelt, wer als Verkäufer, Vermieter oder Verpächter zu einer Immobilie mit Energieausweis eine Immobilienanzeige ohne die gemäß § 16a Energieeinsparverordnung (EnEV) erforderlichen Pflichtangaben veröffentlicht. Aber auch Maklern kann zu untersagen sein, Anzeigen für Mietwohnungen ohne die Angaben zur Art des Energieausweises und zu dem im Energieausweis genannten Baujahr zu veröffentlichen oder Verkaufsanzeigen ohne die Angabe zum wesentlichen Energieträger. Das folgt aus zwei Urteilen des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 04.08.2016 (Az. 4 U 137/15) und vom 30.08.2015 (Az. 4 U 8/16). Der klagende Umwelt- und Verbraucherschutzverein aus Radolfzell nimmt einen Makler aus Rheda-Wiedenbrück (im Verfahren 4 U 137/15) und eine u.a. als Maklerin tätige Firma aus Münster (im Verfahren 4 U 8/16) auf Unterlassung von - aus seiner Sicht - wettbewerbswidrigen, weil den Informationspflichten aus § 16a EnEV nicht genügenden Immobilienanzeigen in Anspruch. Der beklagte Makler aus Rheda-Wiedenbrück veröffentlichte im Januar 2015 in der "Neuen Westfälischen" eine Anzeige zur Vermietung einer 3-Zimmer-Wohnung in Gütersloh, ohne die Art des Energieausweises und das im Energieausweis genannte Baujahr anzugeben. Die beklagte Firma aus Münster bewarb im April 2015 in den "Westfälischen Nachrichten" den Verkauf eines Zweifamilienhauses in Gelmer und die Vermietung einer Eigentumswohnung ohne Angaben zum wesentlichen Energieträger der Gebäude. Bei der Veröffentlichung der Anzeigen lag - nach dem Vortrag der Parteien bzw. den Feststellungen des Senats - zu den beworbenen Immobilien jeweils ein Energieverbrauchsausweis vor. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche waren, so die Entscheidungen des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm, begründet. Die in Frage stehenden Immobilienanzeigen genügten nicht den Anforderungen der EnEV, weil - wie vom Kläger zu Recht beanstandet - die in § 16a EnEV genannten Pflichtangaben fehlten. Zwar müsse ein Wettbewerbsverstoß der Makler, so der Senat, nicht unmittelbar daraus folgen, dass sie der Informationsverpflichtung des § 16a EnEV nicht genügt hätten. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung treffe die Informationspflicht nur den Verkäufer, den Vermieter, den Verpächter bzw. den Leasingeber. Ob die Regelung auch auf den im Gesetz nicht genannten Makler anzuwenden sei, sei höchstrichterlich noch nicht geklärt. Diese Frage müsse auch im vorliegenden Fall vom Senat nicht abschließend beantwortet werden. Das Veröffentlichen der Immobilienanzeigen sei vielmehr aufgrund der Regelung in § 5a Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) als wettbewerbswidriges Verhalten der Makler zu bewerten. Es sei wettbewerbswidrig, weil den Verbrauchern in den Anzeigen eine wesentliche Information vorenthalten werde, die sie benötigten, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können und deren Vorenthalten geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die in den Anzeigen - entgegen der Vorschrift des EnEV - nicht angegebenen Informationen seien für den Verbraucher wesentlich. Das folge aus der Abwägung seiner Informationsinteressen mit dem Interesse des Maklerunternehmens, die Information nicht zu erteilen. Letzteres sei in den zu beurteilenden Fällen nicht schutzwürdig, zudem hätten die Informationen ohne unzumutbare Mehrkosten in der Immobilienanzeige mitgeteilt werden können. Urteile des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 04.08.2016 (Az. 4 U 137/15) und vom 30.08.2016 (Az. 4 U 8/16). Der 4. Zivilsenat hat in beiden Fällen die Revision zugelassen. Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 11.10.2016 zurück zur Übersicht
9. LG Dresden: Fehlender Hinweis auf OS-Schlichtungsplattform bei Amazon-Händler angeblich keine Wettbewerbsverletzung
Nach Meinung des LG Dresden (Urt. v. 16.09.2016 - Az.: 42 HK O 70/16 EV) sind Amazon-Händler nicht verpflichtet, ihre Käufer auf die europäische OS-Schlichtungsplattform hinzuweisen. Vielmehr trifft eine solche Pflicht lediglich Amazon selbst. Ab dem 9. Januar 2016 gibt es eine neue Informationspflicht für Online-Händler. Diese trifft eine Hinweis- und Verlinkungspflicht auf eine europäische Schlichtungsplattform. Wir hatten über dieses Thema hier und hier ausführlich berichtet. Abgemahnt wurde nun ein Amazon-Händler, weil er im Rahmen seines Angebots nicht diesen Hinweispflichten nach kam. Das LG Dresden war der Ansicht, dass diese Pflicht nur den Plattformbetreiber, also Amazon selbst, treffe, aber nicht den einzelnen Händler, der dort anbiete: Was unter Webseite im Sinne der EU-Verordnung zu verstehen sei, so das Gericht, erschließe sich nicht aus dem Wortlaut der Regelung. Aus den Erwägungen lasse sich hierzu nichts entnehmen. Unter Webseite verstehe man gemeinhin eine vom Händler selbst gestaltete Webseite. Soweit Online-Händler ihr Angebot auf einem Online-Marktplatz wie Amazon einstellten, liege somit keine eigene Webseite vor. Daher sei ein Amazon-Händler nicht zur Angabe verpflichtet, sondern lediglich Amazon selbst.
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Auch wenn bereits vielfach mit der Entscheidung geworben und sie teilweise als bahnbrechend und sensationell verkauft wird, kann nur dringend davor gewarnt werden, sie ernst zu nehmen. Der Wortlaut von Art. 14 Abs.1 EU-VO lautet nämlich: "Artikel 14: Information der Verbraucher Die Norm verpflichtet somit sowohl Unternehmer als auch Online-Plattformen. Damit ist klar geregelt, dass in beiden Fällen eine Hinweispflicht besteht. Es kann daher nur dringend abgeraten werden, sich im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung auf die Rechtsansicht des LG Dresden zu verlassen. zurück zur Übersicht
10. LG Heidelberg: Werbung mit Netto-Preisen ggü. Verbraucher = Wettbewerbsverstoß
Wer gegenüber Verbrauchern mit Netto-Preisen wirbt, verstößt gegen § 1 PAngVO (LG Heidelberg, Urt. v. 12.08.2016 - Az.: 3 O 149/16). Das verklagte Speditions-Unternehmen hatte im Rahmen seiner Werbung angegeben: "Die angegebenen Preise verstehen sich als Netto-Preise, zuzüglich der derzeit gültigen gesetzlichen Mehrwertsteuer." Dies stufte das Gericht als Verletzung des § 1 PAngVO ein. Das Gesetz schreibe klar vor, dass derjenige Unternehmer, der gegenüber Verbrauchern mit Preisen werbe, die Brutto-Preise inklusive Mehrwertsteuer angeben müsse. Auch wenn möglicherweise kein Gesamtpreis im voraus gebildet werden könne, so müssten die einzelnen Preisbestandteile in jedem Fall inklusive der Mehrwertsteuer benannt werden und nicht ohne. zurück zur Übersicht
11. LAG Stuttgart: Wettbewerbsverletzung durch Angestellten erlaubt nicht Detektiv-Einsatz des Arbeitgebers
Begeht ein Mitarbeiter eine Wettbewerbsverletzung und arbeitet heimlich für einen Mitbewerber, so rechtfertigt dies nur in eng bestimmten Ausnahmefällen, dass der Arbeitgeber einen Privatdetektiv einschaltet und den Mitarbeiter beobachtet (LAG Stuttgart, Urt. v. 20.07.2016 - Az.: 4 Sa 61/15). Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber einen Privatdetektiv beauftragt, um nachzuweisen, dass einer seiner Mitarbeiter heimlich für einen Mitbewerber arbeitete. Im Verlauf des gerichtlichen Kündigungsprozesses legte der Arbeitgeber entsprechende Nachweise vor. Das Gerichte lehnte diese Beweis ab, da sie nicht verwertbar seien. Nur in eng bestimmten Ausnahmefällen sei es einem Arbeitgeber erlaubt, einen privaten Ermittler einzuschalten. Dies sei u.a. dann möglich, wenn der Verdacht auf Straftaten bestünde. Ein solcher Verdacht habe im vorliegenden Fall jedoch von vornherein nicht bestanden. denn der Arbeitnehmer beziehe kein Arbeitslohn mehr, sondern nur noch Krankengeld von der Krankenkasse. Insofern könnte kein Betrug gegenüber dem Arbeitgeber vorliegen. Der mögliche Betrug gegenüber der Krankenkasse liege außerhalb des Arbeitsverhältnisses und könne daher nicht als Rechtfertigungsgrund für den Detektiv-Einsatz herangezogen werden. Auch vorsätzliche Wettbewerbsverletzungen rechtfertigten nicht den Einsatz heimlicher Ermittler. Die gesetzliche Regelung in § 32 BDSG sei eindeutig und erlaube dies nur in absoluten Ausnahmefällen. |